Urteil vom Amtsgericht Nürtingen - 11 C 2077/10

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des seitens des Beklagten beizutreibenden Betrages abzuwenden, es sei denn, der Beklagte leistet vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe.

Streitwert: 2.446,- EUR.

Tatbestand

 
Mit der am 09.11.2010 beim Amtsgericht Nürtingen eingegangenen Klage verlangt der am … 1941 geborene Kläger von dem Beklagten die Erstattung eines Reisepreises in Höhe von 2.446,- EUR, den der Kläger für eine geplante Flugreise vom 26.11.2009 ab Stuttgart-Flughafen für sich, seine Ehefrau und seinen Sohn nebst Aufenthalt in zwei Hotels gebucht hatte.
Der Flug sollte am 26.11.2009 gegen 09.00 Uhr unter der Flugnummer … ab Flughafen Stuttgart beginnen.
Der Beklagte war Mitreisender in dem Flugzeug. Während der Sicherheitsdemonstration durch die Besatzung, so der Vortrag des Klägers, betätigte der Beklagte die Funktion des Notausstieges.
Der Öffnungsmechanismus des Notausstieges und die Notrutsche wurden aktiviert. Der Abflug des Flugzeuges verzögerte sich deshalb um ca. 5 ½ Stunden.
Über diesen Vorgang regte sich der Kläger sehr auf, was zu Herzbeschwerden führte, die dann die bei ihm eingetretene Fluguntauglichkeit nach sich zogen.
Der Kläger, dessen Ehefrau und der Sohn, nahmen gemeinsam Abstand von der Reise. Der Kläger steht auf dem Standpunkt, dass er den gesamten Reisepreis nutzlos aufgewandt hat.
Vorgerichtliche Anmahnungen an den Beklagten, den eingeklagten Betrag zu bezahlen, blieben ohne Erfolg.
Der Kläger hat beantragt, wie folgt für Recht zu erkennen:
1. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.446,- EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 05.06.2010 zu bezahlen.
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2. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger außergerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 272,86 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten hieraus über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
11 
Der Beklagte hat
12 
Klageabweisung beantragt.
13 
Er hat sich ausführlich darüber erklärt, wie es zum Auslösen der Notrutsche gekommen sei, vgl. Bl. 20/21 d. Gerichtsakten.
14 
Bereits in der einleitenden Verfügung vom 10.11.2010 hat das Gericht folgenden Hinweis erteilt:
15 
„Nach der vorläufigen Auffassung des Gerichts ist der Sachvortrag in der Klageschrift nicht geeignet, dem Kläger den geltend gemachten Schadenersatzanspruch zuzuerkennen. Unter dem Gesichtspunkt der §§ 823 Abs. I, 823 Abs. II BGB fehlt es am Zurechnungszusammenhang (Schutzzweck der Norm) zwischen dem dem Beklagten zugeschriebenen Tun und den Herzbeschwerden des Klägers, vgl. Palandt BGB, 69. Auflage, Vorbemerkung vor § 249,
16 
Rd.Nr. 34 ff., insbesondere 38.
17 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
18 
Die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet, da unschlüssig.
19 
Im Sinne der Äquivalenztheorie (Gleichwertigkeit aller in Betracht kommender Ursachen) war zwar das Handeln des Beklagten für die Aufregung des Klägers kausal, aber bereits bei der die Haftung begrenzenden Adäquanzbetrachtung ist problematisch, ob im Alltag ein unvorsichtig Handelnder damit rechnen muss, dass allein das Handeln des Beklagten und das Betroffensein des Klägers als Mitreisender, hier: Verzögerung des Fluges um 5 ½ Stunden, nach der allgemeinen Lebenserfahrung nahe legt, dass ein Mensch sich über diesen Vorgang so aufregt, dass er fluguntauglich wird.
20 
Das Gericht hat hieran große Zweifel.
21 
Bei der weiteren, die Haftung begrenzenden, wertenden Betrachtung, nämlich ob ein Zurechnungszusammenhang zwischen dem fahrlässigen Hantieren des Beklagten in der Nähe des Auslösungsmechanismusses der Notrutsche und der daran anschließenden Gesundheitsverschlechterung des Klägers besteht, ist festzustellen, dass das Jedermann einsichtige Verbot, sich nicht mit dem Auslösungsmechanismus hantierend zu beschäftigen, bevor ein Notfall eingetreten ist, nicht den Schutz bezweckt, einen unter einem labilen Gesundheitszustand leidenden Mitreisenden (was die anderen Mitreisenden nicht wissen) davor zu bewahren, dass der Mitreisende sich über dieses Tun aufregt und keinerlei Herzbeschwerden erleidet.
22 
Würde das Gericht die von dem Kläger gewünschte Haftung bejahen, würde die dem deutschen Schadensrecht eigene Begrenzung der erstattungsfähigen Schäden aufgebrochen, die Haftung jedes Einzelnen bei fahrlässigem Handeln in Alltagssituationen würde ins Unermessliche steigen.
23 
Nach allem war mithin die Klage mangels Schlüssigkeit abzuweisen.
24 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit stützt sich auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Gründe

 
18 
Die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet, da unschlüssig.
19 
Im Sinne der Äquivalenztheorie (Gleichwertigkeit aller in Betracht kommender Ursachen) war zwar das Handeln des Beklagten für die Aufregung des Klägers kausal, aber bereits bei der die Haftung begrenzenden Adäquanzbetrachtung ist problematisch, ob im Alltag ein unvorsichtig Handelnder damit rechnen muss, dass allein das Handeln des Beklagten und das Betroffensein des Klägers als Mitreisender, hier: Verzögerung des Fluges um 5 ½ Stunden, nach der allgemeinen Lebenserfahrung nahe legt, dass ein Mensch sich über diesen Vorgang so aufregt, dass er fluguntauglich wird.
20 
Das Gericht hat hieran große Zweifel.
21 
Bei der weiteren, die Haftung begrenzenden, wertenden Betrachtung, nämlich ob ein Zurechnungszusammenhang zwischen dem fahrlässigen Hantieren des Beklagten in der Nähe des Auslösungsmechanismusses der Notrutsche und der daran anschließenden Gesundheitsverschlechterung des Klägers besteht, ist festzustellen, dass das Jedermann einsichtige Verbot, sich nicht mit dem Auslösungsmechanismus hantierend zu beschäftigen, bevor ein Notfall eingetreten ist, nicht den Schutz bezweckt, einen unter einem labilen Gesundheitszustand leidenden Mitreisenden (was die anderen Mitreisenden nicht wissen) davor zu bewahren, dass der Mitreisende sich über dieses Tun aufregt und keinerlei Herzbeschwerden erleidet.
22 
Würde das Gericht die von dem Kläger gewünschte Haftung bejahen, würde die dem deutschen Schadensrecht eigene Begrenzung der erstattungsfähigen Schäden aufgebrochen, die Haftung jedes Einzelnen bei fahrlässigem Handeln in Alltagssituationen würde ins Unermessliche steigen.
23 
Nach allem war mithin die Klage mangels Schlüssigkeit abzuweisen.
24 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit stützt sich auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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