Beschluss vom Amtsgericht Paderborn - 87 F 1/14
Tenor
Das Urteil des Amtsgerichts Paderborn vom 4.04.2000, Az. 8 F 355/99, wird im Hinblick auf den Versorgungsausgleich wie folgt abgeändert:
Im Wege der externen Teilung wird zu Lasten des Anrechts des Antragstellers bei der T (Vers. Nr. …) zugunsten der Antragsgegnerin ein Anrecht in Höhe von 783,89 Euro monatlich auf das vorhandene Konto … bei der E, bezogen auf den 30. 11. 1999, begründet. Der Ausgleichswert ist in Entgeltpunkte umzurechnen. Im Wege der internen Teilung wird zu Lasten des Anrechts der Antragsgegnerin bei der E (Vers. Nr. …) zugunsten des Antragstellers ein Anrecht in Höhe von 5,3553 Entgeltpunkten auf ein zu begründendes Konto bei der E, bezogen auf den 30. 11. 1999, übertragen. Ein Ausgleich des Anrechts der Antragsgegnerin bei der L (Vers. Nr. …) findet nicht statt. |
Die Gerichtskosten haben die Beteiligten zu gleichen Teilen zu tragen.
Die außergerichtlichen Kosten hat jeder Beteiligte selbst zu tragen.
Eine Erstattung außergerichtlicher Auslagen findet nicht statt.
Der Verfahrenswert wird auf 2.537,10 Euro festgesetzt.
1
Gründe
2Die Antragstellerin begehrt die Abänderung eines Versorgungsausgleichs aus dem Jahre 2000.
3Die am … zwischen I und U geschlossene Ehe wurde durch Entscheidung des Amtsgerichts Paderborn vom … rechtskräftig geschieden. Im Rahmen des Versorgungsausgleichs wurden zu Lasten der für den Ehemann bestehenden Versorgungsanwartschaften bei der U Rentenanwartschaften im Wert von 1.363,27 DM monatlich auf dem Rentenkonto der Antragstellerin bei der C begründet. Der Monatsbetrag der zu begründenden Rentenanwartschaften sollte in Entgeltpunkte umgerechnet werden. Im Rahmen der Berechnung im Urteil wurde eine Anwartschaft auf ein Ruhegehalt des Ehemannes von 3.249,91 DM gemäß der Auskunft der L vom 26.01.2000 zugrundegelegt.
4I ist zum … als Beamter der T in den Ruhestand versetzt worden. Bei der Ermittlung des Versorgungsausgleichsbetrages wurde festgestellt, dass die damalige Auskunft der L-Beamtenversorgung fehlerhaft war. Das Ruhegehalt wurde nicht auf Grundlage von 75 % der ruhegehaltsfähigen Dienstbezüge festgesetzt, sondern fehlerhafterweise in Höhe von 100 % der ruhegehaltsfähigen Dienstbezüge. Dadurch ist der Ausgleichsbetrag zu Lasten des Ehemannes zu hoch berechnet worden.
5Die Antragstellerin ist der Ansicht, der Versorgungsausgleich sei nach § 51 VersAusglG i.V.m. § 225 Abs. 2, 3 FamFG abzuändern, da eine rechtliche Änderung nach dem Ende der Ehezeit vorliege, die auf den Ausgleichswert zurückwirke und zu einer wesentlichen Wertänderung führe. Der v.H.-Satz der Sonderzahlung sei von 89,79 v.H. des Ruhegehalts sei auf 22,00 v.H. gesunken. Zusätzlich sei der Ruhegehaltssatz von 75,00 v.H. auf 71,75 v.H. abgeschmolzen. Darüber hinaus sei das Urteil vom 4.04.2000 in Hinblick auf die fehlerhafte Berechnung der L nach § 42 FamFG zu berichtigen. Es müsse möglich sein, Gerichtsentscheidungen, die auf einer fehlerhaften Berechnung beruhen und die eindeutig zum Nachteil des Verpflichteten getroffen wurden, abzuändern. Richtigerweise sei von einem Ausgleichswert von 2.209,26 Euro auszugehen.
6Die Antragsgegnerin beantragt, den Antrag zurückzuweisen. Ein Abänderungsgrund liege nicht vor.
7I hat sich den Ausführungen der Antragstellerin angeschlossen.
8Der Abänderungsantrag hat teilweise Erfolg.
9Die Entscheidung zum Versorgungsausgleich im Scheidungsurteil vom … ist gem. § 51 VersAusglG i.V.m. § 225 Abs. 2, 3 FamFG abzuändern. Es liegt eine rechtliche Veränderung nach dem Ende der Ehezeit vor, die auf den Ausgleichswert des Anrechts bei der l zurückwirkt und zu einer wesentlichen Wertänderung führt. Statt eines Ehezeitanteils vom 3.249,91 DM, der im Urteil vom … zugrundegelegt wurde, ist bei der neuen Berechnung zum Versorgungsausgleich von einem Ehezeitanteil von 3.066,29 DM auszugehen. Die Reduzierung beruht darauf, dass zum einen der v.H.-Satz der Sonderzahlung von 89,79 v.H. auf 22,00 v.H. abgeschmolzen wurde und zum anderen der Ruhegehaltssatz von 75,00 v.H. auf 71,75 v.H. gesunken ist. Dies geht aus der Neuberechnung der L vom 26.03.2014 hervor, die nachvollziehbar und schlüssig ist.
10Die nachträgliche Wertänderung ist auch wesentlich gem. § 225 Abs. 3 FamFG, da sie mindestens 5 Prozent des bisherigen Ausgleichswerts von 1.624,96 DM beträgt. Der Ausgleichswert beläuft sich nach der Neuberechnung auf 1.533,15 DM und liegt damit über der Wesentlichkeitsgrenze. Zusätzlich beträgt die Wertänderung auch mehr als 1 % des Rentenbetrages.
11In der Neuberechnung des Anrechts des Ehemannes bei der l ist allerdings weiterhin ein monatliches Ruhegehalt von 6.309,50 DM zugrunde zu legen, was der Höhe der monatlichen Dienstbezüge zu 100 % entspricht. Eine Korrektur der ursprünglichen falschen Berechnung aus dem Jahre 2000 ist demnach nicht vorzunehmen.
12Nach der Rechtsprechung eröffnen bloße Rechen- oder Rechtsanwendungsfehler im Ausgangsverfahren keine Abänderungsmöglichkeit nach § 51 VersAusglG. Anrechte, die bei der Durchführung des Versorgungsausgleichs im Ausgangsverfahren übersehen, vergessen oder verschwiegen wurden, können nicht im Wege des Abänderungsverfahrens nach § 51 VersAusglG nachträglich ausgeglichen werden (vgl. BGH, FamRZ 2013, 1548; FamRZ 2013, 1642; OLG Nürnberg FamRZ 2013, 1583).
13Das auf der fehlerhaften Berechnung der l beruhende Urteil des Amtsgerichts Paderborn vom … ist mit Ablauf der Berufungsfrist in formelle und materielle Rechtskraft erwachsen. Eine spätere Korrektur der Ausgangsentscheidung im Rahmen des Abänderungsverfahrens nach § 51 VersAusglG würde zu einer Durchbrechung der Rechtskraft führen. Die Möglichkeit einer Abänderung besteht nach § 51 VersAusglG jedoch nur für den Fall, dass sich die Anrechte der Ehegatten nach der Scheidung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen bis zum Eintritt des Versorgungsfalls wesentlich verändern. Ein darüber hinausgehendes gesondertes Abänderungsverfahren zur Korrektur von Fehlern der Ausgangsentscheidung steht nach der gesetzlichen Neuregelung im Jahre 2009 nicht mehr zur Verfügung.
14Demnach kann die Entscheidung zum Versorgungsausgleich nur insofern nach § 51 VersAusglG abgeändert werden, als dass nachträgliche rechtliche Veränderungen wie hier im Besoldungsrecht berücksichtigt werden (s.o.). Eine Korrektur der falschen Ausgangsberechnung ist nicht mehr möglich.
15Eine Abänderungsmöglichkeit kann auch nicht aus § 42 FamFG hergeleitet werden. Danach sind Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten im Beschluss jederzeit vom Gericht auch von Amts wegen zu berichtigen.
16Eine Anwendung dieser allgemeinen Vorschrift würde jedoch zur Umgehung der spezielleren Vorschriften in § 225 FamFG und § 51 VersAusglG führen.
17Nach dem Willen des Gesetzgebers sollte auch im Versorgungsausgleichsverfahren über die Möglichkeit des regulären Rechtsmittelverfahrens hinaus kein allgemeines, die Rechtskraft durchbrechendes Korrekturverfahren vorgesehen werden (BT-Drucks. 16/10144 S.96 unter Bezugnahme auf den Abschlussbericht der Kommission "Strukturreform des Versorgungsausgleichs", S. 98f.). Die grundsätzliche Rechtsbeständigkeit rechtskräftiger Entscheidungen folgt aus dem Prinzip der Rechtssicherheit, welches wiederum ein wesentlicher Bestandteil des Rechtsstaatsprinzips ist (BVerfG NJW 1963, 851).
18Eine absolute Fehlerkorrektur bei der Entscheidung zum Versorgungsausgleich aus dem Jahre 2000 kommt damit nicht in Betracht. Bei der Neuberechnung der l nach dem Versorgungsausgleichsgesetz ist deshalb der alte Fehler (volle Dienstbezüge statt 71,75 Ruhegehaltssatz) weiterhin zugrunde zulegen. Da allerdings auch ohne Fehlerkorrektur eine wesentliche nachträgliche Wertänderung gem. § 225 VersAusglG vorliegt, führt diese zu einer Abänderung der Entscheidung im tenorierten Umfang.
19Der Versorgungsausgleich ist somit im Hinblick auf § 51 VersAusglG wie folgt neu zu berechnen:
20Anfang der Ehezeit: …
21Ende der Ehezeit: …
22Ausgleichspflichtige Anrechte
23In der Ehezeit haben die beteiligten Ehegatten folgende Anrechte erworben:
24Der Antragsteller:
25Beamtenversorgung
261. Bei der T hat der Antragsteller ein Anrecht mit einem Ehezeitanteil von 3.066,29 DM oder 1.567,77 Euro monatlich erlangt. Es handelt sich dabei um eine Beamtenversorgung, welche die interne Teilung nicht eingeführt hat und die deshalb gem. § 16 VersAusglG durch externe Teilung in die gesetzliche Rentenversicherung auszugleichen ist. Der Ausgleichswert beträgt 1.533,15 DM oder 783,89 Euro. Der korrespondierende Kapitalwert nach § 47 VersAusglG beträgt 328.631,51 DM oder 168.026,62 Euro.
27Die Antragsgegnerin:
28Gesetzliche Rentenversicherung
292. Bei der E hat die Antragsgegnerin ein Anrecht mit einem Ehezeitanteil von 10,7106 Entgeltpunkten erlangt. Der Versorgungsträger hat gem. § 5 Abs.3 VersAusglG vorgeschlagen, den Ausgleichswert mit 5,3553 Entgeltpunkten zu bestimmen. Der korrespondierende Kapitalwert nach § 47 VersAusglG beträgt 55.432,66 DM oder 28.342,27 Euro.
30Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes
31(2600,98 Euro = 5.087,07 DM)
323. Bei der L hat die Antragsgegnerin ein Anrecht mit einem Ehezeitanteil von 17,76 Versorgungspunkten erlangt. Der Versorgungsträger hat gem. § 5 Abs.3 VersAusglG vorgeschlagen, den Ausgleichswert mit 6,12 Versorgungspunkten zu bestimmen. Der korrespondierende Kapitalwert nach § 47 VersAusglG beträgt 5.087,07 DM oder 2.600,98 Euro.
33Übersicht:
34Antragsteller
35Die T, Kapitalwert: 328.631,51 DM
36Ausgleichswert (mtl.): 1.533,15 DM
37Antragsgegnerin
38Die E, Kapitalwert: 55.432,66 DM
39Ausgleichswert: 5,3553 Entgeltpunkte
40Die L:
415.087,07 DM
42Ausgleichswert: 6,12 Versorgungspunkte
43Nach Kapitalwerten hat der Ausgleich in Höhe von 268.111,78 DM oder 137.083,38 Euro zu Lasten des Antragstellers zu erfolgen.
44Ausgleich:
45Bagatellprüfung:
46Das Anrecht der Antragsgegnerin bei der L mit einem Kapitalwert von 5.087,07 DM oder 2.600,98 Euro überschreitet nicht den Grenzwert des § 18 Abs. 3 VersAusglG von 5.292,00 DM oder 2.705,76 Euro. Das Anrecht wird deshalb gem. § 18 Abs. 2 VersAusglG vom Versorgungsausgleich ausgeschlossen.
47Die einzelnen Anrechte:
48Zu 1.: Das Anrecht des Antragstellers bei der T ist im Wege der externen Teilung durch Begründung eines Anrechts von 1.533,15 DM oder 783,89 Euro monatlich bei der E auszugleichen.
49Zu 2.: Das Anrecht der Antragsgegnerin bei der E ist nach § 10 I VersAusglG durch interne Teilung mit einem Ausgleichswert von 5,3553 Entgeltpunkten zugunsten des Antragstellers auszugleichen.
50Zu 3.: Für das Anrecht der Antragsgegnerin bei der I (Vers. Nr. …) mit dem Ausgleichswert von 6,12 Versorgungspunkten unterbleibt der Ausgleich.
51Kostenentscheidung
52Die Kostenentscheidung folgt aus § 81 FamFG.
53Rechtsbehelfsbelehrung:
54Gegen diesen Beschluss ist das Rechtsmittel der Beschwerde gegeben. Beschwerdeberechtigt ist derjenige, dessen Rechte durch den Beschluss beeinträchtigt sind. Die Beschwerde ist bei dem Amtsgericht - Familiengericht - Paderborn, Am Bogen 2-4, 33098 Paderborn schriftlich in deutscher Sprache oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle einzulegen. Die Beschwerde kann auch zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichtes abgegeben werden. Soweit sich die Beschwerde nur gegen die Kostenentscheidung richtet, ist diese nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt oder wenn das Gericht des ersten Rechtszugs die Beschwerde zugelassen hat.
55Die Beschwerde muss spätestens innerhalb eines Monats nach der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses bei dem Amtsgericht - Familiengericht - Paderborn eingegangen sein. Dies gilt auch dann, wenn die Beschwerde zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines anderen Amtsgerichtes abgegeben wurde. Die Frist beginnt mit der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach Erlass des Beschlusses. Fällt das Ende der Frist auf einen Sonntag, einen allgemeinen Feiertag oder Sonnabend, so endet die Frist mit Ablauf des nächsten Werktages.
56Die Beschwerde muss die Bezeichnung des angefochtenen Beschlusses sowie die Erklärung enthalten, dass Beschwerde gegen diesen Beschluss eingelegt wird. Sie ist zu unterzeichnen und soll begründet werden.
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Referenzen
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