Urteil vom Amtsgericht Pinneberg - 68 C 7/15

Tenor

Hinweis der Dokumentationsstelle des Bundesgerichtshofs: Der Tenor ist vom Gericht nicht mitgeteilt worden.

Tatbestand

1

Die Klägerin macht gegen die Beklagte die Zahlung des Kaufpreises für einen Dampfsauger nebst Saugzubehör geltend, Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Dampfsaugers und des Saugzubehörs.

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Die Klägerin vertreibt Dampfsauger und Dampfreiniger. Die von der Klägerin vertriebenen Geräte können nur über einen 230 Volt-Anschluss betrieben werden.

3

Auf der Messe „...“ in H. vom 04. bis 08.02.2015 war die Klägerin mit einem Stand vertreten. Die Beklagte besuchte am 07.02.2015 die Messe.

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Am Stand der Klägerin wurde der Beklagten von einem Mitarbeiter der Klägerin der Dampfsauger „H... 3500 Aqua“ vorgeführt. Dieses Gerät wird in der Regel im Industriebereich oder in größeren Gewerbeobjekten eingesetzt.

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Die Beklagte schloss anschließend mit der Klägerin an deren Stand einen Kaufvertrag über den Dampfsauger des Typs „H... 1000“ nebst Saugzubehör Flex Light II zu einem Kaufpreis von 1.500,00 Euro. Es wurde vereinbart, dass die Klägerin der Beklagten das Gerät sofort per Nachnahme übermitteln sollte. Ferner wurde eine Ratenzahlung vereinbart.

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Mit Schreiben vom 08.02.2015 erklärte die Beklagte den Widerruf des Kaufvertrages. Zur Begründung wies die Beklagte darauf hin, dass ihr das Gerät „H... 1000“ nicht vorgeführt worden sei.

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Nach weiterer Korrespondenz zwischen den Parteien über die Frage, ob der Beklagten vorliegend ein Widerrufsrecht zustehe, beauftragte die Klägerin ihren jetzigen Prozessbevollmächtigten mit der Geltendmachung des Kaufpreisanspruches. Mit Schreiben vom 23.03.2015 und vom 16.04.2015 forderte der Klägervertreter die Beklagte unter Fristsetzung erfolglos auf, das Gerät abzunehmen.

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Mit der Klageerwiderung vom 29.09.2015 berief sich die Beklagte auf die Wirksamkeit des Widerrufs und erklärte darüber hinaus die Anfechtung des Kaufvertrages wegen arglistiger Täuschung, hilfsweise wegen Inhaltsirrtums. Zur Begründung führte die Beklagte aus, dass die Klägerin im Kaufvertrag bewusst ein schlechteres Gerät als das vorgeführte bezeichnet habe.

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Die Klägerin ist der Ansicht, dass der Beklagten kein Widerrufsrecht nach den §§ 312g, 355 BGB zustehe, da der Vertrag vorliegend nicht im Sinne von § 312b BGB außerhalb von Geschäftsräumen geschlossen worden sei und § 312g BGB daher vorliegend keine Anwendung finde. Hierzu behauptet die Klägerin, sie vertreibe ihre Waren ausschließlich über Messen. An der Messe „...“ in H. nehme sie seit über sechs Jahren teil. In J… habe sie keinen eigenen Verkaufsstand und über ihren Online-Shop vertreibe sie keine Dampfsauger und Dampfreiniger, sondern allenfalls Zubehörteile. Demzufolge sei ihr Messestand als vorübergehender Geschäftsraum anzusehen. Bei einem Dampfsauger handele es sich auch nicht um fachfremde Ware auf einer Reisemesse, da ein Dampfsauger zur Reinigung von Wohnmobilen, Wohnwagen, Fahrrädern etc. benutzt werden könne. Auf der Messe hätten sich noch mindestens drei bis vier weitere Anbieter von Dampfsaugern und Dampfreinigern befunden. In der Halle, in der die Klägerin ihre Waren zum Kauf angeboten habe, sei von der Messeleitung auch ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass es sich dabei um Pflegeprodukte für die betreffenden Fahrzeuge handele. Zu der von der Beklagten erklärten Anfechtung behauptet die Klägerin, dass der Dampfsauger „H... 3500 Aqua“ der Beklagten zu teuer gewesen sei und der Beklagten daher stattdessen das Gerät „H... 1000“ angeboten worden sei, welches für die Bedürfnisse der Beklagten ausreichend gewesen sei. Die Beklagte habe den Prospekt des Gerätes „H... 1000“ eingesehen und anschließend den Kaufvertrag unterzeichnet.

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Die Klägerin beantragt,

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1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.500,00 Euro nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 06.04.2015 zu zahlen, und zwar Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung eines Dampfsaugers des Typs H... 1000 nebst Saugzubehör Flex Light II, bestehend aus Kalk-Ex (Nr. 3), aus einer Winkeldüse (Nr. 5), aus einem Verdampfer (Nr. 7) sowie einer Teppichplatte (Nr. 6);

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2. die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin von vorgerichtlichen Kosten in Höhe von 169,50 Euro freizustellen;

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3. festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Annahme bzw. Abnahme des unter Ziffer 1.) näher bezeichneten Dampfsaugers des Typs H... 1000 in Verzug befindet.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

16

Die Beklagte ist der Ansicht, dass ihr ein Widerrufsrecht gem. §§ 312g, 355 BGB zustehe, da es sich bei dem zwischen den Parteien geschlossenen Kaufvertrag um einen außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrag im Sinne von § 312b BGB handele. Hierzu behauptet die Beklagte, dass die Klägerin ihre Tätigkeit nicht üblich oder dauerhaft auf Messen ausübe und verweist darauf, dass die Klägerin auf der Internetseite www…..com unstreitig einen Online-Shop betreibt. Bereits aus diesem Grund handele es sich bei dem Messestand der Klägerin nicht um deren Geschäftsräume. Die Voraussetzungen des § 312b BGB lägen aber auch deshalb nicht vor, weil es sich bei den von der Klägerin auf der Messe „...“ angebotenen Dampfsaugern und Dampfreinigern nicht um reisetypische Produkte handele, sondern um fachfremde Ware, mit der ein Verbraucher auf einer Reisemesse nicht rechnen müsse. Zu der von ihr erklärten Anfechtung des Kaufvertrages behauptet die Beklagte, die Klägerin habe bewusst und unter Ausnutzung der Vorstellung der Beklagten, das der Beklagten vorgeführte Gerät „H... 3500 Aqua“ sei auch das im Kaufvertrag bezeichnete, stattdessen das Gerät „H... 1000“ in den Vertrag aufgenommen, welches wegen schlechterer Ausstattung und geringerer Leistungsmerkmale einen niedrigeren Preis aufwies. Die Beklagte sei davon ausgegangen, dass das im Verkaufsformular bezeichnete Gerät dasjenige Gerät sei, welches ihr vorgeführt worden war.

Entscheidungsgründe

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I. Die Klage ist zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.

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1.) Der Klägerin steht gegen die Beklagte kein Anspruch aus § 433 Abs. 2 BGB auf Zahlung von 1.500,00 Euro, Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Dampfsaugers nebst Saugzubehör zu.

19

Zwischen den Parteien ist am 07.02.2014 ein Kaufvertrag über einen Dampfsauger „H... 1000“ nebst Saugzubehör zustandegekommen. Die Beklagte hat ihre Willenserklärung zum Abschluss des Kaufvertrages jedoch am 08.02.2015 gem. §§ 312g, 355 BGB wirksam widerrufen, so dass sie an ihre Willenserklärung gem. § 355 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht mehr gebunden ist.

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Auf das vorliegende Schuldverhältnis finden die §§ 312 ff. BGB in der seit dem 13.06.2014 geltenden Fassung Anwendung (Art. 15 des Gesetzes zur Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie und zur Änderung des Gesetzes zur Regelung der Wohnungsvermittlung vom 20.09.2013, BGBl. I, S. 3642).

21

Der Beklagten stand gem. §§ 312g, 355 BGB i.V.m. § 312b BGB ein Widerrufsrecht zu.

22

Bei dem zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag handelt es sich um einen Verbrauchervertrag im Sinne des § 310 Abs. 3 BGB, der eine entgeltliche Leistung des Unternehmers zum Gegenstand hat, § 312 Abs. 1 BGB. Es liegt auch keine der in § 312 Abs. 2 bis 6 BGB geregelten Bereichsausnahmen vor.

23

Das Widerrufsrecht ist vorliegend auch nicht nach § 312g Abs. 2, Abs. 3 BGB ausgeschlossen.

24

Bei dem zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag handelt es sich um einen außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrag im Sinne von § 312b BGB.

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Nach § 312b Abs. 1 Nr. 1 BGB sind außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge solche Verträge, die bei gleichzeitiger körperlicher Anwesenheit des Verbrauchers und des Unternehmers an einem Ort geschlossen werden, der kein Geschäftsraum des Unternehmers ist. Geschäftsräume sind nach der Definition des § 312b Abs. 2 Satz 1 BGB unbewegliche Gewerberäume, in denen der Unternehmer seine Tätigkeit dauerhaft ausübt, und bewegliche Gewerberäume, in denen der Unternehmer seine Tätigkeit für gewöhnlich ausübt.

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Vorliegend ist der Kaufvertrag bei gleichzeitiger körperlicher Anwesenheit der Beklagten als Verbraucherin im Sinne von § 13 BGB und der Klägerin als Unternehmerin im Sinne vom § 14 BGB auf dem Messestand der Klägerin auf der Messe „...“ in H. geschlossen worden. Bei diesem Messestand handelt es sich nicht um einen Geschäftsraum im Sinne von § 312b Abs. 2 Satz 1 BGB.

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Es kann vorliegend dahinstehen, ob die Klägerin, wie sie behauptet, ihre Waren ausschließlich  über Messen vertreibt und seit über sechs Jahren an der Messe „...“ in H. teilnimmt. Denn selbst wenn dies der Fall wäre und es sich damit nach dem Wortlaut des § 312b Abs. 2 Satz 1 BGB bei dem Messestand der Klägerin um einen beweglichen Gewerberaum handeln würde, in dem der Unternehmer seine Tätigkeit für gewöhnlich ausübt, würde eine teleologische Auslegung vorliegend dazu führen, dass der Messestand der Klägerin im Ergebnis nicht als Geschäftsraum im Sinne des § 312b Abs. 2 Satz 1 BGB anzusehen ist.

28

Die Vorschriften der §§ 312 ff. BGB sind durch das Gesetz zur Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie und zur Änderung des Gesetzes zur Regelung der Wohnungsvermittlung vom 20.09.2013 (BGBl. I, S. 3642) neu gefasst worden. Dieses Gesetz setzt die sog. Verbraucherrechterichtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25.10.2011 (Amtsblatt der Europäischen Union vom 22.11.2011, L 304/64) um. Artikel 2 Nr. 8 Buchstabe a) und Nr. 9 der Richtlinie enthalten die in § 312b Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 Satz 1 BGB übernommenen Regelungen.

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In Ziffer (22) der Erwägungsgründe der Richtlinie ist ausgeführt: „Als Geschäftsräume sollten alle Arten von Räumlichkeiten (wie Geschäfte, Stände oder Lastwagen) gelten, an denen der Unternehmer sein Gewerbe ständig oder gewöhnlich ausübt. Markt- und Messestände sollten als Geschäftsräume behandelt werden, wenn sie diese Bedingung erfüllen.“

30

Die Anwendung des Kriteriums der gewöhnlichen Ausübung der Tätigkeit des Unternehmers auch auf Markt- und Messestände erfolgte vor dem Hintergrund, Verbraucherinnen und Verbraucher vor übereilten Vertragsschlüssen zu schützen, insbesondere in Fällen, in denen sie nicht mit einem Vertragsschluss über bestimmte Waren rechnen mussten (RegE des Gesetzes zur Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie und zur Änderung des Gesetzes zur Regelung der Wohnungsvermittlung, BT-Drs. 17/13951, Seite 50). In Ziffer (21) der Erwägungsgründe der Richtlinie ist insoweit ausgeführt: „Außerhalb von Geschäftsräumen steht der Verbraucher möglicherweise psychisch unter Druck oder ist einem Überraschungsmoment ausgesetzt (...)“

31

Eine solche Situation liegt regelmäßig nicht vor, wenn der Verbraucher auf einem Wochenmarkt einkauft, auf welchem regelmäßig dieselben Händler ihre Marktstände aufbauen und für einen Wochenmarkt typische Ware verkaufen. Sie kann aber dann vorliegen, wenn dem Verbraucher überraschend fachfremde, nicht mit dem Thema der Messe oder Ausstellung im Zusammenhang stehende Waren angeboten werden (vgl. RegE des Gesetzes zur Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie und zur Änderung des Gesetzes zur Regelung der Wohnungsvermittlung, BT-Drs. 17/13951, Seite 50). Entscheidend für die Abgrenzung ist dabei, ob der Verbraucher mit Waren der jeweiligen Art auf dem betreffenden Markt oder der betreffenden Messe rechnen muss oder ob insoweit ein Überraschungsmoment vorliegt.

32

Der Schutzzweck des § 312b BGB gebietet es daher, Markt- und Messestände dann nicht als Geschäftsräume im Sinne der Vorschrift anzusehen, wenn auf ihnen fachfremde Waren oder Dienstleistungen angeboten werden, mit denen der Verbraucher auf dem betreffenden Markt oder der betreffenden Messe nicht rechnen muss (vgl. auch Palandt, BGB, 75. Auflage, 2016, § 312b BGB, Rn. 2; Jauernig, BGB, 16. Auflage, 2015, § 312b BGB, Rn. 8).

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Da es sich hierbei um eine Anwendung über die Vorgaben der Verbraucherrechterichtlinie hinaus handelt, ist das Gericht frei, den Tatbestand des § 312b BGB nicht schematisch anzuwenden, sondern auch insoweit, als dies durch den Schutzzweck der Norm geboten erscheint (ähnlich auch MünchKommBGB/ Wendehorst, BGB, 7. Auflage, 2016, § 312b BGB, Rn. 23).

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Vorliegend vertreibt die Klägerin Dampfsauger und Dampfreiniger. Der Messestand der Klägerin befand sich auf der Messe „...“ in H..

35

Auf einer Reisemesse erwartet der Verbraucher typische, mit dem Reisen zusammenhängende Waren und Dienstleistungen. Darunter fallen insbesondere Reiseleistungen von Reiseveranstaltern, Beherbergungsbetrieben oder Tourismusverbänden, Angebote verschiedener Reisemittel, typische Ausrüstungsgegenstände für Reisen und ähnliches.

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Bei Dampfsaugern und Dampfreinigern handelt es sich hingegen nicht um reisetypische Waren. Dampfsauger und Dampfreiniger werden vornehmlich im Haushalt eingesetzt und nicht auf Reisen. Der Umstand, dass Dampfsauger und Dampfreiniger auch zur Reinigung von Wohnmobilen, Wohnwagen, Fahrrädern etc. verwendet werden können, führt entgegen der Ansicht der Klägerin nicht dazu, dass es sich bei Dampfsaugern und Dampfreinigern um reisetypische Waren handeln würde. Anders kann es möglicherweise bei kleinen, über einen Akku betriebenen Handreinigungsgeräten liegen, welche sich für eine kleine Reinigung auf Reisen anbieten. Die von der Klägerin vertriebenen Geräte können jedoch nur über einen 230 Volt-Anschluss betrieben werden und bieten sich auch von ihrer Größe her nicht dazu an, auf Reisen mitgenommen zu werden. Allenfalls wird daher mit den Geräten üblicherweise eine stationäre Reinigung von Wohnmobilen, Wohnwagen, Fahrrädern, etc. zu Hause in Betracht kommen. Auch insoweit führt der bloße Umstand, dass Dampfsauger und Dampfreiniger auf eine Reise mit dem Wohnmobil oder dem Wohnwagen mitgenommen werden können, entgegen der Ansicht der Klägerin nicht dazu, dass es sich dabei um reisetypische Waren handeln würde.

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Die Beklagte hat den Widerruf auch gem. § 355 Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB gegenüber der Klägerin eindeutig erklärt.

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Schließlich ist mit dem von der Klägerin bereits einen Tag nach dem Vertragsschluss erklärten Widerruf auch die Widerrufsfrist von 14 Tagen gem. § 355 Abs. 2 BGB eingehalten worden.

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2.) Mangels Bestehens der Hauptforderung steht der Klägerin gegen die Beklagte auch kein Anspruch auf Freihaltung von den ihr insoweit entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten zu.

40

3.) Auch der Feststellungsantrag ist aufgrund der Abweisung der Klage hinsichtlich des Leistungsantrages zu 1.) nicht begründet.

41

II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

42

III. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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