Urteil vom Amtsgericht Solingen - 15a C 21/08
Tenor
Die Beschlüsse der Wohnungseigentümergemeinschaft aus der Woh-nungseigentümerversammlung vom 29. April 2008 zu den Tagesordnungs-punkten
a. 4 Beschlußantrag Nr. 2;
b. 5 und
c. 6
werden für ungültig erklärt.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten als Gesamtschuldner.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung von EUR vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert wird auf EUR festgesetzt.
1
Tatbestand:
2Die Parteien bilden die im Rubrum und Tenor genannte Wohnungseigentümergemeinschaft, deren Verwalterin die Beigeladene ist. Laut Gemeinschaftsordnung iVm. dem Gesetz waren bislang jedenfalls die Kostenpositionen "Aufzugskosten" und "Kosten der Hausreinigung" nach Miteigentumsanteilen abzurechnen. Allerdings faßte die Gemeinschaft im Jahre 2005 den Beschluß, daß die "Kosten der Hausreinigung" nach Personen x Monaten umgelegt werden sollten. Es besteht Einigkeit, daß diese Beschlußfassung in Ermangelung einer Beschlußkompetenz nichtig ist. In der hiesigen Eigentümerversammlung wurden u.a. diverse Beschlüsse zur Neuregelung von Kostentragungspflichten getroffen. Unter dem Tagesordnungspunkt 4 Beschlußantrag Nr. 2 wurde mit 11 Ja-Stimmen zu 1 Nein-Stimme bei 3 Enthaltungen beschlossen, daß die Kosten in der Jahresabrechnung 2007 entgegen dem Wirtschaftsplan nach Wohneinheiten umgelegt werden sollte. Unter dem Tagesordnungspunkt 5 wurde beschlossen, daß dem Wirtschaftsplan 2008 und der Jahresabrechnung 2008 die im (bisherigen) Wirtschaftsplan 2008 genannten Verteilerschlüssel zugrundegelegt werden sollten, allerdings sollten Abweichungen für die Kostenpositionen "Hausreinigung", "Müllgebühren", "Wasser/Abwasser" und "Aufzüge" gelten. Der Kläger wendet sich hier nur gegen die neuen Kostenpositionen "Hausreinigung" und "Aufzüge", die nunmehr nach Wohneinheiten (Verteilerschlüssel 213) abgerechnet werden sollten. Die Beschlußfassung erfolgte mit 12 Ja-Stimmen zu 2 Nein-Stimmen bei 0 Enthaltungen. Der Tagesordnungspunkt 6 verhielt sich über den Wirtschaftsplan 2008, der die unter Tagesordnungspunkt 5 genannten geänderten Verteilerschlüssel ausweisen sollte. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Protokoll der Versammlung vom , welches zur Akte gelangt ist, verwiesen.
3Der Kläger trägt Rechtsansichten vor.
4Der Kläger beantragt,
5wie erkannt worden ist.
6Die im Rubrum zu 1 – 9 genannten Beklagten beantragen,
7die Klage abzuweisen.
8Die übrigen Beklagten haben sich nicht zur Sache eingelassen.
9Die Beklagten tragen Rechtsansichten vor.
10Entscheidungsgründe:
11Die Klage ist begründet. Die angegriffenen Beschlußfassungen unterliegen der Anfechtung, da sie ordnungsgemäßer Wirtschaft widersprechen. Im einzelnen:
12Die Beschlußfassung zum Tagesordnungspunkt 4 Beschlußantrag Nr. 2 unterliegt der Anfechtung, da damit rückwirkend der Verteilerschlüssel geändert wird, was aus mehreren Gründen unzulässig ist. Zum einen ergibt sich bereits aus Grundsätzen des Vertrauensschutzes, daß eine Abänderung des Verteilerschlüssels rückwirkend nicht möglich ist, jedenfalls nicht auf einen solchen, der bislang in der Gemeinschaftsordnung iVm. dem Gesetz nicht vorgesehen ist. Allenfalls denkbar gewesen wäre eine Abänderung des in letzter Zeit angewandten Verteilerschlüssels "Personen x Tage" in den laut Gemeinschaftsordnung iVm. dem Gesetz geltenden Verteilerschlüssel "Miteigentumsanteile", da die Beschlußfassung zum erstgenannten Verteilerschlüssel in Ermangelung einer Beschlußkompetenz nichtig war. Eine solche Abänderung liegt hier aber nicht vor.
13Darüber hinaus verweist § 16 Abs. 3 WEG auf § 556 Abs. 1 BGB. In dem mit § 556 BGB in engem Zusammenhang stehenden § 556a Abs. 2 BGB ist geregelt, daß eine Abänderung erst ab dem Beginn des nächsten Abrechnungszeitraums zulässig ist. Die (wenigstens) analoge Anwendung dieses Rechtsgedankens erscheint unter Berücksichtigung dessen, daß das Abrechnungswesen der WEG dem des Mietrechts angenähert werden sollte, als naheliegend.
14Schließlich und endlich besteht die Abänderungskompetenz auch deshalb nicht, weil die Neufassung des Gesetzes erst am 2. Juli 2007 in Kraft getreten ist. Zwar gibt es keine Übergangsvorschriften, doch dürfte die Kompetenz des § 16 Abs. 3 WEG für die bereits bis dahin angefallenen Kosten nicht bestehen.
15Bei der Beschlußfassung zum Tagesordnungspunkt 5 ist es so, daß die Gemeinschaft in Bezug auf die Aufzugskosten bereits nicht wie geschehen alle Aufzugskosten unter Ausnutzung der angeblichen Kompetenz nach § 16 Abs. 3 WEG neu verteilen konnte. Denn insoweit wurde übersehen, daß die Instandsetzungs- und Instandhaltungskosten des Aufzugs keine Betriebskosten iSv. § 556 Abs. 1 BGB iVm. der BetrKV sind, wie § 1 Abs. 2 Nr. 2 BetrKV ausdrücklich klarstellt. Die Unklarheit des Beschlusses geht zu Lasten der Gemeinschaft. Auch die Erklärung des Beklagtenvertreters, daß die Beschlußfassung so gemeint sei, hilft nicht weiter, da erstens die Beschlüsse aus sich heraus verständlich sein müssen und zweitens er ohnehin nur einen Teil der Eigentümer vertritt. Das Versäumnis führt zur Anfechtbarkeit des Beschlusses, da der Gemeinschaft die Beschlußkompetenz nach § 16 Abs. 3 WEG insoweit fehlt.
16Darüber hinaus unterliegt der Beschluß (dies gilt auch für die Kosten der Hausreinigung) auch deshalb der Anfechtung, da es an einem sachlichen Grund für die Anfechtung mangelt. Denn ein solcher ist auch nach der Gesetzesänderung erforderlich, wenngleich nicht mehr in solch intensivem Maße wie bislang. Die neue Kostenart muß aber gerechtere Ergebnisses bieten als die bisherige, was hier quasi ins Gegenteil verkehrt wurde.
17Da der "Verbrauch" oder die Nutzung des Aufzugs als solche nicht ohne weiteres zu ermitteln sind, könnte bevorzugt auf die Größe der Wohnung abgestellt werden, da eine größere Wohnung oftmals auch von mehr Personen bewohnt wird als eine kleinere und daraus eine gesteigerte Nutzung folgt. Das gilt ebenso für die Hausreinigung. Die Umstellung des bislang geltenden Verteilungsschlüssels "Miteigentumsanteile" (der zuvor zeitweise angewandte Schlüssel Personen x Monate hat infolge nichtiger Beschlußfassung - in Ermangelung einer Beschlußkompetenz - bei der Betrachtung außen vor zu bleiben, da aus nichtigen Beschlüssen keine wie auch immer gearteten Rechte zugunsten der einen oder anderen Seite hergeleitet werden können) auf den Schlüssel "Wohneinheiten" ist ungerechter, da bei Miteigentumsanteilen die Größe der Wohnung jedenfalls im Ansatz Berücksichtigung findet. Der Kläger erleidet durch die Umstellung einen nicht unerheblichen Nachteil.
18Dem steht auch der ansonsten bestehende Grundsatz der Eigenverantwortlichkeit der Gemeinschaft nicht entgegen, weil die neue Kostenverteilung ohne jeden Zweifel ungerechter als die bislang geltende ist.
19Aus den vorgenannten Gründen unterliegt auch die Beschlußfassung zum Tagesordnungspunkt 6 der Anfechtung.
20Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 100 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in § 709 S. 1 ZPO. Die Festsetzung des Streitwerts ergeht aus §§ 3 ZPO, 49a GKG.
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