Urteil vom Amtsgericht Solingen - 15a C 30/13
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
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Tatbestand:
2Die Klägerin ist Eigentümerin des in der Teilungserklärung mit der Nr. 1.00 bezeichneten Sondereigentums. Das Sondereigentum verfügt über eine rückwärtige Terrasse. Im Bereich dieser Terrasse wurde seitens des Sondereigentümers des sich unter dem Eigentum der Klägerin befindlichen Sondereigentums ein Lüfter eingebaut. Die Wohnungseigentümergemeinschaft beschloss auf der Eigentümerversammlung vom 07.05.2013 nichts gegen den Lüfter zu unternehmen. Ferner wurde dem Verwalter die Entlastung erteilt.
3Der Kläger behauptet, bei dem Lüfters handele es sich um eine bauliche Veränderung, die nicht genehmigt sei. Die bauliche Anlage verstoße daher gegen öffentliches Baurecht, verletze das Eigentum der Klägerin und verstoße gegen die Teilungserklärung.
4Es sei Aufgabe der Gemeinschaft und der Verwaltung, Abhilfe zu schaffen. Weil dies seitens der Verwaltung nicht geschehen sei, sei die Verwaltung ihrer Pflicht zur ordnungsgemäßen Verwaltung nicht nachgekommen und daher die Entlastung zu versagen gewesen.
5Der Kläger beantragt,
6die Beschlüsse der Wohnungseigentümerversammlung vom 07.05.2013 zu den Tagesordnungspunkten 8 (Anbringung eines Lüftungsbehälters auf der Terrasse der Firma S.) und 5 (Entlastung der Verwaltung) für ungültig zu erklären.
7Die Beklagten beantragen,
8die Klage abzuweisen.
9Die Beklagten sind der Ansicht, dass der Anspruch auf Beseitigung der störenden baulichen Veränderung im Bereich des gemeinschaftlichen Eigentums aus §§ 1004 BGB i.V.m. § 15 Abs. 3 WEG jedem einzelnen Wohnungseigentümer individuell zur persönlichen Ausübung zustehe. Der Klage fehle daher das Rechtsschutzbedürfnis, denn die Klägerin könne ihren Anspruch individuell geltend machen.
10Zwar bestehe gemäß § 10 Abs. 6 S. 3 Alt. 2 WEG die Möglichkeit, Ansprüche der einzelnen Wohnungseigentümer durch Mehrheitsbeschluss zur Ausübung an den rechtsfähigen Verband der Wohnungseigentümer zu ziehen. Eine Rechtspflicht, dies zu tun bestünde jedoch nicht. Eine Pflichtverletzung des Verwalters, die Anlass zur Verweigerung der Entlastung gegeben, läge nicht vor.
11Entscheidungsgründe:
12Die zulässige Anfechtungsklage ist unbegründet.
13Die Beschlüsse der Wohnungseigentümergemeinschaft zu den Tagesordnungspunkten 8 (Anbringung eines Lüftungsbehälters) und 5 (Entlastung der Verwaltung) sind wirksam, denn sie entsprechen den Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Verwaltung.
14Zwar gehört die Beseitigung etwaiger baulicher Veränderungen, die über die ordnungsgemäße Instandhaltung oder Instandsetzung i.S.d. § 22 Abs. 1 WEG hinausgehen, zu den Maßnahmen der ordnungsgemäßen Verwaltung, die jeder Wohnungseigentümer gemäß § 21 Abs. 4 WEG verlangen kann.
15Vorliegend war Gegenstand des Beschlusses zum Tagesordnungspunkt 8 aber nicht die Frage, ob die Wohnungseigentümergemeinschaft auf Kosten der Wohnungseigentümer im Rahmen der ordnungsgemäßen Verwaltung einen Rückbau der Abluftanlage bewirken sollen, sondern ob die Wohnungseigentümergemeinschaft den Wohnungseigentümer darauf verklagen sollte, dass dieser verpflichtet wird, selbst auf eigene Kosten die Abluftanlage zu beseitigen und den ursprünglichen Zustand wieder herzustellen.
16Dieser Anspruch auf Unterlassung des gemeinschaftswidrigen Gebrauchs aus § 15 Abs. 3 i.V.m. § 1004 BGB steht jedem einzelnen Wohnungseigentümer individuell zur persönlichen Ausübung zu (Commichau, Münchener Kommentar zum BGB, 6. Auflage 2013, § 15 WEG Rn. 45).
17Die Gemeinschaft kann zwar gemäß § 10 Abs. 6 S. 3 2. Alt. WEG durch Mehrheitsbeschluss Ansprüche der einzelnen Wohnungseigentümer zur Ausübung an die Gemeinschaft ziehen. Aus § 10 Abs. 6 S. 3 2. Alt. WEG folgt jedoch keine Rechtspflicht, dies zu tun. Denn bei § 10 Abs. 6 S. 3 2. Alt. WEG handelt es sich lediglich um eine Kompetenznorm, die es der Wohnungseigentümergemeinschaft ermöglicht, Individualrechte zur Ausübung an sich zu ziehen und diese außergerichtlich und gerichtlich geltend zu machen.
18Ein Anspruch der Klägerin darauf, zu beschließen, ihren etwaig bestehenden Individualanspruch gegen den Miteigentümer geltend zu machen, folgt vorliegend auch nicht daraus, dass es sich hierbei um ein „Weniger“ im Vergleich zu einem Beschluss, der die Wohnungseigentümergemeinschaft verpflichtet, auf Kosten der Wohnungseigentümer die Abluftanlage zurückzubauen, handelt. Vielmehr handelt es sich um selbstständige Ansprüche, die nebeneinander bestehen.
19Die Klägerin mag einen Anspruch darauf haben, dass die Wohnungseigentümergemeinschaft im Rahmen ihrer Pflicht zur ordnungsgemäßen Verwaltung aus § 21 Abs. 4 WEG gegen die Lüftungsanlage vorgeht, ein Anspruch auf Geltendmachung des Individualanspruchs durch die Gemeinschaft besteht hingegen nicht.
20Weil die Beschlussfassung zu Tagesordnungspunkt 8 den Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Verwaltung entsprach, bestand auch keine Veranlassung, dem Verwalter die Entlastung zu versagen.
21Der nicht nachgelassene Schriftsatz der Klägerseite vom 31.10.2013 gab keinen Anlass zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung.
22Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
23Streitwert: 2.000,00 €
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Referenzen
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