Beschluss vom Amtsgericht Solingen - 7 M 756/15
Tenor
wird der weitere Beteiligte Obergerichtsvollzieher auf die Erinnerung der Gläubigerin vom 12.12.2014 angewiesen, von seinen Bedenken Abstand zu nehmen, soweit er die weitere Zwangsvollstreckung mit der Begründung ablehnt, die zu vollstreckende Forderung sei im Hinblick auf nicht zu berücksichtigende Rechtsanwaltskosten vollständig bezahlt.
Im Übringen wird die Erinnerung zurückgewiesen.
Die Kosten des Erinnerungsverfahrens werden den Gläubigern zu 1/4 und den Schuldnern zu 3/4 auferlegt.
1
G r ü n d e :
2I.
3Die Gläubiger betreiben als Erbengemeinschaft gegen die Schuldner die Zwangsvollstreckung aus einer notariellen Urkunde vom 07.10.2010.
4Sie erteilten mit Schreiben ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 30.11.2010 einen Vollstreckungsauftrag. Mit dem Auftrag beantragten sie außerdem, für den Fall, dass die Pfändung fruchtlos verläuft oder dass die sonstigen gesetzlichen Voraussetzungen gegeben sind, Termin zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung zu bestimmen. Ihre Forderung bezifferten die Gläubiger mit 43.263,91 EUR (Stand 30.11.2010) zuzüglich Zinsen. Darüber hinaus stellten sie den Antrag, bei der Vollstreckung auch die anwaltlichen Kosten für die Abnahme der eidesstattlichen Versicherung mit 622,38 EUR (311,19 EUR je Schuldner) zu berücksichtigen.
5Der weitere Beteiligte unternahm am 19.01.2011 einen Vollstreckungsversuch gegen beide Schuldner. Er pfändete einen Mercedes Transporter und einen Wohnwagen. Der weitere Beteiligte vermerkte die Pfändung im Vollstreckungsprotokoll. Die Fahrzeuge verblieben bei den Schuldnern. Der weitere Beteiligte nahm in das Protokoll bezüglich der Vollstreckung gegen den Schuldner dessen Erklärung auf, die gepfändeten Fahrzeuge seien auf die Schuldnerin zugelassen. In den Vollstreckungsprotokollen vom 19.01.2011 heißt es zudem bezüglich beider Schuldner:
6„Die Zwangsvollstreckung war hiernach teilweise erfolglos“
7Der weitere Beteiligte vereinbarte mit den Schuldnern eine Ratenzahlung. Darüber hinaus forderte er die Verfahrensbevollmächtigten der Gläubiger mit Schreiben vom 19.01.2011 auf, einen Vorschuss von 2.000,00 EUR zu zahlen, falls sie die Sicherstellung der gepfändeten Fahrzeuge wünschten. Diesen Vorschuss zahlten die Gläubiger.
8In der Folgezeit zog der weitere Beteiligte mehrere Teilbeträge ein. Den von ihm eingezogenen Vorschuss über 2.000,00 EUR verwendete er für die Sicherstellung und Verwertung der Fahrzeuge nicht. Den Vorschuss von 2.000,00 EUR zahlte der weitere Beteiligte am 12.10.2012 zusammen mit einer Teilzahlung der Schuldner an die Gläubiger zurück. Die letzte Teilzahlung erfolgte am 20.10.2014. Der weitere Beteiligte überwies an die Verfahrensbevollmächtigten der Gläubiger 315,15 EUR.
9Der weitere Beteiligte ist der Auffassung, die titulierte Forderung sei bezahlt. Nach Auffassung der Gläubiger besteht jedoch eine offene Forderung von noch 1.248,83 EUR (Stand 31.10.2014) zuzüglich Tageszinsen von 0,25 EUR für die Zeit ab 01.11.2014.
10Der weitere Beteiligte ist nicht bereit, die Zwangsvollstreckung wegen der von der Erbengemeinschaft geltend gemachte Restforderung durchzuführen. Er meint, die Verfahrensbevollmächtigten der Gläubiger hätten zu Unrecht Anwaltsgebühren für das Verfahren auf Abnahme der eidesstattlichen Versicherung angesetzt; außerdem hätten die Gläubiger den von ihnen geleisteten Vorschuss über 2.000,00 EUR in ihre Forderungsaufstellung eingebucht und dementsprechend Zahlungen der Schuldner teilweise zunächst auf die Vorschusszahlung, statt auf Zinsen und Hauptforderung verrechnet; da der Vorschuss nicht gebraucht worden sei, sei den Gläubigern kein Schaden entstanden, den die Schuldner als notwendige Kosten der Zwangsvollstreckung zu ersetzen hätten.
11Hiergegen wenden sich die Gläubiger mit der Erinnerung vom 30.04.2013. Sie tragen vor, die anwaltlichen Kosten für das Verfahren auf Abnahme der eidesstattlichen Versicherungen seien angefallen; die Kosten müssten unabhängig davon ersetzt werden, dass es nicht zur Abnahme der eidesstattlichen Versicherung gekommen sei; im übrigen ergebe sich selbst dann noch eine Restforderung von 943,64 EUR (Stand 30.01.2015), wenn die Zahlungen der Schuldner nicht anteilig auf den gezahlten Vorschuss verrechnet worden wären.
12Der weitere Beteiligte hat der Erinnerung nicht abgeholfen.
13II.
14Die Erinnerung hat überwiegend Erfolg.
151.
16Der weitere Beteiligte darf die Beitreibung der Rechtsanwaltskosten nicht mit der Begründung ablehnen, die Forderung sei vollständig beglichen.
17Die zu vollstreckende Forderung ist nicht vollständig bezahlt. Es stehen die Kosten der anwaltlichen Vertretung der Gläubiger teilweise offen.
18Gemäß § 788 Abs. 1 Satz 1 ZPO fallen die Kosten der Zwangsvollstreckung dem Schuldner zur Last, soweit sie notwendig waren. Sie sind zugleich mit der Zwangsvollstreckung beizutreiben. Ob angefallene Kosten notwendig sind, bestimmt sich nach § 91 ZPO. Insoweit verweist § 788 Abs. 1 Satz 1 ZPO ausdrücklich auf die Regelung des § 91 ZPO. § 91 Abs. 1 ZPO regelt, dass eine unterliegende Partei die Kosten eines Rechtsstreits zu tragen und insbesondere dem obsiegenden Gegner dessen Kosten zu erstatten hat, soweit diese Kosten zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig waren. § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO konkretisiert diese Regelung. In § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO heißt es, die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei seinen in allen Prozessen zu erstatten.
19Damit gehören die gesetzlichen Gebühren und Auslagen eines mit der Vertretung im Zwangsvollstreckungsverfahren beauftragten Rechtsanwalts zu den Kosten, die zugleich mit der Zwangsvollstreckung beizutreiben sind.
20Zu den gesetzlichen Gebühren Auslagen gehören auch die 622,38 EUR, die die Verfahrensbevollmächtigten der Gläubiger für die Vertretung im Verfahren auf Abnahme der eidesstattlichen Versicherung als Honorar geltend machen. Nach Ziffer 3309 der Anlage 1 (Vergütungsverzeichnis) zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) steht dem Rechtsanwalt für die Vertretung im Verfahren auf Abnahme der eidesstattlichen Versicherung eine 0,3 fache Gebühr zu. Die Gebühr nach Ziffer 3309 in Höhe von 0,3 einer vollen Gebühr erhöht sich gemäß Ziffer 1008 des Vergütungsverzeichnisses für jeden weiteren Gläubiger um einen Satz von 0,3, höchsten allerdings um 2,0. Bei 13 Gläubigern, die die Rechtsanwälte vertreten, errechnet sich eine Vollstreckungsgebühr von 2,3 des einfachen Satzes. Bei einem Gegenstandswert von 1.500,00 EUR, wie ihn die Verfahrensbevollmächtigten der Gläubiger trotz der geltend gemachten Gesamtforderung von 43.263,91 EUR in Ansatz gebracht haben, errechnet sich eine Gebühr von 241,50 EUR zuzüglich Auslagen (20,00 EUR) und Umsatzsteuer (49,69 EUR), insgesamt also von 311,19 EUR.
21Diese Gebühr ist zweifach angefallen. Es handelt sich um zwei Angelegenheiten, wenn sich das Vollstreckungsverfahren gegen zwei Schuldner richtet. Dies gilt auch dann, wenn die Vollstreckung aufgrund eines Titels und eines Auftrags betrieben wird (vergleiche BGH, Beschluss vom 18.07.2003, IXa ZB 146/03, zitiert nach juris, Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, VV 3309, Rn. 47).
22Die Verfahrensbevollmächtigten der Gläubiger sind auch berechtigt, die Gebühren für die Abnahme der eidesstattlichen Versicherung neben den Gebühren zu berechnen, die sie für den Antrag auf Durchführung der Zwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen geltend gemacht haben. Gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 16 RVG stellt das Verfahren zur Abnahme der Vermögensauskunft eine besondere Angelegenheit dar, für die gesondert Gebühren anfallen können.
23Für den Anfall der Gebühren ist unerheblich, dass es nicht zur Abnahme der eidesstattlichen Versicherung gekommen ist. Der Rechtsanwalt erwirbt den Honoraranspruch nicht erst nach Durchführung des Verfahrens, sondern bereits in dem Moment, indem er für seinen Mandanten den Antrag stellt.
24Die Beitreibung der Anwaltsgebühren für die Vertretung im Verfahren auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung darf nicht mit der Begründung verweigert werden, es handele sich nicht um notwendige Kosten der Zwangsvollstreckung. Kosten, die für eine sachgerechte und zweckentsprechende Zwangsvollstreckung anfallen, sind als notwendige Kosten anzuerkennen. Der Antrag auf Bestimmung eines Termins zur Abnahme der eidesstattlichen Versicherung stellte sich als sachgerechte und zweckentsprechende Maßnahme für eine wirkungsvolle Zwangsvollstreckung dar. Mit dem Antrag verstärkten die Gläubiger den Druck auf die Schuldner. Die Schuldner mussten die Forderung der Gläubiger zumindest durch Teilzahlungen begleichen, um die Bestimmung eines Termins zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung abzuwenden. An der Abwendung des Termins hatten die Schuldner ein eigenes Interesse. Die Bestimmung eines Termins zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung hätte für die Schuldner nachteilige Folgen von erheblicher Tragweite gehabt. Denn sie hätte im Ergebnis zur Eintragung der Schuldner im Schuldnerverzeichnis führen können. Die sich aus § 807 ZPO a.F. ergebenden Voraussetzungen für die Abnahme der eidesstattlichen Versicherung lagen überdies spätestens am 19.01.2011 vor. Der Zwangsvollstreckungsversuch vom 19.01.2011 war teilweise erfolglos geblieben. Es war nicht zu erwarten, dass die Verwertung der gepfändeten Sachen zur vollständigen Befriedigung der Gläubiger führen würde. Ob die Schuldner die Forderung der Gläubiger durch die vereinbarte Ratenzahlung vollständig ausgleichen würden, war ebenso wenig abzusehen.
252.
26Die Erinnerung der Gläubiger bleibt jedoch ohne Erfolg, soweit sie eine Restforderung daraus ableiten, dass sie die Teilzahlungen der Schuldner anteilig auf den von ihnen geleisteten Vorschuss verrechnet haben.
27Das sich aus § 788 Abs. 1 ZPO ergebende Recht, die Kosten der Zwangsvollstreckung zugleich mit dem zur Zwangsvollstreckung stehenden Anspruch beizutreiben, gilt nicht für Zinsen, die wegen der zu erstattenden Kosten der Zwangsvollstreckung angefallen sind. (Zöller-Stöber, ZPO, 30. Auflage, § 788 Rn. 14). Eine Erstattung von Zinsen erfolgt nur aufgrund eines Kostenfestsetzungsbeschlusses (§ 104 Abs. 1 Satz 2 ZPO).
28Indem die Gläubiger den von ihnen gezahlten Vorschuss in ihre Forderungsaufstellung als Kosten eingestellt haben, haben sie im Ergebnis eine unberechtigte Verzinsung erreicht. Sie haben die Zahlungen der Schuldner zunächst auf die Kosten – und damit auch auf den von ihnen gezahlten Vorschuss – und erst dann auf Zinsen sowie die Hauptforderung verrechnet. Dementsprechend haben die regelmäßig erfolgten Zahlungen der Schuldner in verringertem Umfang zu einer Reduzierung der berechtigten Kosten- und Zinsforderungen sowie der Hauptforderung geführt. Die berechtigten Forderungen erhöhten sich im Hinblick auf die laufenden Zinsen entsprechend.
29Die Vorschusszahlung kann auch nicht nicht mit den Aufwendungen für tatsächlich entstandene Kosten gleichgesetzt werden. Anders als tatsächlich entstandene Vollstreckungskosten sind die Aufwendungen für die Vorschusszahlung bis zu dessen Verwendung nicht verloren. Ihnen steht der werthaltige Anspruch der Gläubiger auf Rückzahlung gegenüber. Vor diesem Hintergrund besteht auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten keine Notwendigkeit, die Vorschusszahlung als Teil der Vollstreckungskosten zu behandeln.
303.
31Das Gericht hat davon abgesehen, den Gerichtsvollzieher anzuweisen, die Zwangsvollstreckung fortzusetzen. Das Gericht kann im Erinnerungsverfahren nicht abschließend prüfen, ob und inwieweit sonstige, möglicherweise auch nachträglich eingetretene Umstände, die nicht Gegenstand der Prüfung im Erinnerungsverfahren gewesen sind, einer Fortsetzung der Zwangsvollstreckung entgegen stehen.
324.
33Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 97 ZPO.
34Rechtsmittelbelehrung:
35Gegen diesen Beschluss ist die sofortige Beschwerde (§§ 793 ZPO, 567 Abs. 1, 2 ZPO) zulässig.
36Der Rechtsbehelf ist binnen einer Notfrist von zwei Wochen ab Zugang des Beschlusses schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle bei dem Amtsgericht, dessen Beschluss angefochten wird, oder bei dem Landgericht als Beschwerdegericht einzulegen.
37Die Beschwerdeschrift muss die Bezeichnung des angefochtenen Beschlusses sowie die Erklärung enthalten, dass Beschwerde gegen diesen Beschluss eingelegt werde. Sie soll begründet werden.
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Referenzen
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