Urteil vom Amtsgericht Viersen - 20 F 41/88
Tenor
Die Zwangsvollstreckung der Beklagten aus dem Beschluß des Amtsgerichts Viersen vom 16.03.1981, 13 F 292/80, - in Verbindung mit dem Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 05.10.1983 5 UF 76/83 - / 13 F 306/81 - AG Viersen - bezüglich des Unterhalts für die Tochter A. in Höhe von mtl. 570,-- DM für die Zeit ab 01.06.1987 wird für unzulässig erklärt.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
1
Tatbestand
2Der Kläger begehrt die Feststellung der Unzulässigkeit von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen der Beklagten.
3Die Parteien sind geschiedene Eheleute. Im Verlauf des durch rechtskräftiges Urteil des Amtsgerichts Viersen vom 17.11.1981 abgeschlossenen Scheidungsverfahrens hat die Beklagte im einstweiligen Anordnungsverfahren - 13 F 292/80 EA - einen Beschluß vom 16.03.1981 erwirkt, durch welchen dem Kläger unter anderem aufgegeben worden ist ‚ ab 01 .03.1981 an die Beklagte für die gemeinsame Tochter A., geb. am 1966, einen mtl. Unterhalt von 585 ‚-- DM zu zahlen
4Aufgrund einer Feststellungsklage des Klägers gegenüber der Beklagten wurde durch Urteil des OLG Düsseldorf vom 07.09.1983 - 5 UF 76/83 OLG D‘dorf/ 13 F 306/81 AG Viersen - unter anderem erkannt, daß der Kläger ab 01.01.1983 für die Tochter A. keinen höheren Unterhalt als mtl. 570,-- DM zu zahlen hat.
5In einem weiteren Verfahren zwischen der volljährigen Tochter A. und dem Kläger vor dem Familiengericht Aachen ist durch Urteil vom 09 .03.1988 — 23 F 219/87 — unter anderem festgestellt worden, daß der Kläger der Tochter ab 11.12.1987 keinen höheren Unterhalt als mtl. 495,20 DM zu zahlen verpflichtet ist.
6Die Beklagte betreibt aus dem einstweiligen Anordnungsbeschluß des Amtsgerichts Viersen vom 16.03.1981 in Verb. mit dem Urteil des OLG Düsseldorf vom 05.10.1983 wegen eines mtl. Kindesunterhaltsanspruchs von 570,-- DM für die Zeit ab Juni 1987 die Zwangsvollstreckung. Sie hat deshalb bei dem Amtsgericht Aachen einen entsprechenden Pfändungs- und Überweisungsbeschluß vom 29 .09.1987 erwirkt - 8 M 1194/87. Die dagegen erhobene Erinnerung des Klägers ist im Beschwerdeverfahren durch Beschluß des Landgerichts Aachen vom 02.03.1988 verworfen worden.
7Der Kläger ist der Ansicht ‚ die Beklagte sei nicht berechtigt ‚ im einstweiligen Anordnungsbeschluß die titulierten Kindesunterhaltsansprüche zu vollstrecken ‚ nachdem die Tochter A seit dem.1984 volljährig sei, seit. dem .1985 studiere und sich seitdem auch nicht mehr im Haushalt der Beklagten befinde.
8Der Kläger beantragt wie erkannt zu entscheiden.
9Die Beklagte beantragt die Klage abzuweisen.
10Sie macht geltend, daß sie zur Vollstreckung aus dem EA-Beschluß, soweit dieser nicht durch das Urteil des OLG Düsseldorf vom 05.10.1983 außer Kraft gesetzt sei, mithin in Höhe eines mtl. Betrages von 570,-- DM, den sie an die volljährige Tochter weiterleite, berechtigt sei. Der einstweilige Anordnungsbeschluß regele die Unterhaltspflicht des Vaters gegenüber dem Kind im Verhältnis untereinander im Verhältnis zwischen dem Kind und dem Vater. Vollstrecken könne aus diesem Beschluß allein sie, die Beklagte, aber nicht die Tochter. Demgemäß seien, da der Kläger nicht freiwillig an sie, die Beklagte, oder die Tochter gezahlt habe, Vollstreckungsmaßnahmen legitim.
11Im übrigen wäre die Klage, sofern sie, die Beklagte, zur Zwangsvollstreckung nicht mehr legitimiert sei, unbegründet ‚ weil dann nämlich für die Vollstreckungsgegenklage nicht sie, die Beklagte, sondern vielmehr die Tochter der Parteien passiv legitimiert wäre.
12Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
13Entscheidungsgründe
14Die Vollstreckungsgegenklage des Klägers ist zulässig. Denn bei einer Vollstreckung des Titelgläubigers, der einen Titel in gesetzlicher Prozeßstandschaft nach § 1629 Abs. 3 BGB erstritten hat, kann der Schuldner die zwischenzeitlich eingetretene Beendigung der Prozeßstandschaft nicht mit der Klauselerinnerung (§ 732 ZPO) oder der Vollstreckungserinnerung (~ 766 ZPO) sondern nur mit der Vollstreckungsgegenklage geltend machen (vgl. OLG Köln, FamRZ 1985, 626). Diese Grundsätze geltend auch für den Fall der gesetzlichen Prozeßstandschaft gern. § 620 Nr. 4 ZPO alter Fassung.
15Die Klage ist auch im vollen Umfang begründet. Die Beklagte ist zur Vollstreckung aus demgemäß seinerzeitig geltendem Recht (§ 620 Nr. 14 a.F. ZPO) erlassenen einstweiligen Anordnungsbeschluß vom 16.03.1981, soweit dieser nicht durch Feststellungsurteil des OLG Düsseldorf vom 05.10.1983 bereits auf eine mtl. Unterhaltsverpflichtung des Klägers von 570,-- DM reduziert worden ist, nicht mehr, nämlich seit Volljährigkeit der Tochter nicht mehr berechtigt
16Der Beklagten ist zwar insoweit beizupflichten ‚ daß durch einen im Wege der gesetzlichen Prozeßstandschaft erwirkten einstweilige Anordnungsbeschluß auf Zahlung von Kindesunterhalt gern. § 620 Nr. 4 ZPO a.F. diese Unterhaltsverpflichtung nur im Verhältnis der getrenntlebenden Ehegatten zueinander geregelt wird (anders als nach nunmehr geltendem Recht) mit der Folge, daß die Zwangsvollstreckung aus der einstweiligen Anordnung nur derjenige Elternteil betreiben kann ‚ zu dessen Gunsten sie ergangen ist nicht aber das Kind selbst (vgl. BGH FamRZ 1983, 892; Bremen FamRZ 1984 ‚ 70) . Das Kind ist vielmehr, wenn es selbst Vollstreckungsgläubiger werden will, gehalten, den Unterhaltsanspruch durch Erstklage (und nicht Abänderungsklage) für sich selbst titulieren zu hassen.
17Das Gericht stimmt mit der obergerichtlichen Rechtsprechung (vgl. OLG Hamburg, FamRZ 1984, 927; Hamm, FamRZ 1981, 589; Kammergericht FamRZ 19814 ‚ 505) und der Beklagten auch dahingehend überein ‚ daß der Titelgläubiger aus einem in Prozeßstandschaft erwirkten Titel auch nach Beendigung der Prozeßstandschaft in eigenem Namen vollstrecken kann ‚ auch wenn die unterhaltsberechtigten Kinder nach herrschender Meinung nach Abschluß des Scheidungsverfahrens die Zwangsvollstreckungsklausel ebenfalls beantragen können
18Jedoch hat dieses eine zeitliche Schranke. Die obigen Grundsätze und die obige Rechtsprechung geltend nur - und zwar auch bei einstweiligen Anordnungen gern. § 620 Nr. 4 ZPO a.F. - im Verhältnis der Eltern minderjähriger Kinder zueinander:
19Denn mit der Volljährigkeit des Kindes endet zwar nicht dessen Barunterhaltsanspruch; ein solcher ist infolge Beendigung des Versorgungs- und Betreuungsunterhalts durch den bislang Sorgeberechtigten aber nunmehr gegen beide Eltern dem Grunde nach gerichtet. Ein Bedürfnis des bisherigen Sorgerechtsinhabers, im eigenen Namen den Barunterhalt für das Kind realisieren zu können ‚ ist dann nicht mehr gegeben. Dieses Bedürfnis ist vielmehr
20auf das voll eigenständige Kind übergangen. Aus diesem Grund hat der Gesetzgeber in § 620 Nr. 4 ZPO neuer Fassung auch nunmehr (durch die Änderung vom 20.02.1986) klargestellt, daß im Wege der einstweiligen Anordnung nur die Unterhaltspflicht gegenüber einem minderjährigen Kind geregelt werden kann. Zwar datiert die hier maßgebliche einstweilige Anordnung aus einer Zeit ‚ in der der Gesetzgeber expressis verbis die Zulässigkeit dieser Anordnung nicht allein für minderjährige Kinder normiert hatte. Doch handelte es sich bei dieser Gesetzesänderung insoweit um eine Klarstellung. Auch nach altem Recht war die Geltendmachung eine einstweilige Anordnung auf Kindesunterhalt im Wege der Prozeßstandschaft nur für minderjährige Kinder zulässig und möglich. Dieses folgt aus der Vorschrift des § 1629 BGB (a.F.). Danach konnte, "wenn eine Regelug der Sorge für die Person des Kindes noch nicht getroffen ist ‚ bei beantragter Scheidung der Ehe der Elternteil, in dessen Obhut sich das Kind befindet, Unterhaltsansprüche des Kindes gegen den anderen Elternteil geltend machen". Voraussetzung war nach dieser Vorschrift ‚ daß eine Sorgerechtsregelung noch nicht getroffen worden ist. Dieses aber wiederum setzt voraus, daß eine solche überhaupt noch getroffen werden konnte, was bei einem volljährigen Kind nicht möglich ist (allenfalls eine Vormundschaftsregelung).
21Der teilweise dagegen erhobenen Literaturmeinung, § 1629 BGB a.F. sei im Zusammenhang mit § 620 Nr. 4 ZPO nicht einschlägig, weil der Gesetzgeber - wie bereits in der Vorschrift des § 627 ZPO vor der ersten Eherechtsreform - in dieser Vorschrift eine besondere gesetzliche Prozeßstandschaft normiert habe und daher durch die einstweilige Anordnung auch eine Unterhaltspflicht gegenüber einem volljährigen Kind im Verhältnis der Ehegatten zueinander geregelt werden könne, kann nicht zugestimmt werden. Die Prozeßstandschaftsregelmg des § 1629 BGB ist ausdrücklich nach der ersten Eherechtsreform eingeführt worden ‚ weil im früheren Recht eine entsprechende Regelung, die nach der Praxis zwingend erforderlich war, gefehlt hat. Die Regelung des § 1629 BGB sollte auch nicht nur Geltung für reine Kindesunterhaltsklagen des getrennt lebenden Elternteils haben ‚ sondern vielmehr auch für alle Verfahren betreffend den Kindesunterhalt ‚ somit auch für das einstweilige Anordnungsverfahren gelten. Der Gesetzgeber wollte damit Schwierigkeiten ‚ die aus dem Mangel einer solchen Prozeßstandsregelung - auch bei einstweiligen Verfügungsverfahren, die bei Einleitung der Scheidung in einstweilige Anordnungsverfahren übergehen - entstanden sind, beseitigen.
22Daß die Wirkung einer einstweiligen Anordnung betreffend Kindesunterhalt nur den Minderjährigenunterhalt betreffen kann ‚ folgt zudem auch aus der Überlegung, daß im anderen Falle, d.h. nach altem Recht ‚ das volljährige Kind ‚ das für seinen Unterhalt selbst Sorge zu tragen hat, bei Bedürftigkeit leer ausgehen könnte, wenn nämlich der bislang Sorgeberechtigte weiter den Barunterhalt einzieht und nicht an das Kind weiterleitet. Zumindest bis zur Erwirkung eines eigenen Titels, durch den gern. § 620 f ZPO die einstweilige Anordnung dann außer Kraft gesetzt würde, würde dieses volljährige Kind nach altem Recht auch bei rechtzeitiger Mahnung des Barunterhaltspflichtigen unterhaltsmäßig leer ausgehen, weil der barunterhaltspflichtige Elternteil seiner titulierten Pflicht nachgekommen ist.
23Im übrigen würde dies ( vgl. AG Altena/Westfalen, FamRZ 1978, 56) auch einen unzulässigen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht eines Volljährigen bedeuten ‚ wenn er im Falle der Scheidung seiner Eltern nicht selbst bestimmen könnte, ob und ggfls. in welcher Höhe er von einem der Elternteile Barunterhalt beanspruchen wolle. Für den Volljährigen bzw. volljährig gewordenen besteht nur die Möglichkeit ‚ den den einen Elternteil berechtigenden einstweiligen Anordnungstitel durch eine erneute Erstklage gegen den anderen Elternteil aus der Welt zu schaffen. Wenn er aber ganz oder teilweise auf Barunterhalt verzichten will und den bislang Barunterhaltspflichtigen entlasten will, ist ihm das kaum möglich (es sei denn durch einen entsprechenden Vergleichstitel)
24Nach alldem endete, da die einstweilige Anordnung vom 16.03.1981 nur die Unterhaltspflicht des Klägers gegenüber der minderjährigen Tochter betreffen konnte, diese allein der Beklagten zustehende Vollstreckungsbefugnis aus diesem Beschluß mit Eintritt der Volljährigkeit der Tochter. Spätestens von diesem Zeitpunkt an bedurfte es der Festsetzung der Unterhaltsverpflichtung des Beklagten gegenüber der volljährigen Tochter. Da die Beklagte somit unberechtigterweise vollstreckt ‚ war dem Antrag des Klägers voll zu entsprechen.
25Denn verfehlt ist letztlich auch der Einwand der Beklagten ‚ sie sei für die Abwehrklage nicht passiv legitimiert. Wer die .Zwangsvollstreckung im eigenen Namen betreibt ‚ wie hier die Beklagte, ist für die Vollstreckungsabwehrklage auch der richtige Beklagte (vgl. Zöller, Rdnnr. 11 zu § 767 ZPO; Baumbach § 767 Anm. 3).
26Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
27Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709, 110 ZPO.
28Der Kläger hat unter Hinweis auf die von der Beklagten unzulässig eingeleiteten Zwangsvollstreckungsmaßnahmen geltend gemacht, daß es ihm nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten möglich sei ‚ Sicherheit zu leisten ‚ nachdem aufgrund des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses entsprechenden Beträge ihm nicht mehr von seinem Dienstherrn Soldungsentgelt ausbezahlt worden sind.
29Streitwert: 6.840,-- DM.
Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.
Referenzen
This content does not contain any references.