Urteil vom Amtsgericht Viersen - 23 C 340/06
Tenor
Es wird festgestellt, dass der Kläger gegen die Beklagte aus dem Ereignis vom 05.09.2006 - Verletzung § 9 ArbEG durch Arbeitgeber - einen Anspruch auf Gewährung von Versicherungsschutz aus dem Rechtsschutzversicherungsvertrag zur Versicherungsscheinnummer 1579855 hat.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
1
Tatbestand:
2Die Ehefrau des Klägers unterhält bei der beklagten Versicherung einen Rechtsschutzversicherungsvertrag, in den zum 08.02.2006 u.a. der Risikobereich des Arbeitsrechtsschutzes aufgenommen wurde. Der Kläger seinerseits ist mitversicherte Person.
3Im Juli 2005 zeigte der Kläger seinem Arbeitgeber eine Arbeitnehmererfindung an. Erst mit Schreiben vom 05.09.2006, wegen dessen Einzelheiten auf Bl. 9 d.A. Bezug genommen wird, erklärte der Arbeitgeber des Klägers die unbeschränkte Inanspruchnahme der Erfindung und kündigte zugleich an, dem Kläger – unter Zugrundelegung eines Anteilsfaktors von 33, 3 % - einen Anerkennungsbetrag von 100,00 € brutto zu zahlen; zugleich wurde dem Kläger angeboten, für die Abtretung der bei ihm verbliebenen Rechte, die aus einer Nichtanmeldung des Schutzrechtes durch den Arbeitgeber bezogen auf ausländische Staaten resultieren, bei Erteilung des Patentes einen Pauschalbetrag von 150,00 € zu zahlen.
4Mit Anwaltsschreiben vom 11.12.2006 teilte der Kläger seinem Arbeitgeber mit, sowohl mit der Vergütungshöhe, der Festsetzung seines Anteilsfaktors als auch mit der mit dem Pauschalbetrag für die Freigabe der Diensterfindung nicht einverstanden zu sein und kündigte an, im Falle Nichteinigung seinen Festsetzungsanspruch nach § 12 ArbNErfG geltend zu machen. Bereits mit Schreiben vom 23.10.2006 bat der Kläger die Beklagte um Deckungsschutz für seine zunächst außergerichtliche Interessenvertretung, was von der Beklagten nach zwischenzeitlicher Korrespondenz der Parteien letztendlich mit Schreiben vom 07.11. und 15.11.2006 abgelehnt wurde (Bl. 20, 23 f. d.A.).
5Der Kläger beantragt,
6festzustellen, dass er gegen die Beklagte aus dem Ereignis vom 05.09.2006 - Verletzung § 9 ArbNErfG durch den Arbeitgeber – einen Anspruch auf Gewährung von Versicherungsschutz aus dem Rechtsschutzversicherungs-Vertrag zur Versicherungsscheinnummer 1579855 hat.
7Die Beklagte beantragt,
8die Klage abzuweisen.
9Die Beklagte hält die Klage wegen der Möglichkeit der Leistungsklage für unzulässig.
10Im Übrigen ist die Beklagte der Auffassung, Versicherungsschutz bestehe schon deshalb nicht, weil der Risikoausschluss des § 3 Abs. 2 d ARB 2000 eingreife. Außerdem sei der Versicherungsschutz nach § 4 Abs. 3 a ARB 2000 ausgeschlossen, weil das Schreiben des Klägers an seinen Arbeitgeber vom Juli 2005 zeitlich vor dem Zeitpunkt gelegen habe, zu dem der Risikobereich des Arbeitsrechtsschutzes versichert worden sei.
11Wegen der übrigen Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien nebst überreichten Anlagen Bezug genommen.
12Entscheidungsgründe:
13Die Klage ist zulässig und begründet.
141.
15Die Zulässigkeit der Klage scheitert entgegen der Rechtsansicht der Beklagten nicht bereits an der Subtilität der Feststellungsklage.
16Zwar ist eine Feststellungsklage dann unzulässig, wenn dasselbe Ziel mit der Leistungsklage erreicht werden könnte.
17Diese Voraussetzung ist hier jedoch nicht erfüllt. Auch wenn der Kläger die Beklagte mit vorprozessualem Anwaltsschreiben vom 23.10.2006 (Bl. 14 ff. d.A.) zur Zahlung eines konkret berechneten Vorschusses für seine außergerichtliche Interessenvertretung aufgefordert hat, ist gleichwohl eine die Zulässigkeit der Feststellungsklage ausschließende Leistungsklage zur Zeit nicht möglich. Denn der Umfang des von der Beklagten begehrten Versicherungsschutzes lässt sich zur Zeit deshalb nicht beziffern, weil die Höhe der letztendlich zu bemessenden Erfindervergütung als Grundlage für die Festsetzung des Geschäftswertes jedenfalls derzeit noch nicht bestimmt werden kann. Hierauf hat der Kläger zutreffend mit Schriftsatz vom 09.07.2007 (Bl. 69 ff. d.A.) hingewiesen und dem hat sich das Gericht bereits im Termin vom 25.09.2007 – insoweit nicht protokolliert – angeschlossen.
182.
19Die Klage ist auch begründet.
20Dem Kläger steht als mitversicherte Person gegen die Beklagte ein Anspruch auf Deckungsschutz aus der Versicherungsscheinnummer 1579855 zu.
21Soweit die Beklagte dem Anspruch des Klägers entgegenhält, der Versicherungsschutz sei bereits nach § 4 Abs. 3 a ARB 2000 deshalb ausgeschlossen, weil einerseits das Schreiben des Klägers an seinen Arbeitgeber vom Juli 2005 den Versicherungsfall ausgelöst habe und andererseits – unstreitig – das Risiko "Privat-, Berufs- und Verkehrs-Rechtsschutz für Nichtselbständige" erst zum 08.02.2006 in den Versicherungsvertrag aufgenommen worden ist, vermag das Gericht dem nicht zu folgen.
22Denn bei der bloßen Anmeldung einer Arbeitnehmererfindung handelt es sich nicht um eine risikoträchtige Rechtshandlung in dem Sinne, dass sie bereits den Keim eines nachfolgenden Rechtsverstoßes des einen oder anderen Teils und damit eines sich anschließenden Rechtsstreites in sich trägt, wie dies für die Anwendbarkeit des Ausschlusstatbestandes gem. § 4 Abs. 3 a ARB erforderlich ist (vgl. OLG Hamm, VersR 2001, 712 f).Vielmehr kommt der Arbeitnehmer damit gem. § 5 ArbNErfG nur einer gesetzlichen – der Kläger nach § 13 des Arbeitsvertrages (BL. 59 d.A.) darüber hinaus auch einer vertraglichen– Verpflichtung nach, die für sich als neutral und damit nicht als streitauslösend zu bewerten ist.
23Streitauslösend war hier vielmehr – und hierauf hat das Gericht bereits im Termin vom 25.09.2007 hingewiesen (Bl. 90 d.A.) - das arbeitgeberseitige Schreiben vom 05.09.2006, mit dem einerseits die unbeschränkte Inanspruchnahme der Arbeitnehmererfindung erklärt und anderseits eine – aus Sicht des Klägers – unangemessen geringe Vergütung angeboten worden ist. Denn ein Streit über die Höhe einer angemessen Vergütung einer gemeldeten Arbeitnehmererfindung kann erst nach der uneingeschränkten Inanspruchnahme der Arbeitnehmererfindung durch den Arbeitgeber erfolgen, was hier mit Schreiben des Arbeitgebers des Klägers vom 05.09.2006 erfolgt ist. Denn der Vergütungsanspruch des Arbeitnehmererfinders entsteht erst, wenn der Arbeitgeber die Diensterfindung unbeschränkt oder auch nur beschränkt in Anspruch genommen hat (§§ 9,10 ArbNErfG). Da zu diesem Zeitpunkt der arbeitgeberseitigen Inanspruchnahme für den Risikobereich des Berufsrechtsschutzes Versicherungsschutz bestand, nämlich seit dem 08.02.2008, ist der Versicherungsschutz nicht nach § 4 Abs. 3 a ARB 2000 ausgeschlossen.
24Ein Ausschluss des Versicherungsschutzes besteht entgegen der Ansicht der Beklagten auch nicht nach § 3 Abs. 2 d ARB 2000. Nach dieser Regelung besteht Rechtsschutz nicht für die Wahrnehmung rechtlichter Interessen im ursächlichen Zusammenhang mit Patent-, Urheber-, Marken-, Geschmacksmuster-, Gebrauchsmusterrechten und sonstigen Rechten aus geistigem Eigentum.
25Die Frage, ob der Leistungsausschluss des § 3 Abs. 2 d ARB auch für einen Arbeitnehmererfindungsvergütungsanspruch nach § 9 ArbNErfG eingreift, ist umstritten (bejahend: LG Ansbach, VersR 2007, 1268 ff.; verneinend: Prölls/Martin, VVG, § 4 ARB 75 Rz. 7). Begründet wird die Anwendbarkeit des Leistungsschlusses damit, es bestehe ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Vergütungsanspruch des Arbeitnehmererfinders einerseits und einem Patentrecht andererseits. Dabei soll es keine Rolle spielen, ob die Anmeldung oder Erteilung eines Patentes vorliegt, denn in jedem Fall sei Voraussetzung für den Vergütungsanspruch ein sonstiges Recht an geistigem Eigentum im Sinne des § 3 Abs. 2 d ARB 2000. Dass zugleich ein sogenannter Arbeitsrechtsschutz für die Wahrnehmung u.a. rechtlicher Interessen aus Arbeitsverhältnissen bestehe, begründe keinen Verstoß gegen § 305 c Abs. 2 BGB, denn jedem durchschnittlichen Versicherungsnehmer erschließe sich, dass im Zusammenhang mit Ansprüchen nach dem ArbNErfG ein ursächlicher Zusammenhang mit Patent-, Urheber-, Marken-, Geschmacksmuster-, Gebrauchsmusterrechten und sonstigen Rechten aus geistigem Eigentum und deshalb kein Rechtsschutz bestehe (vgl. LG Arnsbach, aaO).
26Diese Auffassung vermag das Gericht nicht zu folgen. Denn das ArbNErfG ist seiner rechtssystematischen Stellung nach im Grenzbereich zwischen Arbeitsrecht und gewerblichem Rechtsschutz angesiedelt, bei dem sich teilweise arbeitsrechtliche und patentrechtliche Grundsätze widersprechen. Während nämlich im Arbeitsrecht der Grundsatz gilt, dass das Ergebnis der Arbeit dem Arbeitgeber gehört, geht das Patentrecht davon aus, dass die Erfindung dem Erfinder zusteht. Der Schwerpunkt des Arbeitnehmererfindungsrechts liegt jedoch nach überwiegender Auffassung auf dem arbeitsrechtlichen Gebiet; danach handelt es sich bei dem Arbeitnehmererfindungsrecht um ein dem Arbeitsrecht zuzuordnendes Schutzgesetz zugunsten des Arbeitnehmererfinders (vgl. Vollmer/Gaul, ArbNErfG, Einl. Rz 29 ff.; Bartenbach/Volz, ArbNErfG, Einl. 3). Bei Streitigkeiten über die Höhe des Vergütungsanspruchs eines Arbeitnehmererfinders handelt es sich demnach um Ansprüche aus Arbeitsvertrag, die dem Arbeitsrechtsschutz unterliegen und deshalb von der Ausschlussklausel des § 3 Abs. 2 d ARB 2000 nicht erfasst werden (so wohl auch Schaub,NZA 1989, 865ff,867).
27Hierfür spricht abgesehen von der Zuordnung des Arbeitnehmererfindungsrechtes zum Gebiet des Arbeitsrechtes jedenfalls die Unklarheitenregel des § 305 c Abs. 2 BGB. Nach dieser Vorschrift ist eine Klausel unter der gebotenen objektiven Auslegung so zu auszulegen , wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Kreise verstanden werden. Danach wird ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer nach Auffassung des Gerichts jedenfalls dann, wenn – wie hier – die wechselseitigen Pflichten der Arbeitsvertragsparteien im Falle einer Arbeitnehmererfindung auch ausdrücklich im Arbeitsvertrag geregelt sind, Arbeitnehmererfindungsvergütungsansprüche als arbeitsrechtlich geprägte und damit dem Arbeitsrechtsschutz unterliegende Rechte verstehen.
28Nur diese Betrachtungsweise ermöglicht nach Auffassung des Gerichts auch eine einheitliche Handhabung des Versicherungsschutzes bei Ansprüchen nach dem Arbeitnehmererfindungsgesetz. Bei den Befürwortern der Anwendbarkeit des Leistungsausschlusses nach § 3 Abs. 2 d ARB besteht nämlich Einigkeit dahingehend, dass bei Verbesserungsvorschlägen, d.h. bei Vorschlägen für sonstige technische Neuerung, die weder patent- noch gebrauchsmusterfähig sind (§ 3 ArbNErfG), mangels Ausschließlichkeitscharakters ein geistiges Eigentum im Sinne des § 3 Abs. 2 d ARB 2000 nicht mehr vorliegt und deshalb die Interessenwahrnehmung aus Arbeitsrechtsschutz gedeckt ist (vgl. die Nachweise bei Schaub, a.a.O. ). Aus der maßgeblichen Sicht des durchschnittlichen Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche aber auch ohne Spezialkenntnisse auf dem Gebiet des geistigen Eigentums ist es dann aber nicht mehr erkennbar, inwieweit eine von ihm dem Arbeitgeber gemeldete technische Neuerung eine als erfindungsschutzfähige absolut technische Neuerung oder nur eine nicht im Sinne des Patentrechtes oder des Gebrauchsmusterschutzrechtes unterliegende relative Neuerung darstellt mit der Folge, dass er auch nicht zu erkennen vermag, ob für einen eventuellen Vergütungsstreit Deckungsschutz besteht oder nicht.
29Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
30Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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