Beschluss vom Amtsgericht Wesel - 24 M 829/02
Tenor
I.
Auf die Erinnerung des Gläubigers vom 27.03.2002, die für begründet erachtet wird, wird der Gerichtsvollzieher angewiesen, die Räumung aus dem Räumungstitel, dem Anerkenntnisurteil des Amtsgerichts X zu dem Aktenzeichen 26 C 303/01 vom 27.02.2002 vorzunehmen, zumindest nicht nach dem vom Gerichtsvollzieher genannten Grund in seiner Ablehnung vom 17.03.2002 zu unterlassen.
II.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Schuldner
III.
Verfahrenswert: 8.589,00 EURO
1
IV.
2- Gründe:
Die Weigerung des Gerichtsvollziehers, die Zwangsvollstreckung auf
4Räumung vorzunehmen, ist nicht begründet. Zu unrecht gab der
5Gerichtsvollzieher an, dass die weiteren erwachsenen Personen in
6der Wohnung als Mitbesitzer angesehen werden müssten, gegen die
7dann ebenfalls die Zwangsvollstreckung stattfindet.
8§ 750 ZPO ist v ielmehr so auszulegen, dass in dem Titel nur
9derjenige Schuldner bezeichnet wird, mit dem auch das Rechts-
10verhältnis besteht bzw. bestanden hat. Alle weiteren in der Wohnung
11befindlichen Personen sind lediglich Besitzdiener, gegen die eine
12besondere Austitulierung nicht erforderlich ist.
13Da aus dem Anerkenntnisurteil nicht hervorging, inwieweit nicht evtl.
14über die Person des Schuldners hinaus weitere Personen Miet-
15vertragspartei waren, veranlaßte das Gericht eine eidesstattliche
16Versicherung des Beschwerdeführers, in der dieser versichert,
17dass er keine weiteren Verträge mit dem sich im Hause aufhaltenden
18Personen abgeschlossen hat.
19Diese übrigen Mitbewohner, auch die volljährigen, sind nur Besitz-
20diener. Denn ihnen fehlt ein Wille zum eigenen Besitz. Der redliche
21Besitzer im Sinne von §§ 986 ff. BGB besitzt nämlich aufgrund der
22Überzeugung, ein Recht zum Besitz zu haben. Ein solches Recht ist
23aber ohne ausdrücklich abgeschlossenen Mietvertrag nicht redlich
24herzuleiten. Den Mitbewohnern fehlt daher der Wille zum eigenen
25Besitz an der Wohnung.
26Soweit anscheinend teilweise die Ansicht vertreten wird, dass durch
27das Mitbewohnen in konkludenter Weise ein Mietvertrag abgeschlos-
28sen wird, ist diese Ansicht abzulehnen. Konkludente Willenserklärun-
29gen aus tatsächlichen Verhalten herzuleiten, ist ohnehin schwierig.
30Es ist für den Abschluss eines Mietvertrages nicht nur der Nutzungs-
31wille erforderlich, sondern auch die Bereitschaft, in die Pflichten des
32Mietvertrages einzutreten. Dies ist auch zum Schutz sonstiger Mit-
33bewohner nicht anzunehmen. Weder der Vermieter noch der Mieter
34noch die sonstigen Mitbewohner wüßten nämlich in einem Konflikt-
35fall, ab wann das Gericht aufgrund einer wie lange dauernden
36Nutzung einen Mietvertrag annehmen würde. Daraus resultierten z. B.
37bei Räumungsstreitigkeiten Unsicherheiten für beide Mietvertrags-
38parteien, wer überhaupt in den Räumungsprozeß einzubeziehen ist.
39Es kommt hinzu, dass dem Mieter im Rahmen seines Nutzungsrechts
40grundsätzlich zugesprochen wird, dass er Besuch, auch für längere Zeit, empfangen kann. Dem Vermieter ist in der Regel nicht möglich,
41einer solchen besuchsweisen Nutzung zu widersprechen, in der Regel
42noch nicht einmal der Aufnahme eines weiteren Mitbewohners.
43Da das Gesetz zu Recht die Möglichkeit einer fristlosen Kündigung
44wegen Nichtzahlung der Miete bereits nach zwei ausgebliebenen
45Mietzinszahlungen erlaubt, was ohnehin schon eine Benachteiligung
46ist, da die eine Vertragspartei die Hauptleistung verweigert, müsste
47der Vermieter ansonsten auch innerhalb kurzer Zeit in der Lage sein,
48den Personenbestand einer Wohnung aufzunehmen. Es ist aber
49derzeit überhaupt nicht ersichtlich, mit welchen Möglichkeiten der
50Vermieter in kurzer Zeit einen solchen Personenbestand ermitteln
51könnte. Gegen die Annahme des Zustandekommens von weiteren
52Mietverträgen mit Mitbewohnern spricht auch, dass gar keine klaren
53Kriterien erkannbar sind, ab wann sich jemand noch besuchsweise in
54der Wohnung aufhält oder wann er als Mitbewohner anzusehen wäre.
55Daraus resultiert für den Vermieter das Problem, nicht zu wissen, wen
56er bei einer Räumungsklage auf Schuldnerseite einbeziehen müsste.
57Wer die daraus resultierenden Kosten tragen sollte, bliebe ebenfalls
58fraglich.
59Insgesamt führte eine derartige Ansicht zu einer unüberschaubaren
60Vertragssituation. Die Gestaltung der Wirklichkeit durch das Recht
61muss aber so eindeutig sein, dass ein Vertragsverhältnis auch noch
62tatsächlich durchgeführt werden kann und nicht unübersehbare
63wirtschaftliche Risiken bietet. Diese Aufgabe des Rechts kann sich
64auch nicht ein Gericht in seiner Ansicht widersetzen. Vielmehr ist es
65Aufgabe der Gerichte, in Einklang mit Recht und Gesetz für Rechts-
66sicherheit zu sorgen. Ohne klar erkennbare Kriterien, wann eine
67Nutzung einer Wohnung zu einem Vertragsverhältnis führen könnte,
68ist eine derartige Ansicht deshalb abzulehnen.
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