Beschluss vom Amtsgericht Winsen (Luhe) - 16 AR 2/12
Tenor
Das durch das Schiedsamt … am 28.05.2012 gegen den Antragsgegner festgesetzte Ordnungsgeld von 35,00 € wird aufgehoben.
Verfahrenskosten werden nicht erhoben. Auslagen der Parteien werden nicht erstattet.
Gründe
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Die Ordnungsgeldfestsetzung war aufzuheben.
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Das Ordnungsgeld war festgesetzt worden, weil der Antragsgegner nach ca. einer Stunde die Schiedsamtsitzung verlassen hatte, ohne dass die Schiedsperson die Sitzung vorher geschlossen gehabt hätte. Daraufhin hat die Schiedsperson gegen den Antragsgegner ein Ordnungsgeld von 35,00 € verhängt.
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Der Antragsgegner hat die Ordnungsgeldfestsetzung in zulässiger Weise angefochten.
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Die Ordnungsgeldfestsetzung war aufzuheben, weil deren Verhängung letztlich nicht gerechtfertigt war.
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Grundsätzlich sind die Parteien eines Schiedsverfahrens gem. § 23 Abs. 1 NdsSchÄG im Rahmen der Vorschriften (§§§ 22 Abs. 4 Satz 1, 27 Satz 2, 39 Abs. 1 Satz 2 NdsSchÄG) verpflichtet, in dem von der Schiedsperson anberaumten Termin persönlich zu erscheinen. Gem. § 23 Abs. 2 NdsSchÄG kann (muss?) die Schiedsperson ein Ordnungsgeld zwischen 10,00 und 50,00 € festsetzen, wenn ein Partei zu dem Termin nicht erscheint oder sie sich vor dem Schluss der Schlichtungsverhandlung unentschuldigt entfernt.
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Zweifelsohne ist ein Termin beendet, wenn die Schiedsperson die Sitzung geschlossen hat. Allerdings kann nicht jedes vorzeitige Verlassen einer Schiedsamtsitzung ohne Wenn und Aber ein Ordnungsgeld auslösen. Vielmehr ist mit jedem Unterlassenen der Schließung eines Termins zugleich auch ein Eingriff in die persönliche Freiheit einer Partei verbunden. Dieser ist so lange gerechtfertigt, wie die Durchführung der Sitzung ihn rechtfertigt. Indem das Schiedsamtgesetz eine Pflicht zum Erscheinen und zur Anwesenheit in der Sitzung statuiert und eine Ausnahme für die Festsetzung des Ordnungsgeldes auch nicht für den Fall vorgesehen ist, dass eine Partei vor oder während der Sitzung ihren mangelnden Einigungswillen erklärt hat, ist ein Antragsgegner durch eine solche Erklärung nicht automatisch vom Erscheinen bzw. Verbleiben im Termin befreit. Vielmehr verlangt das Gesetz, dass eine Partei sich der Schiedsamtsitzung stellt und sich das Begehren der Gegenseite anhört. Selbstverständlich kann man niemanden zwingen, das Begehren des Verfahrensgegners in seinem Herzen zu erwägen und bedenken. Der Antragsgegner muss sich aber dem Schiedsamtverfahren zumindest durch seine Anwesenheit stellen.
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Das bedeutet aber nicht, dass die Schiedsperson berechtigt wäre, gegen den Willen der Parteien diese durch die Verpflichtung zur fortdauernden Anwesenheit quasi "weich zu kochen". Vielmehr hat die Schiedsperson die Sitzung zu schließen, wenn trotz ihres Bemühens erkennbar keine Aussicht auf eine Einigung besteht und das Recht einer Partei auf freie Gestaltung ihres Tages und Wahrnehmung ggf. anderer Termine gegenüber dem vom Schiedsamtgesetz verfolgten Ziel des Versuchs einer friedlichen Einigung zwischen den Streitenden unzweifelhaft überwiegt. Das kann z.B. dann der Fall sein, wenn die Erklärung der Nichteignung nicht nur ein erstes, schnell dahin gesagtes Wort ist, "weil man mit dem anderen ja eh nicht reden kann", sondern erkennbar eine gefestigte und wohl unverrückbare Haltung darstellt, die in der Sitzung auch nicht aufgeweicht werden konnte. Die Sitzung ist sicherlich auch dann zu schließen bzw. zu vertagen, wenn sonstige, z.B. eine Terminsverschiebung rechtfertigenden Entschuldigungsgründe gegen eine weitere zeitliche Ausdehnung des Termins dargetan werden (entsprechend § 22 Abs 4 NdsSchÄG).
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Der Antragsgegner macht hier geltend, dass er vorher bei der Schiedsperson sich danach erkundigt habe, dass die Sitzung ca. eine Stunde dauern werde und er danach anderes für sich terminiert habe. Deswegen habe er die Sitzung nach einer Stunde verlassen müssen. Auf Nachfrage, insbesondere auf die Bitte der Glaubhaftmachung eines nachfolgenden Termins hin erklärte er, er habe auch wegen des einigungsfeindlichen Verhaltens des Antragstellers keinen Sinn mehr in einer Fortsetzung des Termins gesehen. Aus seinen Darlegungen wird für das Gericht zwischen den Zeilen sehr deutlich, dass nicht andere wichtige Termine der Grund für sein Weggehen waren, sondern weil er keinen Sinn mehr in einer Fortführung der Sitzung gesehen habe. Deshalb habe er - obgleich die Schiedsperson ihm bedeutet habe, er müsse so lange bleiben, bis sie die Sitzung geschlossen habe - die Sitzung eigenmächtig verlassen.
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Ob er dazu berechtigt gewesen ist, das kann im speziellen Fall dahin stehen, weil die Sitzung der Schiedsperson an dem formellen Mangel der fehlenden Nichtöffentlichkeit litt und der Antragsgegner deshalb überhaupt nicht verpflichtet war, an dieser Sitzung teilzunehmen.
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Gemäß § 26 Satz 1 NdsSchÄG ist die Schiedsamtsitzung nicht öffentlich. In Nr. 1 der VV zu § 26 wird als Grund dafür angegeben, dass die Parteien die Möglichkeit zu einer beiderseits offenen Aussprache ohne Rücksichtnahme auf unbeteiligte Dritte haben sollen. Außer den Parteien, ihren gesetzlichen oder rechtsgeschäftlichen Vertretern, den Beiständen, etwaig hinzugezogenen Dolmetschern, zu vernehmenden Zeugen oder anzuhörenden Sachverständigen, sowie dem Direktor (Präsidenten) des Amtsgerichts oder dem von ihm beauftragten Richter oder Beamten ist niemandem die Anwesenheit in der Schlichtungsverhandlung gestattet. Ihrem Stellvertreter oder einer anderen Schiedsperson darf die Schiedsperson mit Zustimmung der Parteien die Teilnahme an der Schlichtungsverhandlung gestatten.
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Diese Nichtöffentlichkeit war hier jedoch nicht gewährleistet. Vielmehr hatte die Schiedsperson zur Sitzung in ein für jedermann zugängliches örtliches Cafe (und zwar während dessen regulärer Öffnungszeiten) geladen, wobei das Cafe amtsbekanntermaßen über keinen separaten (optisch und akustisch abgetrennten) Raum verfügt. Damit wurde der Antragsgegner zu einem rein tatsächlich öffentlichen, d.h. für jedermann zugänglichen, von jedermann zu beobachtenden und für jedermann zu belauschenden Ort geladen. Die Sitzung fand also "unter den Augen und Ohren der Öffentlichkeit" statt. Bei einer Verhandlung an einem solchen Ort ist - entgegen Nr. 1 Satz 2 VV zu § 6 NdsSchÄG - in keiner Weise sichergestellt, dass über die Verhandlung und die Verhältnisse der Parteien Verschwiegenheit gewahrt wird - im Gegenteil.
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Wenn die Sitzungsgestaltung aber schon nicht elementare Grundprinzipien einer Schiedsamtsitzung wahrte, dann war der Antragsgegner auch nicht verpflichtet, an einer solchen Sitzung teilzunehmen. Es ist daher auch nicht mit einem Ordnungsgeld zu sanktionieren, dass der Antragsgegner sich nach einer Stunden aus einer solchen Sitzung eigenmächtig entfernt hat.
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Das verhängte Ordnungsgeld war daher mit der Kostenentscheidung gem. § 23 Abs. 7 NdsSchÄG aufzuheben.
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Referenzen
- § 23 Abs. 7 NdsSchÄG 1x (nicht zugeordnet)
- §§ 22 Abs. 4 Satz 1, 27 Satz 2, 39 Abs. 1 Satz 2 NdsSchÄG 3x (nicht zugeordnet)
- § 26 Satz 1 NdsSchÄG 1x (nicht zugeordnet)
- § 23 Abs. 2 NdsSchÄG 1x (nicht zugeordnet)
- § 22 Abs 4 NdsSchÄG 1x (nicht zugeordnet)
- § 6 NdsSchÄG 1x (nicht zugeordnet)
- § 23 Abs. 1 NdsSchÄG 1x (nicht zugeordnet)