Urteil vom Amtsgericht Wuppertal - 95b C 151/09
Tenor
Das Versäumnisurteil des Amtsgerichts W
vom 09.12.2009, Aktenzeichen: 95 b C 151/09, wird
aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits mit Ausnahme der durch
die Säumnis der Beklagten veranlassten Kosten, die
die Beklagte trägt, trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerseite kann die gegen sie gerichtete Vollstreckung
durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren
Betrages abwenden, sofern nicht die Beklagtenseite zuvor
Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Beklagtenseite kann die gegen sie gerichtete Vollstreckung
durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren
Betrages abwenden, sofern nicht die Klägerseite zuvor
Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Sicherheit kann durch selbstschuldnerische Bürgschaft
einer deutschen Bank oder Sparkasse geleistet werden.
1
T a t b e s t a n d :
2Die Beklagte ist Eigentümerin der Wohnungen Nr. 5 und Nr. 10 der Wohnungseigentümergemeinschaft Bstraße 92 und 94. Auf der Eigentümerversammlung vom 31.08.2009 beschloss die Gemeinschaft zu TOP 3 die Abrechnung 2007/2008, aus welcher sich für die Wohnung Nr. 5 Nachzahlungen in Höhe von 234,84 €, für die Wohnung Nr. 10 in Höhe von 6014,89 € ergeben. Zu TOP 5 der gleichen Versammlung beschloss die Gemeinschaft den Wirtschaftsplan 2009, wonach sich für die Wohnung Nr. 10 monatliche Wohngelder in Höhe von 340,00 € ergeben. Die Beklagte veräußerte als Baubetreuerin sämtliche Wohnungen. Für sämtliche Erwerber wurden im Jahre 2006 Auflassungsvormerkungen eingetragen. Sämtliche Erwerber mit Ausnahme der Eheleute K (Wohnung Nr. 10) nahmen die Wohnungen im Jahre 2006 in Besitz. Als erste Eigentümerin wurde Frau P. am 18.04.2008 eingetragen. Die Eheleute K zogen im Juni 2006 in ihre Wohnung ein.
3Mit der Klage begehrt die Klägerin Begleichung vorstehender Beträge.
4Sie ist der Auffassung, die Beklagte hafte als noch eingetragene Eigentümerin wenigstens auf die Zahlung der Wohngeldvorauszahlung für das Jahr 2009 bis zur Besitznahme durch die Eigentümer K, nach bisheriger BGH-Rechtsprechung auch für sämtliche hier geltend gemachten Lasten der Wohnung Nr. 10.
5Unter dem 09.12.2009 erging ein Versäumnisurteil, mit welchem der Beklagten auferlegt wurde, an die Klägerin 9649,73 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 12.11.2009 zu zahlen.
6Gegen dieses am 16.12.2009 zugestellte Versäumnisurteil hat die Beklagte unter dem 21.12.2009 Einspruch eingelegt.
7Die Klägerin beantragt,
8das Versäumnisurteil aufrechtzuerhalten.
9Die Beklagte beantragt,
10das Versäumnisurteil aufzuheben
11und die Klage abzuweisen.
12Die Beklagte macht geltend, sie habe die zugrunde liegenden Beschlussfassungen angefochten. Es bestehe eine werdende Eigentümergemeinschaft von sämtlichen Erwerbern, so dass am 31.08.2009 die Gemeinschaft gegenüber der Beklagten keinerlei Beschlusskompetenz mehr inne gehabt habe.
13Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird gemäß § 313 Abs. 2 ZPO auf die vorbereitenden Schriftsätze Bezug genommen.
14E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
15Die Klage ist nicht begründet.
16Nach allgemeiner Auffassung sind die Vorschriften des Wohnungseigentumsgesetzes im Gründungsstadium einer Wohnungseigentümergemeinschaft auf die noch nicht im Grundbuch eingetragenen Erwerber entsprechend anzuwenden.
17Hierfür besteht ein Bedürfnis, da zwischen Kauf einer Wohnung und Eintragung im Grundbuch Jahre vergehen können, die Wohnanlage aber nach Bezugsfertigkeit bewirtschaftet und verwaltet werden muss, was sinnvollerweise nicht allein dem Verkäufer überlassen bleiben kann, sondern unter Beteiligung der künftigen Eigentümer nach den Regeln des Wohnungseigentumsgesetzes erfolgen sollte (BGH, WM 2008, 511 f.).
18Durch die Anerkennung der werdenden Wohnungseigentümer soll ein möglichst früher Übergab der Entscheidungsmacht des teilenden Eigentümers auf die Erwerber erreicht werden. Hiernach ist für die Anerkennung der Person des werdenden Wohnungseigentümers zu verlangen, dass zugunsten des Eigentümers eine Auflassungsvormerkung eingetragen ist und der Eigentümer Besitz an der Wohnung verlangt hat.
19Dies ist mittlerweile bezüglich sämtlicher Erwerber geschehen, näher zu hinterfragen ist jedoch, ob dadurch, dass vor Besitzerlangung der Eigentümer K die Eigentümerin P als Eigentümerin eingetragen wurde, mithin die WEG in Vollzug gesetzt wurde, ein "Ersterwerb" durch die Erwerber K mit Inbesitznahme ausscheidet und die Erwerber K wie ein Zweiterwerber zu behandeln wären, sie mithin die Position des Wohnungseigentümers erst mit Eintragung im Grundbuch erlangen würden.
20Für die Beurteilung dieser Frage kann es jedoch nicht auf den - zufälligen - Zeitpunkt der Eintragung des ersten Eigentümers im Grundbuch ankommen. Für eine Differenzierung der Rechtsstellung beider Erwerbstatbestände besteht kein rechtfertigender Grund (vgl. Coester, NJW 1990, 3185). Sämtliche Erwerber haben beim Bauträger gekauft, für sämtliche Erwerber liegt eine Auflassungsvormerkung vor. Eine Ungleichbehandlung der Eigentümer, die erst nach der zufälligen Eintragung eines Erwerbers bei sonst gleicher Interessenlage den Besitz erlangen, erscheint rein willkürlich. Für eine unterschiedliche Behandlung der Ersterwerber besteht keine materielle Rechtfertigung (vgl. Heismann, ZMR 2004, 12). Weder führt die analoge Anwendung des WEG auf diese Ersterwerber zu Verdopplungsproblemen (Stimmrechte etc.) noch verlangt die Rechtssicherheit das alleinige Abstellen auf die Eintragung als Wohnungseigentümer. Auch zugunsten der Erwerber im Gemeinschaftsstadium (nach Eintragung des ersten Eigentümers) bestehen dieselben kollektiven Gleichbehandlungs- und Demokratisierungsinteressen an der Vorverlagerung der Wohnungseigentümerrechtsposition (Heismann, ZMR 2004, 12). Die maßgebliche Zäsur der Entstehung der echten Wohnungseigentümergemeinschaft mit Eintragung des ersten Eigentümers betrifft allein die Wohnungseigentümergemeinschaft als Verband, den jeweiligen Wohnungsinteressenten geht die Eintragung des ersten Erwerbers jedoch nichts an, was ja im übrigen auch für die anderen werdenden Wohnungseigentümer gilt, die ihre Rechtsposition mit der Eintragung des ersten Erwerbers auch nicht wieder verlieren (vgl. Heismann, a.a.O.). Daher ist es geboten, wie der BGH dies in der zitierten Entscheidung bereits angedeutet hat, die Rechtsgrundsätze des werdenden Wohnungseigentümers auch auf die Erwerber K anzuwenden.
21Da somit mit Erwerb des Besitzes an der Wohnung im Juni 2009 die Eheleute K als Wohnungseigentümer im Innenverhältnis zwischen den übrigen Eigentümern rechtlich zu behandeln waren, konnte folgerichtig die Gemeinschaft nach diesem "Eigentumsverlust" der Beklagten unter dem 31.08.2009 keinerlei Beschlüsse zu Lasten der Beklagten mehr fassen, da diese rechtlich nicht mehr als Eigentümerin zu behandeln war.
22Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 344, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
23Streitwert: bis 10 000,00 €
24(i.W.: zehntausend Euro).
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Referenzen
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