Urteil vom Amtsgericht Wuppertal - 33 C 195/15
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Berufung wird zugelassen
1
Tatbestand:
2Die Klägerin verlangt aus abgetretenem Recht des Unfallgeschädigten, der diesen Anspruch an den von ihm beauftragten Kfz-Schadensschätzer abtrat, Letzterer sodann an die Klägerin, von der Beklagten, dem Kfz-Haftpflichtversicherer des schädigenden Halters aus einem Verkehrsunfallereignis vom 9.3.2015 in W den Ersatz restlicher dem Geschädigten entstandener Kosten für die Beauftragung des Schadensschätzers, insoweit hatten die Parteien des Schadensschätzungsauftrags eine Preisvereinbarung getroffen, nach der der Schadensschätzer abgerechnet hat. Die Parteien haben sich in diesem Verfahren schriftsätzlich gegenseitig der vollen Grundhaftung der Beklagten der Sache nach versichert. Die Klägerin ist der Auffassung, die Beklagte sei zum Ersatz dieser Kosten verpflichtet, denn die geforderte Vergütung sei weder unbillig noch – aus Sicht des Auftraggebers – erkennbar überteuert; die Beklagte behauptet, die geforderte Vergütung des Schadensschätzers liege oberhalb des üblichen in der Region des Schadensschätzers geforderten Entgelts für derartige Leistungen. Die Klägerin beantragt,
3die Beklagte zu verurteilen, an sie 108,29 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
4Die Beklagte beantragt Klageabweisung.
5Wegen des weiteren Vorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.
6Entscheidungsgründe:
7Die Klage ist im Ergebnis nicht begründet.
8Aufgrund des der Sache nach schriftsätzlich erklärten vertraglichen Schuldanerkenntnisses dem Grunde nach haftet die Beklagten der Klägerin gegenüber dem Grunde nach in voller Höhe (§§ 781 Satz 1BGB).
9Die Berechtigung der geltend gemachten (Rest-) Vergütungsforderung aufgrund des Schadens Kalkulationsauftrags ist jedoch nicht ausreichend vorgetragen bzw. bewiesen.
10Erteilt der Unfallgeschädigte einen Auftrag zur Schadenskalkulation unter Preisvereinbarung, gilt der vereinbarte Preis.
11Sollte der Werklohn oberhalb der üblichen Vergütung liegen, ist der vereinbarte Preis grundsätzlich wirksam. Den Kfz-Sachverständigen trifft im Rahmen der Vertragsverhandlungen keine Pflicht, den potentiellen Auftraggeber darauf hinzuweisen, dass seine zur Vereinbarung anstehende Vergütungsforderung im Vergleich zur Konkurrenz teurer sei: Das Vereinbaren von Preisen ist nicht verboten. Eine vom Üblichen abweichende Preisgestaltung ist nicht als anlässlich der Geschäftsanbahnung begangene Pflichtverletzung mit Sanktionen belegt.
12Konnte der Geschädigte bei Auftragserteilung erkennen, dass das Honorar oberhalb des üblichen Honorars liegt, ist das vom Schädiger verursachte Unfallereignis zwar noch im Wege so genannter psychisch vermittelte Kausalität bei der Auftragserteilung ursächlich geworden; den Geschädigten trifft aber ein Mitverschulden, das er sich gegenüber dem Schädiger anrechnen lassen muss. Dieses sog. Mitverschulden führt zur Kürzung des Schadensersatzanspruches auf die Höhe des üblichen Werklohns: Der Bundesgerichtshof, Urteil vom 11.02.2014, Aktenzeichen: VI ZR 225/13, hat dazu ausgeführt: „Nur wenn der Geschädigte erkennen kann, dass der von ihm ausgewählte Sachverständige Honorarsätze für seine Tätigkeit verlangt, die die in der Branche üblichen Preise deutlich übersteigen, gebietet das schadensrechtliche Wirtschaftlichkeitsgebot, einen zur Verfügung stehenden günstigeren Sachverständigen zu beauftragen.“
13Zum Mitverschulden des Geschädigten reicht es aber nicht aus, dass der Geschädigte sich gegenüber dem Kfz-Sachverständigen überhaupt auf eine Vergütungsvereinbarung einlässt und damit die (bloße) Möglichkeit in Kauf nimmt, dass diese Preisvereinbarung oberhalb des Üblichen liegen könnte.
14Diesen Einwand des sogenannten Mitverschuldens kann der Schädiger dem anspruchsberechtigten Geschädigten und jedem Zessionar gegenüber geltend machen.
15Konnte der Geschädigte bei Auftragserteilung eine etwa gegebene Überhöhung der Preisvereinbarung im Vergleich zum Üblichen nicht erkennen – so liegt der Fall hier –, kann er vom Schädiger Ersatz dieses Schadenspostens in ganzer Höhe verlangen: Auch der überteuerte Teil der Liquidation gehört zum ersatzpflichtigen Unfall-Folgeschaden; den Geschädigten trifft betreffend die Auftragserteilung an den Schadenskalkulierer kein „Mitverschulden“.
16Der Bundesgerichtshof, Urteil vom 11.02.2014, Aktenzeichen: VI ZR 225/13,NJW 2014, 1947) hat dazu ausgeführt: „Nur wenn der Geschädigte erkennen kann, dass der von ihm ausgewählte Sachverständige Honorarsätze für seine Tätigkeit verlangt, die die in der Branche üblichen Preise deutlich übersteigen, gebietet das schadensrechtliche Wirtschaftlichkeitsgebot, einen zur Verfügung stehenden günstigeren Sachverständigen zu beauftragen… Dem Schädiger verbleibt in jedem Falle die Möglichkeit darzulegen und ggf. zu beweisen, dass der Geschädigte …bei der Schadensbeseitigung Maßnahmen unterlassen hat, die ein ordentlicher und verständiger Mensch zur Schadensminderung ergriffen hätte.“
17Tritt der Geschädigte diesen Schadensposten allerdings an den Schadenskalkulierer ab oder ist der Kfz-Sachverständige Beteiligter (Zessionar oder Zedent) in einer Kette von Zessionen dieses Anspruchs – so liegt der Fall hier –, kann der ersatzpflichtige Schädiger dem Schadenskalkulierer oder den nachfolgenden Rechtsinhabern im Wege des §§ 426 Abs. 2 BGB den im Vergleich zum Üblichen überteuerten Teil des Werklohns „abziehen“:
18Nimmt der Geschädigte selbst oder ein – vom Schadenskalkulierer personenverschiedener - Zessionar den Schädiger auf Ersatz der überteuerten Kosten für den Sachverständigen in Anspruch, hat dieser Personenkreis Anspruch auf vollen Ersatz.
19Dem Schädiger steht es allerdings frei, nach seiner Schadensersatzleistung den Kfz-Sachverständigen seinerseits auf Zahlung des vom Schädiger im Wege des Schadensersatzes geleisteten Teils des im Vergleich zum Üblichen etwa überteuerten Werklohns im Wege des Regresses aus dem Gesichtspunkt des § 426 Abs. 2 BGB in Anspruch nehmen:
20Die für den Geschädigten unerkennbar überteuerte Eingehung des Werklohns ist seiner Natur nach ein Folgeschaden des vom Schädiger verursachten Unfallereignisses:
21Sowohl der Schädiger wie auch der Schadensgutachter sind als Gesamtschuldner in die Schadensentstehung in Form des im Vergleich zum Üblichen überteuerten Werklohns eingebunden (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 73. Auflage, § 421, Rdn 6, 10) mit der Folge, dass der Schädiger vom Schadenskalkulierer wegen des gegebenenfalls überteuerten Teils des Werklohns Ausgleich verlangen kann (§ 426 Abs. 2 S. 1 BGB):
22Der Kfz-Sachverständige hat zwar im Rahmen seiner mit seinem Auftraggeber, dem Geschädigten getroffenen Vergütungsvereinbarung auch bei Aushandeln eines im Vergleich zum Üblichen überhöhten Preises nicht pflichtwidrig gehandelt, insoweit trifft den Kfz-Sachverständigen kein schuldhaftes Verhalten bei Geschäftsanbahnung. Sein Verhalten hat sich aber auf die Höhe des Schadens insofern ausgewirkt, als er für den im Vergleich zum Üblichen überhöhten Teil der Vergütungsforderung - neben dem Schädiger – eine Mitursache gesetzt hat: Insoweit ist er – neben dem Unfallverursacher – Ursache dieses überhöhten Teils des Schadenspostens „Schadensfeststellungskosten“ geworden, denn der Schadensersatzanspruch des Geschädigten beläuft sich grundsätzlich nur auf die zur Wiederherstellung erforderlichen Kosten, wozu eben die Schadensfeststellungskosten gehören. Dieser Schadensersatzanspruch ist aber der Höhe nach nur insoweit entstanden, als das dafür aufzuwendende Entgelt wirtschaftlich vernünftig ist, sich also innerhalb der Kosten des Geschädigten für üblichen Vergütungen derartiger Schadensfeststellungsgutachten bewegt. Der dem Geschädigten gegen den Schädiger zustehende Schadensersatzanspruch wird nur deshalb nicht auf das Niveau des Üblichen „gekürzt“, weil den Geschädigten an der Vereinbarung einer für den Geschädigten nicht erkennbar überhöhten Werklohnforderung keine Obliegenheitsverletzung trifft, die sich im Bezug auf seinen Schadensersatzanspruch als so genanntes Mitverschulden auswirkt.
23Zu dem Zeitpunkt, zu dem dieser Anspruch des Geschädigten an den Kfz-Sachverständigen abgetreten wird oder zu dem der Schadenskalkulierer im Wege des Freistellungsanspruchs zu befriedigen ist, ist der Anspruch um den im Vergleich zum Üblichen überhöhten Teil des Werklohns aus den oben genannten Gründen - sowohl der Schädiger wie auch der Schadensgutachter sind als Gesamtschuldner in die Schadensentstehung in Form des im Vergleich zum Üblichen überteuerten Werklohns eingebunden mit der Folge, dass der Schädiger vom Schadenskalkulierer wegen des überteuerten Teils des Werklohns Ausgleich verlangen kann (§ 426 Abs. 2 S. 1 BGB - „entwertet“, auch wenn er danach erneut abgetreten wird.
24Das bedeutet, dass die Klägerin als Zessionarin des vom Schadenskalkulierer abgetretenen Vergütungsanspruchs, der schadensersatzweise geltend gemacht wird, auch im Falle einer vereinbarten Vergütung, die sich aus Sicht des Auftraggebers und Geschädigten als Folgeschaden aus dem fremdverschuldeten Unfallereignis darstellt, nur den der Höhe nach üblichen Werklohn gegenüber dem Schädiger geltend machen kann.
25Damit ist der Anspruchsberechtigte, der eine vom Schadenskalkulierer abgetretene Vergütungsforderung auf Restschadensersatz aus dem fremdverschuldeten Verkehrsunfallereignis geltend macht, der Schlüssigkeit der Klage halber gehalten, nicht nur vorzutragen, dass die schadensersatzweise geltend gemachte Vergütung in dieser Höhe entweder mangels einer Vergütungsvereinbarung als üblich entstanden ist oder im Falle einer Vergütungsvereinbarung jedenfalls den üblichen Preis nicht übersteigt, sondern er hat diese Berechtigung der abgetretenen Forderung der Höhe nach im Streitfalle zu beweisen.
26Im vorliegenden Fall fehlt es bereits an Vortrag, dass die Restforderung auf Ersatz der Kosten der Vergütung für den Schadenskalkulierer den üblichen Werklohn nicht überschreite. Die mit der in der Klageschrift abgegebenen Darstellung, dass die Forderung sich im Rahmen eines „Korridors“ einer „BVSK-Befragung“ verhalte, reicht hierzu nicht aus:
27Zur üblichen Vergütung hat der BGH, Urteil vom 04. April 2006 – X ZR 122/05 –, BGHZ 167, 139-150, ausgeführt:
28„Da bei der Ermittlung der üblichen Vergütung "Ausreißer" unberücksichtigt bleiben müssen, kann ihr nicht das gesamte Spektrum der aus der Umfrage (Anm.: Honorarbefragungen der Mitglieder des Bundesverbands der freiberuflichen und unabhängigen Sachverständigen für das Kraftfahrzeugwesen (BVSK) ) ersichtlichen Beträge zugrunde gelegt werden. Entscheidend ist vielmehr der Bereich, in dem sich die Mehrzahl und damit die die Üblichkeit bestimmenden Werte halten.“
29Damit ist die Berechtigung der Restforderung den erforderlichen Tatsachen – Üblichkeit der geforderten Restvergütung – weder vorgetragen noch bewiesen.
30Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 708 Z. 11, 711 ZPO.
31Berufung war zuzulassen, weil in der Sache eine Abweichung von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs möglich erscheint: Nach dieser Rechtsprechung sind dem Schädiger – und nicht dem Verursacher – die schadensersatzweise geltend gemachten, im Vergleich zum Üblichen überhöhten Teile des Vergütungsanspruchs anzulasten (§ 512 Abs. 4, S. 1, Z. 1, letzte Alternative ZPO).
32Streitwert: 108,29 EUR
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