Beschluss vom Amtsgericht Zeitz - 5 M 1474/16

Tenor

In der Zwangsvollstreckungssache …/… wird der dem Schuldner nach § 850k Abs. 1 und 2 ZPO zu gewährende monatliche Freibetrag gem. § 850k Abs. 4 i.V.m. § 850f Abs. 1 Buchst. b ZPO festgesetzt auf

1.413,80 € im Monat März 2019 und

1.693,80 € ab dem Monat April 2019.

Die mit Beschluss vom 08.04.2019 angeordnete einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung wird aufgehoben.

Gründe

1

Mit Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des Amtsgerichts Zeitz vom 05.01.2017 wurde auf Antrag des Gläubigers das Bankguthaben des Schuldners beim Drittschuldner gepfändet und dem Gläubiger zur Einziehung überwiesen.

2

Der Schuldner beantragte, vertreten durch seine Betreuerin, mit Schriftsatz vom 28.03.2019 die Erhöhung des unpfändbaren Betrages für sein beim Drittschuldner geführtes P-Konto gemäß § 850k Abs. 4 i.V.m. § 850f Abs. 1 b ZPO wegen beruflicher Mehraufwendungen ab 11.03.2019 (Fahrtkosten zur neuen Arbeitsstätte in E.). Zur Glaubhaftmachung legte der Schuldner eine schriftliche Bestätigung des Arbeitgebers vor, wonach der Schuldner seit dem 12.03.2019 an der neuen Arbeitsstätte in E. tätig ist und für die An- und Abfahrten zu dieser Arbeitsstätte weder Fahrtkosten erstattet noch andere Aufwandsentschädigungen erhält. Gleichzeitig wurde durch den Arbeitgeber bestätigt, dass der Schuldner auftragsgemäß 20 Schichten pro Monat, im Monat März 2019 zunächst nur 10 Schichten an der neuen Arbeitsstätte belegt.

3

Die regelmäßige einfache Entfernung zwischen der Wohnung des Schuldners und der neuen Arbeitsstätte in E. beträgt ca. 110 km. Wegen der erhöhten Ausgaben für die Fahrtkosten zur neuen Arbeitsstätte hat der Schuldner einen Fahrtkostenzuschuss beim Jobcenter beantragt. Eine Antragsabschrift wurde vorgelegt.

4

Der Schuldner beantragte im Rahmen der Festlegung des pfändungsfreien Betrages durch das Vollstreckungsgericht die Anerkennung des Zusatzaufwandes für eine Strecke von 90 km als außergewöhnliche Belastung mit je 0,30 € pro Kilometer zur Erhöhung des unpfändbaren Betrages auf dem Konto, um die zusätzlichen Ausgaben für die erhöhten Fahrtkosten zum Arbeitsplatz tragen zu können. Dabei beruft er sich auf den Beschluss des Landgerichts Mühlhausen vom 03.06.2016 - 1 T 37/16 sowie auf einen Beschluss des Amtsgerichts Neustadt zum gleichen Sachverhalt. Gleichzeitig beantragte er, dass die Kosten für die Unterhaltung und Reparatur, Steuern und Versicherungen für seinen PKW anteilig wegen der außerordentlichen beruflichen Nutzung auf den unpfändbaren Betrag angerechnet werden.

5

Dem Gläubiger wurde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Eine Stellungnahme ist nicht eingegangen.

6

Der Antrag des Schuldners auf Erhöhung des monatlichen Freibetrages für sein Pfändungsschutzkonto ist zulässig gem. § 850k Abs. 4 i.V.m. § 850f Abs. 1b ZPO und zum Teil auch begründet.

7

Das Vollstreckungsgericht kann auf Antrag des Schuldners einen von den Sockelbeträgen nach § 850k Abs. 1 bis 3 ZPO abweichenden pfändungsfreien Betrag festsetzen und zwar unter anderem unter Anwendung der Vorschriften des § 850f Abs. 1b ZPO, wenn besondere Bedürfnisse des Schuldners aus persönlichen oder beruflichen Gründen dies erfordern und überwiegende Belange des Gläubigers nicht entgegenstehen.

8

Voraussetzung für die Erhöhung des pfändungsfreien Betrages auf dem P- Konto gem. § 850f Abs. 1b ZPO ist, dass durch persönliche oder berufliche Gründe eine besondere Belastung des Schuldners veranlasst ist, die bei den meisten Menschen in vergleichbaren Lagen nicht auftreten. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass in aller Regel einem erwerbstätigen Schuldner Fahrtkosten für den Weg zur Arbeit entstehen. Daher können als außergewöhnliche Belastung nur solcher Fahrtkosten anerkannt werden, die den üblichen Rahmen der Fahrtkosten zur Arbeitsstelle überschreiten. Die Grenze, ab der Fahrtkosten als außergewöhnliche Belastung anzusehen sind und in welcher Höhe diese Berücksichtigung finden können, wird in der Rechtsprechung unterschiedlich beurteilt (u.a. LG Stuttgart, Beschluss vom 02.07.2018, 19 T 167/17, LG Bamberg, Beschluss vom 28.02.2017, 3 T 26/17; LG Mühlhausen, Beschluss vom 03.04.2016, 1 T 37/16; LG Gera, Beschluss vom 26.08.2013, 5 T 346/13; LG Münster, Beschluss vom 24.01.2013, 5 T 470/12; LG Halle, Beschluss vom 07.02.2000, 14 T 33/00 –, juris).

9

Das Gericht schließt sich der Meinung an, dass Fahrtkosten zur Arbeitsstelle bis zu einer Entfernung von 30 km heute als gewöhnliche Belastung eines berufstätigen Arbeitnehmers anzusehen sind (zumindest in konjunkturschwachen Gebieten, zu denen auch der Wohnort des Schuldners gehört) und demnach in diesem Umfang keine Erhöhung des pfändungsfreien Betrages rechtfertigen (vgl. u.a. LG Stuttgart, Beschluss vom 02.07.2018, 19 T 167/17; LG Mühlhausen, Beschluss vom 03.04.2016, 1 T 37/16; LG Gera, Beschluss vom 26.08.2013, 5 T 346/13; LG Halle, Beschluss vom 07.02.2000, 14 T 33/00 –, juris). Daher sind die Fahrtkosten des Schuldners als außergewöhnliche Belastung anzusehen, soweit sie eine einfache Wegstrecke von 30 km überschreiten.

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Als außergewöhnliche Belastung können allerdings nur die Kosten berücksichtigt werden, die allein durch die berufliche Nutzung anfallen. Demgemäß sind Anschaffungskosten und die Kosten für Steuer und Versicherung nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigungsfähig, da diese Kosten gewöhnlich für jeden berufstätigen Arbeitnehmer anfallen, auch wenn die Entfernung zum Arbeitsplatz innerhalb der als normal zumutbaren Grenze von bis zu 30 km liegt. Demnach erhöhen sich bei einer über das normale Maß hinausgehenden Entfernung der Arbeitsstätte vom Wohnort lediglich die durch die längere Fahrt zur Arbeit verursachten höheren Unterhaltungs- und Kraftstoffverbrauchskosten. Insoweit wird eine Pauschale von 0,20 € pro gefahrenen Kilometer als angemessen zugrunde gelegt (vgl. u.a. LG Stuttgart, Beschluss vom 02.07.2018, 19 T 167/17; LG Mühlhausen, Beschluss vom 03.04.2016, 1 T 37/16 –, juris).

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Somit ergibt sich folgende Berechnung für die Ermittlung des monatlichen Erhöhungsbetrages gem. § 850k Abs. 4 i.V.m. § 850f Abs. 1 Buchst. b ZPO:

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110 km - 30 km * 2 = 180 km * 20 Arbeitstage * 0,20 €/km = 560,00 €.

13

Ab dem Monat April ist der Sockelbetrag von 1.133,80 € um den Betrag der monatlichen besonderen Belastung durch die den üblichen Rahmen übersteigenden Fahrtkosten in Höhe von 560,00 € zu erhöhen. Im Monat März 2019 war der Sockelbetrag von 1.133,80 € um den Betrag von 280,00 € zu erhöhen, da der Schuldner in diesem Monat nur an 10 Arbeitstagen zur neuen Arbeitsstätte gefahren ist.

14

Überwiegende Gläubigerinteressen stehen dieser Anhebung der pfändungsfreien Beträge nicht entgegen.


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