Urteil vom Arbeitsgericht Arnsberg - 3 Ca 1299/00
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Der Streitwert wird auf 3.513,79 DM festgesetzt.
1
Tatbestand
2Die Parteien streiten um die Frage, ob mehrere tarifvertragliche Zuschläge alternativ oder kumulativ zu zahlen sind.
3Der Kläger ist bei der Beklagten im Schichtdienst beschäftigt. Die Beklagte arbeitet aufgrund betriebsvereinbarter Schichtpläne auch samstags und sonntags. Auf das Arbeitsverhältnis findet der Manteltarifvertrag für die Sägeindustrie Anwendung. Dieser Tarifvertrag sieht die nachfolgenden Regelungen zur Zahlung von Zuschlägen vor.
416 a)
5Die regelmäßige Arbeitszeit wird grundsätzlich auf die Tage von Montag bis Freitag verteilt und darf täglich 8 Stunden nicht überschreiten.
6Entfallen auf eine Woche 36 oder weniger Stunden, so ist mit Zustimmung des Betriebsrates für einzelne Betriebsabteilungen oder den ganzen Betrieb eine Verteilung auf vier Tage ohne Mehrarbeitszuschläge zulässig. Gesetzliche bezahlte Feiertage und Urlaubstage werden bei der Berechnung der Wochenarbeitszeit mit 7,4 Stunden (bis zum 30.09.1996), mit 7,2 Stunden (ab 01.10.1996) bzw. mit 7 Stunden (ab 01.01.1999) mitgezählt.
7Protokollnotiz zu Ziffer 16 a)
8Die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle erfolgt, wenn abweichende Betriebsvereinbarungen nach Ziffer 15 b) getroffen werden oder wenn durch Betriebsvereinbarung Wochenarbeitszeiten von 36 Stunden oder weniger auf vier Tage verteilt werden, für alle Tage von Montag bis Freitag auf der Basis der regelmäßigen tariflichen Arbeitszeit gemäß Ziffer 15 a) (verstetigtes Entgelt).
9b)
10Von Ziffer 16 a) Abs. 1 kann durch Betriebsvereinbarung abgewichen werden:
111.
12Für Arbeitnehmer in dreischichtiger Arbeitsweise durch Einbeziehung des Samstags in die Verteilung der regelmäßigen Arbeitszeit, wenn die besonderen Verhältnisse des Betriebes unter Berücksichtigung der Interessen der Arbeitnehmer dies erfordern, oder
132.
14für Arbeitnehmer in zweischichtiger Arbeitsweise durch Einbeziehung des Samstags bis längstens 14.00 Uhr in die Verteilung der regelmäßigen Arbeitszeit, wenn zwingende betriebliche Gründe hierfür vorliegen.
153.
16In diesen Fällen ist eine ungleichmäßige Verteilung der Wochenarbeitszeit gemäß Ziffer 15 a) innerhalb von acht Wochen zulässig, wenn in diesem Zeitraum im Durchschnitt die 37-Stunden-Woche (296 Stunden) bzw. die 36-Stunden-Woche (288 Stunden) bzw. die 35-Stunden-Woche (280 Stunden) und eine regelmäßige Arbeitszeit von 8 Stunden arbeitstäglich nicht überschritten werden. Die gesetzlichen Arbeitszeitbestimmungen bleiben unberührt. Es ist ein verstetigtes Entgelt auf der Basis der regelmäßigen tariflichen Wochenarbeitszeit zu zahlen.
174.
18Für Samstagsarbeit gemäß Ziffer 16 b) wird ein Zuschlag von 20 % (bis 14.00 Uhr) bzw. 25 % (ab 14.00 Uhr) gezahlt.
1939.
20Die Zuschläge betragen:
21 22- Für Mehrarbeit bis zu 2 Stunden täglich 25 %
Ab 3. Stunde täglich 50 %
24- für Arbeit an Samstagen,
die zuschlagspflichtige Mehrarbeit ist,
26für alle Stunden bis 12 Uhr 25 %
27ab 12 Uhr 50 %
28- für Nachtschichtarbeit und
sonstige regelmäßige Nachtarbeit 25 %
30 31- für unregelmäßige Nachtarbeit 30 %
- für Arbeit an Sonntagen 100 %
- für Arbeit an gesetzlichen Feiertagen,
für die ein Lohnausfallanspruch nicht
35besteht, sowie für Arbeiten am Oster-
36und Pfingstsonntag und am
3724. Dezember 100 %
38- für Arbeit an lohnzahlungspflichtigen Feiertagen 150 %
- für die Arbeitsstunden zwischen
14.00 und 20.00 Uhr Wechselschicht-
41zuschlag 5 %.
42Zulagen, die bisher in unterschiedlicher Art in den Betrieben für
43Wechselschichtarbeit gewährt werden, können angerechnet wer-
44den; günstigere Regelungen bleiben erhalten.
45Protokollnotiz zu h)
46Eine Wechselschicht im Sinne von Z1xxxx 39 h) liegt dann vor, wenn
47- zwischen dem Beginn der verschiedenen Schichten mindestens eine
Zeitdifferenz von drei Stunden besteht und
49- ein von den Betriebsparteien erstellter Schichtplan vorliegt.
40.
51Beim Zusammentreffen mehrerer Zuschläge ist nur der jeweils höhere Zuschlag zu zahlen; ausgenommen hiervon ist ein Zusammentreffen des Zuschlages nach Ziffer 39 c) mit einem Zuschlag von 25 % nach Ziffer 39 a) und b) sowie dem Zuschlag von 100 % nach Ziffer 39 e).
52Die Beklagte zahlte bis einschließlich 1999 zumindest teilweise die Zuschläge nach Ziffer 16 zusätzlich zu den Zuschlägen nach Ziffer 39. Im Folgenden änderte sie diese Praxis und zahlte die Zuschläge nach Ziffer 16 nur noch alternativ zu den Zuschlägen nach Ziffer 39. Es ist im Betrieb der Beklagten streitig, ob nach dem Tarifvertrag eine kumulative oder alternative Zahlungspflicht besteht. Vor diesem Hintergrund besteht zwischen der Beklagten und dem Betriebsrat Einigkeit, dass das vorliegende Verfahren als Musterverfahren durchgeführt werden soll.
53Der Kläger arbeitete im Sommer 2000 teilweise in Schichten, bei denen sowohl die tatbestandlichen Voraussetzungen zur Zahlung eines Zuschlages nach Ziffer 16 b 4 als auch zur Zahlung eines Nachtzuschlages gemäß Ziffer 39 c erfüllt waren. Wegen der Einzelheiten wird auf die klägerischen Darstellungen, insbesondere im Schriftsatz vom 07.05.2001 (Bl. 69 ff. d. A.) Bezug genommen.
54Der Kläger ist der Ansicht, die Beklagte sei verpflichtet, die Zuschläge nach Ziffer 16 und 39 insbesondere nach Ziffer 39 b kumulativ zu zahlen. Er räumt zwar ein, dass nach dem Wortlaut der Ziffer 40 nur der höhere Zuschlag zu zahlen sei. Er meint jedoch, aus dem Sachzusammenhang ergebe sich, dass Ziffer 40 sich lediglich auf Ziffer 39 beziehe. Im übrigen meint er, Sinn und Zweck der Zuschläge nach Ziffer 16 und Ziffer 39 seien verschieden.
55Hilfsweise zum Feststellungsantrag klagt der Kläger auf Zahlung der konkreten Zuschlagsbeträge.
56Der Kläger beantragt,
57wie folgt zu erkennen:
58- Es wird festgestellt, dass beim Zusammentreffen von Zuschlägen nach Ziffer 16 b 4
und 39 b MTV Sägeindustrie NRW bei aufgrund Betriebsvereinbarung angeordneter
60Samstagsarbeit diese zusammengezählt werden,
61- hilfsweise: Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 513,79 DM brutto nebst 8,4 %
Zinsen seit Klagezustellung zu zahlen.
63Die Beklagte beantragt,
64die Klage abzuweisen.
65Sie ist der Ansicht, die Zuschläge nach den Ziffern 16 und 39 seien lediglich alternativ zu zahlen. Sie verweist insofern auf den Wortlaut von Ziffer 40 des Tarifvertrages. Im übrigen ist die Beklagte der Ansicht, auch nach dem Sinn und Zweck der tarifvertraglichen Normen sei eine kumulative Auszahlung der Zuschläge nicht geboten.
66Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Protokollerklärungen Bezug genommen.
67Entscheidungsgründe
68I.
69Die zulässige Klage ist unbegründet.
701)
71Soweit der Kläger mit seinem Klageantrag zu 1) die Feststellung begehrt, dass die Zuschläge nach Ziffer 16 b 4 und 39 b MTV Sägeindustrie NRW kumulativ zu zahlen sind, ist seine Klage abzuweisen.
72Denn unabhängig von der Regelung in Ziffer 40 MTV können die Zuschläge nach Ziffer 16 b 4 und Z1xxxx 39 b MTV schon tatbestandlich niemals zusammentreffen. Denn bei dem Zuschlag nach Ziffer 16 handelt es sich um einen Zuschlag, der für regelmäßige Arbeitszeit am Samstag gezahlt wird. Im Gegensatz dazu sieht Ziffer 39 b des Tarifvertrages Zuschläge für Arbeit an Samstagen vor, die zuschlagspflichtige Mehrarbeit ist. Vor diesem Hintergrund ist ein Zusammentreffen der tatbestandlichen Voraussetzungen beider Zuschläge von vornherein ausgeschlossen. Erfolgt die Samstagsarbeit im Rahmen der Regelung der Ziffer 16, so handelt es sich um regelmäßige Arbeitszeit, so dass der Zuschlag nach Ziffer 16 b 4 greift. In diesem Fall kann aber niemals zuschlagspflichtige Mehrarbeit im Sinne von Ziffer 39 b vorliegen. Liegt andersherum Mehrarbeit im Sinne von Ziffer 39 b vor, so kann dies niemals gleichzeitig regelmäßige Arbeitszeit im Sinne von Ziffer. 16 sein. Vor diesem Hintergrund ist die Klage hinsichtlich des Hauptantrages abzuweisen.
732)
74Die Klage ist aber auch im Hinblick auf den hilfsweise gestellten Zahlungsantrag abzuweisen. Denn Nachzahlungsansprüche des Klägers für den streitgegenständlichen Zeitraum im Sommer 2000 bestehen nicht.
75Insofern ist dem Kläger allerdings zuzugeben, dass sowohl am 03.06.2000 als auch am 12.08.2000 Arbeitszeiten vorliegen, die tatbestandlich sowohl Samstagsarbeit im Sinne von Ziffer 16 MTV als auch Nachtarbeit im Sinne von Ziffer 39 c MTV sind. Der Kläger kann aber für diese Zeiten es handelt sich jeweils um die Zeiten von 22.00 Uhr bis 0.00 Uhr nicht kumulativ die Zuschläge nach Ziffer 16 und nach Ziffer 39 c verlangen. Dies ergibt die Auslegung des MTV.
76a)
77Die Auslegung des normativen Teils eine Tarifvertrages, über die hier zwischen den Parteien Streit besteht, folgt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen. Soweit der Tarifwortlaut nicht eindeutig ist, ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat (BAG, Urteil vom 21.07.1993, 4 AZR 468/92, EZA Nr. 28 zu § 1 TVG Auslegung).
78b)
79Nach diesen Grundsätzen ergibt sich, dass die Zuschläge nach Ziffer 16 und Ziffer 39 c nicht kumulativ zu zahlen sind. Denn nach dem eindeutigen Wortlaut von Ziffer 40 MTV ist beim Zusammentreffen mehrerer Zuschläge grundsätzlich nur der jeweils höhere Zuschlag zu zahlen. Nur in den Fällen, soweit der Nachtzuschlag nach Ziffer 39 c mit Zuschlägen nach Ziffern 39 a und b sowie 39 e zusammentrifft, ist eine Anrechnung nicht vorzunehmen. Da der Zuschlag nach Ziffer 16 MTV in Ziffer 40 nicht erwähnt ist, kommt nach dem eindeutigen Wortlaut eine Addition der Zuschläge nach Ziffer 16 und Ziffer 39 c nicht in Betracht. Das Gericht vermag insofern keine Rechtsgrundlage zu erkennen, dem Kläger entgegen dem eindeutigen Wortlaut des Tarifvertrages einen Anspruch auf kumulative Zahlung beider Zuschläge zuzuerkennen.
80c)
81Ein entsprechender Anspruch ergibt sich auch nicht daraus, dass die Beklagte bis zum Jahre 1999 Zuschläge nach Ziffer 16 und Ziffer 39 zumindest teilweise kumulativ gezahlt hat. Ein entsprechender Anspruch des Klägers könnte allenfalls dann bestehen, wenn die Beklagte die Zahlung von Zuschlägen für einen längeren Zeitraum bewusst in Abweichung vom Tarifvertrag vorgenommen und damit eine eigenständige betriebsübliche Regelung geschaffen hätte. Für eine solche bewusst vom Tarifvertrag abweichende Regelung durch die Beklagte sind Anhaltspunkte aber nicht ersichtlich.
82Nach alledem ist die Klage insgesamt abzuweisen.
83II.
84Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich gemäß §§ 61, 12 Abs. 7 ArbGG, 3 ZPO. Für den Zahlungsantrag wird der Nominalbetrag in Ansatz gebracht. Der Feststellungsantrag wird in Anlehnung an § 12 Abs. 7 ArbGG mit 3.000,-- DM bewertet. Ausgehend von einer Vergütungsdifferenz von 500,-- DM im Quartal ergibt sich bezogen auf den 3-Jahres-Zeitraum eine Differenz von 6.000,-- DM. Da es sich vorliegend um einen Feststellungsantrag handelt, ist ein Abschlag von 50 % vorzunehmen, so dass ein Betrag in Höhe von 3.000,-- DM für den Hauptantrag verbleibt.
85gez. Dr. Teipel
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