Urteil vom Arbeitsgericht Arnsberg - 3 Ca 78/08 O
Tenor
1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen der Klägerin und dem
beklagten Land nicht aufgrund der Befristung zum 31.12.2007 beendet ist, sondern als unbefristetes Arbeitsverhältnis über den 31.12.2007 hinaus fortbesteht.
2.Das beklagte Land wird verurteilt, die Klägerin über den Ablauf des 31.12.2007
hinaus zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Bewährungshelferin weiter zu
beschäftigen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt das beklagte Land.
Der Streitwert wird auf 7.500,-- € festgesetzt.
1
T a t b e s t a n d :
2Die Klägerin ist am …….1967 geboren, verheiratet und hat zwei Kinder.
3Sie war seit dem 02.01.2003 bei dem beklagten Land als Bewährungshelferin mit dem Dienstort Brilon auf der Grundlage mehrerer befristeter Arbeitsverhältnisse beschäftigt. Die Klägerin wurde als Teilzeitbeschäftigte im Umfang von 19,5 Wochenstunden beschäftigt. Sie erzielte zuletzt eine monatliche Bruttovergütung in Höhe von ca. 1.500,-- €.
4Im Einzelnen war die Klägerin auf Grund der nachfolgend aufgelisteten Arbeitsverträge bei dem beklagten Land beschäftigt:
5Arbeitsvertrag vom Befristungsdauer Sachgrund
602.01.2003 02.01.2003 – 28.11.2003 Elternzeitvertretung Frau P
702.10.2003 29.11.2003 – 28.11.2004 Elternzeitvertretung Frau P
829.09.2004 28.11.2004 – 31.08.2005 Elternzeitvertretung Frau P
922.06.2005 01.09.2005 – 31.12.2006 Teilzeitbeschäftigung der Frau P
1020.12.2006 01.01.2007 – 12.11.2007 Vertretung wegen Teilzeitbeschäftigung der Frau B
1122.10.2007 12.11.2007 – 31.12.2007 Vorübergehend freie Haushaltsmittel § 6 Abs. 8 Haushaltsgesetz aus Anlass der Elternzeit
12der Frau B
13Beim beklagten Land werden gemäß § 3 Abs. 1 Bewährungshelfergesetz (BewhG) die Aufgaben der hauptamtlichen Bewährungshelfer in der Regel von Beamten wahrgenommen. Insofern stehen im Bezirk des OLG Hamm mehr als 300 verbeamteten Bewährungshelfern nur 4 Bewährungshelfer gegenüber, die in einem unbefristeten Beschäftigungsverhältnis als Beschäftigte/Angestellte stehen. Weiterhin beschäftig das beklagte Land ca. 30 befristet Beschäftigte.
14Die Altersgrenze für eine Verbeamtung von Bewährungshelfern liegt grundsätzlich bei 33 Jahren. Sie kann sich im Falle von Kinderbetreuungszeiten von bis zu drei Jahren pro Kind verschieben.
15Das beklagte Land greift bei der Auswahl der verbeamteten Bewährungshelfer vor allem auf Beschäftigte zurück, die zuvor im Rahmen von befristeten Arbeitsverhältnissen als Bewährungshelfer tätig waren.
16Im Sommer 2007 traf das beklagte Land den Entschluss, grundsätzlich nur noch solche Beschäftigten in befristeten Arbeitsverhältnissen als Bewährungshelfer zu beschäftigen, die von ihrem Alter her für eine Verbeamtung in Frage kamen. Bezogen auf die Person der Klägerin wäre eine Verbeamtung maximal bis zur Vollendung des 39. Lebensjahres in Betracht gekommen.
17Mit Schreiben vom 25.07.2007 (Bl. 25 f d. A.) teilte das beklagte Land der Klägerin mit, dass über das Ende des bis zum 11.11.2007 befristeten Arbeitsvertrags hinaus eine Weiterbeschäftigung nur bis zum 31.12.2007 vor diesem Hintergrund möglich sein werde.
18Mit Schreiben vom 11.09.2007 (Bl. 48 d. A.) hörte das beklagte Land den Bezirkspersonalrat beim Oberlandesgericht Hamm zur befristeten Weiterbeschäftigung der Klägerin bis zum 31.12.2007 an. Der Personalrat stimmte sodann unter dem 21. September 2007 der weiteren befristeten Weiterbeschäftigung zu.
19Sodann schloss das beklagte Land, vertreten durch den Präsidenten des Landgerichts Arnsberg unter dem 22.10.2007 mit der Klägerin den vorliegend streitgegenständlichen letzten befristeten Arbeitsvertrag für die Zeit bis zum 31.12.2007. Wegen der Einzelheiten wird auf den schriftlichen Arbeitsvertrag (Bl. 21 ff d. A.) Bezug genommen.
20Die Klägerin wurde über den 31.12.2007 hinaus nicht weiter beschäftigt.
21Mit ihrer am 18.01.2008 bei Gericht eingegangenen Klage wendet sich die Klägerin gegen die Wirksamkeit der Befristung ausweislich des Arbeitsvertrags vom 22.10.2007. Sie ist der Ansicht, eine wirksame Befristung liege nicht vor. Die Befristung sei unwirksam, da sie nicht durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt sei. Die Voraussetzungen eines der in § 14 Abs.1 TzBfG aufgeführten Regelbeispiele lägen nicht vor. Insbesondere sei die Befristung des Arbeitsvertrags nicht durch den im Arbeitsvertrag angegebenen Befristungsgrund der vorübergehend freien Haushaltsmittel aus Anlass der Elternzeit der Sozialoberinspektorin B gemäß § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. TzBfG gerechtfertigt. Danach bedürfe die haushaltsrechtliche Befristung einer doppelten Prüfung. Zum einen müssten die Rechtsvorschriften, mit denen Haushaltsmittel ausgebracht würden, eine Zwecksetzung dahingehend erhalten, dass sie für eine Aufgabe von vorübergehender Dauer vorgesehen seien. Weitere Voraussetzung sei eine Prognoseentscheidung des Arbeitgebers, dass der Mehrbedarf durch die Abwesenheit eines Planstellen- oder Stelleninhabers voraussichtlich während der Vertragsdauer des befristet beschäftigten Arbeitnehmers bestehen werde. Zwar möge die in § 6 Abs. 8 Haushaltsgesetz NW vorgesehene Einstellung von Aushilfskräften eine ausreichende haushaltsrechtliche Zwecksetzung im Sinne des § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 7 TzBfG darstellen, die eine nur vorübergehende Beschäftigung der aus den verfügbaren Haushaltsmitteln beschäftigten Klägerin zulasse.
22Im vorliegenden Fall sei die Befristung allerdings unwirksam, da bereits beim Abschluss des befristeten Vertrags am 12.11.2007 das beklagte Land von einem dauerhaften Anstieg der Arbeitsmenge und damit von einem dauernden Arbeitsbedarf auf der von der Klägerin vertretenen Stelle habe ausgehen müssen. Der vorhandene Arbeitsbedarf sei allerdings im Hinblick auf das Lebensalter der Klägerin nicht mehr von dieser, sondern zusätzlich von der befristet beschäftigen Mitarbeiterin Frau S übernommen worden. Den tatsächlichen Grund für die Ablehnung der Beschäftigung der Klägerin über den 31.12.2007 hinaus habe das beklagte Land durch Schreiben des Präsidenten des Oberlandesgerichts vom 25.07.2007 offen gelegt. Die Klägerin sei nicht weiter beschäftigt worden, weil sie bereits das 33. Lebensjahr vollendet und daher die Altersgrenze für eine Verbeamtung überschritten habe.
23Vor diesem Hintergrund liege eine Diskriminierung der Klägerin nach § 3 Abs. 1 AGG wegen ihres Alters vor. Sie erfahre eine ungünstigere Behandlung bei der Weiterbeschäftigung als eine jüngere Person, die die Altersvoraussetzungen der Verbeamtung erfülle. Die unterschiedliche Behandlung sei weder nach § 8 AGG noch nach § 10 AGG gerechtfertigt. Zwar sehe § 3 Abs. 1 Bewährungshelfergesetz vor, dass die Aufgaben der hauptamtlichen Bewährungshelfer in der Regel von Beamten wahrzunehmen seien. Diese Vorschrift begründe allerdings keine zwingende Handhabung der Gestalt, dass ausschließlich Beamte die Aufgaben der hauptamtlichen Bewährungshelfer wahrnehmen dürften. Im Übrigen habe die Klägerin bereits bei Einstellung als Aushilfskraft das 33. Lebensjahr vollendet gehabt.
24Die Klägerin ist zudem der Ansicht, dass dann, wenn das Gericht von einer wirksamen Befristung des Arbeitsverhältnisses ausgehen sollte, ihr jedenfalls einen Schadensersatz und Entschädigungsanspruch gemäß § 15 AGG zustehe.
25Die Klägerin beantragt wie folgt zu erkennen:
26- Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen der Klägerin und dem beklagten Land nicht aufgrund der Befristung vom 31.12.2007 beendet ist, sondern als unbefristetes Arbeitsverhältnis über den 31.12.2007 hinaus fortbesteht.
- Das beklagte Land wird verurteilt, die Klägerin über den Ablauf des 31.12.2007 hinaus zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Bewährungshelferin weiter zu beschäftigen.
- Hilfsweise beantragt die Klägerin, wie folgt zu erkennen:
- Das beklagte Land wird verurteilt, an de Klägerin Schadensersatz in Höhe von monatlich 1.800,-- € nebst fünf Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz jeweils ab dem Ersten des Folgemonats zu zahlen.
- Das beklagte Land wird verurteilt, an die Klägerin eine Entschädigung nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über den Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen. Die Höhe der Entschädigung wird in das Ermessen des Gerichts gestellt, sollte aber 5.400,-- € nicht unterschreiten.
Das beklagte Land beantragt,
30die Klage abzuweisen.
31Es ist der Ansicht, das Arbeitsverhältnis sei durch wirksame Befristung beendet. Insofern verweist das beklagte Land zunächst darauf, dass gemäß § 17 TzBfG sowie nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nur der letzte Arbeitsvertrag der arbeitsvertraglichen Befristungskontrolle unterliege. Bezogen auf diesen letzten Arbeitsvertrag bestehe der Sachgrund der vorübergehend freien Haushaltsmittel (§ 6 Abs. 8 Haushaltsgesetz) aus Anlass der Elternzeit der Sozialoberinspektorin B. Die Tätigkeit der Klägerin sei somit aus Haushaltsmitteln vergütet worden, die auf Grund der vorübergehenden Elternzeitbewilligung an eine Kollegin des gehobenen Sozialdienstes zur Beschäftigung einer Aushilfskraft gemäß § 6 Abs. 8 Haushaltsgesetz 2007 zur Verfügung gestanden habe. Entsprechend dieser haushaltsrechtlichen Zwecksetzung sei die Klägerin aushilfsweise als Bewährungshelferin bei dem Landgericht Arnsberg beschäftigt worden. Nach der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts rechtfertige die Beschäftigung aus vorübergehend freien Haushaltsmitteln die Befristung eines Arbeitsverhältnisses. Zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses seien der Sozialoberinspektorin B auf Grund der ihr bewilligten Elternzeit keine Dienstbezüge gezahlt worden. Die dadurch aus der Stelle des gehobenen Sozialdiensts "B" resultierenden freien Haushaltsmittel konnten somit gemäß § 6 Abs. 1 Haushaltsgesetz 2007 im Umfang der nicht in Anspruch genommenen Stellenanteile für die Beschäftigung einer Aushilfskraft in Anspruch genommen werden. Bis zum 31.12.2007 seien sie zur befristeten Beschäftigung der Klägerin genutzt worden. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sei es nicht erforderlich, dass die Befristungsdauer der Laufzeit der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel entspreche. Dem Arbeitgeber stehe es vielmehr frei, ob er die Haushaltsmittel für den gesamten zur Verfügung stehenden Zeitraum nutzen wolle. Damit habe ein ausreichender sachlicher Grund für die Befristung des Arbeitsvertrags der Klägerin vorgelegen.
32Auch der Personalrat sei zur beabsichtigten befristeten Einstellung der Klägerin ordnungsgemäß angehört worden. Insofern verweist das beklagte Land auf die schriftliche Anhörung vom 11.09.2007 sowie die Zustimmung des Personalrats vom 21.09.2007.
33Das beklagte Land ist zudem der Ansicht, der von der Klägerin behauptete Verstoß gegen das allgemeine Gleichbehandlungsgesetz liege nicht vor. Die befristet Beschäftigten würden bei der Besetzung von Dauerarbeitsplätzen bevorzugt berücksichtigt. Dauerarbeitsplätze seien, nach dem in § 3 Abs. 1 Bewährungshelfergesetz verankerten Grundsatz in der Regel von Beamten wahrzunehmen. Vor diesem Hintergrund sei die Entscheidung getroffen worden, nur solche Mitarbeiter als befristet beschäftigte Bewährungshelfer einzusetzen, die nach ihrem Alter die Voraussetzungen für die Verbeamtung erfüllten. Diese Entscheidung sei getroffen worden, um einerseits allen Aushilfskräften die Möglichkeit einer Übernahme in das Beamtenverhältnis zu erhalten und andererseits die Zahl der grundsätzlich verbeamtungsfähigen Aushilfskräfte nicht einzuschränken. Ausnahmsweise sei den älteren Beschäftigten noch die Möglichkeit eingeräumt worden, bis zum Jahresende 2007 trotz Überschreiten der Altersgrenze beschäftigt zu werden. Die Entscheidung des beklagten Landes sei auch wegen des Umstandes gerechtfertigt gewesen, dass viele Aushilfskräfte zu Beginn ihrer Tätigkeit erst 26 oder 27 Jahre alt seien und sich damit sechs oder sieben Jahre lang auf frei werdende Beamtendauerstellen bewerben könnten. Für eine am verfassungsrechtlich verankerten Leistungsgrundsatz gemäß Artikel 33 Abs. 2 GG, § 7 Abs. 1 LBG, § 2 LVO orientierte Besetzung der Beamtenstellen im Bewährungshelferbereich sei es zwingend geboten, bereits im Rahmen der Beschäftigung von Aushilfskräften - als dem wichtigsten und tarifrechtlich bevorzugten "Personalpool" für die Übernahme in das Dauerbeschäftigungsverhältnis - die beamtenrechtlichen Vorgaben insbesondere die festgelegten Höchstaltersgrenzen zu beachten. Eine Nichtbeachtung dieser Vorgaben würde im Ergebnis dazu führen, dass der "Personalpool" der Aushilfskräfte auf Grund Überalterung für eine Verbeamtung praktisch nicht mehr zur Verfügung stünde. Dem entsprechend sei aus Leistungsgründen davon abgesehen worden, die die genannten Altersgrenzen überschreitenden Bewährungshelfer/Bewährungshelferinnen weiter zu beschäftigen, nachdem diese sich zuvor nicht erfolgreich auf freie Beamtenstellen beworben hätten. Es stünden in ausreichender Zahl jüngere leistungsstarke bzw. leistungsstärkere Bewerber und Bewerberinnen zur Verfügung.
34Die Vorgabe der Höchstaltersgrenze und deren Beachtung bereits im Rahmen der aushilfsweisen Beschäftigung sei objektiv und angemessen sowie durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt, nämlich die Gewinnung eines leistungsstarken Beamtennachwuchses zur Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben. Die zur Erreichung dieses Ziels gewählten Mittel seien angemessen und erforderlich im Sinne von § 10 AGG. Ein Verstoß gegen das AGG oder ein Verstoß gegen die inhaltsgleichen europarechtlichen Vorgaben liege nicht vor.
35Im Hinblick auf die von der Klägerin hilfsweise geltend gemachte Schadensersatzforderung verweist das beklagte Land darauf, dass sich diese im Falle einer Anschlussbeschäftigung der Klägerin ermäßige.
36Wegen des weiteren Sach- und Streitstands wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Protokollerklärungen Bezug genommen.
37E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
38I.
39Die Klage ist zulässig und begründet.
401.)
41Es ist zunächst festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis nicht auf Grund der Befristung zum 31.12.2007 beendet wurde, sondern unbefristet fortbesteht.
42a)
43Allerdings ist dem beklagten Land zuzugeben, dass bei mehreren aufeinander folgenden befristeten Arbeitsverträgen im Rahmen der arbeitsgerichtlichen Befristungskontrolle grundsätzlich nur die Befristung des letzten Zeitvertrags auf ihre Wirksamkeit zu prüfen ist. Denn durch einen vorbehaltlosen Abschluss eines weiteren Zeitvertrags stellen die Parteien ihre arbeitsvertraglichen Beziehungen auf eine neue Rechtsgrundlage. Diese Rechtsgrundlage ist künftig für ihre Vertragsbeziehungen maßgebend. Das gilt auch für den Fall, dass eine vorausgegangene Befristung unwirksam gewesen sein sollte und zwischen den Parteien darüber Ungewissheit besteht (BAG, Urteil vom 09.06.1999, 7 AZR 684/97, zitiert nach Juris-Datenbank).
44b)
45Die Klägerin hat die Unwirksamkeit der Befristung ausweislich des Arbeitsvertrags vom 22.10.2007 fristgerecht gemäß § 17 TzBfG geltend gemacht. Sie hat ihre Klage innerhalb von drei Wochen nach dem vereinbarten Ende des befristeten Arbeitsvertrags am 18.01.2008 beim Arbeitsgericht eingereicht.
46c)
47Die Befristung des Arbeitsvertrags vom 22.10.2007 ist – jedenfalls nach dem vorliegenden Sach- und Streitstand – schon aus personalvertretungsrechtlichen Gründen unwirksam.
48aa)
49Für das vorliegende Anhörungsverfahren galten noch die Regelungen des alten Landespersonalvertretungsgesetzes. Denn das Anhörungsverfahren wurde am 11.09.2007 eingeleitet. Das neue Personalvertretungsgesetz trat erst am 17.10.2007 in Kraft.
50bb)
51Gemäß § 66 Abs. 1, 72 Abs. 1 S. 1 Nr. LPV NW a.F. hatte der Personalrat bei der Befristung von Arbeitsverhältnissen mitzubestimmen. Dem Personalrat waren der jeweilige Befristungsgrund und die beabsichtigte Befristungsdauer mitzuteilen.
52Eine Verletzung des Mitbestimmungsrechts nach § 72 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 LPVG NW a.F. führt zur Unwirksamkeit der Befristungsabrede (BAG, Urteil vom 15.02.2006, 7 AZR 206/05; LAG Hamm, Urteil vom 20.04.2004, 5 Sa 1535/03, zitiert nach Juris-Datenbank). Dem Personalrat soll durch den Arbeitgeber die Möglichkeit gegeben werden zu prüfen, ob die beabsichtigte Befristung nach den Grundsätzen der arbeitsgerichtlichen Befristungskontrolle wirksam ist. Außerdem soll Personalrat auch bei Vorliegen einer Rechtfertigung für die Befristung darauf Einfluss nehmen können, ob im Interesse des Arbeitnehmers von einer Befristung abgesehen oder wegen der dem Arbeitnehmer zugewiesenen Arbeitsaufgaben oder der in Aussicht genommenen Befristungsgründe eine längere Vertragslaufzeit vereinbart werden kann (BAG, Urteil vom 15.02.2006, 7 AZR 206/05 zitiert nach Juris-Datenbank).
53Nach diesen Grundsätzen wurde der Personalrat durch die schriftliche Anhörung vom 11.09.2007 nicht hinreichend informiert. Im Rahmen der schriftlichen Anhörung hat das beklagte Land dem Personalrat zwar die vorgesehene Befristungsdauer und auch den vom beklagten Land zu Grunde gelegten Sachgrund für die Befristung dargestellt. Das beklagte Land hat den Personalrat in den schriftlichen Anhörungsunterlagen aber nicht darüber informiert, dass die Befristung des Arbeitsvertrags deshalb auf die Zeit bis zum 31.12.2007 beschränkt wurde, weil die Klägerin die Höchstaltersgrenze für eine mögliche Verbeamtung überschritten hatte. Dies war aber ein entscheidender Gesichtspunkt im Hinblick auf die Frage der vorliegenden Befristung. Insbesondere hätte die Angabe dieses Umstands den Personalrat veranlassen können, beim beklagten Land darauf zu dringen, eine längere Vertragslaufzeit zu vereinbaren.
54Das Gericht vermag nach dem vorliegenden Sach- und Streitstand auch nicht davon auszugehen, dass dem zuständigen Personalrat die vorgenannten Hintergründe der Entscheidung, die Klägerin nur bis zum 31.12.2007 zu beschäftigen, im Detail bekannt waren. Ausweislich der schriftsätzlichen Stellungnahme des beklagten Landes sind dem Personalrat weitere mündliche Informationen nicht gegeben worden. Zwar hat das beklagte Land im Kammertermin vorgetragen, dem Bezirkspersonalrat seien die Hintergründe bekannt gewesen. Inwiefern aber der Bezirkspersonalrat konkret bezogen auf den befristeten Arbeitsvertrag der Klägerin wusste, dass dieser maßgeblich im Hinblick auf ihr Lebensalter nur bis 31.12.2007 befristet wurde, ist nicht ersichtlich.
55Vor diesem Hintergrund erweist sich die Befristung nach dem vorliegenden Sach- und Streitstand schon aus personalvertretungsrechtlichen Gründen als unwirksam.
56d)
57Die Befristung ist aber auch aus materiell rechtlichen Gründen unwirksam. Das beklagte Land hat die Klägerin durch die mittelbare Anwendung der Altersgrenze für Beamte im Sinne des AGG benachteiligt (aa). Diese Benachteiligung hat die Unwirksamkeit der Befristung und das Zustandekommen eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses zur Folge (bb).
58aa)
59Durch den Abschluss eines nur bis zum 31.12.2007 befristeten Arbeitsvertrags wurde die Klägerin gemäß §§ 7, 3, 1 AGG benachteiligt.
60Das beklagte Land hat der Klägerin einen über den 31.12.2007 hinaus gehenden Arbeitsvertrag nicht angeboten, weil die Klägerin die Höchstaltersgrenze für eine mögliche Verbeamtung überschritten hatte. Durch diese Maßnahme ist die Klägerin in unzulässiger Weise wegen ihres Alters benachteiligt worden.
61Dem beklagten Land ist zuzugeben, dass die Höchstaltersgrenzen für die Verbeamtung von Lehrkräften nach der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte zulässig und mit den Vorschriften des allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes vereinbar sind (OVG NW, Urteil vom 23.05.2007, 6 A 1085/05). Vor dem Hintergrund dieser Entscheidung dürfte auch die Festlegung von Höchstaltersgrenzen für die Verbeamtung von Bewährungshelfern zulässig sein.
62Allerdings ist schon nicht ohne weiteres nachvollziehbar, aus welchem Grund die Grenze für die Verbeamtung von Bewährungshelfern nicht ebenfalls wie bei Lehrkräften bei 35 Jahren, sondern bei 33 Jahre liegt. Diese Frage kann aber vorliegend dahin stehen.
63Allein aus der Tatsache, dass für die Verbeamtung von Bewährungshelfern eine Höchstaltersgrenze zulässig ist, ergibt sich nicht der Rückschluss, dass auch für die Beschäftigung von Bewährungshelfern im befristeten Arbeitsverhältnis diese Höchstaltersgrenze zulässig ist.
64Insofern ist zunächst festzustellen, dass die Klägerin als über 33-jährige bzw. über 39-jährige Arbeitnehmerin durch die Altersgrenze im Hinblick auf ihr Lebensalter unterschiedlich, konkret schlechter, als jüngere Arbeitnehmer behandelt wird. Diese unterschiedliche Behandlung ist nicht gemäß § 8 AGG gerechtfertigt. Die Unterschreitung einer bestimmten Höchstaltersgrenze stellt keine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung für die Ausübung des Berufs eines Bewährungshelfers dar.
65Nach den eigenen Darstellungen des beklagten Landes werden bei ihm auch im Bezirk des OLG Hamm Bewährungshelfer im unbefristeten Arbeitsverhältnis beschäftigt. Damit gibt es auch über das Jahr 2007 hinaus angestellte Bewährungshelfer, die die Höchstaltersgrenze für die Verbeamtung überschritten haben. Die Unterschreitung dieser Höchstaltersgrenze kann damit nicht als wesentliche oder entscheidende berufliche Anforderung für die Beschäftigung im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses angesehen werden.
66Die unterschiedliche Behandlung ist entgegen der Ansicht des beklagten Landes auch nicht gemäß § 10 AGG zulässig. Allerdings ist dem beklagten Land zuzugeben, dass eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters auch zulässig ist, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Dabei müssen die Mittel zur Erreichung des Ziels angemessen und erforderlich sein. Die unterschiedliche Behandlung kann dabei gemäß § 10 Nr. 3 AGG auch die Festsetzung eines Höchstalters für die Einstellung auf Grund der spezifischen Ausbildungsanforderungen eines bestimmten Arbeitsplatzes oder auf Grund der Notwendigkeit einer angemessenen Beschäftigungszeit vor dem Eintritt in den Ruhestand beinhalten.
67Dem beklagten Land ist zuzugeben, dass es sinnvoll ist, bei der Auswahl der zu verbeamtenden Bewährungshelfer auf Beschäftigte zurückzugreifen, die bereits im Rahmen von befristeten Arbeitsverträgen ihre Eignung für den Beruf bewiesen haben. Andererseits ist zu berücksichtigen, dass nach den Wertungen des allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes und der ihm zu Grunde liegenden europarechtlichen Vorschriften Beschäftigte einen Anspruch darauf haben, nicht wegen ihres Lebensalters benachteiligt zu werden. Unter Abwägung der widerstreitenden Interessen erscheint die Praxis des beklagten Landes, im befristeten Arbeitsverhältnis nur solche Bewährungshelfer zu beschäftigen, die die Höchstaltersgrenze für die Verbeamtung noch nicht erreicht haben, rechtsfehlerhaft.
68Wenn es dem beklagten Land schon möglich ist, jedenfalls in Ausnahmefällen Bewährungshelfer auch unbefristet in Arbeitsverhältnissen zu beschäftigen, so muss es dem beklagten Land erst recht möglich sein, in Einzelfällen auch Bewährungshelfer in befristeten Arbeitsverhältnissen zu beschäftigen, die die Höchstaltersgrenze für die Verbeamtung überschritten haben.
69Es erscheint insofern auch vor dem Hintergrund des Leistungsprinzips nach Artikel 33 GG unangemessen, einen Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes nur deshalb von einer weiteren Beschäftigung auszuschließen, weil er ein bestimmtes Lebensalter überschritten hat. Dabei sind die Erwägungen, die es für sachgerecht erscheinen lassen, bei Beamten Höchstaltersgrenzen einzuführen, auf Arbeitsverhältnisse nicht zu übertragen. Der Grundsatz, dass die Sicherstellung eines angemessenen Verhältnisses zwischen aktiver Dienstzeit und dem Versorgungsanspruch im Ruhestand wesentliche Grundlage für die Funktionsfähigkeit des beamtenrechtlichen Versorgungssystems ist, lässt sich auf Arbeitsverhältnisse nicht übertragen. Der Umstand, dass durch den Ausschluss von älteren Beschäftigten von befristeten Arbeitsverträgen mittelbar auch das beamtenrechtliche Versorgungssystem gesichert werden kann, vermag einen Ausschluss der befristet beschäftigten älteren Arbeitnehmer von einer weiteren befristeten Beschäftigung nicht zu rechtfertigen.
70In diesem Zusammenhang ist speziell bezogen auf die Klägerin auch zu berücksichtigen, dass diese nach den nunmehr angelegten Maßstäben des beklagten Landes schon im Sommer 2005 keinen bis zum 31.12.2006 befristeten Arbeitsvertrag hätte erhalten dürfen. Denn die Klägerin hat schon im Jahr 2006 die Altersgrenze für ihre Verbeamtung (Vollendung des 39. Lebensjahrs) überschritten. Ein nach § 10 Nr. 3 AGG durchgreifenden Grund für die Nichtbeschäftigung älterer Bewährungshelfer in befristeten Arbeitsverhältnissen ist insbesondere im Hinblick auf die frühere Praxis des beklagten Landes, durchaus auch ältere Bewährungshelfer in befristeten Arbeitsverhältnissen zu beschäftigen, nicht gegeben.
71Nach alledem hat das beklagte Land durch den Ausschluss der älteren Bewährungshelfer von weiteren befristeten Arbeitsverhältnissen diese allgemein und speziell die Klägerin gemäß §§ 7, 3, 1 AGG benachteiligt.
72bb)
73Der Verstoß des beklagten Landes gegen die Regelungen des AGG führt gemäß § 7 Abs. 2 AGG zur Unwirksamkeit der Befristungsvereinbarung. Die Unwirksamkeit der Befristungsvereinbarung hat ihrerseits gemäß § 16 TzBfG zur Folge, dass der befristete Arbeitsvertrag als auf unbestimmte Zeit geschlossen gilt.
74Die Benachteiligung der Klägerin hat nicht nur zur Folge, dass die Klägerin einen Anspruch auf Abschluss eines weiteren befristeten Arbeitsvertrags oder auf Schadensersatz nach § 15 AGG hat. Vielmehr führt der Verstoß gegen die Regelungen des AGG über die Regelungen der §§ 7 Abs. 2 AGG und 16 TzBfG unmittelbar zum Entstehen eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses.
75Insofern kann dahin stehen, ob das beklagte Land vorliegend berechtigt gewesen wäre, mit der Klägerin einen über einen längeren Zeitraum gehenden befristeten Arbeitsvertrag abzuschließen. Selbst wenn dies rechtlich zulässig gewesen wäre, beschränkt sich der Anspruch der Klägerin nicht lediglich auf den Abschluss eines solchen weiteren befristeten Arbeitsvertrags.
76§ 7 Abs. 2 AGG regelt, dass Bestimmungen in Vereinbarungen, die gegen das Benachteiligungsverbot des Absatzes 1 verstoßen, unwirksam sind. Die im Arbeitsvertrag vom 22.10.2007 niedergelegte (kurze) Befristung verstößt gegen das Benachteiligungsverbot gemäß § 7 Abs. 1 AGG. Sie ist daher unwirksam. Schon insofern ergibt sich ein Arbeitsverhältnis ohne wirksame Befristung.
77Zudem entspricht es auch einem allgemeinen Grundsatz der Rechtsprechung im Befristungsrecht, dass dann, wenn im Rahmen der Befristung gegen gesetzliche Vorschriften verstoßen wird, ein unbefristetes Arbeitsverhältnis entsteht.
78Wird etwa dem Personalrat eine andere Befristungsdauer mitgeteilt, als diese dem schließlich abgeschlossenen Arbeitsvertrag zu Grunde liegt, so führt dies zum Entstehen eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses (LAG Hamm, Urteil vom 29.09.2000, 5 Sa 338/00, zitiert nach Juris-Datenbank). Es ist nicht etwa so, dass in diesem Falle ein befristetes Arbeitsverhältnis entsteht, welches sich auf die dem Personalrat mitgeteilte (längere) Befristungsdauer bezieht.
79Auch wenn ein sachgrundlos befristetes Arbeitsverhältnis gemäß § 14 Abs. 2 TzBfG nicht nahtlos, sondern erst nach einer Unterbrechung verlängert wird, entsteht ein unbefristetes Arbeitsverhältnis und nicht etwa ein wirksam befristetes Arbeitsverhältnis, welches den Mangel der zeitlichen Unterbrechung vermeidet (Erfurter Kommentar/Müller-Glöge, 7. Auflage, § 14 TzBfG Rz. 114; vgl. BAG, Urteil vom 26.07.2000, 7 AZR 51/99, DB 2001, 100).
80Entsprechend diesem Grundsatz führt auch der Verstoß gegen §§ 7, 3, 1 AGG vorliegend zum Entstehen eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses.
81Es ist daher festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht auf Grund Befristung zum 31.12.2007 geendet hat.
822.)
83Die Klage ist auch insofern begründet, als die Klägerin die Weiterbeschäftigung zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Bewährungshelferin begehrt. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts hat der Arbeitnehmer im Falle des erstinstanzlichen Obsiegens in einem Kündigungsschutzprozess regelmäßig einen Anspruch auf Weiterbeschäftigung zu unveränderten Arbeitsbedingungen bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits (BAG, Großer Senat, Beschluss vom 27.02.1985, GS 1/84, EzA Nr. 9 zu § 611 Beschäftigungspflicht). Die Grundsätze des Beschlusses des Großen Senats für den Weiterbeschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers gelten auch dann entsprechend, wenn um die Wirksamkeit einer Befristung gestritten wird (BAG, Urteil vom 13.06.1985, 2 AZR 410/84, NZA 1986, 562 ff). Nach diesen Grundsätzen ist somit die Klägerin berechtigt, von dem beklagten Land die Weiterbeschäftigung bis zur rechtskräftigen Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits zu begehren.
843.)
85Im Hinblick auf das Obsiegen der Klägerin mit den Klageanträgen zu 1 und 2 ist über die hilfsweise gestellten Anträge auf Schadensersatz bzw. Entschädigung nach den Regelungen des AGG nicht entscheiden.
86II.
87Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die Streitwertfestsetzung erfolgt gemäß §§ 61 ArbGG, 42 Abs. 4 GKG, 3 ZPO. Für den Streit um die Wirksamkeit der Befristung wird gemäß § 42 Abs. 4 GKG das Vierteljahreseinkommen der Klägerin zu Grunde gelegt. Der Weiterbeschäftigungsantrag wird mit zwei Bruttomonatsentgelten bewertet, so dass sich insgesamt der festgesetzte Streitwert in Höhe von 7.500,-- € ergibt.
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