Urteil vom Arbeitsgericht Bielefeld - 6 Ga 16/06
Tenor
1. Der Verfügungsbeklagten wird aufgegeben, dem Verfügungskläger zu gestatten, in der Zeit vom 10.07. bis einschließlich 11.07.2006 der Arbeit fern zu bleiben.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
3. Der Streitwert wird auf bis zu 300,00 festgesetzt.
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Tatbestand :
2Die Parteien streiten über einen Urlaubsgewährungsanspruch des Verfügungsklägers.
3Der Verfügungskläger ist bei der Antragsgegnerin bzw. deren Rechtsvorgängerin seit 1985 zu einem monatlichen Bruttogehalt von ca. 2.100,00 als Fensterbauer beschäftigt. Er ist Vorsitzender des im Betrieb gewählten Betriebsrates.
4Für das Jahr 2006 stehen ihm noch 21 Tage Erholungsurlaub sowie Überstundenausgleich im Umfang von 7 Tagen zu.
5Die Verfügungsbeklagte produziert Fenster. Zu ihren Abnehmern gehören Handwerker, Bauunternehmen sowie Privatkunden. Mit der Auftragsbestätigung gibt die Beklagte ihren Kunden feste Liefertermin für die Fenster an.
6Im Betrieb der Verfügungsbeklagten werden seit geraumer Zeit im erheblichen Umfang Überstunden geleistet. Vereinzelt ist zur termingerechten Produktion Samstagsarbeit erforderlich.
7In der Zeit vom 17.07. 30.07.2006 sind bei der Beklagten Betriebsferien. In der den Betriebsferien vorangehenden Woche hat sie für sämtliche Mitarbeiter eine Urlaubssperre verhängt. Weder die Betriebsferien noch die Urlaubssperre wurden mit dem Betriebsrat beraten und vereinbart.
8Ende der 23. Kalenderwoche 2006 beantragte der Verfügungskläger bei der Beklagten 2 Tage Urlaub im Wege des Überstundenausgleichs für den Zeitraum vom 10.07 bis einschließlich 11.07.2006. Wegen der Einzelheiten wird auf Blatt 20 d. A. Bezug genommen.
9Die Verfügungsbeklagte lehnte den Antrag ab.
10Mit einem am 14.06.2006 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz hat der Verfügungskläger das vorliegende Verfahren anhängig gemacht.
11Er ist der Auffassung, die Beklagte sei verpflichtet ihm Urlaub zu gewähren. Er behauptet, der Urlaub sei ihm gegenüber grundlos abgelehnt worden. Betriebliche Gründe seien auch nicht ersichtlich. Auf dem Arbeitsplatz, den er nunmehr einnehme könnte nahezu 100 % der übrigen Belegschaft eingesetzt werden. Es gebe nur einige wenige Arbeitsplätze im Betrieb, die spezielle Kenntnisse erforderten, über die auch er verfüge. Insoweit habe er sich jedoch mit seinen Kollegen, die über die gleichen Kenntnisse verfügen, abgesprochen, dass die Urlaubsnahme möglich sei.
12Hinsichtlich der Fertigungstermine sei ihm nicht bekannt, welche Aufträge noch dringend bis zu den Betriebsferien abzuarbeiten seien. Er könne nicht nachvollziehen, dass sein Fernbleiben von lediglich 2 Tagen die Produktion in einem relevanten Ausmaß beeinträchtige.
13Er ist zudem der Auffassung, die Urlaubsverweigerung hänge mit seinem Amt als Betriebsratsvorsitzenden zusammen. Die Beklagte sehe den Betriebsrat als überflüssige Institution an. Auf Betriebsversammlungen sei er von ihr bereits desavouiert worden. Schon Anfang des Jahres 2006 habe er im Wege der einstweiligen Verfügung sich Urlaub erstreiten müssen.
14Der Verfügungskläger beantragt,
15der Antragsgegnerin wird aufgegeben, dem Antragsteller zu gestatten in der Zeit vom 10. bis einschließlich 11.07.2006 der Arbeit fern zu bleiben.
16Die Verfügungsbeklagte beantragt,
17den Antrag zurückzuweisen.
18Sie ist der Auffassung, dem Verfügungskläger den begehrten Urlaubsanspruch wegen dringender betrieblicher Belange versagen zu können.
19Hierzu behauptet sie, dass es unablässig sei, in der letzten Woche vor den Betriebsferien mit voller Belegschaftsstärke zu arbeiten. Es seien noch so viele termingerechte Aufträge zu erledigen, dass sie sich nicht auch nur den Ausfall eines Mitarbeiters für lediglich einen Tag leisten könne. Dies würde die termingerechte Ausführung der Aufträge gefährden. In diesem Fall drohten Konventionalstrafen, Auftragsverlust und sogar Kundenverlust.
20Die Beklagte sei im Jahr 2005 mit einem neuen Gesellschafter aus der Insolvenz weitergeführt worden. Aufgrund günstiger Faktoren wie die bis Ende des Jahres 2005 gewährte Eigenheimzulage sowie die noch reduzierte Mehrwertsteuer von 16 % seien die Auftragsbücher voll. Zudem komme, dass gerade in der Sommerzeit auf dem Bau Hochkonjunktur herrsche. Da dies jedoch nur vorübergehende Faktoren seien, operiere sie im Bereich der Personalstärke äußerst zurückhaltend. Vor diesem Hintergrund sei es nunmehr erforderlich, dass die Belegschaft erhebliche Überstunden leisten müsse.
21Der Einwand des Verfügungsklägers, er habe über den Auftragsbestand keine Informationen sei unglaubwürdig. Sie gehe davon aus, dass dem Betriebsrat die entsprechenden Kenntnisse vorlägen, zumal der direkte Vorgesetzte des Verfügungsklägers, Herr K2xx, ebenfalls Mitglied des Betriebsrates sei. Im Übrigen sei es ein leichtes für den Verfügungskläger sich die Informationen im Betrieb zu verschaffen. Dies hätte auch in einem persönlichen Gespräch nach Ablehnung des Urlaubsgesuchs erfolgen können.
22Wegen der weiteren Einzelheiten im Vorbringen der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
23Entscheidungsgründe :
24Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist zulässig und begründet.
25Dem Kläger steht ein Verfügungsanspruch zu.
26Der Verfügungskläger hat einen Anspruch aus § 7 Abs. 1 Satz 1 BUrlG. Nach dieser Norm sind bei der zeitlichen Festlegung des Urlaubs die Urlaubswünsche des Arbeitnehmers zu berücksichtigen. Nur ausnahmsweise kann ein Urlaubsantrag versagt werden, wenn dringende betriebliche Belange entgegenstehen.
27Nach Auffassung der Kammer hat die Verfügungsbeklagte dringende betriebliche Belange nicht ausreichend dargelegt. Der pauschale Hinweis darauf, dass aufgrund der bestehenden Auftragslage auch nicht auf nur einen Mann für einen Tag verzichtet werden könne, reicht insoweit nicht aus. Die Verfügungsbeklagte hätte insoweit vortragen müssen, welche konkreten Aufträge bestehen, mit welchen kalkulierten Personalaufwand hierdurch gerechnet wird und aus welchen Gründen der volle Einsatz des Verfügungsklägers hierfür erforderlich ist.
28Allein die Tatsache, dass unstreitig seit geraumer Zeit in erheblichem Umfang Überstunden geleistet werden, ist nach Auffassung der Kammer nicht ausreichend, dringende betriebliche Belange zu rechtfertigen. Zum einen besagt die Belastung in der Vergangenheit nichts über den zukünftigen Zustand. Zum anderen kann sich die Verfügungsbeklagte insoweit nicht auf betriebliche Belange berufen, die sie durch ihre eigene Organisation herbeigeführt hat. Die Verfügungsbeklagte hat nach ihrem eigenen Vortrag die betriebliche Notsituation im Wesentlichen selbst damit verursacht, als dass sie mit einer äußerst dünnen Personaldecke kalkuliert. Es ist zu berücksichtigen, dass durch die Betriebsferien nicht der volle Urlaubsanspruch der Mitarbeiter erfüllt werden kann. Daher ist es absehbar, dass die Mitarbeiter auch außerhalb dieser Zeit noch weiteren Erholungsurlaub realisieren müssen. Wenn die Verfügungsbeklagte sich im Hinblick auf die Personalstärke keinen Puffer für Urlaubszeiten oder krankheitsbedingte Ausfallzeiten schafft, so liegt die betriebliche Notsituation in dieser Organisationsentscheidung begründet. Dies kann jedoch nicht zu Lasten der Arbeitnehmer gehen, die berechtigterweise ihren Erholungsanspruch durchsetzen wollen und müssen.
29Der Urlaubsanspruch des Klägers ist auch nicht durch eine verhängte Urlaubssperre ausgeschlossen. Sowohl die Anordnung von Betriebsferien, als auch die Festlegung von Zeiten von Urlaubssperre stellen gemäß § 87 Abs. 1 Ziffer 5 BetrVG die Aufstellung allgemeiner Urlaubsgrundsätze dar. Sie sind insoweit mitbestimmungspflichtig. Unstreitig ist jedoch ein Einvernehmen mit dem Betriebsrat nicht erzielt worden, so dass nach der Theorie der Wirksamkeitsvoraussetzung den Arbeitnehmern die betriebsverfassungsrechtlich unwirksam zu Stande gekommene Regelung nicht entgegengehalten werden kann.
30Schließlich scheitert der Anspruch des Klägers auch nicht daran, dass er ursprünglich Überstundenausgleich und nicht Erholungsurlaub beantragt hat. Einen Anspruch auf Überstundenausgleich steht dem Kläger für den 10. und 11.07.2006 nicht zu. Insoweit ist die Kammer der Auffassung, dass ein solcher Ausgleich nur im Einvernehmen stattfinden kann. Etwas anderes würde nur dann gelten, wenn einzelvertraglich oder durch kollektivrechtliche Regelungen durch Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarungen Regeln geschaffen würden, nach denen innerhalb eines bestimmten Zeitfensters Überstunden ausgeglichen werden müssen. Hierfür ist vorliegend jedoch nichts vorgetragen.
31Die Kammer hat die Antragsschrift des Verfügungsklägers jedoch dahingehend ausgelegt, dass er sich nicht nur auf den ursprünglich beantragten Überstundenausgleich stützen will, sondern auch auf seinen Anspruch auf Erholungsurlaub. Spätestens mit Zustellung der Antragsschrift ist damit auch ein entsprechender Antrag bei der Arbeitgeberin eingegangen.
32Dem Verfügungskläger steht auch ein Verfügungsgrund zur Seite. Die Angelegenheit ist eilbedürftig, da ein Hauptsacheverfahren bis zum Zeitpunkt des beabsichtigten Urlaubsantritts nicht durchgeführt werden kann. Insoweit würde dem Kläger Rechtsschutz verwehrt. Dem Erlass der einstweiligen Verfügung steht nicht entgegen, dass hierdurch eine endgültige Befriedung und nicht lediglich eine vorläufige Regelung erreicht wird. Die faktische Vorwegnahme der Hauptsache im Wege der einstweiligen Verfügung ist immer in den Fällen möglich, in denen bei der Verweisung des Anspruchsinhabers auf die Hauptsache zu einem Rechtsverlust führen würden. Dies ist hier der Fall, da nach § 7 Abs. 1 Satz 1 BUrlG der Arbeitnehmer durch seinen Wunsch auch die zeitliche Festlegung des Urlaubs bestimmen kann.
33Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 91 Abs. 1 ZPO. Als unterliegende Partei hat die Verfügungsbeklagte die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
34Der Streitwert war gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG im Urteil festzusetzen. Er wurde mit dem Eingangsstreitwert von bis zum 300,00 bewertet, da das Urlaubsentgelt für die 2 streitgegenständlichen Tage diesen Betrag diesen Betrag nicht übersteigt.
35Dr. Vierrath
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