Urteil vom Arbeitsgericht Bochum - 4 Ca 1503/15
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Der Streitwert wird auf 3.843,00 EURO festgesetzt.
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T a t b e s t a n d :
2Die Parteien streiten um einen Zahlungsanspruch.
3Die Klägerin ist die Insolvenzverwalterin bezüglich des Vermögens der Frau N (Schuldnerin). Die Beklagte war im streitbefangenen Zeitraum, dies ist der Zeitraum von Oktober 2013 bis Juni 2015, Arbeitsgeberin der Schuldnerin auf der Basis des Arbeitsvertrages vom 30.06.2013 (Anlage zur Klageschrift).
4Die Schuldnerin war zuvor als selbständige Logopädin tätig gewesen. Sie beendete ihre selbständige Tätigkeit zum 30.06.2013 und übertrug ihren Geschäftsbetrieb auf die Beklagte. Diese stellte die Schuldnerin ein. Im September 2013 wurde sodann das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet. Zum Zeitpunkt der Einstellung der Schuldnerin durch die Beklagte hatte die Schuldnerin sieben Jahre Berufserfahrung erworben. In der Praxis, in der die Beklagten die Schuldnerin beschäftigte war lediglich ein weiterer Mitarbeiter beschäftigt. Die Schuldnerin verfügte jedenfalls im streitbefangenen Zeitraum nicht über einen Führerschein, so dass die Schuldnerin keine Patientenbesuche durchführen konnte.
5Nach Aufforderung der Klägerin führte die Beklagte an die Klägerin die pfändbaren Anteile des Einkommens der Schuldnerin, gemessen an dem im Vertrag vereinbarten Entgelt in Höhe von 2.000,00 EURO brutto, unstreitig ab.
6Mit der Klage macht die Klägerin geltend, das mit der Schuldnerin vereinbarte und das ihr gezahlt Entgelt in Höhe von 2.000,00 EURO brutto sei für die Tätigkeit der Schuldnerin als Logopädin und Praxisleiterin unverhältnismäßig gering, deshalb sei im Verhältnis der Parteien zueinander eine angemessene Vergütung als geschuldet anzusehen und aus dieser die zusätzlichen pfändbaren Beträge geschuldet. Gestützt auf Angaben der Hans-Böckler-Stiftung im Internet macht die Klägerin geltend, dass für eine Logopädin mit Leitungsposition und sieben Jahre Berufserfahrung ein monatliches Entgelt in Höhe von 2.561,00 EURO anzusetzen sei. Die sich ergebenden zusätzlichen pfändbaren Beträge ergeben für den Zeitraum Oktober 2013 bis Juni 2015 – rechnerisch unstreitig – die Klageforderung. Bezüglich der Berechnung wird auf die Darstellung in der Klageschrift verwiesen.
7Die Klägerin weist darauf hin, dass die Schuldnerin und die Beklagte eine zumindest kollegiale Bekanntschaft verband und die Beziehung darüberhinaus freundschaftlicher Natur war.
8Die Klägerin beantragt,
9die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 3.843,00 EURO nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz pa. auf 189,00 EURO vom 16.11.2013 bis 15.12.2013, auf 378,00 EURO von 16.12.2013 bis 15.01.2014, auf 567,00 EURO vom 16.01.2014 bis 15.02.2014, auf 749,00 EURO vom 16.02.2014 bis 15.03.2014, auf 931,00 EURO vom 16.03.2014 bis 15.04.2014, auf 1.113,00 EURO vom 16.04.2014 bis 15.05.2014, auf 1.295,00 EURO vom 16.05.2014 bis 15.06.2014, auf 1.477,00 EURO vom 16.06.2014 bis 15.07.2014, auf 1.659,00 EURO vom 16.07.2014 bis 15.08.2014, auf 1.841,00 EURO vom 16.08.2014 bis 15.09.2014, auf 2.023,00 EURO vom 16.10.2014 bis 15.10.2014, auf 2.205,00 EURO vom 16.10.2014 bis 15.11.2015, auf 2.397,00 EURO vom 16.11.2014 bis 15.12.2014, auf 2.569,00 EURO vom 16.12.2014 bis 15.01.2015, auf 2.751,00 EURO vom 16.01.2015 bis 15.02.2015, auf 2.933,00 EURO vom 16.02.2015 bis 15.03.2015, auf 3.115,00 EURO 16.03.2015 bis 15.04.2015, auf 3.297,00 EURO vom 16.04.2015 bis 15.05.2015, auf 3.479,00 EUR vom 16.05.2015 bis 15.06.2015, auf 3.661,00 EURO vom 16.06.2015 bis 15.07.2015 und auf 3.843,00 EURO seit dem 16.07.2015 zu zahlen.
10Die Beklagte beantragt,
11die Klage abzuweisen.
12Die Beklagte macht geltend, das vereinbarte und gezahlte Gehalt sei angemessen. Die Schuldnerin habe unter einem seit Jahren angeschlagenen Gesundheitszustand gelitten. Die Praxis in der die Schuldnerin eingesetzt war, habe lediglich Verlust erwirtschaftet. Sie verweist auf ein anderes Internetportal, welches für Logopäden in Nordrhein-Westfalen ein monatliches Gehalt in Höhe von 1.856,00 EURO und für Frauen in Höhe von 1.771,00 EURO angebe. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses habe sich die Schulderin anderweitig um eine neue Anstellung bemüht. Dabei seien ihr Monatsentgelte von 1.800,00 EURO bis 2.000,00 EURO angeboten worden.
13Bezüglich des weiteren Sachvortrages der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.
14E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
15Die Klage ist unbegründet.
16Die Klägerin kann von der Beklagten nicht den eingeklagten Geldbetrag als zusätzliches, dem Insolvenzbeschlag unterliegendes weiteres Einkommen des Schuldnerin verlangen, welches im Verhältnis der Parteien zueinander gemäß § 850 h Abs. 2 ZPO als geschuldet gilt. Denn die Kammer kann nicht feststellen, dass das vertraglich vereinbarte Entgelt in Höhe von 2.000,00 EURO brutto für die Schuldnerin unverhältnismäßig gering wäre. Die sich aus diesem Entgelt ergebenden Abführungspflichten an die Klägerin hat die Beklagte aber unstreitig erfüllt.
17Selbst wenn man mit der Klägerin die veröffentlichten Angaben der Hans-Böckler-Stiftung als aussagekräftig ansähe, wurde die Schuldnerin mit der vertragsgemäßen Vergütung nicht unverhältnismäßig gering vergütet. Denn die der Schuldnerin abverlangte und ihr individuell persönlich mögliche Arbeitsleistung bleibt in vielfältiger Hinsicht hinter derjenigen zurück, welche für den in der Veröffentlichung unterstellten Normalfall zu verlangen ist.
18Die Schuldnerin hat in der Vergangenheit die für eine Person mit Leitungsfunktion zu verlangenden kaufmännischen und organisatorischen Fähigkeiten nicht besessen. Dies ergibt sich aus ihrem Scheitern als selbständige Logopädin, welches in dem Insolvenzverfahren mündete. Andere Gründe für die Insolvenz sind nicht dargelegt. Vor diesem Hintergrund ist es gerechtfertigt, dass die Beklagte bei Einstellung der Schuldnerin annehmen durfte, dass die Schuldnerin Leistungsdefizite aufzuweisen hat. In diesem Zusammenhang sprechen für die Schuldnerin auch nicht etwa ihre sieben Jahre Berufserfahrung. Die Erfahrungen der Schuldnerin führten in die Insolvenz. Sie erweisen sich demzufolge im Vergleich zu einer durchschnittlichen Logopädin als erheblich wertgemindert. Denn es ist nicht der Durchschnitt, dass Logopädinnen nach sieben Jahren Berufstätigkeit insolvent sind. Es tritt hinzu, dass die Schuldnerin im Zeitpunkt ihrer Einstellung unstreitig unter einem seit Jahren angeschlagenen Gesundheitszustand litt. Dies mag prognostizierbar dazu geführt haben, dass die der Schuldnerin zur Leitung anvertraute Kleinpraxis in C nur Verluste erwirtschaftete. Die Klägerin kann diese, wie auch die weiteren, im Erkenntniskreis der Schuldnerin liegenden Ereignisse bzw. Tatsachen nicht mit Nichtwissen bestreiten. Sie kann sich bei der Schuldnerin erkundigen, die ihr zur Auskunft verpflichtet ist. Schließlich wertet die Kammer den von der Klägerin herangezogenen Umstand, dass Schuldnerin und Beklagte in der Vergangenheit kollegial und freundschaftlich verbunden waren keineswegs dahingehend, dass dieser Umstand für ein verschleiertes Arbeitseinkommen spreche. Vielmehr ist dieser Umstand ein Indiz dafür, dass die Einstellung der Schuldnerin durch die Beklagte und die Zuerkennung eines Einkommens in Höhe von immerhin 2.000,00 EURO brutto im Monat bereits ein Freundschaftsdienst war, den die Schuldnerin am allgemeinen Arbeitsmarkt ansonsten nicht hätte erzielen können. Dem entspricht es, dass der Schuldnerin nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses zur Beklagten am allgemeinen Arbeitsmarkt – wie die Beklagte darstellt – nicht höhere sondern eher geringere, allenfalls gleichhohe Vergütungen angeboten wurden. Auch insoweit kann die Klägerin sich nicht wirksam mit Nichtwissen erklären, da sie sich bei der ihr auskunftsverpflichteten Schuldnerin erkundigen kann. Letztlich ist es demnach auch ein am allgemeinen Arbeitsmarkt zu Lasten der Schuldnerin zu berücksichtigender Umstand, dass die Schuldnerin nicht über einen Führerschein verfügt. Dies behindert die ökonomisch erfolgreiche Verwertung ihrer Arbeitskraft, denn ihr sind Teile des Aufgabengebietes einer Logopädin (Patientenbesuche) nicht in zeitlich effektiver Weise möglich. Dies führt zu einer entsprechend reduzierten angemessenen Vergütung.
19Angaben zu einem durchschnittlichen Einkommen von Logopäden mit einem vergleichbar von Defiziten geprägten Leistungsprofil legt die Klägerin nicht vor. Ausgehend von Annahme, eine normale durchschnittliche Logopädin mit Leitungsfunktion und sieben jedenfalls normal erfolgreichen Berufsjahren könne ein Einkommen von 2.561,00 EURO brutto im Monat erwarten ergibt sich, dass die Schuldnerin mit 2.000,00 EURO brutto im Monat keineswegs unterbezahlt war.
20Nach allem kommt es nicht darauf an, ob die von der Klägerin herangezogene Veröffentlichung der Hans-Böckler-Stiftung die tatsächlichen Verhältnisse am Arbeitsmarkt für Logopädinnen korrekt beschreibt.
21Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
22Der Streitwert wird gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG in Höhe der Klageforderung festgesetzt.
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