Urteil vom Arbeitsgericht Bonn - 6 Ca 161/11
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.
3. Streitwert: 12.000,00 €
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Tatbestand:
2Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Befristung des Arbeitsverhältnisses zum 31.12.2010.
3Der Kläger war beginnend ab März 2002 bei der Beklagten als Honorarkraft beschäftigt, ab Oktober 2002 mit einem Honorarrahmenvertrag. Der letzte Honorarrahmenvertrag datiert vom 23. Januar 2007 und sieht eine Mitarbeit als Programmmitarbeiter mit überwiegend redaktionellen Tätigkeiten (Online) vor. Zum 01.05.2007 vereinbarten die Parteien ein befristetes Arbeitsverhältnis bis zum 31.12.2010 mit einer Beschäftigung des Klägers als Redakteur. Als Befristungsgrund wurde die programmgestaltende Tätigkeit des Klägers angegeben. Des Weiteren verweist der Arbeitsvertrag auf den Beschluss des Rundfunkrates vom 07.03.2006, „wonach in der Aufgabenplanung für den Zeitraum 2007 bis 2010 als Schwerpunkt der kontinuierliche Ausbau der Schwerpunktsprache Chinesisch – auch vor dem Hintergrund der olympischen Spiele in Peking in 2008 – beschlossen wurde. Strategisches Ziel ist es, das chinesischsprachige Mobilangebot bis 2010 weiter auszubauen und die Etablierung entsprechender Kooperationen mit regionalen Providern zu erreichen“.
4Die monatliche Bruttovergütung des Klägers betrug […] EUR.
5Mit vorliegender Klage vom 19.01.2011 wendet sich der Kläger gegen die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses.
6Der Kläger ist der Ansicht, die vereinbarte Befristung sei unwirksam. Der Bedarf an seiner Arbeitsleistung bestehe weiter. So habe die Beklagte ihm nach Auslaufen der Befristung eine weitere Beschäftigung als Honorarkraft angeboten. Auch habe es keine Budgetkürzung gegeben, vielmehr würden neue Kräfte beschäftigt. Seine Tätigkeit sei auch nicht an bestimmte Projekte gebunden gewesen. Das chinesische Mobilangebot habe sich in seinem Umfang und in seiner Struktur seit 2005 überhaupt nicht geändert, von einem Ausbau könne nicht die Rede sein. Bei der von ihm besetzten Stelle handele es sich zudem um eine Planstelle. Die damalige Leiterin der Programmdirektion Online der […] Frau V., habe im Personalgespräch mit der damaligen Teamleiterin der Online China-Redaktion, Frau F. explizit betont, dass die Stelle eine Planstelle sei und nicht nur bis 2010 angelegt sei. Seit 2002 sei er ununterbrochen im Kerngeschäft der damaligen Online Redaktion der Chinesischen Sprache tätig gewesen. So habe er diese Redaktion auch stellvertretend geleitet, als die damalige Teamleiterin in Erziehungsurlaub gewesen sei. Er könne auch uneingeschränkt in der zusammengefassten und umstrukturierten Online Redaktion eingesetzt werden. Er verfüge über die notwendige Sprachkompetenz. Hintergrund der Nichtverlängerung des Vertrages sei vielmehr eine Reaktion auf Vorwürfe gegen die China-Redaktion im Jahre 2008. Weiterhin rügt der Kläger das Fehlen einer Interessenabwägung zwischen dem Bestandsschutz und den Auswirkungen auf die Rundfunkfreiheit der Beklagten. Unter allen zurzeit 26 programmgestaltenden Mitarbeitern der China-Redaktion der […] ob freie Mitarbeiter, Festangestellte mit Zeitverträgen oder Festangestellte mit Planstellen, verfügten lediglich drei über unbefristete Arbeitsverträge. Diese Tatsache spreche dafür, dass die Beklagte mit ihrem besonderen Verständnis und dem exzessiven Gebrauch ihrer Rundfunkfreiheit die Rechte ihrer Arbeitnehmer und insbesondere auch deren professionelle Eigenverantwortung als Journalisten weitgehend missachte.
7Der Kläger beantragt
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1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgrund der im Arbeitsvertrag vom 26.04.2007 vereinbarten Befristung zum 31.12.2010 beendet ist,
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2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zu unveränderten Bedingungen als unbefristetes Arbeitsverhältnis über den 31.12.2010 fortbesteht
Die Beklagte beantragt Klageabweisung.
13Die Beklagte behauptet, als einziger deutscher Auslandsrundfunksender gehöre es zu ihrem Programmauftrag, Werte im Sinne des Grundgesetzes wie Demokratie usw. durch ihre Berichterstattung in das Ausland hinein zu vermitteln. Der Programmauftrag habe inhaltliche, personelle und organisatorische Auswirkungen. Ihr obliege es, nicht nur die Programminhalte autonom zu gestalten, sondern auch die organisatorischen und personellen Vorkehrungen zu treffen, um den Programmauftrag umfassend zu erfüllen. Wichtig sei es, dass nicht nur deutsche, sondern auch andere Sichtweisen zu wesentlichen Themen vermittelt würden. Ihr Hörfunkprogramm strahle im deutsch- und englischsprachigen Bereich Programme 24 Stunden pro Tag weltweit aus; die übrigen 27 Fremdsprachen-Radioprogramme würden täglich stundenweise in die Zielgebiete verbreitet. Hinzu kämen vermehrt Online-Angebote in den unterschiedlichen Sprachen. Damit komme der Wahrnehmung rundfunkrechtlicher Verantwortung im Sinne des Programmauftrages eine überragende Bedeutung zu, was sich in besonderer Weise in den Sprachdiensten und dort insbesondere den Sprachprogrammen niederschlage, die sich auf Krisenregionen bezögen. Zudem sei die […] einem stetigen Wandel ausgesetzt. Dies ergebe sich aus Haushaltsgründen, aber auch aus der Tatsache, dass die Anforderung an Programm und Redaktion sich ständig änderten. Neue Krisengebiete täten sich auf, andere Programme müssten reduziert werden oder zurückgefahren werden, weil dort der Bedarf zurückgehe. Neue Techniken erforderten weiterhin Anpassungsleistungen. Zur Erfüllung ihres Rundfunkauftrages sei es deswegen erforderlich, programmgestaltende Mitarbeiter auswechseln zu können, um andere Mitarbeiter einstellen zu können, die andere Meinungen vermitteln, andere Auffassungen hätten, eine frische Sprachkompetenz aufwiesen, in ihrer Berichterstattung anders, informativer oder für die Zielgruppe interessanter berichten würden usw..
14Im Übrigen sei die Aufgabenplanung der Beklagten im Jahre 2007 für den Zeitraum 2007 bis 2010 angelegt gewesen, was die Schwerpunktsprache Chinesisch angehe. Der Ausbau und die Zusammenführung der Integration Radio und Online habe bis 2010 weiter ausgebaut und dann abgeschlossen sein sollen. Diese Prognose habe sich im Mai 2010 auch erfüllt. Dabei sei klar gewesen, dass der Kläger nach der Integration nicht mehr für die gesamten Aufgaben der chinesisch zusammengeführten Sprachredaktion verwendet werden könne, weil er nicht „sprechen“ könne. Die Integration habe aber auch zum Ziel gehabt, dass alle Redakteure bimedial arbeiten könnten.
15Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf denInhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie auf die zu den Akten gereichten Unterlagen ergänzend Bezug genommen.
16Entscheidungsgründe:
17Die Klage ist zulässig aber nicht begründet.
18Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist aufgrund der vereinbarten Befristung mit Ablauf des 31.12.2010 beendet worden.
19Der Kläger hat fristgerecht gemäß § 17 TzBfG Klage erhoben.
20Die Beklagte kann sich jedoch zur Begründung der Befristung auf einen Sachgrund berufen, § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 TzBfG.
21Die Voraussetzungen des § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 TzBfG liegen vor, wenn die Eigenart der Arbeitsleistung die Befristung rechtfertigt. Zu den von dieser Vorschrift erfassten Arbeitsverhältnissen, bei denen eine Befristung wegen der Art der Tätigkeit ohne Hinzutreten eines weiteren Sachgrundes vereinbart werden kann, zählen im Anschluss an die ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes die Arbeitsverhältnisse der programmgestaltenden Mitarbeiter der Rundfunkanstalten. Das folgt aus der Notwendigkeit, bei der Auslegung des Begriffs des sachlichen Grundes im Sinne von § 14 Abs. 1 TzBfG, die für die Rundfunkanstalten durch die Rundfunkfreiheit (Artikel 5 Abs. 1 Satz 2 GG) gewährleisteten Freiräume bei der Wahl des Arbeitsvertragsinhaltes zu berücksichtigen. Bei der Befristung des Arbeitsvertrages eines programmgestaltenden Mitarbeiters mit einer Rundfunkanstalt ist weiterhin eine einzelfallbezogene Interessenabwägung zwischen dem Bestandsschutz des Arbeitnehmers und den bei Bejahung des Bestandsschutzes zu erwartenden Auswirkungen auf die Rundfunkfreiheit vorzunehmen (vergl. BAG, 26. Juli 2006, 7 AZR 495/05).
22Der Kläger hat als Redakteur der Beklagten Einfluss auf das Programm der Beklagten. Die programmgestaltende Tätigkeit des Klägers ist zwischen den Parteien unstreitig. Die sich aus der Rundfunkfreiheit ergebenen Interessen der Beklagten überwiegen auch das Interesse des Klägers in einer Dauerbeschäftigung.
23Der Schutz des Artikel 5 GG umfasst das Recht der Rundfunkanstalten, dem Gebot der Vielfalt der zu vermittelnden Programminhalte auch bei der Auswahl, Einstellung und Beschäftigung derjenigen Rundfunkmitarbeiter Rechnung zu tragen, die bei der Gestaltung des Programms mitwirken (vergl. Bundesverfassungsgericht, 13.01.1982; 1 BvR 848/77). Der Rundfunkfreiheit kommt jedoch kein genereller Vorrang gegenüber dem Bestandsschutzinteresse der Mitarbeiter zu. Aus der besonderen Bedeutung der Rundfunkfreiheit folgt, dass ihr mehr Gewicht beizumessen sein kann als dem arbeitsrechtlichen Bestandsschutz. Die verfassungsrechtliche Lage schließt jede undifferenzierte Lösung jedoch aus, welche den Schutz des einen Rechtsgutes dem Schutz des anderen opfert; die Belange sind im Einzelfall gegeneinander abzuwägen, wobei den Rundfunkanstalten die zur Erfüllung ihres Programmauftrags notwendige Freiheit und Flexibilität nicht genommen werden darf. Bei der Abwägung ist vor allem zu berücksichtigen, wie intensiv der betroffene Arbeitnehmer auf das Programm der Rundfunkanstalt Einfluss nehmen kann und wie groß die Gefahr bei Bejahung eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses ist, dass die Rundfunkanstalt nicht mehr den Erfordernissen eines vielfältigen Programms und den künftig sich ändernden Informationsbedürfnissen und Publikumsinteressen gerecht werden kann (vergl. APS, Kündigungsrecht, 3. Aufl., Backhaus, § 14 TzBfG, Rn. 274 f.). Der Kläger hat nach seinen eigenen Angaben klassische redaktionelle Tätigkeiten ausgeführt und damit Einfluss auf den Inhalt der Rundfunk- und Onlineprogramme genommen. Damit bewegt sich die Tätigkeit des Klägers im Zentrum der Programmgestaltungsfreiheit der Beklagten. Die Bedeutung der Flexibilität kommt auch im zweiten Befristungsgrund zum Ausdruck, der darauf hinweist, dass die Beklagte nach der Integration wieder Handlungsspielräume nutzen will. Die Beklagte macht von der Rundfunkfreiheit auch Gebrauch, indem sie Honorarkräfte und befristete festangestellte Mitarbeiter beschäftigt und nur in geringem Umfang unbefristet Festangestellte. Der Kläger wurde konsequenterweise über einen längeren Zeitraum auch als freier Mitarbeiter beschäftigt. Mit dem ersten befristeten Arbeitsvertrag kann daher noch nicht von einer Schutzbedürftigkeit gesprochen werden, die zu einem Überwiegen des Bestandsschutzinteresses des Klägers führt.
24Ein Rechtsmissbrauch durch die Rechtsformwahl (Honorarvertrag anstatt Fest-anstellung) ist ebenfalls nicht anzunehmen. Ebenso ist es der Beklagten aus Gründen des Vertrauensschutzes nicht verwehrt, sich auf die Befristung zu berufen. In der Rechtsprechung des Bundearbeitsgerichtes ist anerkannt, dass dem Arbeitgeber die Berufung auf eine an sich wirksame Befristung nicht nur bei Vorliegen der Voraussetzung des § 626 BGB oder bei einem Verstoß gegen die guten Sitten verwehrt ist, sondern auch, wenn der befristet eingestellte Arbeitnehmer aufgrund des Verhaltens des Arbeitgebers damit rechnen konnte, im Anschluss an den Zeitvertrag weiter beschäftigt zu werden (vergl. BAG, 24.04.1996, 7 AZR 719/95). Anhaltspunkte für eine schikanöse Nichtweiterbeschäftigung des Klägers bestehen ebenso wenig wie für einen Verstoß gegen die guten Sitten. Auch der Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes rechtfertigt keine andere rechtliche Beurteilung. Zur Entstehung eines Vertrauensschutzes genügt es nicht, dass der Arbeitnehmer subjektiv erwartet, der Arbeitgeber werde ihn nach Fristablauf weiter beschäftigen, soweit die für die Befristung maßgeblichen sachlichen Gründe bis dahin bedeutungslos geworden sind. Erforderlich ist vielmehr, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer in dieser Erwartungshaltung durch sein Verhalten bei Vertrags-abschluss oder während der Dauer des Vertrages eindeutig bestärkt (BAG, 24.04.1996, 7 AZR 719/95). Das vom Kläger angesprochene Angebot eines Honorarvertrages zeigt vielmehr die Gestaltungsfreiheit. Der Begriff Planstelle ist ein haushaltsrechtlicher Begriff. Der Kläger kann hieraus keine Rechte ableiten.
25Mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses entfällt auch der Anspruch des Klägers auf Beschäftigung.
26Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO; die Streitwertfestsetzung folgt aus § 61 ArbGG i.V.m. § 42 GKG.
27RECHTSMITTELBELEHRUNG
28Gegen dieses Urteil kann von der klagenden Partei Berufung eingelegt werden. Für die beklagte Partei ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.
29Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist* von einem Monat schriftlich beim
30Landesarbeitsgericht Köln
31Blumenthalstraße 33
3250670 Köln
33Fax: 0221-7740 356
34eingegangen sein.
35Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach dessen Verkündung.
36Die Berufungsschrift muss von einem Bevollmächtigten unterzeichnet sein. Als Bevollmächtigte sind nur zugelassen:
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1. Rechtsanwälte,
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2. Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
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3. juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in Nummer 2 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
Eine Partei, die als Bevollmächtigte zugelassen ist, kann sich selbst vertreten.
42* Eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.
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Referenzen
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