Urteil vom Arbeitsgericht Bonn - 1 Ca 2342/14
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 4.403,16 € festgesetzt.
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T a t b e s t a n d :
2Die Parteien streiten um die Verpflichtung der Beklagten zur Fortzahlung einer Erschwerniszulage in pauschalierter Form.
3Der Kläger war vom 04.03.2002 bis zum 31.12.2012 auf der Grundlage eines Arbeitsvertrags vom 04.03.2002 (Bl. 7f. d.A.) bei der … bei deren … beschäftigt.
4Unter dem 29.04.2002 vereinbarten der Kläger und die … in einer Nebenabrede zum Arbeitsvertrag (Bl. 15 d.A.) die Pauschalierung der Erschwerniszulage gem. § 23 BMT-G iVm. § 5 BZT-G. Weiterhin vereinbarten sie die Kündbarkeit der Nebenabrede mit einer Frist von zwei Wochen zum Monatsschluss. Die Pauschale betrug zuletzt EUR 122,31 monatlich. Auf das Arbeitsverhältnis des Klägers findet jedenfalls kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme der TVöD Anwendung.
5Das … wurde zum 01.01.2012 auf die Beklagte übertragen. Das Arbeitsverhältnis des Klägers ging nach übereinstimmender Auffassung der daran Beteiligten im Wege des Betriebsübergangs auf die Beklagte über.
6Im Zuge der Überleitung der Arbeitsverhältnisse schloss die … mit dem Gesamtpersonalrat und dem Personalrat … im August 2012 eine Vereinbarung zur Personalüberleitung (Bl. 9ff. d.A.), dem die Beklagte nach ihrer Gründung beitrat und der in Auszügen wie folgt lautet:
7„Grundsätze
8(…)
9Zukünftige abweichende Regelungen, die Ansprüche der Beschäftigten und der Beamtinnen und Beamten betreffen, sind nur durch ausdrückliche schriftliche Vereinbarung mit dem Personalrat der zukünftigen … möglich.
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I. Individualrechtliche Folgen
(…)
132. Genereller Ausschluss von Nachteilen
14Die Parteien sind sich darüber einig, dass den betroffenen Beschäftigten durch die Überleitung keine Nachteile entstehen dürfen. Dies gilt insbesondere hinsichtlich der Vergütungshöhe, des Bestandsschutzes, der sozialen Absicherung und des Einsatzortes im ….“
15Mit Schreiben vom 11.09.2014 (Bl. 20 d.A.), dem Kläger am 13.09.2014 zugegangen, kündigte die Beklagte die Nebenabrede vom 29.04.2002 mit Wirkung zum 30.09.2014. Seit Oktober 2014 rechnet die Beklagte die Zulage auf den Einzelfall bezogen ab. Vor Ausspruch der etwa 15 Kündigungen hat die Beklagte den bei ihr gebildeten Personalrat über ihre Kündigungsabsicht informiert.
16Mit seiner am 07.10.2014 bei Gericht eingegangenen Klage macht der Kläger die Unwirksamkeit der Kündigung der Nebenabrede geltend.
17Der Kläger ist der Auffassung, die Kündigung der Nebenabrede sei sowohl aus individualrechtlicher als auch aus kollektivrechtlicher Sicht unwirksam. Ziffer 2 der Vereinbarung zur Personalüberleitung stehe einer Kündigung entgegen. Aus Abs. 3 der Grundsätze dieser Vereinbarung ergebe sich zudem, dass es vor der Kündigung einer schriftlichen Vereinbarung mit dem Personalrat bedurft hätte.
18Außerdem hätte der Personalrat nach § 74 Abs. 1 LPVG NRW beteiligt werden müssen, der nicht zwischen einer Kündigung, die auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses abziele und der Kündigung nebenvertraglicher Abreden unterscheide. Außerdem habe der Personalrat ein Mitbestimmungsrecht nach § 72 Abs. 1 Ziff. 1 LPVG NRW. Die dieses Mitbestimmungsrecht tragenden Gründe würden gleichermaßen für den Ausspruch einer Kündigung der arbeitsvertraglichen Nebenabrede gelten. Es stünde mithin in einem Widerspruch, dem Personalrat einerseits beim Abschluss von Nebenabreden ein zwingendes Mitbestimmungsrecht einzuräumen, ihm andererseits jedoch bei deren Beseitigung durch Kündigung ein Mitbestimmungsrecht abzusprechen.
19Der Kläger beantragt,
20festzustellen, dass die Nebenabrede zum Arbeitsvertrag vom 04.03.2002 mit Datum vom 29.04.2002 nicht wirksam durch Kündigung vom 11.09.2014 beseitigt worden ist.
21Die Beklagte beantragt,
22die Klage abzuweisen.
23Sie ist der Auffassung, die Kündigung der Nebenabrede sei rechtswirksam. Ihr stünden weder tarifliche Vorschriften noch die des Personalüberleitungsvertrags noch des Personalvertretungsrechts entgegen. § 74 LPVG NRW erfasse keine Teilkündigungen und § 72 LPVG NRW räume nur ein Mitbestimmungsrecht beim Abschluss von Nebenabreden ein. Sinn und Zweck des Personalüberleitungsvertrags sei es überdies, dem Rechtsgedanken des § 613a BGB folgend, sicher zu stellen, dass die übergeleiteten Mitarbeiter keine Nachteile erleiden. Rechte und Pflichten sollten so weiter Bestand haben, als hätte es den Betriebsübergang nicht gegeben.
24Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die von den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.
25E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
26A. Die zulässige Klage ist nicht begründet. Die Beklagte konnte mit ihrer Erklärung vom 19.09.2014 die Nebenabrede zum Arbeitsvertrag des Klägers vom 04.03.2002 wirksam zum 30.09.2014 kündigen.
27I. Die Klage ist als Feststellungsklage iSd. § 256 ZPO zulässig.
28Zwar besteht das Rechtsschutzziel des Klägers letztlich darin, weiterhin die 2002 vereinbarte pauschalierte Erschwerniszulage zu erhalten, so dass er auch eine Leistungsklage hätte erheben können. Allerdings führt dies im Streitfall nicht zur Verneinung des erforderlichen Feststellungsinteresses. Nach ständiger Rechtsprechung des BAG (vgl. nur BAG 15. Februar 1990 – 6 AZR 386/88 – juris) besteht gleichwohl ein Interesse an der alsbaldigen Feststellung über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses, wenn das angestrebte Urteil mit seiner lediglich ideellen, der Vollstreckung nicht zugänglichen Wirkung geeignet ist, den Konflikt der Parteien endgültig zu lösen. Dies gilt nur dann nicht, wenn nur ein Teilaspekt eines Gesamtstreits zwischen zwei Prozessparteien gelöst und ein weiterer Prozess nicht vermieden wird. Die erhobene Feststellungsklage muss vielmehr geeignet sein, weitere Prozesse durch einfache Erledigung der aufgetretenen Streitpunkte zu verhindern.
29Dies trifft im Streitfall zu. Mit der Entscheidung über den Feststellungsantrag steht fest, ob dem Kläger seit dem 01.10.2014 „lediglich“ die „spitz“ abgerechnete Zulage oder die Zulage in pauschalierter Form zusteht. Weitere Streitpunkte gibt es nicht zwischen den Parteien. Auch kann davon ausgegangen werden, dass die Beklagte sich einem rechtskräftigen Feststellungsurteil beugen wird. Dem Kläger ist es vor diesem Hintergrund nicht zuzumuten, allmonatlich die pauschalierte Zulage abzüglich der „spitz“ und damit voraussichtlich in unterschiedlicher Höhe abgerechneten Pauschale einzuklagen.
30II. Die Klage ist jedoch nicht begründet. Die Kündigung der Nebenabrede zum Arbeitsvertrag ist wirksam. Die Kammer folgt in vollem Umfang den zutreffenden Erwägungen der 6. Kammer in dem den Parteien bekannten Urteil vom 10.03.2014 (6 Ca 2330/14).
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1. Die Kündigung ist zunächst nicht aus individualrechtlichen Gründen unwirksam.
a) Der Kündigung steht nicht § 2 Abs. 3 S. 2 TVöD entgegen. Danach können Nebenabreden zum Arbeitsvertrag gesondert gekündigt werden, soweit dies einzelvertraglich vereinbart ist. Gesondert kündbar sind damit nur Nebenabreden im tariflichen Sinne. Nebenabreden im tariflichen Sinne sind Vereinbarungen der Parteien des Arbeitsvertrags, die weder die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers noch die Gegenleistung des Arbeitgebers unmittelbar betreffen (BAG 15. März 2011 – 9 AZR 799/09 – juris). Die Verpflichtung zur Zahlung einer Erschwerniszulage als solche gehört – wie die 6. Kammer zutreffend ausgeführt hat – zu den Hauptpflichten des Arbeitgebers. Demgegenüber betrifft die Nebenabrede nicht die grundsätzliche Verpflichtung zur Zahlung dieser Zulage, sondern regelt deren Pauschalierung, die tarifvertraglich zwar vorgesehen, aber nicht zwingend ist. Insoweit betrifft sie nicht unmittelbar die im Gegenseitigkeitsverhältnis stehenden Hauptpflichten (vgl. auch LAG Baden-Württemberg 12. September 2013 – 11 Sa 37/13 – juris).
34§ 2 Abs. 3 TVöD lässt eine ordentliche Kündigung der Nebenabrede ohne weitere Voraussetzungen zu, soweit dies einzelvertraglich vereinbart ist. Außer der Beachtung der Kündigungsfrist gelten für die Kündigung einer Nebenabrede keine weiteren Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen (vgl. zu § 4 Abs. 2 S. 2 BAT: LAG Hessen 17. März 2006 – 3 Sa 1877/04 – juris). Eine Beschränkung ergibt sich allenfalls aus dem Willkürverbot oder aus § 134 BGB wegen Umgehung des zwingenden Kündigungsschutzes (vgl. BAG 15. Februar 1990 – 6 AZR 386/88 – juris; 12. Februar 1987 – 6 AZR 129/84 – juris). Derartige Unwirksamkeitsgründe sind im Streitfall nicht einschlägig. Mit dem Wechsel von der Pauschalierung zur sog. Spitzabrechnung wird nicht wesentlich in das Gleichgewicht zwischen Leistung und Gegenleistung eingegriffen. Die Kündigung ist auch nicht willkürlich. Sie beruht, wie die Beklagte unwidersprochen ausgeführt hat, auf entsprechenden Überprüfungen der Werkstattorganisation.
35b) Der Kündigung steht auch Ziffer I.2 des Personalüberleitungsvertrags nicht entgegen. Unabhängig davon, wie dieser Geltung zwischen den Parteien dieses Rechtsstreits erlangt, führt er bereits deshalb nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung, weil er sich auf Nachteile bezieht, welche durch die Überleitung entstehen. Die Kündigung der Nebenabrede steht indes nicht im Zusammenhang mit der Überleitung, die Kündigungsmöglichkeit ist bereits vor der Überleitung in der Nebenabrede vereinbart worden. Durch die Regelung in Ziffer 2 sollen die übergeleiteten Beschäftigten nicht besser gestellt werden als sie ohne die Überleitung stünden. Die Nebenabrede war indes auch vor der Überleitung kündbar.
362. Die Kündigung der Nebenabrede ist auch nicht deshalb unwirksam, weil der Personalrat vor ihrem Ausspruch nicht beteiligt worden ist.
37a) Der Personalrat war vor Ausspruch der Kündigung zunächst nicht nach § 74 Abs. 1 LPVG NRW zu beteiligen. Danach bestimmt der Personalrat bei ordentlichen Kündigungen durch den Arbeitgeber mit.
38Auch nach Auffassung der erkennenden Kammer fällt die ausgesprochene Teilkündigung nicht unter den Anwendungsbereich des § 74 Abs. 1 LPVG NRW. Kündigung iSd. Vorschrift ist nur die vom Arbeitgeber ausgesprochene Kündigung mit dem Ziel der Beendigung des Arbeitsverhältnisses oder dessen Fortsetzung zu geänderten Bedingungen (so zu § 72 Abs. 1 Nr. 8 LPVG NRW aF.: BAG 12. Februar 1987 – 6 AZR 129/84 – juris; ebenso Welkoborsky/Herget LPVG NRW § 74 Rdn. 2f.). Dies ergibt sich bereits aus der Systematik des § 74 LPVG NRW, der ausschließlich (vorbereitende) Maßnahmen des Arbeitgebers im Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses betrifft. Die Kündigung der Nebenabrede greift demgegenüber nicht in den Bestand des Arbeitsverhältnisses ein, sie stellt auch keine Änderungskündigung iSd. § 2 KSchG dar.
39b) Der Personalrat war auch nicht nach § 72 Abs. 1 Nr. 1 LPVG NRW zu beteiligen.
40Nach § 72 Abs. 1 Nr. 1 LPVG NRW hat der Personalrat ua. in Personalangelegenheiten bei Nebenabreden zum Arbeitsvertrag mitzubestimmen.
41Damit fällt die Kündigung der Nebenabrede nicht unter den Wortlaut der Vorschrift. Auch Sinn und Zweck des Mitbestimmungstatbestands gebieten eine Beteiligung bei der Kündigung der Nebenabrede nicht. Diese bestehen nach der Gesetzesbegründung (LT-Drs. 9/3091, S. 38) darin, dem Personalrat zur Vermeidung von Unruhe und Ungleichbehandlung Möglichkeiten der Einflussnahme einzuräumen, da der Mitbestimmungstatbestand grundlegende Entscheidungen der Beschäftigten betreffe (LT-Drs. 15/1644, S. 84). Wie die 6. Kammer zutreffend ausgeführt hat, ist damit der Inhalt einzelner Arbeitsverträge der Mitbestimmung unterworfen werden. Dessen inhaltliche Ausgestaltung ist Gegenstand des Mitbestimmungsrechts, nicht hingegen die Ausübung des vertraglich und unter Beteiligung des Personalrats vereinbarten Kündigungsrechts (iE. ebenso Cecior/Vallendar/Lechtermann/Klein Das Personalvertretungsrecht in Nordrhein-Westfalen § 72 Rdn. 97). So sieht der Mitbestimmungstatbestand auch nur eine Beteiligung des Personalrats bei der Vereinbarung einer Befristung, nicht aber bei deren Ablauf vor.
42c) Eine Mitbestimmung nach § 72 Abs. 1 Nr. 4 LPVG NRW kommt ebenfalls nicht in Betracht. Eine „wesentliche Änderung von Arbeitsbedingungen“ iSd. Vorschrift liegt nur bei einer Änderung der Hauptleistungspflichten vor.
43d) Ferner unterliegt die Kündigung der Nebenabrede nicht der Mitbestimmung nach § 72 Abs. 4 Nr. 5 LPVG NRW:
44Nach dieser Vorschrift hat der Personalrat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, über Fragen der Gestaltung des Entgelts innerhalb der Dienststelle, ua. insbesondere die Aufstellung von Entgeltgrundsätzen, die Einführung und Anwendung von neuen Entgeltmethoden und deren Änderung, mitzubestimmen.
45Wie bereits die 6. Kammer zutreffend ausgeführt hat, steht einer Mitbestimmung des Personalrats nach diesem Tatbestand bei der „Rückführung“ der Zahlung zur tariflich vorgesehenen „Spitzabrechnung“ der Tarifvorrang entgegen. Danach ist das Mitbestimmungsrecht ausgeschlossen, soweit die Tarifvertragsparteien eine abschließende Regelung getroffen haben, nicht aber dann, wenn der Tarifvertrag insgesamt oder in einzelnen Punkten noch ergänzungsbedürftige Rahmenvorschriften enthält oder die Mitbestimmung des Betriebsrates zur weiteren Durchführung eine von den Tarifvertragsparteien geregelten Angelegenheit vorsieht. Das Mitbestimmungsrecht ist ausgeschlossen, wenn die tarifliche Regelung einigermaßen vollständig ist. Es genügt, wenn sie aus sich heraus praktisch handhabbar ist (BAG 12. Februar 1987 – 6 AZR 129/84 – juris). Die der Pauschalierung der Zulage zugrunde liegende tarifliche Vorschrift der § 23 BMT-G iVm. § 5 BZT-G bzw. aktuell des § 24 Abs. 6 TVöD, enthalten für den mit der Kündigung der Nebenabrede herbeigeführten Rechtszustand eine abschließende Regelung. Denn die Wahlmöglichkeit zwischen der Spitzabrechnung und der Pauschalierung lässt keinen Spielraum für betriebliche Regelungen. Vielmehr wird es den Arbeitsvertragsparteien überlassen, welche Gestaltungsform sie wählen (vgl. BAG 12. Februar 1987 – 6 AZR 129/84 – juris; Schart/Waldinger Erläuterungen zum BMT-G und BZT-G NRW zu § 7 BZT-G).
46e) Die Kündigung der Nebenabrede unterlag schließlich auch nicht nach Abs. 3 der Grundsätze des Personalüberleitungsvertrags der Mitbestimmung des Personalrats. Die Regelung bezieht sich auf künftige Änderungen der mitbestimmt getroffenen Regelungen dieses Vertrags. Sie begründet keine neuen Mitbestimmungstatbestände.
47B. Die Kostentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 46 Abs. 2 ArbGG. Die Festsetzung des Streitwerts im Urteil beruht auf § 61 Abs. 1 ArbGG i.V.m. § 3 ZPO i.V.m. § 42 Abs. 1 S. 1 GKG und erfolgte in Höhe des dreifachen Jahresbezugs der pauschalierten Erschwerniszulage.
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