Urteil vom Arbeitsgericht Bonn - 7 Ca 30/15
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.3. Der Wert des Streitgegenstands wird auf 2.592,00 € festgesetzt.
1
Tatbestand
2Die Parteien streiten um die Wirksamkeit der Kündigung einer Nebenabrede.
3Auf das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis, das der Kläger mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten, xxx, mit Vertrag vom 04.07.1988 (Bl. 6 d.A.) begründete, finden die Vorschriften des TVöD Anwendung.
4§ 2 Abs. 3 TVöD regelt:
5Nebenabreden sind nur wirksam, wenn sie schriftlich vereinbart werden. Sie können gesondert gekündigt werden, soweit dies einzelvertraglich vereinbart ist.
6Unter dem 14.03.1994 (Bl. 7 d.A.) schlossen die der Kläger und die xxx eine schriftliche „Nebenabrede“, nach der der Kläger für geleistete Arbeiten, für die gemäß § 23 BMT-G in Verbindung mit § 5 BZT-G ein Erschwerniszuschlag zu zahlen ist, eine Pauschale in Höhe von seinerzeit DM 180,69 zu zahlen sei. Des Weiteren vereinbarten die Parteien ein Kündigungsrecht mit Zweiwochenfrist zum Monatsschluss.
7Zum 01.01.2013 ging das Arbeitsverhältnis auf die Beklagte über.
8Mit Schreiben vom 11.09.2014 (Bl. 14 d.A.) erklärte die Beklagte die „Kündigung der Nebenabrede vom 14.03.1994“ zum 30.09.2014 und teilte dem Kläger mit, dass Erschwerniszulagen künftig auftragsbezogen geltend zu machen seien.
9Der Kläger ist der Ansicht, dass die Kündigung der Nebenabrede unwirksam sei. Der Sache nach handele es sich bei der Nebenabrede um einen Widerrufsvorbehalt, so dass die Kriterien der Rechtsprechung zum AGB-rechtlichen Widerrufsvorbehalt hätten berücksichtigt werden müssen. Insbesondere hätten die Gründe des „Widerrufs“ angegeben werden müssen, um dem Transparenzgebot zu genügen. Solche Gründe seien aber – unstreitig – nicht angegeben worden. Bei den Regelungen des AGB-Rechts handele es sich um im Vergleich zu den mit dem TVöD getroffenen Regelungen um höherrangiges Recht, so dass die gesetzlichen Vorschriften nicht durch eine tarifvertragliche Regelung ausgeschlossen werden könnten.
10Der Kläger beantragt
11festzustellen, dass die Nebenabrede vom 14.03.1994 zum Arbeitsvertrag vom 04.07.1988 durch die Kündigung vom 11.09.2014 nicht beseitigt worden ist.
12Die Beklagte beantragt,
13die Klage abzuweisen.
14Sie hält die Kündigung für rechtswirksam. Sie folge mit der Umstellung von der pauschalen zur „spitzen“ Abrechnung der Erschwerniszulagen dem Gebot der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit, welches für sie als öffentliche Arbeitgeberin zu beachten sei.
15Wegen des weiteren Sach- und Streitstands wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
16Entscheidungsgründe
17Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
18I.
19Die Klage ist zulässig. Gegenstand einer Feststellungsklage nach § 256 Abs. 1 ZPO ist das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses. Die vorliegende Feststellungsklage bezieht sich auf einzelne Beziehungen des zwischen den Parteien bestehenden Rechtsverhältnisses, nämlich dem Bestand einer Nebenabrede. Der Kläger hat auch ein rechtliches Interesse an der begehrten Feststellung. Dies ergibt sich daraus, dass die Höhe seiner Vergütung davon abhängt, ob die Erschwerniszuschläge pauschaliert vergütet oder „spitz“ abgerechnet werden. Die Feststellungsklage ist auch geeignet, den Kläger zu seinem Zahlungsziel zu führen. Aus dem Feststellungsantrag ergeben sich die Folgen für die Zukunft. Bei Unwirksamkeit der Kündigung der Nebenabrede steht fest, dass der Kläger weiterhin die Erschwernispauschale verlangen kann.
20II.
21Die Klage ist aber unbegründet. Die Nebenabrede vom 14.03.1994 wurde durch die Kündigung vom 11.09.2014 wirksam gekündigt.
221.
23Bei der Regelung der Parteien vom 14.03.1994 handelt es sich um eine Nebenabrede im Sinne von § 2 Abs. 3 TVöD. Den Begriff der Nebenabrede haben die Tarifvertragsparteien nicht definiert. Die Abgrenzung von Hauptpflichten/Hauptrechten einerseits und Nebenabreden erfolgt daher durch die Rechtsprechung. Nebenabreden im Sinne der Tarifvorschriften sind Vereinbarungen der Parteien des Arbeitsvertrages, die weder die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers noch die Gegenleistung des Arbeitgebers unmittelbar betreffen (vgl. BAG, Urt. v. 15.3.2011 – 9 AZR 799/09, ZTR 2011, 503 ff.). Die Verpflichtung zur Zahlung einer Erschwerniszulage als solche gehört zu den Hauptpflichten des Arbeitgebers. Diese Hauptpflicht ist tarifvertraglich geregelt. Nebenabrede ist dagegen die Pauschalierungsabrede, die tarifvertraglich vorgesehen, aber nicht verpflichtend ist.
242.
25§ 2 Abs. 3 Satz 2 TVöD lässt eine gesonderte Kündigung von Nebenabreden zu, soweit dies einzelvertraglich vereinbart ist. Unter diesen Voraussetzungen braucht nicht der gesamte Arbeitsvertrag im Wege der Änderungskündigung gekündigt zu werden; eine unzulässige Teilkündigung des Arbeitsvertrages liegt nicht vor. Außer der Beachtung der Kündigungsfrist gelten für die Kündigung einer Nebenabrede keine weiteren Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen (vgl. für § 4 Abs. 2 Satz 2 BAT Hessisches LAG, Urt. v. 17.03.2006 – 3 Sa 1877/04, juris Rn. 26); der Wortlaut des Tarifvertrages enthält keine materiellen Kündigungsbeschränkungen sondern nur den Hinweis auf eine Kündigungsmöglichkeit innerhalb der Kündigungsfrist. Eine Beschränkung mag sich allenfalls aus dem Willkürverbot ergeben bzw. aus einer Unwirksamkeit gem. § 134 BGB wegen Umgehung des zwingenden Kündigungsschutzes (vgl. ArbG Bonn, Urt. v. 10.03.2015 – 6 Ca 2330/14; BAG, Urt. v. 15.02.1990 – 6 AZR 386/88, NZA 1990, 848; BAG, Urt. v. 12.02.1987 – 6 AZR 129/84, juris;). Entsprechende Unwirksamkeitsgründe sind vorliegend nicht ersichtlich, da mit dem Wechsel von Pauschalierung zur Spitzabrechnung nicht wesentlich in das Gleichgewicht zwischen Leistung und Gegenleistung eingegriffen wird. Für die Annahme einer willkürlichen Ausübung des Kündigungsrechts ist nichts vorgetragen oder sonst ersichtlich. Die maßgebliche Kündigungsfrist hat die Beklagte eingehalten.
263.
27Die Nebenabrede der Parteien vom 14.03.1994 ist auch nicht an den Voraussetzungen zu messen, die das BAG neuerdings an die Rechtmäßigkeit arbeitsvertraglicher Widerrufsvorbehalte stellt (vgl. etwa BAG, Urt. v. 10.11.2006 – 5 AZR 721/05, NZA 2007, 87 ff.). Diese beruhen nämlich auf den Besonderheiten der rechtlichen Anforderungen an die einseitige Aufhebung übertariflicher oder außertariflicher Vertragsbedingungen durch den Arbeitgeber. Die Parteien haben vorliegend aber durch die Vereinbarung der Nebenabrede von einer tarifvertraglich vorgesehenen Gestaltungsmöglichkeit im Hinblick auf tarifliche Ansprüche Gebrauch gemacht. Die Beklagte hat sodann das im TVöD vorgesehene und voraussetzungslos ausgestaltete Kündigungsrecht ausgeübt. Tarifverträge sind ihrerseits gemäß § 310 Abs. 4 S. 1 BGB ausdrücklich von einer AGB-Kontrolle ausgenommen. Würde man nunmehr ein materiell-rechtliches Kriterium für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Kündigung der Nebenabrede verlangen, würde dies nicht den Willen der Tarifvertragsparteien wiederspiegeln, die ein solches Kriterium gerade nicht vorgesehen haben. Dies würde einen nicht gerechtfertigten Eingriff in die grundgesetzlich geschützte Tarifautonomie (Art. 9 Abs. 3 GG) der Tarifvertragsparteien darstellen.
28III.
29Die Kosten des Rechtsstreits waren gemäß § 46 Abs. 2 S. 1 ArbGG i.V.m. §§ 495, 91 Abs. 1 S. 1 ZPO dem Kläger aufzuerlegen.
30IV.
31Der Wert des Streitgegenstands war gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG im Urteil auszuweisen. Die Kammer hat insoweit den 36-fachen Differenzbetrag in Höhe von rund EUR 90,- monatlich in Ansatz gebracht und einen Abschlag von 20% vorgenommen, da der begehrte Feststellungstenor nicht vollstreckbar gewesen wäre.
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Referenzen
- 9 AZR 799/09 1x (nicht zugeordnet)
- 3 Sa 1877/04 1x (nicht zugeordnet)
- 6 Ca 2330/14 1x (nicht zugeordnet)
- 6 AZR 386/88 1x (nicht zugeordnet)
- 6 AZR 129/84 1x (nicht zugeordnet)
- 5 AZR 721/05 1x (nicht zugeordnet)