Urteil vom Arbeitsgericht Dortmund - 8 Ca 2498/12
Tenor
1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht aufgrund der am 18.04.2011 vereinbarten Befristung am 30.09.2013 beendet wird.
2. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen weiterzubeschäftigen.
3. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
4. Der Streitwert wird auf 18.628,30 € festgesetzt.
1
Tatbestand
2Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Befristungsabrede.
3Der am 17.02.1981 geborene Kläger ist seit dem 01.10.2010 als Lehrkraft für besondere Aufgaben am Institut für Sport und Sportwissenschaft bei der Beklagten beschäftigt.
4Das Arbeitsverhältnis ist befristet bis zum 30.09.2013. Die Befristung erfolgte nach § 2 I 1 WissZeitVG (vgl. schriftlichen Arbeitsvertrag Bl. 7/8 d.A.).
5Eingruppiert ist der Kläger in die Entgeltgruppe 13 Stufe 3 TV-L. Sein monatliches Bruttogehalt beläuft sich auf 3.725,66 €.
6Der Kläger hat eine Lehrverpflichtung von 13 Semesterwochenstunden und schreibt an seiner Promotionsarbeit.
7Übertragen wurde dem Kläger die Tätigkeit, die zuvor ein angestellter Diplom-Sportlehrer als Dauertätigkeit ausgeübt hat. Behandelt werden die Bewegungsfelder Laufen, Springen, Werfen – Leichtathletik, Bewegen im Wasser – Schwimmen und Spielen in und mit Regelstrukturen – Sportspiele (Fußball/Torschussspiele).
8Mit der am 06.06.2012 beim Arbeitsgericht Dortmund eingegangenen Klage macht der Kläger den unbefristeten Fortbestand des Arbeitsverhältnisses geltend.
9Er ist der Meinung keine wissenschaftliche bzw. künstlerische Dienstleistung zu erbringen. Seine Tätigkeit beinhalte im Kern die Ausbildung von zukünftigen Lehrern und Lehrerinnen im Bereich der Methodik und Didaktik der Sportarten. Die Ausbildung erfolge ausschließlich in praxisbezogenen Bereichen.
10Schwerpunktmäßig würden Vermittlungsverfahren im Hinblick auf den Schulsport thematisiert, in der Praxis erfahren und reflektiert.
11Zwar betrage die Lehrverpflichtung 39 Semesterwochenstunden, doch sei er tatsächlich 39 Stunden und 50 Minuten je Woche in diesem Bereich tätig. Zu den eigentlichen Unterrichtsstunden kämen die Vor- und Nachbereitung, die Durchführung von Leichtathletikferienschulen, Exkursionen, Sprechstunden, Prüfungstätigkeiten, entsprechende Vorbereitungen, Korrekturtätigkeiten sowie Fachleitertätigkeiten und entsprechende Eignungstestorganisation.
12Ein nicht unerheblicher Teil seiner Wochenarbeitszeit sei mit organisatorischen Tätigkeiten ausgefüllt. So müssten der Materialbestand regelmäßig kontrolliert, Angebote eingeholt und verglichen sowie schließlich Bestellungen aufgegeben werden.
13Die „Leichtathletikferienschule" sei ebenfalls von zahlreichen organisatorischen Aufgaben geprägt. Es müssten Einladungen ausgesprochen und Sponsoren geworben werden. Die Verpflegung vor Ort müsse organisiert werden und die Sportangebote sowie weitere Programmpunkte müssten vor – und nachbereitet werden.
14Darüber hinaus seien auch Exkursionen sowie Sporteignungstests zu organisieren. Jährlich würden sich zwischen 300 und 400 Studienbewerber um einen Studienplatz bemühen, die in den Bereichen Turnen, Sportspiel und Leichtathletik diverse Prüfungsaufgaben zu absolvieren hätten.
15Bei den Tätigkeiten, die der Kläger zu verrichten habe, handele es sich um reine Lehrtätigkeiten ohne wissenschaftlichen Bezug. Aus diesem Grunde sei es auch folgerichtig, dass er die Nachfolge eines Diplom Sportlehrers angetreten habe.
16Arbeiten für seine Promotion könne er allein in seiner Freizeit außerhalb der eigentlichen Arbeitszeit erbringen.
17Der Kläger beantragt,
181. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht aufgrund der am 18.04.2011 vereinbarten Befristung am 30.09.2013 beendet wird,
192. im Fall des Obsiegens mit dem Antrag zu 1 die Beklagte zu verurteilen, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen weiterzubeschäftigen.
20Die Beklagte beantragt,
21die Klage abzuweisen.
22Sie meint, der Kläger gehöre zum wissenschaftlichen Hochschulpersonal und unterfalle daher dem Regelungsbereich des WissenschaftsZeitvertragsGesetz. Hiernach sei eine Befristung für die Dauer von bis zu 6 Jahren möglich.
23Die Lehrtätigkeiten, die der Kläger verrichte, zählten zu wissenschaftlichen Dienstleistungen, da sie einen Wissenschaftsbezug hätten.
24Bei der Vermittlung von Fachwissen und Fertigkeiten an Studierende handele es sich um wissenschaftliche Dienstleistungen.
25Der Wissenschaftsbezug sei insbesondere dann gewährleistet, wenn die Möglichkeit zur eigenständigen Forschung und Reflexion bestehe. Da dem k aber nur 13 Semesterwochenstunden an Lehrtätigkeiten übertragen worden seien, verbliebe hinreichend Zeit, um eigene Forschung zu betreiben.
26Wegen der Einzelheiten des Sach – und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen und die Sitzungsniederschriften verwiesen.
27Entscheidungsgründe
28I.
29Die Klage ist begründet.
301. Das zwischen den Parteien begründete Arbeitsverhältnis endet nicht aufgrund der vereinbarten Befristung mit Ablauf des 30.09.2013.
31Die Klage ist zulässig. Insbesondere konnte der Kläger den Antrag auf Entfristung auch bereits vor Ablauf der vereinbarten Vertragslaufzeit gerichtlich verfolgen (vgl. BAG Urteil vom 24.08.2011 7 AZR 228/10 in NZA 2012, 385; BAG Urteil vom 02.06. 2010 7 AZR 136/09 in NZA 2010, S. 1172).
32Die Befristung des Arbeitsverhältnisses ist nicht wirksam nach § 2 I 1 WissZeit VG befristet worden.
33Zwar ist das Zitiergebot des § 2 IV WissZeitVG gewahrt und es handelt sich bei der Beklagten um eine staatliche Hochschule, so dass das Arbeitsverhältnis grundsätzlich dem WissZeitVG unterfällt.
34Es sind jedoch die Voraussetzungen des § 2 I 1 WissZeitVG bezogen auf das Arbeitsverhältnis des Klägers nicht erfüllt.
35Nach der genannten Vorschrift kann ein Arbeitsverhältnis von Personal im Sinne von § 1 I 1 WissZeitVG, das nicht promoviert ist, bis zu einer Dauer von 6 Jahren befristet werden.
36Der Kläger unterfällt jedoch nicht dem Anwendungsbereich des § 1 I WissZeitVG. Hiernach bezieht sich das Gesetz auf wissenschaftliches und künstlerisches Personal mit Ausnahme der Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer.
37Bei dem Kläger handelt es sich nicht um „wissenschaftliches Personal" im Sinne der genannten Vorschrift.
38Als wissenschaftliches und künstlerisches Personal kommt nur solches in Betracht, bei dem die Beschäftigung zumindest typischerweise auf eine Promotion oder Habilitation zielt. Dabei ist der Begriff des „wissenschaftlichen und künstlerischen Personals" nach § 1 I 1 WissZeitVG eigenständig und abschließend (vgl. BAG Urteil vom 01.06.2011 7 AZR 827/09 in NZA 2011, S. 1280).
39Ausgehend hiervon ist der Kläger nicht „wissenschaftliches Personal" im Sinne des § 1 I 1 WissZeitVG, da er keine wissenschaftlichen Dienstleistungen erbringt.
40Der Begriff des „wissenschaftlichen und künstlerischen Personals" bestimmt sich inhaltlich und aufgabenbezogen.
41Abzustellen ist auf die nach dem Arbeitsvertrag und der tatsächlichen Ausgestaltung des Vertragsverhältnisses zu verrichtenden Tätigkeiten.
42Zum wissenschaftlichen Personal gehört dabei derjenige Arbeitnehmer, der wissenschaftliche Dienstleistungen erbringt.
43Einen derartigen Inhalt weist die Tätigkeit, die der Kläger zu verrichten hat, nicht auf.
44Es ist zwischen den Parteien unstreitig geblieben, dass der Kläger die Nachfolge eines unbefristet eingestellten Diplom Sportlehrers angetreten und dessen Aufgaben übernommen hat. Dieser hat aber keine wissenschaftlichen Tätigkeiten verrichtet, sondern ausschließlich solche im Bereich von Lehre sowie organisatorischen Maßnahmen.
45Es hat der Kläger im Einzelnen aufgeführt, welche konkreten Arbeiten welchen Zeitaufwand erfordern. Diesem Vortrag ist die Beklagte nicht substantiiert entgegengetreten.
46Danach ist der Kläger mit dem weitaus größten zeitlichen Anteil seiner Arbeitszeit mit Tätigkeiten außerhalb des Lehrbetriebes bzw. der Forschung befasst.
47Es wurde seitens des Klägers im Einzelnen aufgeführt, welche organisatorischen Aufgaben er neben der Lehrtätigkeit zu verrichten hat. Vor diesem Hintergrund konnte es nicht ausreichen, wenn die Beklagte sich lediglich darauf beschränkt hat, den Umfang zu bestreiten und auszuführen, dass der Kläger lediglich mit 13 Semesterwochenstunden beauftragt sei, damit ihm Zeiten für eigene Forschungstätigkeiten verblieben.
48In keiner Weise hat die Beklagte dargetan, wer, wenn nicht der Kläger die aufgeführten organisatorischen Maßnahmen verrichtet. Ein solcher Vortrag wäre aber gerade erforderlich gewesen, da entsprechende Tätigkeiten auch bei dem Vorgänger des Klägers auf dieser Stelle, dem Diplom Sportlehrer, angefallen sind.
49Hat der Kläger aber die Nachfolge dieses Sportlehrers, der jedenfalls kein wissenschaftlicher Mitarbeiter war, angetreten, so hätte es an der Beklagten gelegen, in Erwiderung auf den klägerischen Vortrag darzutun, welche Tätigkeiten, die der Vorgänger des Klägers verrichtet hat, nunmehr nicht mehr zu dem Tätigkeitsbereich des Klägers gehören.
50Da nämlich der Vorgänger des Klägers ebenso wie dieser in Vollzeit tätig war, ist ohne weitere Ausführungen der Beklagten nicht ersichtlich, inwieweit der Kläger neben den ihm aufgetragenen Tätigkeiten die Möglichkeit haben soll, wissenschaftlich tätig zu werden.
51Damit ergibt sich, dass es sich bei dem Kläger nicht um einen wissenschaftlichen Mitarbeiter handelt, so dass eine Befristung nicht wirksam gemäß § 2 I 1 WissZeit VG vereinbart werden konnte.
522. Der Klage war ebenfalls stattzugeben, soweit der Kläger die tatsächliche Weiterbeschäftigung begehrt.
53Das Arbeitsverhältnis ist nicht wirksam befristet worden, so dass es über den 30.09.2013 hinaus unbefristet fortbesteht.
54Dem Kläger steht daher ein Anspruch gemäß §§ 611, 242 BGB i.V.m. Art. 1, 2 GG auf tatsächliche Weiterbeschäftigung zu.
55II.
56Die Kostenentscheidung beruht auf § 46 II ArbGG i.V.m. § 91 ZPO. Der gemäß § 61 ArbGG im Urteil festzusetzende Streitwert gründet sich auf § 42 GKG i.V.m. §§ 3 ff ZPO.
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