Urteil vom Arbeitsgericht Gelsenkirchen - 5 Ca 194/09
Tenor
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.124,00 EUR brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz ab dem 01.07.2008 zu zahlen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
3. Der Streitwert wird auf 2.124,00 EUR festgesetzt.
1
Tatbestand :
2Die Parteien streiten um die richtige Eingruppierung des Klägers aufgrund der bei der Beklagten ab 01.01.2008 geltenden Gesamtbetriebsvereinbarungen und um entsprechende Vergütungsdifferenzen.
3Aufgrund des Anstellungsvertrages vom 01.07.1973 nahm der Kläger bei der ehemaligen Gewerkschaft H1 (der Rechtsvorgängerin der Beklagten) die Arbeit als Gewerkschaftssekretär auf. Mit Schreiben dieser Gewerkschaft vom 26.10.1979 wurde dem Kläger die Geschäftsführung der Bezirksverwaltung Ruhr-Nord übertragen. Entsprechend dieser Tätigkeit wurde der Kläger nach der Vergütungsgruppe 12 des Entgeltsystems der Gewerkschaft H1 vergütet.
4Bis zum Jahre 2001 war der Kläger Betriebsratsvorsitzender. Die ehemalige Gewerkschaft H1 verschmolz mit anderen Gewerkschaften zur Beklagten im Juli 2001. Der H1 Bezirk Ruhr-Nord ging in den Bezirk der Beklagten Gelsenkirchen/
5Bottrop/Gladbeck auf. Der Kläger wurde Mitglied des Übergangsbetriebsrats sowie ab April 2002 bis zum Sommer 2004 freigestelltes Mitglied des im März 2002 gewählten Betriebsrats der Beklagten.
6Am 01.12.2003 kam es zwischen den Parteien zum Abschluss eines Altersteilzeitvertrags, der Altersteilzeit für die Zeit vom 01.07.2004 bis zum 30.06.2008 vorsah, wobei die Arbeitsphase und die Freistellungsphase in je 2 - Jahresblöcken abgewickelt wurden.
7Nach Beendigung seiner Freistellung als Betriebsratsmitglied verrichtete der Kläger Tätigkeiten eines Gewerkschaftssekretärs, behielt jedoch gemäß Ziff. 2 der bis zum 31.12.2007 wirkenden Grundsatzvereinbarung zur Gründung und Aufbau der Beklagten seine Vergütung aus der Vergütungsgruppe 12 des Entgeltsystems der ehemaligen Gewerkschaft H1 bei. Die Vergütung des Klägers betrug dementsprechend zuletzt 4.646,00 € brutto im Monat und wurde auch angesichts der ab 01.01.2008 geltenden Neuregelung der Entgelte bei der Beklagten durch entsprechende Gesamtbetriebsvereinbarungen beibehalten. Dies geschah aufgrund der Besitzstandsregelung des § 4 der Gesamtbetriebsvereinbarung "Überleitung", obgleich die Beklagte die Auffassung vertrat (und im Prozess nach wie vor vertritt), dass der Kläger in die Entgeltgruppe 7 Stufe 3 des § 2 der Gesamtbetriebsvereinbarung ‘‘Entgelttabelle" einzugruppieren ist (monatliches Gehalt: 4.500,00 € brutto). Von dieser ihrer Meinung machte die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 25.11.2008 Mitteilung, nachdem die für Eingruppierungsfragen zuständige Einigungsstelle entsprechend entschieden hatte.
8Der Kläger verlangt demgegenüber seine Eingruppierung nach der Entgeltgruppe 9 Stufe 1 (9.1.1. – Bezirksgeschäftsführer – Monatsvergütung 5.000,00 € brutto) und begehrt mit der bei Gericht am 26.01.2009 eingegangenen Klage von der Beklagten die Nachzahlung der monatlichen Unterschiedsbeträge zwischen der ihm nach seiner Ansicht zustehenden und der von der Beklagten gezahlten Monatsbeträge für die Monate Januar bis Juni 2008.
9Der Kläger trägt vor:
10Er habe seinen vertraglichen Status bis zur Ruhephase der Altersteilzeit nicht verloren. Für den Posten als Bezirksgeschäftsführer nach der Entstehung der Beklagten habe er sich mit Rücksicht auf die bevorstehende Freistellung als Betriebsratsmitglied nicht beworben. Nach Beendigung der Freistellung habe er sich wegen seiner weiteren Tätigkeit mehrfach an Frau C1 gewandt. Eine einvernehmliche Änderung seines Arbeitsvertrages sei allein mit Rücksicht auf die Schriftformklausel (§ 3) der allgemeinen Anstellungsbedingungen für die Beschäftigten der Gewerkschaft H1 nicht zustande gekommen.
11Der Kläger beantragt,
12die Beklagte zu verurteilen, an ihn 2.124,00 € brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz ab dem 01.07.2008 zu zahlen.
13Die Beklagte beantragt,
14die Klage abzuweisen.
15Die Beklagte trägt vor:
16Bei der Eingruppierung sei auf die zuletzt ausgeübte Tätigkeit des Klägers abzustellen. Der Kläger habe sich weder vor noch während oder nach der Freistellung als Betriebsratsmitglied bei der damaligen Gewerkschaft H1 und auch nicht bei der Beklagten als Bezirksgeschäftsführer beworben oder die Beschäftigung als Bezirksgeschäftsführer verlangt. Die Parteien seien einvernehmlich davon ausgegangen, dass der Kläger die verbleibende Zeit seines aktiven Arbeitsverhältnisses als Gewerkschaftssekretär verbringen würde. Der Kläger habe dagegen keine Einwände erhoben. Die vom Kläger angeführte Schriftformklausel sei deklaratorischer Natur. Jedenfalls sei die Berufung auf das Schriftformerfordernis wegen der über 2-jährigen widerspruchslosen Tätigkeit als Gewerkschaftssekretär rechtsmissbräuchlich.
17Wegen des Parteivorbringens im Übrigen wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.
18Entscheidungsgründe:
19Die Klage ist begründet.
20Der Kläger hat Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung noch offen stehender Vergütungsbeträge in Höhe von 354,00 € brutto pro Monat für die Monate Januar bis Juni 2008. Laut § 2 der Gesamtbetriebsvereinbarung ‘‘Entgelttabelle" kann der Kläger Vergütung nach der Entgeltgruppe 9 Stufe 1 in Höhe von 5.000,00 € brutto monatlich verlangen, während die Beklagte nur jeweils 4.646,00 € brutto monatlich bezahlt hat.
21Eine Eingruppierung des Klägers ist in den Entgeltgruppen 9 Stufe 1 (9.1.1) des § 8 der Gesamtbetriebsvereinbarung über ein Entgeltsystem für die Beklagte und nicht in deren Entgeltgruppe 7 Stufe 3 vorzunehmen.
22Der Kläger mag nach Beendigung seiner Freistellung als Betriebsratsmitglied im Sommer 2004 bis zum Beginn der passiven Phase seiner Altersteilzeit (01.07.2006) überwiegend Tätigkeiten ‘‘nur" eines ( betreuenden ) Gewerkschaftssekretärs ausgeübt haben. Entscheidend für die Eingruppierung ist nach § 2 Ziff. 1 der Gesamtbetriebsvereinbarung über ein Entgeltsystem jedoch nicht die zuletzt ausgeübte sondern die ‘‘auszuübende" Tätigkeit. Arbeitsvertraglich hatte der Kläger aber gemäß dem Anstellungsvertrag vom 01.07.1973 und dem diesen abändernden Schreiben der ehemaligen Gewerkschaft H1 (als Rechtsvorgängerin der Beklagten) vom 26.10.1979 Tätigkeiten eines bezirksgeschäftsführenden Gewerkschaftssekretärs auszuüben. Dieser Arbeitsverpflichtung des Klägers entsprach einer Beschäftigungspflicht der Beklagten, die allein durch eine mangelnde Geltendmachung des Klägers nicht in Wegfall geraten ist. Wenn der Kläger sich nicht – aus welchen Gründen auch immer – auf entsprechende Geschäftsführerstellen beworben hat, hätte ihn die Beklagte hierzu veranlassen können und müssen, ggf. mit dem Hinweis, ansonsten auf eine arbeitsvertragsändernde Rückstufung zum Gewerkschaftssekretär nicht verzichten zu wollen. Dass derartige Aufforderungen an den Kläger ergangen sind, ist aus dem Vortrag der Parteien nicht zu entnehmen.
23Die Beklagte hat nicht substantiiert (nach Ort, Zeit und Inhalt eines oder mehrerer Personalgespräche) dargelegt, dass es - wie sie behauptet – zu einer einverständlichen Abänderung der Tätigkeitspflicht des Klägers im Sinne einer zukünftig nur noch zu vollziehenden Sekretärstätigkeit gekommen ist. Aufgrund des möglicherweise widerspruchslosen, tatsächlichen Arbeitseinsatzes des Klägers ab Beendigung seiner Freistellung als Betriebsratsmitglied ist nicht auf eine derartige einverständliche, arbeitsvertragliche Änderung zu schließen. Unabhängig von der Reichweite der Schriftformklausel des § 3 Ziff. 5 der Anstellungsbedingungen der ehemaligen Gewerkschaft H1 kann nicht allein aus der Arbeitstätigkeit des Klägers in den Jahren 2004 bis 2006 und dessen behaupteter Untätigkeit, eine Stelle als geschäftsführender Gewerkschaftssekretär anzustreben, eine einvernehmliche Arbeitsvertragsänderung abgeleitet werden. Erst wenn der Kläger über längere Zeit beanstandungslos eine vergleichsweise unterwertige Tätigkeit unter entsprechender Verminderung seiner Bezüge ausgeübt hätte, hätte die Beklagte dies als Einverständnis in die Änderung der vertraglich auszuübenden Arbeitstätigkeit interpretieren können. Gemäß der Grundsatzvereinbarung zur Gründung und Aufbau der Beklagten – Ziff. 2 – galt für den Kläger jedoch eine finanzielle Besitzstandszusage für seine Bezüge als geschäftsführender Gewerkschaftssekretär, so dass seine Arbeitstätigkeit als ‘‘bloßer" Gewerkschaftssekretär nicht ohne weiteres als Verzicht auf seinen vertraglichen Status angesehen werden konnte. Ebenso wenig konnte aus den gleichen Gründen die Beklagte nicht im Sinne von § 242 BGB darauf vertrauen, dass der Kläger die vertragsgerechte Beschäftigung als Bezirksgeschäftsführer nicht mehr geltend machen werde. Es war Sache der Beklagten, den Kläger vertragsgerecht einzusetzen. Einer Aufforderung seitens des Klägers bedurfte es (jedenfalls rechtlich) dazu nicht.
24Nach alledem war der Klage in der Sache zu entsprechen. Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286 Abs. 2, 288 Abs. 1 BGB.
25Die Kostenentscheidung gründet auf § 91 ZPO, die weitere Nebenentscheidung auf
26§ 61 Abs. 1 ArbGG.
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