Urteil vom Arbeitsgericht Gelsenkirchen - 1 Ca 2403/06
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 3.839,76 Euro festgesetzt.
1
Tatbestand
2I
3Die Parteien streiten um die Pflicht der Beklagtenseite zur Anpassung der Betriebsrente des Klägers.
4Der Kläger befand sich langjährig bis zum 31. März 1998 als Arbeitnehmer im Arbeitsverhältnis bei der Beklagten und bezieht ab dem 1. April 1998 bei der Beklagten eine Betriebsrente von zunächst 2.291,10 EUR (= ursprünglich 4.481,00 DM). Diese Rente wurde mit Wirkung zum 1. Dezember 1999 auf 2.318,61 EUR (= ehemals 4.534,80 DM) angehoben, seit dem jedoch nicht mehr angepasst.
5Der Kläger leitet seine Rechte auf Betriebsrentenanhebung aus der Vorgabe des § 16 Abs. 1 BetrAVG, hinsichtlich des Zinsanspruchs diesen aus den §§ 280 ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB).
6Der Kläger trägt vor:
7Die Belange des anspruchsberechtigten Arbeitnehmers bestünden in einem Ausgleich des Kaufkraftverlustes. Die Einbuße an Kaufkraft werde ausgeglichen, wenn die Betriebsrente in Höhe des gestiegenen Indexes für die Verbraucherpreise angehoben werde (entsprechend §§ 16 Abs. 1 Nr. 1 BetrAVG).
8Der Kläger weist darauf hin, dass die Verbraucherpreise im Zeitraum 1. Dezember 2002 bis zum 30. November 2005 um 4,6 Prozentpunkte gestiegen sind, obwohl die Rente aus seiner Sicht um 106,66 EUR hätte angehoben werden müssen, wobei die im Jahre 2002 unterbliebene Anpassung sogar zunächst unberücksichtigt bleibe.
9Insbesondere trägt der Kläger vor:
10Die Beklagte sei als Tochtergesellschaft der E1 GmbH nicht mehr aktiv tätig und habe auf Veranlassung der E1 GmbH ihre gesamte Geschäftstätigkeit auf die E1 T1 GmbH übertragen. Von der Beklagten würden nur noch die Verhandlungen und Aufträge abgewickelt und die bestehenden Forderungen eingezogen. Deswegen handele es sich bei der Beklagten praktisch um eine reine "Rentnergesellschaft".
11Die Rentnergesellschaft müsse die Zinsen zur Erfüllung der Anpassungsverpflichtungen nach § 16 BetrAVG verwenden. Insoweit bezieht sich der Kläger auf das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 25.05.2002 - Aktenzeichen 3 AZR 226/01 -.
12Er behauptet:
13Eine Rücksichtnahme auf Investitionsbedarf sei beklagtenseitig nicht mehr erforderlich und es komme auch nicht darauf an, ob noch Eigenkapital in genügender Höhe zur Verfügung stehe oder nicht (Eigenkapitalrendite). Diese von der Beklagten vorgebrachten Gründe würden dann Bedeutung haben, wenn die Gesellschaft noch am Markt tätig wäre und durch ihre wirtschaftliche Betätigung ihre Leistungsfähigkeit sich erstellen müsste. Dies sei bei der Beklagten nicht der Fall. Der beklagtenseitig vorgebrachte Einwand, mit dem Darlehen, das sie der E1 GmbH gewährt habe, müssten Versorgungslasten der Betriebsrenten erfüllt werden, habe auf die Höhe der Zinseinkünfte keinen Einfluss und sei daher unbeachtlich.
14Hinsichtlich der wirtschaftlichen Entwicklung der E1 GmbH trägt der Kläger vor:
15Die wirtschaftlich gute Lage der E1 GmbH müsse der Beklagten zugerechnet werden. Die Beklagte sei eine Tochtergesellschaft der E1 GmbH. Die E1 GmbH sei Alleingesellschafterin der Beklagten und könne die wirtschaftliche Tätigkeit der Beklagten umfassend kontrollieren und beeinflussen, auch ohne dass heute noch ein Beherrschen über Gewinn- und Abführungsvertrag bestehe. Tatsächlich habe die E1 GmbH ihre wirtschaftliche Macht auch zum Nachteil der Beklagten ausgeübt. Sie habe im Konzerninteresse eine Betätigung der Beklagten als Tiefbauunternehmen untersagt und damit der Beklagten jegliche Chance genommen, ein wirtschaftliches positives Ergebnis auszuweisen.
16Insoweit behauptet der Kläger,
17dass, wenn die Beklagte im eigenen Interesse gehandelt hätte, sie Aufträge angenommen, abgewickelt und aus den ausgeführten Aufträgen die Gewinne erzielt hätte, die etwa die Firma E1 GmbH erzielt habe. Dies sei ein nachträglicher Eingriff in die wirtschaftliche Tätigkeit der Beklagten. In diesem Fall komme es daher auf die wirtschaftliche Lage des herrschenden Unternehmens an. Die durch den nachteiligen Eingriff in konzerninteressegeschädigte Tochtergesellschaft musste daher sich so behandeln lassen, als ob es nicht zu dem benachteiligenden Eingriff gekommen wäre.
18Damit gelangt der Kläger zu dem Ergebnis, dass er ab dem 1. Dezember 2005 eine um 106,66 EUR höhere Betriebsrente rechtfertigend fordern könne entsprechend dem Prüfungszeitraum der tatsächlich eingetretenen Inflationsquote von 4,6 %.
19Der Kläger beantragt:
20- die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger rückständige Betriebsrente für die Zeit vom 1. Dezember 2005 bis 31. Dezember 2006 (13 Monate) in Höhe von 1.385,58 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus jeweils 106,66 EUR ab 1. Januar 2006 und dem jeweils ersten des Folgemonats zu zahlen,
- die Beklagte zu verurteilen, ab 1. Januar 2007 eine Betriebsrente von monatlich 2.425,27 EUR zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
23die Klage abzuweisen.
24Sie trägt vor:
25Der für den Klagezeitraum 01.12.2005 bis 31.12.2006 mit 1.386,58 EUR bezifferte Gesamtbetrags sei fehlerhaft berechnet; er sei jedoch auf Seite 5 der Klagebegründung richtig ausgewiesen. Soweit dem Klageantrag zu Ziffer 2) der unstreitig gezahlte Rentenbetrag von derzeit 2.318,61 EUR enthalten sei, sei dieser Antrag unbegründet und die Klage daher insoweit abzuweisen.
26Weiterhin trägt die Beklagte vor:
27Die Klage sei materiell rechtlich unbegründet, da die geforderte Rentenanhebung im Rahmen der ihr nach § 16 BetrAVG zustehenden Ermessensüberprüfung eine solche zu Recht verweigert habe.
28Die Beklagte weist darauf hin,
29dass das entscheidende Prüfungskriterium neben dem bei den Rentnern entstehenden Anpassungsbedarf (Inflationsausgleich) vor allem die wirtschaftliche Tragfähigkeit der Anpassungsleistung für den Arbeitgeber vom Gesetzgeber im Rahmen einer in § 16 Abs. 1 BetrAVG vorgegebenen billigen Ermessensentscheidung festgelegt worden sei. Eine solche Anpassungsprüfung findet daher nicht nur einseitig und ausschließlich zur Wahrung der Belange der Versorgungsempfänger statt, vielmehr seien auch die wirtschaftlichen Aspekte der Arbeitgeberseite zu berücksichtigen. Vorrangig gehe es dabei insbesondere um die Erhaltung und gesunde Weiterentwicklung sowie die Substanzerhaltung des Unternehmens.
30Dies führt die Beklagte näher aus. Insbesondere hebt die Beklagte auf einer angemessenen Eigenkapitalverzinsung unter Bezugnahme auf die entsprechende Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ab.
31Hierzu behauptet die Beklagte:
32Angesichts der gesamten wirtschaftlichen Umstände habe sie eine Eigenkapitalverzinsung in Höhe von 6,1 % (bzw. 4,1 % bei Vorliegen einer Rentengesellschaft) erzielen müssen. Eine solche Ausgabe sei jedoch in der Vergangenheit nicht erzielt worden und auch im Prüfungszeitraum für die Zukunft nicht zu erwartbar.
33Insoweit beizieht sich die Beklagte auf ein zur Akte gereichtes Gutachten (gutachterliche Stellungnahme betreffend die Feststellung der Eigenkapitalrendite der Geschäftsjahre 2003 bis 2008 des Wirtschaftsprüfers Prof. Dr. K2-G1 K3, W3 & K3 GmbH).
34Vor dem Hintergrund des vorgelegten Gutachtens führt die Beklagte aus:
35Im Rahmen des Gutachtens sei anhand der betriebswirtschaftlichen Unterlagen (attestierte Bilanzen, Jahresabschlüsse, Planungsunterlagen etc.) die Eigenkapitalrendite für den Zeitraum 2003 bis 2008 berechnet worden. Die Wirtschaftsprüfer kämen zu dem Ergebnis, dass hinsichtlich der zu berücksichtigenden Jahre der Vergangenheit der Jahre 2003 bis 2005 sich im Jahre 2003 eine positive Eigenkapitalrendite von 5,4 % vorgelegt habe. In den beiden anderen Jahren sei die Eigenkapitalrendite negativ in 2004 mit minus 60,3 % sogar deutlich negativ gewesen. Insgesamt ergebe sich gemäß dem vorliegenden Gutachten eine auf die maßgeblichen Jahre der vergangenen bezogenen durchschnittliche Eigenkapitalrendite von minus 20,27 %.
36Die von dem am Prüfungssichttag maßgeblichen Umstände prognostizierten Werte für die Zukunft der Jahre 2006 bis 2008 seien zwar positiv, indessen erreichte weder der Wert des Jahres 2007 (2,5 %) noch der des Jahres 2008 (3,3 %) die maßgeblich vorgegebenen Mindestgröße von 6,1 %.
37Lediglich der Wert des Jahres 2006 liege mit 106,2 % deutlich über der geforderten Mindesteigenkapitalrendite, wobei zu berücksichtigen sei, dass das Jahresergebnis 2006 im Wesentlichen durch bereits realisierte Buchgewinne aus der Veräußerung der Anteile an der S1 GmbH erklärbar sei. Dies könne nicht repräsentativ für die zukünftige Ertragslage der Beklagten sein, wobei sich die Beklagte insoweit auf das Zeugnis des Wirtschaftsprüfers der Beklagten Prof. Dr. H2-G1 K3, W3 & K3 GmbH, R3 45 in 56789 D4 bezieht.
38Die vom Kläger behauptete Abwicklungsgesellschaft liege de facto nicht vor. Es sei zwar richtig, dass die Beklagte keine operative Tätigkeit im Straßenbau mehr ausübe. Die Darstellung sei aber insoweit unvollständig. Die vom Kläger zitierte Gutachterpassage weise nämlich ausdrücklich auch darauf hin, dass die Beklagte nach der Einstellung der operativen Tätigkeit im Straßenbau gleichwohl noch geschäftliche Aktivitäten in Form der Restabwicklung des Wohnungsbaubereichs, Vermietung gewerblicher Immobilien und Verwaltung von Beteiligungen ausübe.
39Dies stellt die Beklagte wegen der Umsatzerlösesituation im Schriftsatz vom 30. März 2007 näher dar.
40Hinsichtlich des Punktes der Kapitalauszehrung bezieht sich die Beklagte auf das vorgelegte Gutachten und vertritt den Standpunkt, dass wegen der Entwicklung des Eigenkapitals der Beklagten im maßgeblichen Zeitpunkt davon auszugehen sei, dass sie, die Beklagte, ohne Bestehen eines Gewinnabführungsvertrages und ohne Zuschüsse des Gesellschafters bereits unter dem 31.12.1999 bilanzüberschuldet gewesen wäre. Auch unter dem Gesichtspunkt der Eigenkapitalauszehrung sei damit die Anpassung ermessensfehlerfrei versagt worden. Dies führt die Beklagte weiter unter dem Gesichtspunkt Gewinnausschüttung im zitierten Schriftsatz dar und kommt letztlich unter dem Gesichtspunkt des "Berechnungsdurchgriffs im Konzern" zu dem Ergebnis, dass für einen solchen Haftungsdurchgriff im Konzern die Existenz eines Ergebnisabführungsvertrages, welcher vorliegend für den Zeitraum von knapp 1,5 Jahren bestanden hat, dies allein nicht ausreiche. Dies führt die Beklagte ebenfalls näher aus. Das von der Beklagten zur Akte gereichte Gutachten wurde als Anlage zum Schriftsatz der Beklagten vom 30. März 2007 zur Akte genommen.
41Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
42Entscheidungsgründe
43I
44Erst im Zusammenhang der Abfassung der Urteilsgründe beider Verfahren mit nämlicher Problematik (L5 ./. T5 1 Ca 2404/06 und dem vorstehenden Verfahren 1 Ca 2403/06) ist aufgefallen, dass im vorstehenden Verfahren 1 Ca 2403/06 die Klageschrift nicht unterzeichnet ist.
45II
46Nach Auffassung der erkennenden Kammer war der vom Kläger geltend gemachte Anpassungsanspruch nach Maßgabe folgender Überlegungen nicht begründet:
47Die Beklagte hat sich zur Abwehr des Anpassungsbegehrens des Klägers auf ihre wirtschaftliche Lage berufen, welche am Anpassungsstichtag keine Anpassung der Betriebsrente des Klägers zulasse. Dies hat die Beklagte insbesondere im Hinblick auf das Ergebnis des vorgelegten Gutachtens rechtlich darstellen können, wovon die erkennende Kammer ausging. Danach durfte die Arbeitgeberin eine Rentenanpassung wegen übermäßiger wirtschaftlicher Belastung ablehnen. Als Beurteilungsgrundlage für eine längerfristig zu erstellende Prognose ist die wirtschaftliche Entwicklung des Unternehmens in der Zeit vor dem Anpassungsstichtag sowie diagnostisch die Herleitung der Entwicklung des Unternehmens für die Zukunft heranzuziehen. Dabei steht der beklagten Arbeitgeberin bei der Einschätzung künftiger Entwicklungen ein gewisser Beurteilungsspielraum zu.
48Für die Bewertung der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens hat die Beklagte das Gutachten der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Prof. Dr. H2-G1 K3, W3 & K3 GmbH herangezogen, welches nach Auffassung der erkennenden Kammer als Rechnungsmodell hinsichtlich der Beurteilung der rechtlichen Zulässigkeit einer Versagung eines Anpassungsbegehrens wegen der dargestellten wirtschaftlichen Situation des Unternehmens herangezogen werden kann.
49Das Gutachten kommt auf Seite 9 zu dem Ergebnis, dass die durchschnittlichen Eigenkapitalrenditen für die Jahre 2003 5,4 %, für das Jahr 2004 minus 60,3 %, für das Jahr 2005 5,9 %, für das Jahr 2006 106,2 %, für das Jahr 2007 2,5 % und für das Jahr 2008 3,3 % betragen. Im Resümee weist das Gutachten aus, dass davon auszugehen ist, dass das Eigenkapital der Gesellschaft – ohne Berücksichtigung von Einlagen und Zuschüssen des Gesellschafters – in den Geschäftsjahren 1999 bis 2005 durch Gewinne und Verluste per saldo 1.071.618 EUR aufgezehrt worden ist, wie dieses unter dem Stichpunkt D auf Seite 8 des Gutachtens numerisch näher dargestellt wird.
50Insgesamt ging daher die erkennende Kammer davon aus, dass Anpassungsbegehren insoweit rechtlich ohne Erfolg war.
51III
52Als unterlegene Partei des Rechtsstreits trägt der Kläger die Kosten.
53IV
54Der Streitwert wurde in Höhe des monatlichen Differenzbetrages á 106,66 EUR x 36 = 3.839,76 EUR ermittelt gemäß § 42 Abs. 4 GKG und im Urteil gemäß § 46 Abs. 1 ArbGG ausgewiesen.
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