Urteil vom Arbeitsgericht Hagen - 3 Ca 708/04
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Der Streitwert wird auf 1.835,75 Euro festgesetzt.
1
Tatbestand :
2Die Parteien streiten über einen Zahlungsanspruch der Klägerin auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall.
3Die am 26.07.1941 geborene, verheiratete Klägerin war seit März 1980 als Maschinenarbeiterin bei der Beklagten beschäftigt. Sie bezog einen Stundenlohn in Höhe von 10,49 Euro brutto in der 35-Stunden-Woche. Seit dem 01.01.2004 bezieht die Klägerin vorgezogene Rente.
4Die Klägerin war zunächst in der Zeit vom 25.09.2003 bis 25.11.2003 arbeitsunfähig krank. Sie erhielt bis zum 03.11.2003 Entgeltfortzahlung, danach bis zum 25.11.2003 Krankengeld. Sie wurde in dieser Zeit von ihrem Hausarzt, Herrn A1 in H1, krank geschrieben. Nach Kenntnis der Beklagten litt die Klägerin in dieser Zeit unter "Rückenproblemen".
5Nach einer Untersuchung durch den medizinischen Dienst der Krankenkasse wurde der Klägerin mitgeteilt, dass ihre Arbeitsunfähigkeit mit dem 25.11.2003 beendet sei und dass sie ab dem 26.11.2003 wieder arbeiten solle.
6Die Klägerin nahm am 26.11.2003 nicht ihre Arbeit als Maschinenarbeiterin bei der Beklagten auf. Die Tochter der Klägerin rief an diesem Tag um 09.00 Uhr im Lohnbüro der Beklagten an und teilte mit, ihre Mutter könne nicht arbeiten, da sie "noch immer" krank sei.
7Auch am 27.11.2003 nahm die Klägerin ihre Arbeit nicht zum üblichen Arbeitsbeginn um 07.00 Uhr bei der Beklagten auf. Sie erschien an diesem Tag gegen 10.00 Uhr im Betrieb der Beklagten, um mit ihrem vorgesetzten Meister ein Gespräch zu führen. Unstreitig bat die Klägerin in diesem Gespräch, ihren Urlaub nehmen zu dürfen, um sich regenerieren zu können. Der Urlaub wurde seitens der Beklagten abgelehnt. Der weitere Inhalt dieses Gesprächs ist zwischen den Parteien streitig.
8Ebenfalls am 27.11.2003 suchte die Klägerin den Arzt Dr. S2 in H1 auf, einen Facharzt für Orthopädie. Dieser schrieb sie erneut arbeitsunfähig krank für den Zeitraum 26.11.2003 bis jedenfalls 31.12.2003. Dr. S2 erteilte der Klägerin für deren Arbeitsunfähigkeit eine Erstbescheinigung.
9Die Beklagte leistete für die Zeit vom 27.11.2003 bis 31.12.2003 keine Entgeltfortzahlung an die Klägerin.
10Die AOK Westfalen-Lippe als zuständige Krankenkasse der Klägerin verwies die Klägerin für denselben Zeitraum auf die Pflicht des Arbeitgebers zur Entgeltfortzahlung. Krankengeld für diesen Zeitraum hat die Krankenkasse bisher nicht gezahlt.
11Die Klägerin begehrt nunmehr klageweise Entgeltfortzahlung für den Zeitraum 27.11.2003 bis 31.12.2003 von der Beklagten in Höhe von insgesamt 1.835,75 Euro brutto.
12Sie meint, die Beklagte habe für den Zeitraum ab dem 27.11.2003 erneut Entgeltfortzahlung für die Dauer von 6 Wochen an sie zu leisten, da es sich um eine neue Ersterkrankung gehandelt habe, die mit den Vorerkrankungen in keinem Zusammenhang gestanden habe. Dies folge bereits aus der Erteilung einer neuen Erstbescheinigung für die Arbeitsunfähigkeit durch den Orthopäden Dr. S2. Dies folge auch daraus, dass sie zuvor nach ausgiebiger medizinischer Untersuchung durch den medizinischen Dienst der Krankenkasse für arbeitsfähig befunden worden sei.
13Die Klägerin trägt vor, in der Zeit vom 25.09.2003 bis 25.11.2003 habe ein Rückenleiden/Bandscheibenleiden bestanden, das heißt im unteren Rückenbereich. Sie behauptet, am 27.11.2003 wegen akuter Verspannungen im Schulterbereich krankgeschrieben worden zu sein. Sie entbindet die behandelnden Ärzte A1 und Dr. S2 sowie den untersuchenden Arzt des medizinischen Dienstes ausdrücklich von der ärztlichen Schweigepflicht.
14Am 27.11.2003 habe sie bei dem Gespräch im Betrieb der Beklagten lediglich mitgeteilt, dass sie sich noch nicht hundertprozentig fit fühle, auch wenn sie arbeitsfähig sei.
15Die Klägerin beantragt,
16die Beklagte zu verurteilen, an sie 1.835,75 Euro brutto nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 11.03.2004 zu zahlen.
17Die Beklagte beantragt,
18die Klage abzuweisen.
19Die Beklagte behauptet, die Klägerin habe am 27.11.2003 bei dem Gespräch in ihrem Betrieb gesagt, dass sie aus gesundheitlichen Gründen ihre Arbeit nicht aufnehmen könne. Sie habe "immer noch dieselben Probleme".
20Die Beklagte gehe daher davon aus, dass seinerzeit die Erkrankung vom 25.09.2003 bis 25.11.2003 nicht ausgeheilt gewesen sei, sondern fortbestanden habe.
21Aus einem in Kopie zur Gerichtsakte gereichten Schreiben der AOK vom 25.11.2003 (Blatt 33 d.A.) habe die Beklagte entnommen, dass die Klägerin seinerzeit von dem arbeitsmedizinischen Dienst nicht untersucht worden sei, sondern dass dieser nach Aktenlage entschieden habe.
22Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird Bezug genommen auf die ausgetauschten und zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze.
23Aufgrund Beweisbeschluss der Kammer vom 04.11.2004 ist Beweis erhoben worden dazu, ob die Klägerin in dem Zeitraum 27.11.2003 bis 31.12.2003 aufgrund derselben Krankheit arbeitsunfähig krank war, wie in dem Zeitraum 25.09.2003 bis 25.11.2003, durch Einholung schriftlicher Zeugenauskünfte der behandelnden Ärzte, Herr A1 und Herr Dr. S2. Auf den Inhalt der zur Gerichtsakte gereichten schriftlichen Zeugenauskünfte wird ausdrücklich Bezug genommen (Blatt 40, 49, 67, 68 d.A.).
24Entscheidungsgründe :
25Die zulässige Klage ist nicht begründet.
26Der Klägerin steht kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung für den Zeitraum 27.11.2003 bis 31.12.2003 in der begehrten Höhe von 1.835,75 Euro brutto aus §§ 3 Abs. 1, 4 EFZG nebst geltend gemachter Zinsen der Beklagten gegenüber zu. Eine andere Anspruchsgrundlage für die begehrte Vergütung für den genannten Zeitraum, in dem die Klägerin keine Arbeitsleistung für die Beklagte erbracht hat, ist nicht ersichtlich.
27Der Klägerin steht für den Zeitraum 27.11.2003 bis 31.12.2003 der begehrte Anspruch auf Entgeltfortzahlung nicht zu, da der 6-Wochen-Zeitraum gem. § 3 Abs. 1 S. 1, 2 EFZG zuvor durch Gewährung von Entgeltfortzahlung in der Zeit vom 25.09.2003 bis 03.11.2003 bereits ausgeschöpft war. Unstreitig endete der Anspruch auf Entgeltfortzahlung für die Erkrankung seit dem 25.09.2003 mit Ablauf des 03.11.2003. Der Klägerin stand für die Zeit ab 27.11.2003 kein erneuter Anspruch auf Entgeltfortzahlung zu, da sie in dieser Zeit aufgrund derselben Erkrankung arbeitsunfähig krank war wie zuvor in der Zeit vom 25.09.2003 bis 25.11.2003.
28Dabei kann dahingestellt bleiben, ob sie zwischenzeitlich arbeitsfähig war, wie der arbeitsmedizinische Dienst für die Zeit nach dem 25.11.2003, das heißt ab 26.11.2003, festgestellt hatte, oder ob die Klägerin zeitlich nahtlos arbeitsunfähig krank war, wofür die Krankschreibung durch den Arzt A1 bis zum 25.11.2003 einschließlich und dann zeitlich nahtlos durch den Arzt Dr. S2 mit Wirkung ab dem 26.11.2003 spricht. Denn im erstgenannten Fall scheidet ein Anspruch der Klägerin auf Entgeltfortzahlung aus Gründen des § 3 Abs. 1 S. 2 Ziff. 1 EFZG aus, da sie infolge derselben Krankheit erneut arbeitsunfähig krank geworden ist, ohne dass sie vorher mindestens 6 Monate nicht infolge derselben Krankheit arbeitsunfähig krank war. Im zweitgenannten Fall scheitert ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung daran, dass dieselbe Erkrankung, für die die Klägerin vom 25.09.2003 bis zum 03.11.2003 bereits Entgeltfortzahlung erhalten hatte, vor dem 26.11.2003 nicht geendet hatte, das heißt nicht ausgeheilt war.
29Die Kammer ist dabei davon überzeugt, dass die Klägerin in der Zeit vom 27.11.2003 bis 31.12.2003 aufgrund derselben Krankheit arbeitsunfähig krank war, wie zuvor auch bereits in der Zeit vom 25.09.2003 bis 25.11.2003.
30Hierfür sprechen bereits folgende unstreitige Indizien: Die Tatsache, dass die Klägerin vom 25.09.2003 bis 31.12.2003 zeitlich nahtlos arbeitsunfähig krank geschrieben war, dass sie am 26. und auch 27.11.2003 die Arbeit im Betrieb der Beklagten nicht aufnahm und aus der unstreitigen Äußerung der Tochter der Klägerin telefonisch am 26.11.2003 gegenüber dem Lohnbüro der Beklagten, wonach die Klägerin "noch immer" krank sei. Auch die Äußerungen der Klägerin am 27.11.2003 im Betrieb der Beklagten – den Klägervortrag zu ihren Gunsten als unstreitig unterstellt -, sie sei noch nicht hundertprozentig fit, auch wenn sie arbeitsfähig sei, und benötige den Urlaub, um sich weiter zu regenerieren, sprechen im Zusammenhang mit der nahtlosen Krankschreibung ab 26.11.2003 für eine Fortdauer derselben Krankheit, die seit dem 25.09.2003 andauert.
31Die Kammer hat dabei nicht verkannt, dass für das Vorliegen einer Fortsetzungserkrankung im Sinne von § 3 Abs. 1 S. 2 EFZG die Beklagte als Arbeitgeberin darlegungs- und beweispflichtig ist (siehe nur BAG, Urteil vom 04.12.1985 – 5 AZR 656/84 -, in: AP Nr. 42 zu § 63 HGB; Urteil vom 19.03.1986 – 5 AZR 86/85 -, in: AP Nr. 67 zu § 1 LFZG; Schaub, 11. Auflage, Arbeitsrechtshandbuch, § 98, Rdnr. 73). Um diese Darlegungslast erfüllen zu können, hat die zuständige Krankenkasse eine Mitteilungspflicht gegenüber dem Arbeitgeber, diesen darüber zu unterrichten, ob die Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers auf derselben Krankheit beruht (Schaub, § 98, Rdnr. 74). Daneben obliegt dem Arbeitgeber eine Erkundigungspflicht, wenn sich objektive Anhaltspunkte für eine Fortsetzungserkrankung ergeben. Dem Arbeitnehmer obliegt eine Pflicht zur Mitwirkung an der Aufklärung aller für die Rechtslage erheblichen Umstände, u.a. seinen Arzt und die Krankenkasse von der Schweigepflicht zu befreien (siehe BAG, a.a.O., AP Nr. 67 zu § 1 LFZG).
32Letztlich überzeugt ist die Kammer über das Fortbestehen derselben Krankheit auf Seiten der Klägerin über den 25.11.2003 hinaus bis zum 31.12.2003 aufgrund der schriftlichen Zeugenauskünfte der Ärzte A1 und Dr. S2 im Hinblick auf deren Diagnosen, worauf die Arbeitsunfähigkeitszeiten der Klägerin gestützt waren.
33Der Arzt A1 schreibt in seiner Stellungnahme vom 08.03.2005 (Blatt 67 d.A.), dass die Klägerin wegen einer Verschleißerkrankung der Wirbelsäule mit einem Schulter-Arm-Syndrom (Schmerzen im Bereich des Armes von der Halswirbelsäule bis in die Finger ausstrahlend) sowie einem bewegungsabhängigen Lagerungsschwindel bis zum 25.11.2003 arbeitsunfähig krank war.
34Der Arzt Dr. S2 schreibt in seiner schriftlichen Zeugenauskunft vom 16.03.2005 (Blatt 68 d.A.):
35"....
36Die Pat. berichtete, aufgrund von Bewegungsschmerzhaftigkeiten im Bereich der Halswirbelsäule wie auch im Bereich der Schultern eine Leistungsminderung zu verspüren und sei aus diesem Grunde nicht in der Lage, ihren beruflichen Tätigkeiten nachzugehen.
37Unsere Diagnose ergab am 27.11.2003, dass hier eine verschleißbedingte Veränderung im Bereich der Halswirbelsäule vorlag mit von hier aus leicht ausstrahlenden Schmerzen im Bereich des Schulter-Nacken-Dreiecks und in die Arme. Weiterhin fand sich bei unserer Untersuchung ein Verschleiß im Bereich der Schultereckgelenke, welcher zu schmerzhaften Dreheinschränkungen im Bereich der Schultern führte.
38..."
39Aus beiden ärztlichen Zeugenauskünften folgt eindeutig, dass die Klägerin sowohl für die Zeit vom 25.09.2003 bis 25.11.2003 als auch vom 26.11.2003 bis 31.12.2003 an erster Stelle arbeitsunfähig krank war wegen einer Verschleißerkrankung der Wirbelsäule mit von der Halswirbelsäule ausstrahlenden Schmerzen in die Arme. Das ist für die Kammer dieselbe Erkrankung im Sinne von § 3 Abs. 1 EFZG. Die weiteren Krankheitserscheinungen "bewegungsabhängiger Lagerungsschwindel" (A1) und "Verschleiß im Bereich der Schultereckgelenke" (Dr. S2) werden jeweils erst an zweiter Stelle genannt und schließen eine Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Erkrankung in den genannten Zeiträumen nicht aus.
40Dabei ist für eine Fortsetzungserkrankung im Sinne von § 3 Abs. 1 S. 2 EFZG festzustellen, dass diese nicht nur dann vorliegt, wenn identische Krankheitserscheinungen vorliegen, sondern wenn eine erneute Arbeitsunfähigkeit auf demselben, nicht behobenen Grundleiden beruht. Dieses kann in verschiedenen Krankheitserscheinungen zu Tage treten (Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, § 98, Rdnr. 64 m.w.N.).
41Gegen die Tatsache einer Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Erkrankung in den Zeiträumen 25.09.2003 bis 25.11.2003 und 26.11.2003 bis 31.12.2003 spricht dabei nicht, dass der medizinische Dienst der Krankenkasse eine zwischenzeitige Arbeitsfähigkeit der Klägerin mit Ablauf des 25.11.2003 festgestellt hat. Denn dies schließt nicht aus, dass das vorhandene Grundleiden über den 25.11.2003 hinaus fortbestand und dann ab dem 26.11.2003 zeitlich nahtlos erneut zu einer Arbeitsunfähigkeit der Klägerin führte.
42Gegen die Tatsache einer Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Erkrankung spricht auch nicht, dass der Arzt Dr. S2 der Klägerin am 27.11.2003 eine Erstbescheinigung für die Zeit ab dem 26.11.2003 ausstellte, da diese Erstbescheinigung allein auf den Arztwechsel der Klägerin zurückzuführen sein kann. Der Arzt Dr. S2 gibt in seiner schriftlichen Zeugenaussage vom 16.03.2005 insoweit an, dass ihm Ursache und Dauer von Arbeitsunfähigkeitsgründen der Klägerin vor dem 27.11.2003 nicht bekannt waren.
43Auch die Auskünfte der AOK sprechen nicht gegen das Vorliegen derselben Erkrankung in der Zeit vom 25.09.2003 bis 25.11.2003 sowie vom 26.11.2003 bis 31.12.2003. Denn die AOK stützt sich offenbar lediglich auf die Angaben der Klägerin, wonach eine Neuerkrankung ab dem 26.11.2003 vorgelegen habe, wie aus dem zur Gerichtsakte gereichten Schreiben der AOK vom 02.02.2005 deutlich wird (Blatt 65 d.A.), und möglicherweise auf das Vorliegen einer Erstbescheinigung durch den Arzt Dr. S2. Ob und inwieweit die AOK die ärztlichen Diagnosen berücksichtigt hat, ist nicht feststellbar.
44Für die Kammer steht somit fest, dass die Klägerin in der Zeit vom 27.11.2003 bis 31.12.2003 aufgrund derselben Erkrankung arbeitsunfähig krank war wie in der Zeit vom 25.09.2003 bis 25.11.2003, weshalb der Klägerin aus Gründen des § 3 Abs. 1 S. 1, 2 EFZG und des bereits ausgeschöpften 6-Wochen-Zeitraums die begehrte Entgeltfortzahlung nicht zusteht.
45Die Kostenentscheidung beruht auf § 46 Abs. 2 ArbGG, § 91 ZPO.
46Die Streitwertfestsetzung ergibt sich gemäß §§ 46 Abs. 2, 61 Abs. 1 ArbGG, §§ 3 ff. ZPO. Es wird ein Streitwert in Höhe der eingeklagten Geldforderung für angemessen erachtet.
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