Urteil vom Arbeitsgericht Hagen - 2 Ca 2440/05
Tenor
1. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger unter dem 30.09.2005 auf Firmenpapier der Beklagten das folgende Zeugnis zu erteilen:
"Zeugnis
Herr V1xxxx W1xxxxxx, geboren am 15.10.1970 war in der Zeit vom 01.08.2003 bis zum 30.09.2005 in unserem Hause als technischer Angestellter beschäftigt.
Das Aufgabengebiet bestand im Wesentlichen in der technischen Beratung der Kunden. Das heißt, Herr W1xxxxxx war verantwortlich für die Beantwortung aller technischen Fragen des Kunden, die der eher kaufmännisch orientierte Vertrieb nicht beantworten konnte. In diesem Zusammenhang war Herr W1xxxxxx auch zuständig für die Bearbeitung von kundenbezogenen und eigenen Neuteilen. Er war der technische Verbindungsmann zwischen unserem Hause und den Kunden.
Zu seinen weiteren Aufgaben gehörten schwerpunktmäßig die technische Bearbeitung von Kundenfragen, einschließlich der Erstellung der hierzu erforderlichen Kalkulationen, die Überarbeitung und Pflege unseres Katalogs (Basis war eine Access-Datenbank), die Betreuung des EDV-Segments Lagerbuchhaltung und Inventur sowie verfahrenstechnische Aufgabenstellungen.
Die oben angegebenen Aufgaben wurden zum Teil von Herrn W1xxxxxx alleine erledigt (z.B. Pflege des Katalogs), als auch im Team (z.B. Neuteilbearbeitung oder Verfahrenstechnik).
Die ihm übertragenen Aufgaben hat er stets zu unserer Zufriedenheit erledigt. Sein Verhalten gegenüber seinen Vorgesetzten, Kollegen und Kunden war einwandfrei.
Wir wünschen ihm für die Zukunft alles Gute.
F2xxxxxxxxxx GmbH
E1xxxxxxx, den 30.09.2005"
2. Die Beklagte wird verurteilt, Dritten gegenüber keine von dem erteilten Zeugnis inhaltlich abweichenden Erklärungen über den Verlauf und die Beendigung des Arbeitsverhältnisses sowie die Leistungen und Führung des Klägers abzugeben.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
4. Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 25 % und die
Beklagte zu 75 %.
5. Der Streitwert wird auf 8.336,00 Euro festgesetzt.
1
Tatbestand
2Die Parteien streiten über den Inhalt eines Arbeitszeugnisses.
3Der Kläger war seit dem 01.08.2003 im Betrieb der Beklagten als technischer Angestellter zu einer durchschnittlichen Bruttomonatsvergütung von 4.168,00 € beschäftigt. Nach der Kündigung des Arbeitsverhältnisses seitens der Beklagten wurde am 06.09.2005 vor dem Arbeitsgericht Hagen (2 Ca 1712/05) ein Vergleich geschlossen, in welchem sich die Beklagte u.a. verpflichtete, dem Kläger ein qualifiziertes, wohlwollendes Zeugnis unter dem Ausstellungsdatum 30.09.2005 zu erteilen, dass sich auf Leistung und Verhalten im Arbeitsverhältnis sowie Art und Dauer der Beschäftigung bezieht. Am 04.10.2005 wurde dem Kläger seitens der Beklagten folgendes Zeugnis (vgl. Blatt 5 der Akte) erteilt:
4"Zeugnis
5Herr V1xxxx W1xxxxxx, geboren am 15.10.1970 war in der Zeit vom 1.9.2003 bis zum 30.09.2005 in unserem Hause als technischer Angestellter beschäftigt.
6Das Aufgabengebiet bestand im Wesentlichen in der technischen Beratung der Kunden. Das heißt, Herr W1xxxxxx war verantwortlich für die Beantwortung aller technischen Fragen des Kunden, die der eher kaufmännisch orientierte Vertrieb nicht beantworten konnte. In diesem Zusammenhang war Herr W1xxxxxx auch zuständig für die Bearbeitung von kundenbezogenen und eigenen Neuteilen. Er war der technische Verbindungsmann zwischen unserem Hause und den Kunden.
7Nach ca. 6 Monaten mussten wir das Aufgabengebiet dahingehend abändern, das sämtliche Kontakte mit dem Kunden von der Vertriebsleitung, bzw. teilweise von der Geschäftsleitung wahrgenommen wurden.
8Das Hauptaufgabengebiet von Herrn W1xxxxxx bestand seit diesem Zeitpunkt in der technischen Bearbeitung von Kundenanfragen, einschließlich der Erstellung der hierzu erforderlichen Kalkulationen. Darüber hinaus hat sich Herr W1xxxxxx mit der Überarbeitung und Pflege unseres Kataloges (Basis war eine Access-Datenbank), dem EDV-Segment Lagerbuchhaltung und Inventur, sowie verfahrenstechnischen Aufgabenstellungen befasst.
9Die oben angegebenen Aufgaben wurden zum Teil von Herrn W1xxxxxx alleine erledigt (z.B. Pflege des Kataloges), als auch im Team (z.B. Neuteilbearbeitung oder Verfahrenstechnik).
10Herr W1xxxxxx war ehrlich, fleißig und pünktlich. Sein Verhalten zu seinen Arbeitskollegen und seinen Vorgesetzten hat keinen Anlass zur Klage gegeben. Die ihm übertragenen Arbeiten hat er zu unserer Zufriedenheit erledigt.
11Wir wünschen ihm für die Zukunft alles Gute.
12F2xxxxxxxxxx GMBH
13Unterschrift
14E1xxxxxxx, den 30.09.2005"
15Mit Schreiben vom 10.10.2005 (vgl. Blatt 6 f. der Akte) forderte der Kläger von der Beklagten die Korrektur des erteilten Zeugnisses.
16Mit der streitgegenständlichen Klage begehrt der Kläger weiterhin die Korrektur des erteilen Zeugnisses.
17Der Kläger behauptet, dass das von der Beklagten erteilte Zeugnis an verschiedenen Stellen Anlass zur Beanstandung bietet. So sei er bereits seit dem 01.08.2003 bei der Beklagten beschäftigt. Die Tätigkeitsbeschreibung sei vollkommen unübersichtlich und streckenweise falsch. Nicht richtig sei, dass ihm nach sechs Monaten der Umgang mit den Kunden entzogen worden sei. Weiterhin habe er auch während der ersten sechs Monate der Beschäftigung bei der Beklagten die im Zeugnis angegebenen Aufgaben durchgeführt. Wesentliche Tätigkeitsbereiche lasse die Beklagte unerwähnt. Am Zeugnisende fehle der Hinweis auf den Grund für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Die Führungsbewertung lasse wegen der gewählten Reihenfolge negative Rückschlüsse zu. Weiterhin sei auch die Führung gegenüber Kunden zu erwähnen. Darüber hinaus sei die gewählte Formulierung " hat keinen Anlass zur Klage gegeben" eindeutig negativ. Der Kläger habe sehr wohl Kontakte mit seinen Arbeitskollegen gehabt und diese könnten bestätigen, dass man auf einer vernünftigen Ebene zusammen gearbeitet habe. Auch die von der Beklagten gewählte Leistungsbewertung lasse negative Rückschlüsse zu. Ferner fehle jeglicher Hinweis auf die Motivation und das Engagement des Kläger sowie dessen hervorragende Fachkenntnisse. Darüber hinaus sei dem Kläger auch zu bestätigen, dass er im Umgang mit Kunden überzeugt habe und durch fachliche Kompetenz, Zielstrebigkeit und Umsicht bis heute in Erinnerung sei.
18Am 22.08.2005 habe der Geschäftsführer der Beklagten den Kläger aus dem Firmengebäude hinausgeworfen und dabei erklärt, dass er nun vergessen könne, jemals ein gutes Zeugnis zu erhalten. Er solle es im eigenen Interesse besser unterlassen, ihn als Gutreferenz anzugeben.
19Der Kläger beantragt,
20- die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger unter dem Datum 30.09.2005 auf ihrem Firmenpapier ein Zeugnis mit folgendem Wortlaut zu erteilen:
"Zeugnis
22Herr V1xxxx W1xxxxxx, geboren am 15.10.1970 war in der Zeit vom 01.08.2003 bis zum 30.09.2005 in unserem Hause als technischer Angestellter beschäftigt.
23Zu seinen Aufgaben gehörten schwerpunktmäßig folgende Tätigkeiten:
24- Technische Kundenberatung
- Prüfung auf Machbarkeit, Planung der Fertigung und Kalkulation von Neuteil-
anfragen
26- Erstellung von Nachkalkulation
- Begleitung von Neuteilen durch die Fertigung
- Durchführung interner Projekte wie
- Einführung neuer Fertigungstechnologien, z.B. PTA-Schweißen
- Auswahl eines neuen Warenwirtschaftssystems
28- Herstellung, Überarbeitung und Pflege des Kataloges auf Basis einer
29Access-Datenbank
30- Betreuung der EDV-Segments Lagerbuchhaltung und Inventur
Herr W1xxxxxx war stets hoch motiviert und zeigte großes Engagement bei der Lösung von Arbeitsaufgaben. Er verfügte über hervorragende Fachkenntnisse. Herr W1xxxxxx beeindruckte uns durch eine sehr gute Arbeitsqualität, wobei er die selbst gesetzten und vereinbarten Ziele stets erreichte. Die ihm übertragenen Arbeiten hat er stets zu unserer vollen Zufriedenheit erledigt.
32Sein Verhalten gegenüber Vorgesetzten und Kollegen war stets vorbildlich. Im Umgang mit Kunden überzeugte er durch fachliche Kompetenz, Zielstrebigkeit und Umsicht.
33Das Arbeitsverhältnis mit Herrn W1xxxxxx musste aus betriebsbedingten Gründen zum 30.09.2005 beendet werden.
34Wir danken ihm für die gezeigten Leistungen und wünschen ihm für die Zukunft alles Gute.
35E1xxxxxxx, den 30.09.2005" und
362. die Beklagte zu verurteilen, Dritten gegenüber keine von dem erteilten Zeugnis inhaltlich abweichenden Erklärungen über den Verlauf und die Beendigung des Arbeitsverhältnisses sowie die Leistungen und Führung des Klägers abzugeben.
37Die Beklagte beantragt,
38die Klage abzuweisen.
39Die Beklagte behauptet, der Kläger habe nie ein besonderes Engagement bei der Lösung von Arbeitsaufgaben gezeigt, seine Fachkenntnisse seinen eher mangelhaft. Auch habe der Kläger wegen seiner Arbeitsqualität mehrmals auf die überwiegend falschen Ergebnisse angesprochen werden müssen. Sein Verhalten gegenüber Vorgesetzten und Kollegen sei im höchsten Maße zu beanstanden gewesen. Es sei dem Kläger nicht gelungen, zu irgendwelchen Arbeitskollegen, auch mit denen er fachlich zusammen arbeiten müssen, Kontakte zu knüpfen oder auf einer vernünftigen Ebene zusammen zu arbeiten. Auch habe die Beklagte den Umgang mit Kunden nach wenigen Monaten drastisch einschränken müssen. Das Arbeitsverhältnis sei nicht aus betriebsbedingten Gründen gekündigt worden. Die wesentlichen Hauptaufgaben seien vom Kläger absolut ungenügend erledigt worden. Hierzu trägt die Beklagte im Wesentlichen vor, dass die Vor- und Nachkalkulation zu massiven Beschwerden der Betriebsleitung geführt haben, der Katalog "eine einzige Baustelle" war, die nie fertig wurde, die Inventurauswertung zum 31.12.2004 dermaßen fehlerhaft war, dass die gesamte Inventur nach dem Ausscheiden des Klägers überarbeitet werden musste. Die Lagerbuchhaltung hat nach Einführung einer neuen Software ab 01.01.2005 nicht mehr funktioniert obwohl der Kläger eine entsprechende Schulung mitgemacht hat. Der Kläger habe niemals Angebote erstellt, sondern lediglich Vorkalkulationen für Angebote.
40Ein Anspruch auf eine Dankes- und Grußformel gehöre nicht zum gesetzlich geschuldeten Inhalt eines Arbeitszeugnisses.
41Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien und der von ihnen geäußerten Rechtsauffassung wird gemäß § 313 Abs. 2 ZPO auf die mündlich vorgetragenen Inhalte der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.
42Entscheidungsgründe:
43I.
441.
45Der Kläger hat einen Anspruch auf Erteilung eines qualifizierten Arbeitszeugnisses mit dem aus dem Tenor ersichtlichen Inhalt.
46a)
47Ein ordnungsgemäßes qualifiziertes Arbeitszeugnis eines technischen Angestellten muss sich nach dem Gesetz (§ 113 GewO) über die Dauer des Arbeitsverhältnisses, die Art des Beschäftigungsverhältnisses, die Leistungen des Arbeitnehmers und die Führung des Arbeitnehmers verhalten. Das qualifizierte Zeugnis enthält auch stets Angaben zu Art und Dauer der Beschäftigung. Das folgt schon aus dem Wortlaut der einschlägigen Vorschrift des § 113 Abs. 1 GewO, das Zeugnis auf Führung und Leistung auszudehnen, § 113 Abs. 2 GewO.
48Arbeitgeber und Gericht haben nicht nur die Zeugnissprache, sondern auch die gebräuchliche Gliederung eines qualifizierten Zeugnisses zu beachten, denn diese hat sich inzwischen weitgehend standardisiert. Welche Grundelemente ein qualifiziertes Zeugnis enthalten muss, ist in dem einen oder anderen Punkte noch umstritten. Es müssen nicht in jedem Zeugnis alle Gesichtspunkte ausführlich enthalten sein, sondern sie können auch zusammengefasst werden (LAG Hamm vom 28.03.2000, 4 Sa 1578/99, Juris).
49Der gesetzlich geschuldete Inhalt des Zeugnisses bestimmt sich dabei nach dem mit ihm verfolgten Zweck. Es dient dem Arbeitnehmer regelmäßig als Bewerbungsgrundlage und ist insoweit Dritten, insbesondere möglichen künftigen Arbeitgebern, Grundlage für ihre Personalauswahl (BAG vom 20.02.2001, 9 AZR 44/00, AP zu § 630 BGB Nr. 26). Dem Arbeitnehmer gibt es zugleich Aufschluss, wie der Arbeitgeber seine Leistung beurteilt (BAG vom 08.02.1972, 1 AZR 189/71, AP zu § 630 BGB Nr. 7). Daraus ergeben sich als inhaltliche Anforderungen das Gebot der Zeugniswahrheit und das Gebot der Zeugnisklarheit. Darüber hinaus ist das Zeugnis nur dann geeignet, den Arbeitnehmer oder Dritte zuverlässig zu informieren, wenn es aus sich heraus verstehbar ist. Daher muss es klar und verständlich formuliert sein (BAG vom 14.10.2003, 9 AZR 12/03, AP zu § 630 BGB Nr. 28). Dem Arbeitgeber ist gesetzlich nicht vorgegeben, welche Formulierungen er im Einzelnen verwendet (ständige Rechtssprechung des BAG, zuletzt BAG vom 14.10.2003, 9 AZR 12/03, AP zu § 630 BGB Nr. 28; BAG vom 20.02.2001, 9 AZR 44/00, AP zu § 630 BGB Nr. 26). Auch steht ihm frei, welches Beurteilungssystem er heranzieht. Benutzt der Arbeitgeber allerdings ein im Arbeitsleben übliches Beurteilungssystem, so ist das Zeugnis so zu lesen, wie es dieser Üblichkeit entspricht. Hinsichtlich der zusammenfassenden Leistungsbeurteilung sind in der betrieblichen Praxis im Laufe der Jahre Standardformulierungen entstanden (vgl. zu den Notenskalen LAG Hamm vom 13.02.1992, 4 Sa 1077/91, LAGE § 630 BGB Nr. 16; LAG Hamm 28.03.2000, 4 Sa 1578/99, Juris). Ebenso kommen bei der Bewertung der Führung zusammenfassende Beurteilungen vor. Das Verhalten im Arbeitsverhältnis umfasst den Umgang mit verschiedenen Personengruppen, so dass Vollständigkeit der diesbezüglichen Beurteilung erhebliches Gewicht zukommt (LAG Hamm vom 01.12.1994, 4 Sa 1631/94, LAGE § 630 BGB Nr. 28). In Betracht kommen neben dem betrieblichen Zusammenwirken mit Vorgesetzten, gleichgeordneten Kollegen, nachgeordneten Mitarbeitern auch der Kontakt zu Behörden, Geschäftspartnern und Kunden. Die Reihenfolge, in der diese Gruppen im Zeugnis angesprochen werden, ist rechtlich ohne Belange. Darüber hinaus ist es durchaus üblich, Zeugnisse mit der Erklärung besonderen Dankes, des Bedauerns und/oder der Wünsche für die Zukunft abzuschließen. Derartige Schlussformeln wie der Satz "wir bedauern sein Ausscheiden, danken für die geleisteten Dienste und wünschen ihm für seinen weiteren Lebensweg alles Gute" können das Zeugnis abrunden, sind aber kein rechtlich notwendiger Bestandteil, auf sie besteht kein Anspruch (BAG vom 20.02.1991, 9 AZR 44/00, AP zu § 630 BGB Nr. 26, LAGE Berlin vom 10.12.1998, 10 Sa 106/98, DB 1999, Seite 851 f.; LAG Köln vom 02.07.1999, 11 Sa 255/99, NZA-RR 2000, Seite 235 f.). Die Gründe und Umstände des Arbeitsverhältnisses sind regelmäßig im Zeugnis nicht zu nennen (LAG Hamm vom 24.09.1985, 13 Sa 833/85, NZA 1986, Seite 99; LAG Köln vom 29.11.1990, 10 Sa 801/90, LAGE § 630 BGB Nr. 11; LAG Sachsen vom 30.01.1996, 5 Sa 996/95, NZA-RR 1997, Seite 47 f.).
50Da das Zeugnis ein einheitliches Ganzes ist, dessen Teile nicht ohne Gefahr der Sinnentstellung auseinandergerissen werden können, sind die Arbeitsgerichte befugt, ggf. das gesamte Zeugnis zu überprüfen und u.U. selbst neu zu formulieren (BAG vom 23.06.1960, 5 AZR 560/58, AP zu § 73 HGB Nr. 1; BAG vom 24.03.1977, 3 AZR 232/76, AP § 630 BGB Nr. 12; Erfurter Kommentar - Müller-Glöge, 6. Aufl. 2006, § 109 GewO Rn. 138).
51Strebt der Arbeitnehmer eine bessere, überdurchschnittliche Beurteilung an, trifft ihn die Darlegungs- und Beweislast, soll das Zeugnis "sehr gute" oder "gute" Leistungen bescheinigen, hat er deren tatsächliche Grundlagen darzulegen und ggf. zu beweisen (BAG vom 14.10.2003, 9 AZR 12/03, AP § 630 BGB Nr. 28; LAG Hamm vom 22.05.2002, 3 Sa 231/02, NZA-RR 2003, Seite 71 f.).
52Demgegenüber ist der Arbeitgeber darlegungs- und beweisbelastet, wenn er dem Arbeitnehmer nur eine "ausreichende" oder noch schlechtere Bewertung zukommen lassen will (BAG vom 24.03.1977, 3 AZR 232/76, AP § 630 BGB Nr. 12; LAG Hamm vom 13.02.1992, 4 Sa 1077/91, LAGE § 630 BGB Nr. 16; LAG Köln vom 26.04.1996, 11 (13) Sa 1231/95 NZA-RR 1997, Seite 84). Daraus folgt, dass allein sachgerechte Ergebnis, dass bei mangelndem Vortrag oder Beweisfälligkeit beider Parteien im Prozess ein Zeugnis mit durchschnittlicher, "befriedigender" Bewertung ausgeurteilt werden muss (LAG Hamm vom 13.02.1992, 4 Sa 1077/91, LAGE § 630 BGB Nr. 16). Hingegen trifft den Arbeitnehmer bei Uneinigkeit der Parteien im deskriptiven Bereich die Darlegungs- und Beweislast für seine Wünsche, etwa bei Streit über erbrachte Tätigkeiten (LAG Köln vom 26.04.1996, 11 (13) Sa 1231/95, NZA-RR 1997, Seite 84; Schöppe, Arbeitsrecht 3. Aufl. 2003, Teil 3 J Rn. 57).
53b)
54Ausgehend von diesen Grundsätzen, denen sich die erkennende Kammer anschließt, hat der Kläger gegen die Beklagte einen Anspruch auf das im Tenor ausgeurteilte Zeugnis:
55Insoweit war zunächst das Datum des Beginns der Tätigkeit auf den 01.08.2003 zu berichtigen, was zwischen den Parteien unstreitig ist. Auch war die Beschreibung des Aufgabengebiets, wie mit dem zweiten Absatz des bemängelten Zeugnisses geschehen, nicht zu verändern, da zwischen den Parteien nicht im Streit stand, dass zu den Aufgaben des Klägers auch die technische Beratung von Kunden gehörte.
56Hingegen war wegen der üblichen Lesegewohnheiten die weiteren schwerpunktmäßigen Arbeitsaufgaben im Anschluss anzugliedern, um auf diese Weise eine zusammenhängende Darstellung der Aufgaben zu erzielen. Weitere Tätigkeitsmerkmale waren nicht aufzunehmen, da die im Klageantrag genannten weiteren Tätigkeitsmerkmale in der Klagebegründung hierfür keine Anhaltspunkte bieten. So lassen sich insbesondere für die "Durchführung interner Projekte" mit den dort genannten Unterpunkten, soweit sie nicht bereits in dem erteilten Zeugnis benannt wurden, in den Ausführungen der Klagebegründung nicht wiederfinden. Die Darlegung entsprechender Tätigkeiten eines die Zeugnisberichtigung begehrenden Arbeitnehmers gehört aber zur Schlüssigkeit der Klage, um nachvollziehen zu können, welche Tätigkeiten der Arbeitnehmer hiermit meint und auf dieser Weise dem Arbeitgeber die Möglichkeit zur Erwiderung zu geben. Allein die schlagwortartige Benennung von Tätigkeiten im Klageantrag stellt demgemäß keinen geeigneten, für die Gegenseite erwiderungsfähigen und für das Arbeitsgericht nachprüfbaren Sachvortrag dar.
57Auch auf die vom Kläger begehrte optische Darstellung der Tätigkeitsmerkmale besteht kein Anspruch, da die Gegenseite sich mit der Reihung der Tätigkeitsmerkmale im Rahmen der üblichen Darstellung bewegt.
58Hingegen musste der dritte Absatz des erteilten Zeugnisses ersatzlos gestrichen werden, da dieser der Zeugniswahrheit insoweit nicht entspricht, als zwischen den Parteien unstreitig ist, dass der Kläger innerhalb des Arbeitsverhältnisses Kontakt mit Kunden auch nach sechs Monaten nach Beginn des Arbeitsverhältnisses besaß, was daraus deutlich wird, dass die Beklagte ausführt, dass der Kundenkontakt habe drastisch reduziert werden müssen. Daraus folgt zugleich, dass ein Ausschluss des Kundenkontaktes nicht erfolgt ist.
59Auch bedurfte der fünfte Absatz des erteilten Zeugnisses keiner Änderung, da vom Kläger nicht bestritten worden ist, dass die dort beispielhaft genannten Aufgaben von ihm allein oder im Team wahrgenommen wurden und insoweit zutreffend die Arbeitsweise wiedergeben.
60Hingegen war der erste Satz des sechsten Absatzes wiederum ersatzlos zu streichen. Die Charakterisierung des Arbeitnehmers als ehrlich, fleißig und pünktlich lässt sich auf die Beschäftigung des Klägers als technischen Angestellten im Hinblick "Ehrlichkeit" inhaltlich nicht nachvollziehen und stellt demgemäß neben dem Fleiß und der Pünktlichkeit nur eine Betonung von Unwesentlichem und die Heraushebung von Selbstverständlichkeiten dar, die mangels weiterer Angaben in der Beurteilung eine Abqualifizierung darstellen (vgl. Schleßmann, Das Arbeitszeugnis, 17. Aufl., 2004, Seite 144).
61Ausgehend von der o.g. Darlegungs- und Beweislast hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer im vorliegenden Rechtsstreit aber ein befriedigendes Zeugnis zu erteilen, da er nach den Grundsätzen der Darlegungs- und Beweislast für ein Zeugnis diejenigen Tatsachen vorzutragen hat, aus denen folgen soll, dass dem Arbeitnehmer nur eine "ausreichende" oder noch schlechtere Bewertung korrekter Weise zukommt. Zwar hat der Arbeitgeber vorgetragen, die Vor- und Nachbearbeitung sei durchweg fehlerhaft gewesen, der Katalog sei eine "einzige Baustelle" gewesen, die Inventarauswertung sei dermaßen fehlerhaft gewesen, dass eine Überarbeitung erfolgen musste und die Lagebuchhaltung (Bewertung) habe nicht funktioniert. Doch lässt sich dem jeweiligen Vortrag der Beklagten nicht entnehmen, aufgrund konkret welcher (wenigsten beispielhaft) zu benennender und vom Kläger zu vertretender Fehler die Vor- und Nachkalkulation durch den Kläger fehlerhaft war, warum der Katalog eine einzige Baustelle war bzw. bis wann der Katalog durch den Kläger hätte fertiggestellt werden müssen, die Inventurauswertung dermaßen fehlerhaft war, dass die gesamte Inventur überarbeitet werden musste und die Lagerbuchhaltungssoftware ab 01.01.2005 nicht funktionierte bzw. diese Funktionsbeeinträchtigung aus welchem Grund dem Kläger anzulasten sein soll. Der insoweit beklagtenseits erfolgte Vortrag stellt sich nach Auffassung der erkennenden Kammer als eine auf Oberbegriffe bezogene wertende Schilderung dar, die nicht insoweit konkretisiert worden ist, als dass darüber hätte Beweis erhoben werden können. Demgemäß ist die mangelhafte Leistungsbewertung nicht gerechtfertigt.
62Demgegenüber hat der Kläger aber auch keinen Anspruch auf die von begehrte Leistungsbeurteilung "stets zu unserer vollen Zufriedenheit", denn diese stellte eine überdurchschnittliche Bewertung dar, wofür der Kläger darlegungs- und beweisbelastet ist. Der Kläger hat insoweit aber seinerseits nicht dargelegt, aufgrund welcher konkreten Umstände die von ihm begehrte Leistungsbeurteilung gerechtfertigt ist, denn allein der allgemeine Vortrag, Angebote binnen weniger Tage bearbeitet zu haben und gemachte Zielvorgaben eingehalten zu haben, lässt nicht ansatzweise den Schluss auf die sachliche Rechtfertigung der begehrten Leistungsbewertung zu, zumal dieser Vortrag nur einen Teil der Aufgaben und deren Bearbeitungsweise betrifft.
63Danach ist im Hinblick auf die Darlegungs- und Beweislastverteilung allein der Beurteilung des Klägers mit einer befriedigenden Bewertung sachgerecht.
64Darüber hinaus war die Führungsbeurteilung neu zu fassen und um den Bereich Kunden zu ergänzen, denn nach eigenem Vortrag der Beklagten war der Kundenkontakt nur drastisch eingeschränkt, nicht aber beendet, so dass der Kundenkontakt mit aufzunehmen war. Die von der Beklagten verwendete mangelhafte Führungsbeurteilung war ebenfalls in eine befriedigende Führungsbeurteilung abzuändern, da der insoweit erfolgte Beklagtenvortrag, dass es dem Kläger nicht gelungen sei, zu irgendwelchen Arbeitskollegen, auch nicht zu denen, mit denen er fachlich mit zusammen arbeiten musste, Kontakt zu knüpfen oder auf einer vernünftigen Ebene zusammen zu arbeiten als Wertung einer näheren Prüfung unzugänglich war. Demgegenüber war aber auch keine über den ausgeurteilten Umfang hinaus gehende gute Führungsbeurteilung zugunsten des Klägers festzustellen, da der Kläger als die dafür darlegungs- und beweisbelastete Parteien ebenfalls keinen verwertbaren Vortrag lieferte, da allein der Vortrag, die Arbeitskollegen könnten bestätigen, dass man auf einer vernünftigen Ebene zusammen gearbeitet habe, ebenfalls lediglich eine Wertung und keinen konkretisierten, dem Bewies zugänglichen, Sachvortrag darstellt.
65Die von der Beklagten verwendete Abschlussformel mit Zukunftswünschen entspricht befriedigenden Bewertungen und war demnach nicht abzuändern.
66Für die vom Kläger begehrte Aufnahme der Dankesformel gibt es keinen rechtlichen Anspruch.
67Auch konnte vorliegend der Beendigungsgrund, wie vom Kläger gewünscht, nicht aufgenommen werden, da die Betriebsbedingtheit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien nicht unstreitig ist und der Kläger die Betriebsbedingtheit nicht unter Beweis gestellt hat.
68Nach alledem war von der erkennenden Kammer das aus dem Tenor ersichtliche Zeugnis neu zu formulieren.
692.
70Darüber hinaus hat der Kläger gegen die Beklagte einen Anspruch darauf, dass die Beklagte Dritten gegenüber keine von dem Zeugnis inhaltlich abweichende Erklärungen über den Verlauf und die Beendigung des Arbeitsverhältnisses sowie die Leistungen und Führung des Klägers abgibt als nachwirkende Fürsorgepflicht gemäß §3 611, 241 Abs. 2 BGB.
71Dies folgt daraus, dass der Arbeitgeber gegenüber Dritten zur Auskunft auch ohne Zustimmung des Arbeitnehmers bei Vorliegen eines berechtigten Interesses des Auskunftsersuchenden befugt ist (vgl. Schleßmann, Das Arbeitszeugnis, 17. Aufl. 2004, Seite 211 m.w.N.). Diese Auskunft muss aber wahrheitsgemäß im Sinne einer vollständigen, gerechten und nach objektiven Grundsätzen getroffenen Beurteilung sein, wobei in ihr der Arbeitnehmer nicht anders beurteilt werden darf als im Zeugnis (LAG Hamburg vom 16.08.1984, 2 Sa 144/83, BB 1985, Seite 804 f.). Für diesen Klageantrag hat der Kläger nach Auffassung der erkennenden Kammer im vorliegenden Verfahren auch ein hinreichendes Rechtsschutzinteresse, da der Arbeitgeber hat erkennen lassen, dass er eine vom austenorierten Urteil abweichende Beurteilung des Arbeitnehmers für gerechtfertigt hält und in seinen schriftsätzlichen Ausführungen das von ihm erteilte Zeugnis noch für zu gut hält.
72II.
73Die Kostenentscheidung beruht auf § 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
74Die Parteien tragen demgemäß die Kosten entsprechend ihrem Anteil des jeweiligen Obsiegens und Unterliegens, so dass die Kosten für die Berichtigung zwischen den Parteien zu teilen und die Kosten bezogen auf den Klageantrag zu 2. der Beklagten aufzuerlegen waren.
75III.
76Die Entscheidung über den Streitwert des Urteils gründet sich auf den §§ 61 Abs. 1, 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. den §§ 3 ff. ZPO, wobei für die Klageanträge jeweils eine Bruttomonatsvergütung des Klägers zugrunde gelegt wurde.
77Dr. Dewender
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Referenzen
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