Urteil vom Arbeitsgericht Hagen - 5 Ca 1286/09
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 16.186,50 Euro festgesetzt.
1
Tatbestand
2Die Parteien streiten darüber, ob zwischen ihnen nach dem Widerspruch des Klägers gegen den Übergang seines Arbeitsverhältnisses infolge eines Betriebsteilübergangs ein ununterbrochenes Arbeitsverhältnis besteht.
3Der am 23.02.1955 geborene Kläger ist Mitglied der IG Metall und seit März 2002 freigestelltes Betriebsratsmitglied. Er wurde von der Beklagten, die ihren Sitz in E1 hat und Mitglied des Verbandes der Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalen e.V. ist, mit dem Anstellungsvertrag vom 13.10.1989 (Blatt 25 bis 28 der Akte) ab dem 13.11.1989 als Kundendiensttechniker (vgl. die Stellenbeschreibung auf Blatt 29 der Akte) eingestellt. In § 4 Abs. 1 dieses Anstellungsvertrages war eine tarifliche Eingruppierung nach der Gehaltsgruppe T 3 geregelt und in § 2 für die Grundvergütung auf eine Anlage A-1 verwiesen worden. Als Nebenleistung stellte die Beklagte dem Kläger ein Firmenfahrzeug zur Verfügung (§ 3 Abs. 1 des Anstellungsvertrages). Durch den Nachtrag Nr. 3 vom 17.08.1998 (Blatt 34 der Akte) zu dem Anstellungsvertrag vom 13.10.1989 übertrug die Beklagte dem Kläger mit Wirkung zum 01.09.1998 die Tätigkeit als Kundendienstmeister, wobei die tarifliche Eingruppierung in die Gehaltsgruppe T 5 vorgesehen war.
4Im Rahmen einer Neuorganisation wurden die gesamten deutschen Geschäftsaktivitäten der D1 Unternehmensgruppe innerhalb der Produktdivision A1, zu der der Vertrieb, die Montage und Installation sowie der Service von Automatiktüren und der dazu erforderlichen Antriebseinheiten gehören, ausgegliedert und mit Wirkung zum 01.07.2002 von der Beklagten auf die zu diesem Zweck neu gegründete D1 A1 GmbH + Co. KG übertragen. Diese war und ist nicht Mitglied des Verbandes der Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalen e.V.. Im Wege eines Betriebsteilüberganges gingen zum Stichtag am 01.07.2002 die Arbeitsverhältnisse des Klägers und von 156 weiteren bis dahin bei der Beklagten beschäftigten Arbeitnehmern auf die D1 A1 GmbH + Co. KG über. Dazu erhielten die betroffenen Mitarbeiter das vierseitige Unterrichtungsschreiben vom 17.06.2002 (Blatt 8 bis 9 R der Akte), in dem es u.a. heißt:
5"… Auch Ihr Arbeitsverhältnis ist hiervon betroffen und wird zum 01.07.2002 durch Teilbetriebsübergang nach § 613 a BGB auf die D1 A1 GmbH + Co. KG übergehen.
6Wir möchten besonders darauf hinweisen, dass mit diesem Übergang die Konditionen Ihres Arbeitsverhältnisses nicht verändert werden, d.h. insbesondere auch, dass Ihre Zusage zur betrieblichen Altersversorgung unverändert weiter geführt wird und dass durch Ihre einzelvertragliche Vereinbarung für Sie weiterhin die Regelungen des Tarifvertrages der Metallindustrie NRW gelten, obwohl die neue Gesellschaft nicht tarifgebunden ist. …
7Für Verpflichtungen Ihnen gegenüber, die sich aus Ihrem Arbeitsverhältnis ergeben, haften vom Zeitpunkt des Übergangs bis zum Ablauf eines Jahres nach diesem Datum beide Unternehmen gemäß § 613 a Abs. 2 BGB gesamtschuldnerisch. …
8Wir sind gesetzlich verpflichtet, Sie darauf hinzuweisen, dass Sie gem. § 613 a Abs. 6 BGB innerhalb eines Monats nach Zugang dieses Schreibens das Recht haben, dem Übergang Ihres Arbeitsverhältnisses zu widersprechen. …
9Geht nach dieser Frist kein Widerspruch bei uns ein, gehen wir davon aus, dass Sie dem Betriebsübergang zustimmen. …"
10Wegen des weiteren Textes des Unterrichtungsschreibens vom 17.06.2002 wird auf den Inhalt der Kopie auf Blatt 8 bis 9 R der Akte verwiesen und Bezug genommen. Der Kläger führte als Mitarbeiter der D1 A1 GmbH + Co. KG sein Betriebsratsamt aufgrund des Umstandes, dass die Beklagte und auch die D1 A1 GmbH + Co. KG einen Gemeinschaftsbetrieb bilden, auch über den 01.07.2002 hinaus fort. Mit dem Nachtrag vom 07.11./14.12.2005 (Blatt 119 der Akte) schloss der Kläger mit der D1 A1 GmbH + Co. KG eine Änderungsvereinbarung "zur Versorgungszusage", welche auf der Versorgungsordnung der Beklagten vom 25.06.1973 nebst Ergänzung vom 27.06.1989 basiert. Wegen des genauen Inhaltes dieser Nachtragsvereinbarung wird auf Blatt 119 der Akte verwiesen.
11Nach dem Tarifabschluss für die Metallindustrie 2004 wurde unter dem 15.04.2004 zwischen der D1 A1 GmbH + Co. KG und der IG Metall Bezirksleitung NRW ein Haus- bzw. Änderungstarifvertrag mit Geltung für die Tariferhöhungen 2004 und 2005 vereinbart, welcher u.a. regelt:
12"… sind im Wege des Betriebsüberganges Arbeitsverhältnisse von Mitarbeitern …, für die infolge deren Verbandsmitgliedschaft Tarifbindung bestand, auf die D1 A1 … übergegangen. Aufgrund des Betriebsüberganges sind die Einzelarbeitsvertragsverhältnisse mit der entsprechenden Tarifbindung auf die D1 A1 übergegangen. … Für diese Arbeitnehmer … wird nunmehr hinsichtlich der tarifvertraglichen Regelung folgender abändernder Tarifvertrag vereinbart:
13…
142.1. Ansprüche … aus dem Tarifabschluss 2004 … bestehen bis auf weiteres nicht. …"
15Dieser Änderungshaustarifvertrag wurde dann durch die D1 A1 GmbH + Co. KG umgesetzt. Im weiteren Verlauf kam es zum Streit darüber, ob auf die übergegangenen Arbeitsverhältnisse die Tarifverträge für die Metallindustrie NRW in der jeweils geltenden Fassung Anwendung finden. Zur Klärung dieser Frage machte zunächst der Betriebsrat das unter dem Aktenzeichen – 4 BV 46/07 – geführte Beschlussverfahren anhängig. Durch den rechtskräftigen Beschluss vom 13.12.2007 wurde entschieden, dass der gestellte Globalantrag des Betriebsrates als unbegründet abzuweisen war. Daraufhin versuchten zwei Mitarbeiter der D1 A1 GmbH + Co. KG mit ihren am 04.03.2008 beim Arbeitsgericht Hagen eingegangenen und unter den Aktenzeichen – 4 Ca 570/08 – und – 5 Ca 571/08 – geführten Klagen die Tariflohnerhöhungen durchzusetzen. Die wegen der fehlenden dynamischen Tarifbindung der D1 A1 GmbH + Co. KG abweisenden erstinstanzlichen Urteile – das in dem Rechtsstreit 5 Ca 571/08 wurde am 29.07.2008 verkündet – wurden mit den rechtskräftigen Urteilen des LAG Hamm vom 13.05.2009 unter den Aktenzeichen – 2 Sa 1394/08 – und – 2 Sa 1412/08 – bestätigt.
16Bereits zuvor hatte auch der Kläger mit seinen Schreiben vom 15.10.2005 (Blatt 115 der Akte), vom 21.08.2006 (Blatt 116 der Akte), vom 16.07.2007 (Blatt 117 der Akte) und vom 03.09.2009 (Blatt 118 der Akte) jeweils die Tariferhöhungen gegenüber der D1 A1 GmbH + Co. KG erfolglos geltend gemacht. Bis einschließlich Oktober 2008 erhielt er von dieser monatliche Entgeltabrechnungen (Blatt 162 der Akte), die u.a. ein "Tarifgehalt" und eine "feste ERA-Leistungszulage" auswiesen. Seit der Abrechnung für November 2008 (Blatt 163 der Akte) ist stattdessen u.a. ein "Grundentgelt" und eine "Leistungszlg." aufgeführt.
17Mit seinem Schreiben vom 15.12.2008 (Blatt 10 der Akte) – bei der Beklagten eingegangen am 19.12.2008 – widersprach der Kläger dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses von der Beklagten auf die D1 A1 GmbH + Co. KG "aufgrund des Teilbetriebsüberganges am 01.07.2002" und forderte die Beklagte auf, ihm das Fortbestehen seines Arbeitsverhältnisses schriftlich zu bestätigen. Dieses lehnte die Beklagte mit ihrem Schreiben vom 14.01.2009 (Blatt 11 und 11 R der Akte) ab. Mit seiner am 20.05.2009 beim Arbeitsgericht Hagen eingegangenen Klage vom 15.05.2009 (Blatt 1 bis 6 der Akte) verlangt der im Monat Mai 2009 nach der Abrechnung (Blatt 24 der Akte) einen Gesamtverdienst in Höhe von 5.395,50 Euro brutto erzielende Kläger die Feststellung, dass zwischen den Parteien seit 13.11.1989 ununterbrochen ein Arbeitsverhältnis besteht.
18Der Kläger beruft sich darauf, dass sein Widerspruch nicht verfristet sei, da von einer ordnungsgemäßen Unterrichtung über die rechtlichen und mittelbaren wirtschaftlichen Folgen des Betriebsteilüberganges im Schreiben vom 17.06.2002 (Blatt 8 bis 9 R der Akte) nicht ausgegangen werden könne. Es sei darin keine ausreichende Mitteilung darüber enthalten, dass sich die bei der Beklagten bestehende dynamische Tarifbindung bei der D1 A1 GmbH + Co. KG in eine nur noch statische Tarifbindung ändern würde. Auch über das Haftungssystem des § 613 a Abs. 2 BGB habe das Schreiben nur unvollständig informiert, weil die im Gesetz enthaltene Differenzierung einerseits nach dem Zeitpunkt des Entstehens der Forderung (vor oder nach dem Zeitpunkt des Überganges) und andererseits nach dem Zeitpunkt des Eintrittes der Fälligkeit (innerhalb oder außerhalb eines Jahres nach Übergang) fehle.
19Im Übrigen sei sein Widerspruchsrecht auch nicht bereits verwirkt gewesen. Dabei könne dahinstehen, ob das dafür erforderliche Zeitmoment erfüllt sei, wobei es eine absolute zeitliche Begrenzung des Widerspruchsrechts nach dem Gesetz ohnehin nicht gebe. Jedenfalls fehle es an dem darüber hinaus notwendigen Umstandsmoment. Denn mit Ausnahme der Wahrnehmung seines Betriebsratsamtes im gemeinsamen Betrieb habe er bis heute keine Umstände gesetzt, die ein Vertrauen der Beklagten in eine Nichtausübung des Widerspruchsrechtes rechtfertigen würden. Die widerspruchslose Weiterarbeit beim Betriebsübernehmer genüge dafür nicht. Auch der Nachtrag vom 07.11./14.12.2005 (Blatt 119 der Akte) zur Versorgungszusage ändere nichts, weil er zwar vordergründig mit der D1 A1 GmbH + Co. KG geschlossen worden sei, aber ausdrücklich auf eine Fortgeltung der Versorgungsordnung der Beklagten Bezug nehme. Diese Versorgungsordnung finde im gesamten Gemeinschaftsbetrieb Anwendung, für ihn sei jedenfalls ein spezieller Bezug zur D1 A1 GmbH + Co. KG nicht transparent gewesen.
20Der Kläger beantragt,
21festzustellen, dass zwischen den Parteien seit 13.11.1989 ununterbrochen ein Arbeitsverhältnis besteht.
22Die Beklagte beantragt,
23die Klage abzuweisen.
24Sie ist der Ansicht, dass der Widerspruch des Klägers vom 15.12.2008 (Blatt 10 der Akte) nicht innerhalb der Monatsfrist des § 613 a Abs. 6 BGB und damit verspätet erfolgt sei, weil das Unterrichtungsschreiben vom 17.06.2002 (Blatt 8 bis 9 R der Akte) alle Anforderungen des § 613 a Abs. 5 BGB in ausreichender Weise erfüllt habe. Ein ausdrücklicher Hinweis darauf, dass sich die infolge ihrer Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband dynamische Tarifbindung bei der D1 A1 GmbH + Co. KG in eine statische Tarifbindung ändern würde, sei gerade nicht notwendig gewesen.
25Jedenfalls müsse aber von einer Verwirkung des Widerspruchsrechts ausgegangen werden. Das Zeitmoment sei nach rund 6,5 Jahren offensichtlich erfüllt. Das Umstandsmoment ergebe sich sowohl aus der tatsächlichen Abwicklung des Arbeitsverhältnisses zwischen dem Kläger und der D1 A1 GmbH + Co. KG als auch aus der Wahrnehmung des betriebsverfassungsrechtlichen Mandats durch den Kläger. Wegen der Einzelheiten des Vortrages der Beklagten hierzu wird auf die Ausführungen in ihrem Schriftsatz vom 08.10.2009 auf den Seiten 3 bis 10 (Blatt 97 bis 104 der Akte) und auf den Seiten 15 bis 19 (Blatt 109 bis 113 der Akte) verwiesen. Dabei steht die Beklagte u.a. auf dem Standpunkt, dass der Kläger mit der Vereinbarung des Nachtrags vom 07.11./14.12.2005 (Blatt 119 der Akte) zur Versorgungszusage ausdrücklich und rechtsgeschäftlich über das übergegangene Arbeitsverhältnis disponiert sowie seinen Fortbestand – jetzt in geänderter Form – mit der D1 A1 GmbH + Co. KG bestätigt habe.
26Wegen des Vorbringens der Parteien im Einzelnen wird auf den Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.
27Entscheidungsgründe
28I.
29Die zulässige Klage, für die der Kläger in Anbetracht des Streits der Parteien über den ununterbrochenen Fortbestand eines Arbeitsverhältnisses zwischen ihnen über den 30.06.2002 hinaus ein Feststellungsinteresse hat, ist unbegründet.
30Zwischen den Parteien besteht kein Arbeitsverhältnis mehr, weil dieses mangels eines wirksamen Widerspruchs des Klägers zum 01.07.2002 auf die D1 A1 GmbH + Co. KG nach § 613 a Abs. 1 BGB übergegangen ist.
31Dabei kann dahinstehen, ob der Kläger mit dem Schreiben vom 17.06.2002 (Blatt 8 bis 9 R der Akte) ausreichend und ordnungsgemäß im Sinne des § 613 a Abs. 5 BGB über den Betriebsteilübergang von der Beklagten auf die D1 A1 GmbH + Co. KG unterrichtet und ob die einmonatige Widerspruchsfrist des § 613 a Abs. 6 BGB durch diese Unterrichtung in Gang gesetzt worden ist.
32Jedenfalls muss davon ausgegangen werden, dass das Widerspruchsrecht des Klägers zum Zeitpunkt seiner Ausübung mit Schreiben vom 15.12.2008 (Blatt 10 der Akte) verwirkt gewesen ist.
331.
34Der zuständige 8. Senat des Bundesarbeitsgerichts hat bereits mehrmals entschieden, dass das Widerspruchsrecht des Arbeitnehmers verwirken kann (vgl. z.B. BAG, Urteil vom 02.04.2009 – 8 AZR 262/07 -, NZA 2009, 1149, 1150 unter B. II. der Gründe mit weiteren Nachweisen).
35a)
36Die Verwirkung ist ein Sonderfall der unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 BGB). Mit der Verwirkung wird die illoyal verspätete Geltendmachung von Rechten ausgeschlossen. Sie dient dem Vertrauensschutz und verfolgt nicht den Zweck, den Schuldner stets dann von seiner Verpflichtung zu befreien, wenn dessen Gläubiger längere Zeit seine Rechte nicht geltend gemacht hat (Zeitmoment). Der Berechtigte muss vielmehr unter Umständen untätig geblieben sein, die den Eindruck erweckt haben, dass er sein Recht nicht mehr geltend machen wolle, so dass der Verpflichtete sich darauf einstellen durfte, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden (Umstandsmoment). Hierbei muss das Erfordernis des Vertrauensschutzes auf Seiten des Verpflichteten das Interesse des Berechtigten derart überwiegen, dass ihm die Erfüllung des Anspruchs nicht mehr zuzumuten ist (so BAG, Urteil vom 27.11.2008 – 8 AZR 174/07 -, NZA 2009, 552, 554 f. unter B. II. 1. der Gründe).
37b)
38Schon nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts vor dem Inkrafttreten des § 613 a Abs. 5 und Abs. 6 BGB konnte das Widerspruchsrecht wegen Verwirkung ausgeschlossen sein. An dieser Rechtsprechung hat der 8. Senat im Einklang mit der herrschenden Auffassung im Schrifttum auch nach der neuen Rechtslage festgehalten. Die Tatsache, dass der Gesetzgeber eine Widerspruchsfrist eingeführt hat, schließt eine Anwendung der allgemeinen Grundsätze nicht aus, weil jedes Recht nur unter Berücksichtigung der Grundsätze von Treu und Glauben ausgeübt werden kann (BAG, Urteil vom 15.02.2007 – 8 AZR 431/06 -, NZA 2007, 793, 797 unter II. 3. b) (2) der Gründe mit weiteren Nachweisen).
39c)
40Angesichts der gesetzlichen Regelung kann hinsichtlich des Zeitmoments nicht auf eine feststehende Monatsfrist, beispielsweise von 6 Monaten abgestellt werden. Im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zur Einführung des § 613 a Abs. 5 und 6 BGB sind nämlich Vorschläge auf Aufnahme einer generellen Höchstfrist von 3 bzw. 6 Monaten nicht aufgegriffen worden. Abzustellen ist vielmehr auf die konkreten Umstände des Einzelfalls (so BAG, Urteil vom 02.04.2009 – 8 AZR 262/07 -, NZA 2009, 1149, 1150 unter B. II. 4. der Gründe mit weiteren Nachweisen).
41Außerdem ist die Länge des Zeitablaufs in Wechselwirkung zu dem ebenfalls erforderlichen Umstandsmoment zu setzen. Je stärker das gesetzte Vertrauen oder die Umstände, die eine Geltendmachung für den Anspruchsgegner unzumutbar machen, sind, desto schneller kann ein Anspruch verwirken. Es müssen letztlich besondere Verhaltensweisen des Berechtigten als auch des Verpflichteten vorliegen, die es rechtfertigen, die späte Geltendmachung des Rechts als mit Treu und Glauben unvereinbar und für den Verpflichteten als unzumutbar anzusehen (BAG, Urteil vom 15.02.2007 – 8 AZR 431/06 -, NZA 2007, 793, 798 unter II. 3. b) (2) der Gründe mit weiteren Nachweisen).
422.
43Nach Auffassung der erkennenden Kammer liegen hier diese Voraussetzungen objektiv vor.
44a)
45Zwischen der Unterrichtung des Klägers mit dem Schreiben vom 17.06.2002 (Blatt 8 bis 9 R der Akte) über den am 01.07.2002 bevorstehenden Betriebsteilübergang und seinem Widerspruch mit Schreiben vom 15.02.2008 (Blatt 10 der Akte) liegt ein Zeitraum von fast 6,5 Jahren. Damit ist das Zeitmoment erfüllt.
46Regelmäßig kann das Zeitmoment dann als erfüllt angesehen werden, wenn vom Zeitpunkt des Betriebsübergangs mehr als 1 Jahr vergangen ist (so Löwisch/Göpfert/Siegrist, DB 2007, 2538, 2539 unter III. am Ende; auch BAG, Urteil vom 15.02.2007 – 8 AZR 431/06 -, NZA 2007, 793, 798 unter II. 3. b) (3) der Gründe).
47Die Jahresfrist spielt im Rahmen des Vertrauensschutzes des § 613 a BGB auch an anderer Stelle eine Rolle. So können gemäß § 613 a Abs. 1 S. 2 BGB Rechte und Pflichten, die durch Rechtsnormen eines Tarifvertrages oder einer Betriebsvereinbarung geregelt sind und die sodann Inhalt des Arbeitsverhältnisses werden, nicht vor Ablauf eines Jahres nach dem Zeitpunkt des Übergangs zum Nachteil des Arbeitnehmers geändert werden. Gemäß § 613 a Abs. 2 S. 1 BGB haftet der bisherige Arbeitgeber neben dem neuen Inhaber für Verpflichtungen nach Absatz 1, soweit sie vor dem Zeitpunkt des Übergangs entstanden sind und vor Ablauf von einem Jahr nach diesem Zeitpunkt fällig werden, als Gesamtschuldner. Aufgrund der dortigen Fälligkeitsregelung kann der Arbeitgeber in der Regel davon ausgehen, nach Ablauf eines Jahres nicht mehr für Ansprüche des übergegangenen Arbeitnehmers in Anspruch genommen zu werden. Schließlich spielt die Jahresfrist auch bei anderen Rechtsinstituten, die jemandem eine gewisse Überlegungsfrist einräumen sollen, eine Rolle. So kann gemäß § 124 Abs. 1 BGB die Anfechtung wegen Täuschung oder Drohung nur binnen Jahresfrist erfolgen (Arbeitsgericht Solingen, Urteil vom 18.08.2006 – 2 Ca 593/06 lev -, juris, unter I. 1. der Gründe, Rdnr. 49 und 50).
48Vorliegend ist für die Beurteilung des Zeitmoments der verstrichene Zeitraum von über 6 Jahren bis zu dem Widerspruch des Klägers mit seinem Schreiben vom 15.02.2008 (Blatt 10 der Akte) auch vollständig zu berücksichtigen. Denn in diesem Zusammenhang ist der gesamte Zeitraum seit der Rechtsentstehung von Bedeutung (vgl. BAG, Urteil vom 27.11.2008 – 8 AZR 174/07 -, NZA 2009, 552, 555 unter B. II. 2. a) der Gründe) – hier jedenfalls der Zeitraum ab dem Ablauf von einem Monat nach Zugang des Unterrichtungsschreibens vom 17.06.2002 (Blatt 8 bis 9 R der Akte) beim Kläger, weil an diesem Tag die aus Sicht der Beklagten in Gang gesetzte gesetzliche Widerspruchsfrist ablief. Der für das Zeitmoment maßgebliche Zeitraum beginnt nicht erst mit der umfassenden und zutreffenden Unterrichtung des Arbeitnehmers über den Betriebsübergang und seine Folgen, sondern schon mit der positiven Kenntnis des Arbeitnehmers von den den Betriebsübergang ausmachenden tatsächlichen Umständen. Anderenfalls könnte auch bei geringfügigen Mängeln im Unterrichtungsschreiben, von denen der Arbeitnehmer von Anfang an weiß oder später Kenntnis erlangt, keine Verwirkung eintreten (so Arbeitsgericht Frankfurt a.M., Urteil vom 26.06.2007 – 4 Ca 426/07 -, juris, in den Entscheidungsgründen unter Rdnr. 20 am Ende).
49Hier ist das Informationsschreiben der Beklagten vom 17.06.2002 (Blatt 8 bis 9 R der Akte) sehr ausführlich gewesen und – wenn überhaupt – unvollständig lediglich wegen des fehlenden ausdrücklichen Hinweises auf die nur statische Tarifbindung der D1 A1 GmbH + Co. KG und eventuell hinsichtlich des Haftungssystems des § 613 a Abs. 2 BGB. Bei der Bestimmung der Dauer des Zeitmoments spielt aber auch der Grad der Fehlerhaftigkeit oder Unvollständigkeit der Information über den Betriebsübergang eine Rolle (vgl. Löwisch/Göpfert/Siegrist, DB 2007, 2538, 2539 unter III. mit weiteren Nachweisen). Eine unvollständige Unterrichtung führt eher zu einer Verwirkung als eine unterbliebene Unterrichtung (Arbeitsgericht Frankfurt a.M., Urteil vom 26.06.2007 – 4 Ca 426/07 -, juris, in den Entscheidungsgründen unter Rdnr. 22). Auch dies spricht angesichts der beiden vom Kläger nur gerügten Unvollständigkeiten im Unterrichtungsschreiben vom 17.06.2002 (Blatt 8 bis 9 R der Akte) – über die man wie die Parteien ohnehin trefflich streiten kann – dafür, das Zeitmoment nach dem Ablauf von fast 6,5 Jahren als erfüllt anzusehen.
50b)
51Das Umstandsmoment ist ebenfalls erfüllt.
52Dabei kann dem Kläger zugestanden werden, dass jedenfalls nach der Rechtsprechung des zuständigen 8. Senat des Bundesarbeitsgerichts seine widerspruchslose Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit der D1 A1 GmbH + Co. KG ab dem 01.07.2002 allein noch keine Verwirkung des Widerspruchsrechts eines nicht ordnungsgemäß nach § 613 a Abs. 5 BGB unterrichteten Arbeitnehmers begründet (vgl. BAG, Urteil vom 02.04.2009 – 8 AZR 262/07 -, NZA 2009, 1149, 1150 unter B. II. 6. a) der Gründe mit weiteren Nachweisen). Ob etwas anderes angenommen werden muss nach einem mehrjährigen Zeitraum (so Dzida, NZA 2009, 641, 645 unter III. 1. a), kann offenbleiben, weil hier neben dem Ablauf von fast 6,5 Jahren jedenfalls mit der Vereinbarung des Nachtrages vom 07.11./14.12.2005 (Blatt 119 der Akte) zur Versorgungszusage zwischen dem Kläger und der D1 A1 GmbH + Co. KG ein weiterer Umstand vorliegt, der das Vertrauen der Beklagten erweckt hat, der Kläger würde dem Betriebsteilübergang nicht mehr widersprechen.
53Nimmt man nämlich den Grundsatz ernst, wonach Umstands- und Zeitmoment in einer Wechselbeziehung zueinander stehen, dann können bei Vorliegen eines sehr gewichtigen Zeitmoments nicht die gleichen strengen Anforderungen für das Umstandsmoment gelten, die das Bundesarbeitsgericht bei einem Zeitablauf von 12 bis 15 Monaten für erforderlich hält. Deshalb ist das Umstandsmoment bei einer Ausübung des Widerspruchs zum Beispiel 24 Monate nach dem Betriebsübergang bereits dann anzunehmen, wenn der Arbeitnehmer über solche Bestandteile seines Arbeitsverhältnisses disponiert, die dessen Bestand nicht berühren und die nicht zum Kern des Arbeitsverhältnisses gehören. Denn würde man auch bei einem sehr gewichtigen Zeitmoment eine "qualifizierte" Disposition verlangen, würde die vom Bundesarbeitsgericht aufgestellte Regel, wonach Umstands- und Zeitmoment in einer Wechselbeziehung zueinander stehen, eine hohle Phrase bleiben (so Dzida, DB 2010, 167, 169 unter III. 2.).
54Vor diesem Hintergrund liegt eine für das Umstandsmoment ausreichende Disposition über das Arbeitsverhältnis dann bereits bei jeder einvernehmlichen Änderung des Arbeitsvertrages des Arbeitnehmers mit dem Betriebserwerber vor (Gaul/Niklas, DB 2009, 452, 456 unter IV. 3. c); auch Löwisch/Göpfert/Siegrist, DB 2007, 2538, 2541 unter V.). Denn hiermit bringt der Arbeitnehmer zum Ausdruck, dass er den Erwerber als neuen Arbeitgeber akzeptiert hat (so Dzida, NZA 2009, 641, 645 unter III. 1. c). Es stellt bei objektiver Beurteilung regelmäßig ein widersprüchliches Verhalten dar, wenn der Arbeitnehmer nachträglich die Wirksamkeit des Arbeitsverhältnisses negiert, nachdem er über die Entgegennahme des Entgelts als Erfüllung des Arbeitsverhältnisses hinaus weitere rechtlich relevante Handlungen vorgenommen hat, die an das Arbeitsverhältnis mit dem Betriebsnachfolger anknüpfen und damit dessen Wirksamkeit voraussetzen (vgl. Löwisch/Göpfert/Siegrist, DB 2007, 2538, 2540 unter IV. 3. mit weiteren Nachweisen).
55Dies gilt ebenfalls dann, wenn der Arbeitnehmer mit dem Betriebserwerber eine Änderung seiner Altersversorgung vereinbart, da er damit zu erkennen gibt, dass er den Erwerber als neuen Arbeitgeber anerkennt (so Dzida, DB 2010, 167, 169 unter III. 2.).
56Dem steht hier auch nicht das Argument aus dem Schriftsatz des Klägers vom 19.11.2009 auf Seite 7 (Blatt 157 der Akte), dass für ihn jedenfalls ein spezieller Bezug zur D1 A1 GmbH + Co. KG aus dem Nachtrag vom 07.11./14.12.2005 (Blatt 119 der Akte) zur Versorgungszusage nicht transparent gewesen sei, weil die darin angesprochene Versorgungsordnung der Beklagten im gesamten Gemeinschaftsbetrieb Anwendung finde, entgegen. Denn bei der Beurteilung des Umstandsmoments ist eine objektive Beurteilung maßgebend, was bedeutet, dass die Umstände so beschaffen sein müssen, dass aus der Untätigkeit des Berechtigten bei objektiver Betrachtung zu schließen ist, er werde sein Recht nicht mehr geltend machen (Löwisch/Göpfert/Siegrist, DB 2007, 2538, 2539 unter IV. 2. mit weiteren Nachweisen).
57So ist es hier. Denn den Nachtrag vom 07.11./14.12.2005 (Blatt 119 der Akte) zur Versorgungszusage hat der Kläger ausdrücklich mit der Geschäftsleitung der D1 A1 GmbH + Co. KG vereinbart. Dadurch ist zum Ausdruck gebracht worden, dass der Kläger diese Firma als seine neue Arbeitgeberin akzeptiert hat. Infolge dessen konnte die Beklagte darauf vertrauen, dass der Kläger dem bereits mit Wirkung zum 01.07.2002 stattgefundenen Übergang seines Arbeitsverhältnisses nicht mehr widersprechen werde. Sie hat in Gestalt des Betriebsteilübergangs auch Dispositionen getroffen, aufgrund derer die Stelle des Klägers gestrichen worden und die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit ihm für sie unzumutbar geworden ist. Bei einem früheren Widerspruch des Klägers hätte sie auch früher reagieren können.
58c)
59Bei Zusammenschau von Zeit- und Umstandsmoment hat sich nach Auffassung der erkennenden Kammer das Vertrauendürfen der Beklagten soweit verdichtet, dass der erst mit Schreiben vom 15.12.2008 (Blatt 10 der Akte) doch noch erfolgte Widerspruch des Klägers als verwirkt anzusehen ist.
60II.
61Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO in Verbindung mit § 46 Abs. 2 S. 1 ArbGG, § 495 Abs. 1 ZPO.
62Als unterliegende Partei hat der Kläger die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
63III.
64Die im Urteil gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG zu treffende Entscheidung über den Wert des Streitgegenstandes ist nach § 42 Abs. 3 S. 1 GKG n.F. vorgenommen worden.
65Die Höhe des festgesetzten Streitwertes für den auf den ununterbrochenen Fortbestand eines Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien seit dem 13.11.1989 und nicht auf die tarifgerechte Vergütung des Klägers gerichteten Feststellungsantrag ergibt sich aus dem Betrag des für die Dauer eines Vierteljahres zu leistenden Bruttoverdienstes des Klägers, welcher auf der Grundlage des in der Abrechnung für den Monat Mai 2009 (Blatt 24 der Akte) ausgewiesenen Gesamtverdienstes in Höhe von 5.395,50 Euro brutto ermittelt worden ist (vgl. dazu: Arbeitsgericht Frankfurt a.M., Urteil vom 26.06.2007 – 4 Ca 426/07 -, juris, in den Entscheidungsgründen unter Rdnr. 30; auch Arbeitsgericht Solingen, Urteil vom 18.08.2006 – 2 Ca 593/06 lev -, juris, unter II. der Gründe, Rdnr. 59).
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