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Die Klage ist zulässig und begründet.
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Die Klageanträge sind zulässig.
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1. Hinsichtlich des bezifferten Leistungsantrags Ziffer 1 ist der Streitgegenstand hinreichend gemäß § 253 Absatz 2 Nummer 2 ZPO bestimmt. Der Kläger begehrt die Nachzahlung der Arbeitsvergütung für den Zeitraum Januar 2007 bis November 2007. Er macht die Differenz zwischen der Vergütung nach der Entgeltgruppe Ä 3 gemäß § 12 TV-Ärzte ZfP und der ihm tatsächlich gezahlten Vergütung geltend.
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2. Der in Klageantrag Ziffer 2 enthaltene Eingruppierungs-Feststellungsantrag ist ebenfalls hinreichend bestimmt. Das gemäß § 256 Absatz 1 ZPO erforderliche rechtliche Interesse des Klägers an der alsbaldigen Feststellung des Bestehens eines Rechtsverhältnisses ist gegeben. Die Beklagte als Anstalt des öffentlichen Rechts hat in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass sie einem rechtskräftigen Feststellungsurteil nachkommen würde.
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Die Klageanträge sind begründet.
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Der Kläger ist mit Wirkung ab 01.01.2007 nach § 12 TV-Ärzte ZfP als Oberarzt in die Entgeltgruppe Ä 3 einzugruppieren.
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1. Die Geltung des TV-Ärzte ZfP für das Arbeitsverhältnis ab 01.01.2007 ist zwischen den Parteien unstreitig. Beide Parteien sind Mitglieder der tarifvertragschließenden Verbände (Arbeitgeberverband des öffentlichen Dienstes des Landes Baden-Württemberg und Marburger Bund Baden-Württemberg). Gilt damit der TV-Ärzte ZfP bereits kraft Tarifbindung gemäß §§ 3 Absatz 1, 4 Absatz 1 TVG, so haben die Parteien zudem arbeitsvertraglich auf den Bundesangestelltentarifvertrag und die diesen ersetzenden Tarifverträge in der jeweils geltenden Fassung Bezug genommen (§ 5 des Arbeitsvertrages vom 11.01.2006, Blatt 11 der Akten).
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2. Der Kläger erfüllt die Eingruppierungsmerkmale, die in § 12 TV-Ärzte ZfP unter der Entgeltgruppe Ä 3 für eine Oberärztin/einen Oberarzt vorgesehen sind. Maßgebend ist die erste Alternative. Danach ist Oberarzt derjenige Arzt, dem die medizinische Verantwortung für Teil- oder Funktionsbereiche der Klinik beziehungsweise Abteilung vom Arbeitgeber übertragen worden ist.
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a) Entgegen der Auffassung des Klägers versteht die Kammer das Tatbestandsmerkmal "Verantwortung für Teil- oder Funktionsbereiche der Klinik beziehungsweise Abteilung" dahin, dass die Verantwortung für mindestens zwei Bereiche gegeben sein muss. Dies folgt bereits aus dem Wortlaut der Formulierung, die im Plural gefasst ist. Hätte es den Tarifvertragsparteien ausgereicht, wenn sich die medizinische Verantwortung auf
einen
Teil- oder Funktionsbereich bezieht, so hätte dies durch eine entsprechende Formulierung im Singular ("medizinische Verantwortung für einen Teil- oder Funktionsbereich") ausgedrückt werden können. Diese grammatikalische Auslegung wird durch die zweite Alternative der Entgeltgruppe Ä 3 bestätigt. Nach dieser zweiten Alternative reicht es, wenn der Facharzt
eine
Spezialfunktion mit besonderen Anforderungen inne hat. Hier haben die Tarifvertragsparteien den Singular gewählt, so dass bereits eine Spezialfunktion zur Eingruppierung als Oberarzt ausreicht. Angesichts der übrigen präzisen Formulierungen in den §§ 12 ff. TV-Ärzte ZfP bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Verwendung des Plurals in der Entgeltgruppe Ä 3, erste Alternative, auf einem Redaktionsversehen beruht.
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Auch der Sinn und Zweck der Regelung stützt die Auslegung, dass es sich um mindestens zwei Bereiche handeln muss. Der Oberarzt nimmt eine herausgehobene Stellung innerhalb des Klinikbetriebs wahr. Er ist den Ärzten und Fachärzten übergeordnet und berichtet an den Chefarzt und dessen ständigen Vertreter. Seine Zuständigkeit und Verantwortung geht deutlich über die der Fachärzte hinaus. Mit dieser herausgehobenen Stellung korrespondiert es, wenn die Tarifvertragsparteien das Berufsbild mit einer Verantwortung für Teil- oder Funktionsbereiche der Klinik/Abteilung definieren. Es handelt sich um eine Wertung, dass Oberarzt derjenige Arzt ist, der übergreifend mehrere Bereiche zu verantworten hat.
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Für die vorgerichtlich geäußerte Ansicht der Beklagten, es müssten mindestens 3 Teil- oder Funktionsbereiche der Klinik betroffen sein, enthält der Tarifvertrag keine Anhaltspunkte. Es genügen mindestens zwei Bereiche. Hieran ändert der Eingangssatz des § 12 TV-Ärzte ZfP nichts. Die Prüfungsstufe, ob der Arzt mindestens zur Hälfte die angesprochene Tätigkeit ausübt, ist eine für alle Eingruppierungen erforderliche, zeitliche Analyse. Aus ihr kann jedoch nicht geschlossen werden, dass diese Voraussetzung stets und nur dann gegeben ist, wenn mindestens 3 Teil- oder Funktionsbereiche geleitet werden.
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Im Falle des Klägers sind die Voraussetzungen gegeben. Unstreitig handelt es sich bei der Station N1 um einen Teilbereich der Klinik und beim Elektrophysiologischen Labor um einen Funktionsbereich der Klinik. Damit ist der Kläger für mindestens zwei Bereiche der Klinik tätig.
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b) Die medizinische Verantwortung kann vom Arbeitgeber sowohl ausdrücklich als auch konkludent übertragen werden. Einen förmlichen Ernennungsakt verlangt der Tarifvertrag nicht. Es genügt die Zuweisung einer entsprechenden Tätigkeit.
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(1) Nach dem Tarifvertrag ist der Arbeitgeber für die Übertragung der Verantwortung zuständig. In einem Krankenhausbetrieb wie dem der Beklagten mit 7 Kliniken obliegt den Chefärzten als leitenden Ärzten die medizinische Organisation ihrer Klinik. Dazu gehört die Übertragung von Aufgaben und medizinischer Verantwortung.
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(2) Der Kläger nimmt seine Funktionen innerhalb der Station N1 und des elektrophysiologischen Labors aufgrund der entsprechenden Organisationsplanung der neurologischen Klinik wahr. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass er die Aufgaben gegen den Willen der Beklagten oder des Chefarztes wahrnimmt. Vielmehr wurden ihm diese Aufgaben von der Beklagten übertragen.
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c) Der Kläger hat die medizinische Verantwortung für die Station N1 und das elektrophysiologische Labor.
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(1) Der Tarifvertrag geht von einer abgestuften medizinischen Verantwortung aus. Die Ärzte und Fachärzte sind jeweils medizinisch verantwortlich für die Patienten, die sie konkret behandeln. Übergeordnet ist die medizinische Verantwortung des Oberarztes. Dieser ist nicht nur für die Patienten, die er konkret behandelt, sondern auch für den reibungslosen medizinischen Ablauf der ihm übertragenen Bereiche zuständig. Der leitende Arzt (Chefarzt) hat die medizinische Gesamtverantwortung für die ihm unterstellte Klinik. Das aufeinander aufbauende, hierarchische Verantwortungssystem soll dem Umstand Rechnung tragen, dass der Chefarzt aufgrund seiner Verpflichtungen zeitlich nicht in der Lage ist, jeden einzelnen Patienten zu behandeln.
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Die Auffassung der Beklagten, die medizinische Verantwortung sei ausschließlich dem Chefarzt und dessen Vertreter übertragen, findet im Tarifvertrag keinen Niederschlag. Vielmehr sieht der Tarifvertrag ein abgestuftes Verantwortungssystem vor, das es erst ermöglicht, dass der Chefarzt die Gesamtverantwortung übernehmen kann. Nach der These der Beklagten gäbe es keinen Oberarzt im Tarifsinne (dementsprechend bezahlt die Beklagte in der Klinik für Neurologie an niemanden eine Oberarztvergütung). Dies entspricht aber nicht dem tarifvertraglichen System. Danach ist zwischen dem Arzt/Facharzt und dem Chefarzt/Stellvertreter die Ebene des Oberarztes vorgesehen. Diese stellt quasi das Bindeglied zwischen dem Chefarzt und den Stationsärzten dar. Dem entspricht es, dass er für die ihm übertragenen Teil- und Funktionsbereiche die medizinische Verantwortung trägt.
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Unter dem Ausdruck "medizinische Verantwortung" in der Entgeltgruppe Ä 3 ist nicht die Frage der Haftung bei Fehlern zu verstehen. Vielmehr bedeutet die medizinische Verantwortung die Verpflichtung, die Teil- und Funktionsbereiche medizinisch so zu organisieren, dass ein effektiver, reibungsloser und erfolgreicher Klinikbetrieb möglich ist.
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(2) Die Tätigkeitsbeschreibung im unstreitigen Tatbestand des Urteils beruht im Wesentlichen auf den Behauptungen des Klägers. Entgegen der Ansicht der Beklagten (Schriftsatz vom 14.12.2007, Blatt 194 ff.) war insoweit der Beklagten nicht noch einmal ein Schriftsatzrecht einzuräumen. Der Kläger hatte seine Tätigkeit im Wesentlichen schon in der Klageschrift charakterisiert. Insoweit hatte die Beklagte die Behauptungen des Klägers nicht bestritten. Soweit im Schriftsatz des Klägers vom 06.12.2007 weiterer Tatsachenvortrag gehalten wurde, wurde dieser im Tatbestand insoweit berücksichtigt, als der Kläger seine Behauptungen durch die beigelegten Anlagen unter Beweis gestellt hat.
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(3) Unter Berücksichtigung der oben genannten Definition der medizinischen Verantwortung steht diese dem Kläger für die Station N1 und das elektrophysiologische Labor zu.
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In der Station N1 obliegen dem Kläger sowohl die übergeordnete ärztliche Überwachung als auch ein Teil der Verwaltungsaufgaben. Der Kläger führt die Oberarztvisite durch, wird von den Stationsärzten über jeden Patienten durch Befundberichte unterrichtet und entscheidet letztendlich über die vorzunehmende ärztliche Therapie. Er unterzeichnet abschließend die Arztberichte und Entlassbriefe. Er entscheidet über den Verbleib der Patienten, wenn am Wochenende die Station geschlossen ist. Zu diesen, der Tätigkeit eines Stationsarztes übergeordneten medizinischen Aufgaben kommt die Vorbereitung der Abrechnung der ärztlichen Leistungen gegenüber den Krankenkassen hinzu. Diese zahlreichen Verpflichtungen lassen sich als medizinische Verantwortung für die Station N1 im Tarifsinne ansehen.
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Gleiches gilt hinsichtlich des elektrophysiologischen Labors. Der Kläger ist hier im Wesentlichen für die medizinisch-technische Ausstattung zuständig. Er ist Vorgesetzter der medizinisch-technischen Angestellten (die Kammer schließt dies daraus, dass der Kläger mit diesen Angestellten die Mitarbeiterjahresgespräche zu führen hat). Zwar führen die einzelnen Ärzte die elektrophysiologischen Untersuchungen jeweils selbst mit ihren eigenen Patienten durch. Der Kläger ist jedoch dafür verantwortlich, dass die medizinische Ausstattung auf dem aktuellen medizinischen Stand und technisch einwandfrei ist und dass die Angestellten ordnungsgemäß eingewiesen sind; nach seinen Angaben hat er auch Ärzte in die Handhabung der Geräte einzuweisen. Er ist als Verantwortlicher im Gerätebuch vermerkt (Blatt 178 der Akte) und Ansprechpartner für dieses Labor. Im Ergebnis ist ihm damit die medizinische Verantwortung für einen Funktionsbereich übertragen worden.
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d) Die Voraussetzungen des § 12 Eingangssatz TV-Ärzte ZfP sind nach Ansicht der Kammer gegeben.
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(1) Nach dieser Regelung setzt die Eingruppierung in die Entgeltgruppe Ä 3 voraus, dass der Arzt nicht nur vorübergehend und zeitlich mindestens zur Hälfte die bezeichnete Tätigkeit ausübt. Mit dieser Regelung haben die Tarifvertragsparteien die von der Beklagten angesprochene Rechtsprechung im Eingruppierungsrecht übernommen.
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(2) Der Kläger nimmt die angeführten Tätigkeiten in der Station N1 und im elektrophysiologischen Labor nicht nur vorübergehend wahr. Soweit der Kläger ab 01.01.2008 eine Botulinum-Toxin-Ambulanz betreiben wird, tritt diese Tätigkeit zu seinen bisherigen Aufgaben hinzu.
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(3) Unklar blieb der zeitliche Umfang, in dem der Kläger die medizinische Verantwortung für die Station N1 und das Labor wahrnimmt. Insoweit hat sich der Kläger auf den Standpunkt gestellt, diese medizinische Verantwortung sei durchgehend vorhanden und könne nicht auf bestimmte Zeiten beschränkt werden. Die Beklagte hat demgegenüber für die Schlüssigkeit der Eingruppierungsfeststellungsklage verlangt, dass der Kläger seine Zeitanteile an oberärztlicher Tätigkeit ganz konkret aufführt. Die Beklagte ist selber anhand einer Hochrechnung zu dem Ergebnis gekommen, dass der Kläger maximal 45 % seiner Arbeitszeit mit Oberarzttätigkeiten verbringe.
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Die Kammer schließt sich der Auffassung des Klägers an. Die medizinische Verantwortung für eine Station oder ein Labor ist zeitlich nicht in Stunden mit Verantwortung und Stunden ohne Verantwortung aufzuteilen. So ist es zutreffend, dass der Kläger auch eigene Patienten, wenn auch in geringem Umfang, behandelt. Aber auch während dieser Tätigkeit obliegt ihm die Verantwortung für die Station und das Labor. Die übertragene Verantwortung ist eine dauerhafte Verpflichtung des Klägers, die er während seiner gesamten Arbeitszeit wahrzunehmen hat.
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e) Der Kläger ist daher im Ergebnis in die Entgeltgruppe Ä 3 mit Wirkung ab 01.01.2007 einzugruppieren.
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3. Die Frage, ob die Beklagte unter dem Gesichtspunkt des Verbots widersprüchlichen Verhaltens (§ 242 BGB) verpflichtet ist, den als Oberarzt titulierten Kläger auch als Oberarzt zu bezahlen, kann dahinstehen. Insoweit hat die Beklagte angeführt, dass die Bezeichnung "Oberarzt" zur Zeit der Geltung des BAT tariflich ohne Bedeutung war und daher lediglich als Titel fortgeführt werde (vergleiche näher Hillmann-Stadtfeld, Deutsches Ärzteblatt 2007, Seite 1625, Blatt 108 der Akte). Die Ärzte, die nach Inkrafttreten des TV-Ärzte ZfP als Oberarzt bezeichnet würden, seien lediglich Titular-Oberärzte, was für die Eingruppierung bedeutungslos sei.
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Die Kammer hält diese Ansicht der Beklagten für zweifelhaft. Es ist nicht lediglich so, dass der Kläger seinen früheren Titel als Oberarzt - von der Beklagten geduldet - weiter trägt. Vielmehr bezeichnet die Beklagte den Kläger auch nach Inkrafttreten des TV-Ärzte ZfP aktiv gegenüber der Öffentlichkeit, den Patienten und im internen Klinikbetrieb als Oberarzt (vergleiche Blatt 20 der Akte - Flyer für den Tag der offenen Tür, Blatt 17 der Akte, Schichtplan 2007). Es kann hier durchaus unter dem Gesichtspunkt der Selbstbindung die Meinung vertreten werden, dass die Beklagte den Kläger entsprechend des ihm zugewiesenen Titels zu bezahlen hat.
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Im Ergebnis kann die Frage der Selbstbindung der Beklagten jedoch offen bleiben, da bereits die Tatbestandsvoraussetzungen des § 12 Entgeltgruppe Ä 3 TV-Ärzte ZfP gegeben sind.
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4. Die mit Klageantrag Ziffer 1 geltend gemachten Beträge sind unstreitig. Die monatliche Vergütungsdifferenz zwischen den Entgeltgruppen Ä 2 und Ä 3 beträgt EUR 450,00 brutto. Anzurechnen ist eine von der Beklagten gezahlte Zulage in Höhe von EUR 200,00 brutto monatlich. Der Zinsanspruch folgt aus den §§ 288 Absatz 1, 286 Absatz 2 Nummer 1 BGB. Sowohl der Zahlungsantrag als auch der Feststellungsantrag sind daher begründet.
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5. Als unterliegende Partei trägt die Beklagte die Kosten des Rechtsstreits (§§ 46 Absatz 2 ArbGG, 91 Absatz 1 ZPO).
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Als Streitwert wurde die dreijährige Vergütungsdifferenz zugrunde gelegt (§§ 61 Absatz 1 ArbGG, 42 Absatz 4 Satz 2 GKG).
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Die Berufung war gemäß § 64 Absatz 3 Nummer 2b ArbGG zuzulassen.
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