Beschluss vom Arbeitsgericht Heilbronn - 8 Ca 34/17

Tenor

1. D. Kläg. wird ab 14.02.2017 im ersten Rechtszug für den Antrag vom 14.02.2017 Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwältin V. als Prozessbevollmächtigte beigeordnet.

2. Auf die Prozesskosten sind derzeit keine Zahlungen zu leisten.

Hinweis: Bis zum Ablauf von vier Jahren nach Verfahrensbeendigung besteht die Verpflichtung, wesentliche Verbesserungen der wirtschaftlichen Verhältnisse oder eine Änderung der Anschrift unverzüglich mitzuteilen. Als wesentlich gilt bei laufenden Einkünften jede nicht nur einmalige Verbesserung von 100,00 EUR brutto im Monat, bei abzugsfähigen Belastungen (z.B. Wegfall oder Reduzierung von Kreditverpflichtungen, Unterhaltspflichten, Wohnkosten) jeder nicht nur einmalige Wegfall von mehr als 100,00 EUR netto im Monat. Bei einem Verstoß gegen diese Pflichten muss mit einer Aufhebung der Bewilligung der Prozesskostenhilfe gerechnet werden.

Gründe

 
I.
Die Antragstellerin begehrt Prozesskostenhilfe für ihre Klage vom 14.02.2017, mit der sie u. a. die Unwirksamkeit der Kündigung ihres Arbeitsverhältnisses geltend macht sowie Ansprüche auf Weihnachtsgratifikation, Arbeitsvergütung und Zahlung einer Vertragsstrafe.
II.
1. Die objektiven Voraussetzungen zur Prozesskostenhilfe-Bewilligung gemäß § 114 ZPO liegen vor. Insbesondere verfügte die Klage über hinreichende Erfolgsaussichten und erschien nicht mutwillig.
2. Auch die subjektiven Voraussetzungen zur ratenfreien Prozesskostenhilfe-Bewilligung liegen vor.
a) Die Antragstellerin hat nach § 115 Abs. 1 ZPO kein einsetzbares Einkommen. Nach Abzug der Freibeträge sowie der Wohnkosten resultiert kein Einkommen, das die Antragstellerin einsetzen könnte. Hierbei wurde bereits berücksichtigt, dass die Antragstellerin mit ihrem Lebensgefährten zusammenlebt, so dass die Wohnkosten lediglich anteilig im Verhältnis der Einkünfte der Lebenspartner angesetzt wurden.
Es wird auf die beiliegende Anlage zur Ermittlung einer Zahlungsverpflichtung verwiesen.
b) Die Antragstellerin kann trotz Vorliegens einer persönlichen Angelegenheit nicht auf einen Prozesskostenhilfevorschuss-Anspruch gegen ihren Lebenspartner in analoger Anwendung von § 1360a Abs. 4 BGB verwiesen werden. Diese Vorschrift ist unmittelbar nur auf Eheleute anwendbar; ferner findet die Regelung auch auf eingetragene Lebenspartnerschaften Anwendung, § 5 LPartG.
Anhaltspunkte dafür, dass insoweit eine unbewusste Regelungslücke sowie eine vergleichbare Interessenlage als Voraussetzungen einer analogen Anwendung der Vorschrift auch auf nichteheliche Lebensgemeinschaften vorliegen, bestehen nicht. Vielmehr sind derartige Unterhaltspflichten typisch für besondere Lebensgemeinschaften, die nicht ohne weiteres gelöst werden können und bei denen die Partner eine besondere gesetzliche Verbindung eingehen, welche sie zum gegenseitigen Unterhalt verpflichtet. Demgegenüber stellen nichteheliche Lebensgemeinschaften - auch dann, wenn gemeinsame Kinder gemeinschaftlich versorgt werden - keine derart gefestigten und vom Gesetz zum Teil mit erheblichen Vorteilen, beispielsweise im Bereich der Besteuerung, ausgestatteten Verbindungen dar. Eine analoge Anwendung von § 1360a Abs. 4 BGB kommt daher nicht in Betracht.
c) Auch unter Berücksichtigung des Rechtsgedankens der §§ 20, 39 SGB XII kann die Antragstellerin nicht auf finanzielle Unterstützung durch ihren Lebensgefährten verwiesen werden. Zwar hat das LAG München mit Entscheidung vom 20.11.2015 (Az. 2 Ta 189/15, nv) im Fall des gemeinsamen Wirtschaftens und der erkennbaren Bereitschaft des Lebensgefährten zur finanziellen Unterstützung des wirtschaftlich deutlich schwächeren Partners die Prozesskostenhilfe begehrende Partei darauf verwiesen, die Kosten der Prozessführung mit Hilfe ihres Lebensgefährten in Raten aufzubringen.
Angesichts der Tatsache, dass eine solche Bereitschaft vorliegend weder dokumentiert noch sonstwie erkennbar ist und sogar im Falle des Prozesskostenvorschuss-Anspruchs unter Ehegatten die antragstellende Partei nur dann auf den Vorschussanspruch gegen den Ehegatten verwiesen werden kann, soweit der Anspruch alsbald realisierbar und soweit seine Durchsetzung zumutbar ist, kommt eine Anordnung von Raten vorliegend nicht in Betracht.
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Die Antragstellerin hat keinen gerichtlich durchsetzbaren Anspruch auf finanzielle Hilfe zur Bestreitung der Prozesskosten gegen ihren Lebensgefährten. Ein alsbald realisierbarer Anspruch besteht daher nicht. Die Antragstellerin trüge vielmehr das Risiko der Prozesskostenfinanzierung komplett allein. Die Tatsache, dass das LAG Berlin-Brandenburg (Entscheidung vom 20.06.2014 - 21 Ta 1011/14) sowie das LAG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 01.10.2015 - 4 Ta 22/15) im Falle des Bestehens einer Bedarfsgemeinschaft sowie tatsächlich erfolgender Unterhaltszahlung innerhalb dieser diese als besondere Belastungen zu Gunsten der antragstellenden Partei berücksichtigen will, zwingt nicht im Gegenzug zu der Annahme, dass die antragstellende Partei auf einen gesetzlich nicht gegebenen Anspruch auf Prozesskostenfinanzierung gegenüber dem anderen Partner der Bedarfsgemeinschaft verwiesen werden kann. Dies gilt insbesondere angesichts der vorliegenden Einkommensverhältnisse beider Partner: Zwar würde der Lebenspartner, würde er den Prozess selber führen, über ein einsetzbares Einkommen in Höhe von EUR 343,49 verfügen, was zu einer Prozesskostenhilfe-Bewilligung mit Raten führen würde, jedoch stellen sich die Familieneinkommensverhältnisse insgesamt unter Berücksichtigung der bestehenden Unterhaltspflichten nicht als derart reichlich dar, dass zwingend davon ausgegangen werden kann, der Lebenspartner der Antragstellerin wäre bereit, diese bei der Prozessfinanzierung zu unterstützen.
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Zwar hat auch das BAG (Entscheidung vom 05.04.2006 - 3 AZB 61/04) in einem obiter dictum die "Berücksichtigung des gemeinsamen Wirtschaftens in Form der Kostenentlastung bei der gemeinschaftlichen Haushaltsführung grundsätzlich für möglich" gehalten. Eine solche Berücksichtigung wurde vorliegend jedoch bereits vorgenommen, indem die Wohnkosten anteilig nach den Einkommensverhältnissen der Lebenspartner berücksichtigt wurden.

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