Urteil vom Arbeitsgericht Herford - 2 Ca 999/10
Tenor
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 362,50 € brutto nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.08.2010 zu zahlen, abzüglich bereits durch die Bundesagentur für Arbeit geleisteter 134,25 €.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Der Kläger trägt 95 v Hd., die Beklagte 5 v Hd. der Kosten des Rechtsstreits.
4. Der Streitwert wird auf 7001,25 € festgesetzt.
5. Die Berufung für die Beklagte wird nicht zugelassen.
1
T a t b e s t a n d
2Die Parteien streiten nach ausgebrachter, außerordentlicher, arbeitgeberseitiger Kündigung um Verzugslohnansprüche des Klägers.
3Die Parteien des Rechtsstreits verbindet der Arbeitsvertrag vom 22.12.2006. Der Kläger war als technischer Leiter bei der Beklagten tätig seit dem 02.02.2007. Abgerechnet und bezahlt bekam er seit August 2007 – nach Ablauf der Probezeit – ein Bruttoentgelt von 3.625,00 €; der Kläger macht einen Ansatz von monatlich 3.750,00 € geltend. Insoweit wird auch auf die Entscheidung des Arbeitsgerichts Herford vom 27.10.2010 zum Aktenzeichen 2 Ca 679/10 Bezug genommen.
4Am 09.04.2010 sprach die Beklagte gegenüber dem Kläger eine außerordentliche Kündigung aus. Diese Kündigung war Gegenstand des Rechtsstreits 2 Ca 469/10, ArbG Herford. Rechtskräftig wurde festgestellt, dass die Kündigung unwirksam war.
5Ob der Kläger am 12.04.2010 über den Gewerkschaftssekretär N eine Arbeitsleistung anbot, ist unter den Parteien streitig. Jedenfalls erhielt der Kläger am 12.04.2010 ein generelles Hausverbot.
6Nach Urabstimmung am 13.04.2010 begannen die gewerkschaftlich organisierten Streiks zahlreicher Arbeitnehmer bei der Beklagten. Der Streik dauerte schlussendlich bis zu 15.07.2010.
7In einem Schreiben der IG Bau aus April 2010 an den Kläger (Anlage K3 zum Schriftsatz vom 25.10.2010) weist diese den Kläger auf folgendes hin:
8An dem nun entstandenen aufgerufenen Arbeitskampf bei der Firma X kannst Du Dich als gekündigter Kollege gern beteiligen, jedoch zahlen wir nur bei beschäftigten Streikenden nach Satzung Streikbeihilfe.
9Wir können Dir jedoch, Dein Einverständnis vorausgesetzt, damit Du nicht in Existenznot gerätst, eine Solidaritätsunterstützung zahlen, sofern Du diese nach gewonnenem Kündigungsschutzprozess und eingefordertem Lohn zurückzahlst.
10Nach Ausspruch der außerordentlichen Kündigung vom 09.04.2010 war der Kläger von Anfang an bei den Streikenden anwesend.
11Seit dem 07.06.2010 hat der Kläger ein neues Arbeitsverhältnis angetreten und ist zumindest seit diesem Zeitpunkt nicht mehr bei den Streikenden anwesend gewesen.
12Der Kläger meint, dass die Suspendierung von der Arbeit durch die Kündigung vom 09.04.2010 und das Hausverbot vom 12.04.2010 auf jeden Fall einer etwaigen Anwesenheit bei den Streikenden vorgehe. Richtig sei, dass der Kläger sich mit den Streikenden solidarisch gezeigt habe. Da die Beklagte jedoch das Arbeitsverhältnis vor Beginn des Streiks fristlos beendet habe und das Hausverbot erteilt habe, sei die Arbeitspflicht des Klägers aufgehoben worden und suspendiert worden. Eines weiteren Angebots des Klägers betreffend seine Arbeitskraft hätte es nach Ausspruch der außerordentlichen Kündigung unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BAG gerade nicht mehr bedurft.
13Ausgehend von einem Grundgehalt von 3.750,00 € hätte der Kläger einen Verzugslohnanspruch auf 20 Tage für April 2010, den Mai 2010 vollständig und für Juni 2010 anteilig sechs Tage, mithin in Summe 1,867 Monatsgehälter á 3.750,00 € = 7.001,25 € brutto.
14Im Parallelverfahren der Parteien zu 2 Ca 679/10 war unstreitig, dass die Beklagte den April 2010 bis zum 09.04.2010 mit 1.087,50 € brutto abgerechnet und gezahlt hat, ausgehend von 3.625,00 € Bruttomonatsverdienst.
15Im Übrigen weist der Kläger darauf hin, dass er aus der Streikkasse entsprechend dem Schreiben aus April 2010 nur die Solidarunterstützung in Form eines zinslosen Darlehens gewährt bekommen habe.
16Der Kläger beantragt,
17die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 7.001,25 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Zustellung der Klage zu zahlen abzüglich bereits durch die Bundesagentur für Arbeit geleisteter 2.550,32 €.
18Die Beklagte beantragt,
19die Klage abzuweisen.
20Die Beklagte meint, nicht zu einer weiteren Leistung von Verzugslohnansprüchen verpflichtet zu sein vor dem Hintergrund, dass der Kläger durch seine Streikteilnahme hinreichend dokumentiert habe, nicht tatsächlich leistungswillig gewesen zu sein. Im Übrigen sei auch die Berechnungsbasis falsch vor dem Hintergrund der Vereinbarung der Parteien kurz vor Ablauf der Probezeit am 27.07.2010 auf einen Monatsverdienst i. H. v. 3.625,00 € brutto – siehe dazu auch das Urteil des ArbG Herford vom 27.10.2010 zu 2 Ca 679/10.
21Selbstverständlich seien auch die Zahlungen aus der Streikkasse an den Kläger zu berücksichtigen.
22Wegen des gesamten Vortrags der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und Protokolle verwiesen, die sämtliche Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, einschließlich des deckungsgleichen Vortrags zur Frage der monatlichen Entgeltshöhe im Verfahren der Parteien 2 Ca 679/10.
23Die im Verfahren 2 Ca 679/10 am 27.10.2010 durchgeführte Beweisaufnahme in Form der Vernehmung des Betriebsleiters T wurde im vorliegenden Verfahren beigezogen.
24E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
25Die Klage ist zulässig, aber im Wesentlichen unbegründet.
26Dem Kläger stehen für die Zeit ab dem 10.04.2010 bis zum Beginn der Streikmaßnahme am 13.04.2010 für drei Kalendertage Annahmeverzugslohnansprüche vor dem Hintergrund der am 09.04.2010 ausgebrachten außerordentlichen Kündigung zu. Die Berechnungsbasis beträgt dabei 3.625,00 € ./. 30 Kalendertage x 3 Kalendertage.
27Hinsichtlich der Entgeltsbasis wird Bezug genommen auf die Entscheidung des Arbeitsgerichts Herford vom 27.10.2010 zu 2 Ca 679/10. Die Beweisaufnahme des Zeugen T hat zur Überzeugung des Gerichts ergeben, dass die Parteien kurz vor Ablauf der Probezeit am 27.07.2007 eine entsprechende Entgeltsvereinbarung auf 3.625,00 € brutto in Abänderung des Arbeitsvertrags vom 22.12.2006 wirksam getroffen haben. Um Wiederholungen zu vermeiden, wird auf die Entscheidungsgründe im Urteil vom 27.10.2010 zu 2 Ca 679/10 an dieser Stelle verwiesen.
28Der Anspruch für die oben benannten drei Kalendertage im April 2010 beruht auf §§ 615 S. 1, 296 S. 1 BGB. Nach der außerordentlichen Kündigung des Arbeitgebers war ein weiteres Arbeitsangebot des Klägers zunächst entbehrlich. Gleichwohl soll dieses am 12.04.2010 noch erfolgt sein. Hierauf kommt es jedoch nicht an. Durch die außerordentliche Kündigung vom 09.04.2010 hat der Arbeitgeber hinreichend klargemacht, dass er seine erforderliche Mitwirkungshandlung in Form der Bereitstellung eines funktionsfähigen Arbeitsplatzes gegenüber dem Kläger nicht erfüllen wolle.
29Insoweit war ohne Frage für die ersten drei Kalendertage ab dem 09.04.2010, also für den 10. bis 12.04.2010, der Verzugslohnanspruch des Klägers begründet.
30Nach § 297 BGB kommt der Gläubiger jedoch dann nicht in Verzug, wenn der Schuldner zur Zeit des Angebots oder, im Falle des § 296 BGB, zu der für die Handlung des Gläubigers bestimmten Zeit außer Stande ist, die Leistung zu bewirken. Der Annahmeverzug des Arbeitgebers ist damit ausgeschlossen, wenn der Arbeitnehmer nicht leistungsfähig oder nicht leistungswillig ist (so BAG vom 24.09.2003 in NZA 2003 S. 1347 und BAG vom 19.05.2004 in NZA 2004 S. 1064).
31Diese Leistungswilligkeit und Leistungsfähigkeit muss während des gesamten Verzugszeitraumes positiv bestehen.
32Mit der Beteiligung des Klägers an den Streikmaßnahmen seit dem 13.04.2010 hat der Kläger jedoch hinreichend dokumentiert, ab diesem Zeitpunkt gar nicht mehr leistungswillig zu sein. Denn wie der Kläger selbst richtigerweise ausführt, hebt ein rechtmäßiger Streik die Arbeitspflicht für die Dauer des Streiks auf. Beiderseitige Rechte und Pflichten werden aus dem Arbeitsverhältnis suspendiert. Insoweit geht die Ansicht des Klägers fehl, es komme nicht auf die zeitliche Abfolge der Geschehnisse an. Mit Streikbeginn und mit Beteiligung des Klägers an diesem Streik hat er hinreichend dokumentiert, dass eine Leistungswilligkeit nicht mehr bestanden hat. Ob der Kläger sich dabei aus seiner Sicht nur solidarisch mit den streikenden Arbeitnehmern erklären wollte, hindert nicht den Umstand und die Feststellung, dass er am Streik beteiligt war. In seiner „Solidarisierung“ hat er sich auf dieselbe Stufe wie die Streikenden gestellt. Der Kläger kann nicht erwarten, an diesem Punkt des Geschehens besser gestellt zu werden als die Streikenden selbst. Denn auch nach Ansicht des Klägers war die ausgebrachte Kündigung vom 09.04.2010 von Anfang an unwirksam. Er hatte sich hiergegen schlussendlich erfolgreich mit seiner Kündigungsschutzklage gewendet.
33Es ist also festzuhalten, dass die subjektive Leistungsbereitschaft als ein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal des § 297 BGB eine von dem Leistungsangebot und dessen Entbehrlichkeit unabhängige Voraussetzung für Verzugslohnansprüche ist. Diese Leistungswilligkeit muss während des gesamten Verzugszeitraumes vorliegen (so BAG vom 13.07.2005 in NZA 2005, S. 1348). Der Arbeitnehmer muss also unabhängig von der den Annahmeverzug begründeten Kündigung bereit sein, die vertraglich vereinbarte Tätigkeit auch ausführen zu wollen. In einer nicht veröffentlichten Entscheidung des BAG vom 27.08.2008, 5 AZR 16/08, ist festgestellt worden, dass der gem. § 297 BGB für den Annahmeverzug vorausgesetzte Leistungswille von der Wirksamkeit einer Kündigung unabhängig ist. Entsprechendes muss auch für die Erteilung eines Hausverbotes gelten.
34Die aktive Beteiligung des Klägers an dem Streik, sei es vor dem Werkstor – inklusive Tragen der sog. Streikweste (siehe Bild Bl. 35 d.A.) – als auch die Teilnahme an der städtischen Kundgebung (siehe Bild Bl. 32 d.A.) macht die „Solidarisierung“ des Klägers mit den Streikenden und damit schlussendlich die Leistungsunwilligkeit zur Erbringung der geschuldeten Arbeitsleistung hinreichend deutlich.
35Damit war die Klage im Wesentlichen und für den Zeitraum ab Streikbeginn 13.04.2010 bis zum Beginn der neuen Arbeitsstelle unter dem 07.06.2010 abzuweisen.
36Bei den Annahmeverzugslohnansprüchen des Klägers für die drei Tage vom 10.04. bis 12.04.2009 war auch der vom Kläger in Ansatz gebrachte Arbeitslosengeldbezug von 44,75 € täglich zu berücksichtigen.
37Bei dem insgesamt geltend gemachten Zahlungsanspruch für April 2010 war schlussendlich auch der Vortrag des Klägers im Parallelverfahren 2 Ca 679/10 zu berücksichtigen, wonach die Beklagte den Zeitraum 01. bis 09.04.2010 mit 1.087,50 € abgerechnet und bezahlt hat.
38Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Wenn jede Partei teils obsiegt und unterliegt, so sind die Kosten verhältnismäßig zu teilen.
39Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 61 Abs. 1 ArbGG i.V.m. § 3 ZPO unter Ansatz des zuletzt bezifferten Zahlungsantrages.
40Die Nichtzulassung der Berufung für die Beklagte beruht auf § 64 Abs. 2 b, Abs. 3 Ziff. 1 ArbGG. Eine grundsätzliche Bedeutung kann der vorliegenden Rechtssache unterhalb des Beschwerdegegenstandswertes von 600,00 € nicht beigemessen werden.
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