Urteil vom Arbeitsgericht Herford - 1 Ca 819/10
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 65.315,- € festgesetzt.
1
Tatbestand :
2Die Parteien streiten um die Nachzahlung weiterer Vergütung über die vertraglich vereinbarte Vergütung hinaus.
3Die klagende Partei, Mitglied der Rechtsschutz gewährenden IG BAU, geboren am 13.07.1979, deren weitere Sozialdaten nicht vorgetragen sind, war bei der Beklagten seit dem 01.04.2007 bis zum 30.04.2011 als Bauingenieur tätig.
4Die Beklagte betreibt mit 60 Arbeitnehmern einen Betrieb, der ausschließlich Betonteile in Form von Winkelstützen produziert (wegen der weiteren Einzelheiten: winkelstuetze.de). Sie ist nicht tarifgebunden und nimmt auch einzelvertraglich auf keinen Tarifvertrag Bezug.
5Der Produktionsablauf im Betrieb der Beklagten geht folgendermaßen vonstatten: Der Beton, der in die Formen der jeweiligen Winkelstützen gegossen wird, wird in einer zentralen Mischanlage angerührt. Aus Gründen der Qualitätskontrolle gibt es hier eine Vielzahl von voreingestellten Programmen, die das Mischungsverhältnis zwischen Sand, Kalk, Wasser und den Zuschlagstoffen im Einzelnen exakt vorgeben, um eine reproduzierbare Qualität herstellen zu können. Diese Mischanlage ist von vier Hallen auf dem Betriebsgelände der Beklagten umgegeben, in denen insgesamt ca. 500 Formen vorrätig gehalten werden, die nach Bedarf täglich mit Beton gefüllt werden.
6Voraussetzung für die Befüllung der Formen mit Beton ist, dass die benutzen Formen zuvor gesäubert sind. Hierzu müssen anhaftende Betonreste an Formen mechanisch durch Klopfen etc. entfernt werden. Die zu leeren Formen müssen dann eingeölt werden, um Betonanhaftungen beim nächsten Produktionsdurchlauf zu vermeiden. Die Formen, in die der flüssige Beton eingefüllt werden soll, werden im nächsten Schritt mit Bewehrungen befüllt.
7Die Bewehrungen werden zentral in der Schweißerei angefertigt. Hierzu werden der Schweißerei Eisenmatten angeliefert, die teilweise noch zugeschnitten werden müssen. Die Matten werden dann gebogen und durch Punktschweißungen an zentralen Punkten fixiert. Dabei wird auch eine Schlaufe mit „angepunktet". Anschließend werden die Bewehrungen auf Paletten aufgestapelt und dann per Stapler in die jeweiligen Hallen gefahren. In den jeweiligen Hallen werden die Bewehrungen in die zuvor gesäuberten Formen eingefügt und mit Abstandshaltern versehen.
8Der Beton wird von der Mischanlage in Kübeln abgefüllt und dann durch Stapler in die jeweiligen Hallen gefahren. Dort wird der Kübel von einem Deckenkran aufgenommen und über die jeweilige Form gefahren. Dann wird der Kübel geöffnet. Der Beton läuft in die Form ein. Der Beton wird dann in der jeweiligen Form verdichtet. Dies kann entweder automatisch geschehen, wenn die Form mit einem Rüttler verbunden ist. Ansonsten wird der Beton durch einen Handrüttler verdichtet. Überschüssiger Beton wird entfernt.
9Der Beton ist mit Zuschlagstoffen versehen, so dass der Beton regelmäßig innerhalb eines Tages verfestigt ist und dann die Winkelstütze aus der Form herausgeholt werden kann.
10Die klagende Partei war auf Basis eines schriftlichen Arbeitsvertrages vom 30.03.2007 ab dem 01.04.2007 als „Bauingenieur im Vertrieb" eingestellt. Als Vergütung wurde ein monatliches Bruttoentgelt in Höhe von 2.300,00 € vereinbart (wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Ablichtung dieser Vereinbarung Bl. 71 bzw. 96 ff. d.A. sowie die Vereinbarung über Gehaltsanpassung Bl. 99 d.A. verwiesen). Eine Stellenbeschreibung existiert nicht.
11Im Frühjahr 2010 gab es – unterstützt von der IG BAU – Bestrebungen zur erstmaligen Wahl eines Betriebsrates im Betrieb der Beklagten. Die Beklagte reagierte hierauf mit außerordentlichen Kündigungen der Arbeitsverhältnisse der Hauptakteure sowie wenige Tage später mit weiteren hilfsweisen ordentlichen Kündigungen des gleichen Personenkreises unter vorsorglicher Freistellung. Nach dem Ausspruch der außerordentlichen Kündigungen solidarisierte sich ca. die Hälfte der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer mit den gekündigten Kollegen und forderte die Firmenleitung der Beklagten, die seinerzeit noch aus zwei Geschäftsführern (Vater und Sohn) bestand, auf, die außerordentlichen Kündigungen zurückzunehmen. Nachdem sich die Firmenleitung weigerte, legte dieser Teil der Belegschaft spontan die Arbeit nieder. Die IG BAU führte in den folgenden Tagen eine Urabstimmung bei den bei ihr organisierten Arbeitnehmern durch, die zum Ergebnis hatte, dass der Betrieb der Beklagten in der Folgezeit von der Hälfte der Belegschaft mit dem Ziel des Abschlusses eines Tarifvertrages bestreikt wurde.
12Die Beklagte versuchte, durch verstärkte Beschäftigung von Leiharbeitnehmern die bisherige Produktion aufrecht zu erhalten. Zwei der drei angesprochenen Zeitarbeitsfirmen weigerten sich wegen des Arbeitskampfes, Leiharbeitnehmer in den Betrieb der Beklagten zu entsenden und zogen ihre bisher im Betrieb beschäftigte Leiharbeitnehmer ab. Deren Arbeitsplätze und die Arbeitsplätze der streikenden Arbeitnehmer wurden durch Leiharbeitnehmer einer dritten Zeitarbeitsfirma, der inzwischen insolventen „Z1 GmbH" ersetzt. Appelle der streikenden Arbeitnehmer an die Arbeitnehmer der Z1 GmbH, von ihrem Leistungsverweigerungsrecht nach § 11 Abs. 5 AÜG Gebrauch zu machen, fruchteten bei der Klientel der Firma Z1 nicht. Die IG BAU prangerte daraufhin den Einsatz von Leiharbeitnehmern durch die Firma Z1 im Betrieb der Beklagten an. Dies war Gegenstand eines Verfahrens vor der 3. Kammer des erkennenden Gerichts, in dem es darum ging, ob die IG BAU den Geschäftsführer der Firma Z1 auf einem Flugblatt mit Foto und Adresse individualisieren durfte (3 Ga 13/10).
13Eine Vielzahl der in der IG BAU organisierten Arbeitnehmer machte mit Schreiben vom 01.06.2010 Entgeltansprüche gegen die Beklagte geltend. In dem Geltendmachungsschreiben der klagenden Partei wird darauf hingewiesen, dass die klagende Partei bei der Beklagten als Bauingenieur tätig ist. Weiter heißt es: „Sein monatliches Einkommen beträgt zurzeit 3.000,00 € brutto. Nach dem Entgeltrahmentarifvertrag für das Betonsteingewerbe in NRW, dieser Tarifvertrag trifft räumlich und sachlich auf ihr Unternehmen zu, wäre unser Mitglied in E.13.3 mit einer Vergütung von derzeit 4.396,00 € brutto einzugruppieren. Das bezogene Gehalt liegt damit um 32 % unter dem Tarifgehalt. Nach einschlägiger Rechtsprechung ist dies sittenwidrig." Das Geltendmachungsschreiben endet mit einer Zahlungsforderung in Höhe von 65.315,00 € brutto (wegen der weiteren Einzelheiten dieses Geltendmachungsschreibens wird auf dessen Ablichtung Anlage K2 Bl. 14 ff. d.A. verwiesen).
14§ 4 des Entgelt-Rahmentarifvertrages für die Beschäftigten in der Beton- und Fertigteilindustrie und dem Betonsteinhandwerk (Betonsteingewerbe) Nordrhein-Westfalen vom 10.06.2003 sieht eine Eingruppierung in eine von 14 Entgeltgruppen vor:
15§ 4
16Eingruppierung
17Entgeltgruppe 1
18Arbeitnehmer, die Tätigkeiten verrichten, für die eine Anlernung nicht erforderlich ist, so dass sie nach kurzer Einweisung verrichtet werden können.
19Entgeltgruppe 2
20Arbeitnehmer, die Tätigkeiten verrichten, für die eine Einarbeitungszeit notwendig ist.
21Entgeltgruppe 3
22Arbeitnehmer, die Tätigkeiten verrichten, für welche Kenntnisse bzw. Fertigkeiten erforderlich sind, wie sie durch eine Einarbeitungszeit und Erfahrungszeit erworben werden.
23Entgeltgruppe 4
24Arbeitnehmer, die nach Anweisung Tätigkeiten verrichten, die in der Regel Kenntnisse bzw. Fähigkeiten erfordern, die durch eine abgeschlossene 2-jährige Berufsausbildung oder eine entsprechende andere Ausbildung oder durch entsprechende Berufs- und Betriebserfahrung erworben worden sind.
25Entgeltgruppe 5
26Arbeitnehmer, die Tätigkeiten verrichten, die über die Anforderungen der Gruppe E4 hinaus zusätzliche Kenntnisse und Fertigkeiten voraussetzen und in der Regel nach allgemeinen Anweisungen ausgeführt werden.
27Entgeltgruppe 6
28Arbeitnehmer, die Tätigkeiten verrichten, welche nur allgemeiner Aufsicht bedürfen und Kenntnisse voraussetzen, die durch eine abgeschlossene 3-jährige Berufsausbildung, eine entsprechende andere Ausbildung oder durch längere Berufs- oder Betriebserfahrung erworben worden sind.
29Entgeltgruppe 7
30Arbeitnehmer, die Tätigkeiten verrichten, die Kenntnisse und Fertigkeiten erfordern, für die über die Entgeltgruppe 6 hinaus zusätzliche Berufspraxis erforderlich ist oder Arbeitnehmer ohne eine entsprechende fachgerechte Berufsausbildung, die aufgrund mehrjähriger Erfahrung entsprechende Tätigkeiten ausüben.
31Entgeltgruppe 8
32Arbeitnehmer, die nach Anweisung schwierige Tätigkeiten verrichten, für die ein über die Entgeltgruppe 6 hinaus zusätzliches Spezialwissen notwendig ist oder Arbeitnehmer ohne eine entsprechende Berufsausbildung, die aufgrund langjähriger Erfahrung eine entsprechende Tätigkeit ausüben.
33Arbeitnehmer, die aufsichtsführende Tätigkeiten in einem nicht einfachen Arbeitsgebiet mit Teilverantwortung verrichten.
34Entgeltgruppe 9
35Arbeitnehmer, die nach Anweisung schwierige Tätigkeiten selbstständig verrichten. Die Kenntnisse hierfür werden durch umfangreiche Berufserfahrung auf einem Arbeitsplatz mit den Anforderungen der Entgeltgruppe 7 erworben.
36Arbeitnehmer, die aufsichtsführende Tätigkeiten in einem nicht einfachen Arbeitsgebiet ausführen und für den ihnen zugewiesenen Aufsichtsbereich die Verantwortung tragen.
37Entgeltgruppe 10
38Arbeitnehmer, die im Rahmen allgemeiner Anweisungen Tätigkeiten selbstständig verrichten. Die Kenntnisse hierfür werden durch den Abschluss einer zusätzlichen Ausbildung (z.B. Fachschule) oder durch gleichwertige entsprechende Berufserfahrung erworben.
39Arbeitnehmer, die aufsichtsführende Tätigkeiten in einem schwierigen Arbeitsgebiet ausführen und für den ihnen zugewiesenen Aufsichtsbereich die Verantwortung tragen.
40Entgeltgruppe 11
41Arbeitnehmer, die im Rahmen allgemeiner Richtlinien selbstständig Tätigkeiten verrichten, für die über die Anforderung der Entgeltgruppe 10 hinaus eine mehrjährige Berufserfahrung notwendig ist.
42Entgeltgruppe 12
43Arbeitnehmer, die im Rahmen allgemeiner Richtlinien selbstständige Tätigkeiten verrichten, für die neben umfangreichen Berufserfahrungen Spezialkenntnisse auf Teilgebieten auf einem Arbeitsplatz mit den Anforderungen der Entgeltgruppe 10 erworben sind.
44Arbeitnehmer, die aufsichtsführende Tätigkeiten in einem vielseitigen oder nach Umfang und Verantwortung schwierigen Aufsichtsbereich ausüben. Ein solcher Aufsichtsbereich liegt insbesondere dann vor, wenn Kenntnisse im Umgang mit Material und Maschinen benötigt werden.
45Entgeltgruppe 13
46Arbeitnehmer, die im Rahmen allgemeiner Richtlinien selbstständig Tätigkeiten verrichten. Die Kenntnisse hierfür werden durch den Abschluss an einer Fachhochschule bzw. einer vergleichbaren Bildungseinrichtung oder durch entsprechende Berufserfahrung auf einem Arbeitsplatz mit den Anforderungen der Entgeltgruppe 12 erworben.
47Arbeitnehmer, die aufsichtsführende Tätigkeiten in einem besonders vielseitigen und schwierigen Bereich ausüben.
48Entgeltgruppe 14
49Arbeitnehmer, die im Rahmen allgemeiner Richtlinien selbstständig Tätigkeiten verrichten, für die neben umfangreichen Berufserfahrungen entweder Spezialwissen vorausgesetzt wird oder bei denen begrenzte Leitungsaufgaben zu erfüllen sind.
50Arbeitnehmer, die aufsichtsführende Tätigkeiten in einem besonders vielseitigen oder nach Umfang und Verantwortung besonders schwierigen Bereich beaufsichtigen, insbesondere wenn ihnen Arbeitnehmer der Gruppe E11 oder E12 zugeordnet sind".
51Dieser Tarifvertrag differenziert in seiner Anlage 1 zwischen einer „Entgelttabelle Arbeitnehmer" die ab dem 01.08.2003 ein neues Beschäftigungsverhältnis aufnehmen und einer „Tarifüberführung gemäß § 8 Entgeltrahmentarifvertrag" in den Anlagen 2a, 2b und 2c (Ablichtung Bl. 35 ff. d.A.). Eine aktuelle Entgelttabelle hat die klagende Partei in diesem Verfahren nicht vorgelegt.
52Mit der Klage vom 09.07.2010, am 12.07.2010 beim erkennenden Gericht eingegangen, verfolgt die klagende Partei ihre Ansprüche weiter.
53Sie meint, dass die in dem Tarifvertrag Betonsteingewerbe geregelte Vergütung die „übliche Vergütung" für die von der klagenden Partei erbrachte Tätigkeit in der Wirtschaftsregion ist. Denn der Betrieb der Beklagten unterfalle dem fachlichen Geltungsbereich des Betonsteingewerbes und örtlich dem Tarifvertrag für das Betonsteingewerbe NRW.
54Sie verweist darauf, dass die Tarifverträge über eine „überbetriebliche Zusatzversorgung vom 01.04.1986 (letztmalig in der Fassung des Änderungstarifvertrages vom 01.09.2004 beginnend mit dem 01.04.2005) für allgemeinverbindlich erklärt worden ist, ebenso wie der Tarifvertrag über das „Verfahren der überbetrieblichen Zusatzversorgung" vom 01.04.1986 und des Änderungstarifvertrages vom 22.12.2004, ebenfalls beginnend ab dem 01.01.2005 (wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Ablichtung der Anlage K1 „Allgemeinverbindlicherklärungen Betonsteingewerbe Stand 31.08.2007" Bl. 87 d.A. verwiesen).
55Daraus könne geschlussfolgert werden, dass auch der nicht für allgemeinverbindlich erklärte „Entgeltrahmentarifvertrag für die Beschäftigten in der Beton- und Fertigteilindustrie und im Betonsteinhandwerk (Betonsteingewerbe) in Nordrhein-Westfalen vom 10.06.2003" (Ablichtung Anlage K2 Bl. 88 d.A.) mehr als 50 % der in Nordrhein-Westfalen beschäftigten Arbeitnehmer der Branche erfasse. Vor diesem Hintergrund sieht der Kläger ein „auffälliges Missverhältnis" zwischen seiner Leistung und der Vergütung (zur Berechnung: Schriftsatz vom 01.02.2011 Bl. 132ff. d.A.).
56Für allgemeinverbindlich erklärt worden sind zudem mit Wirkung vom 01.05.2002 in Bremen, Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein der Rahmentarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer und Angestellten sowie Auszubildende vom 19.04.2002, der Tarifvertrag über die Auslösung für die gewerblichen Arbeitnehmer vom 19.04.2002 sowie der Tarifvertrag über die betriebliche Altersversorgung durch Arbeitgeberbeiträge und Eigenvorsorge der Arbeitnehmer durch Entgeltumwandlung (Tarifvertrag Zusatzrente – TZR) vom 19.04.2002 sowie bereits vom 01.10.2001 der Tarifvertrag über die Gewährung einer Jahressondervergütung.
57In diesem Tarifgebiet ist der Lohn- und Gehaltstarifvertrag mit Ausbildungsvergütungen vom 27.09.2004 zum 01.05.2004 für allgemeinverbindlich erklärt worden, ebenso wie der Tarifvertrag über die Gewährung vermögenswirksamer Leistungen.
58Hilfsweise beruft sich die klagende Partei für den eingeklagten Entgeltanspruch auf eine Unwirksamkeit der Entgeltvereinbarung nach § 307 BGB. Die klagende Partei werde durch die Entgeltabrede unangemessen benachteiligt.
59Der Kläger beantragt,
60die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 65.315,00 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab der Zustellung der Klage zu zahlen.
61Die Beklagte bittet darum,
62die Klage abzuweisen.
63Die Beklagte behauptet, der Tariflohn nach den Entgelttarifverträgen für die Beschäftigten im Betonsteingewerbe NRW sei nicht die „übliche Vergütung" für die von der klagenden Partei erbrachte Tätigkeit in der Wirtschaftsregion ist. Sie bestreitet, dass mehr als 50 % der Arbeitnehmer des zu betrachtenden Wirtschaftsgebietes tarifgebunden sind oder die organisierten Arbeitgeber dieses Gebietes mehr als 50 % der Arbeitnehmer beschäftigen.
64Von der Allgemeinverbindlichkeitserklärung der Tarifverträge über eine überbetriebliche Zusatzversorgung und das Verfahren der überbetrieblichen Zusatzversorgung könne entgegen der Ansicht der klagenden Partei nicht darauf geschlossen werden, dass die an den Entgeltrahmentarifvertrag gebundenen Arbeitgeber nicht weniger als 50 % der unter den Geltungsbereich des Tarifvertrages entfallenden Arbeitnehmer beschäftigen.
65Sie verweist darauf, dass die Tarifvertrage, die für allgemeinverbindlich erklärt worden sind und der Entgeltrahmentarifvertrag unterschiedliche räumliche Geltungsbereiche haben. Für allgemeinverbindlich erklärt wurden nach ihrem Vortrag im Betonsteingewerbe nur Tarifverträge für das Gebiet Nordwestdeutschland, zu dem neben Nordrhein-Westfalen auch die Bundesländer Bremen, Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein zählen. Zudem sei bemerkenswert, dass nicht alle Arbeitgeberverbände der vorbezeichneten Bundesländer den Antrag auf Allgemeinverbindlichkeitserklärung unterstützten/stellten. Auch der Landesverband Nordrhein-Westfalen habe auf die Antragstellung verzichtet. Sie behauptet, dass bei der Allgemeinverbindlichkeitserklärung eine „bundeslandbezogene Ermittlung" nicht erfolgte. Damit sei nicht festgestellt, dass die 50 %-Quote (auch) in Nordrhein-Westfalen erreicht wurde.
66Hinzu komme, dass im Jahr 2000 das Tarifgebiet Nordwestdeutschland aufgespalten wurde und Entgeltrahmen- und Entgelttarifverträge lediglich für den räumlichen Geltungsbereich Nordrhein-Westfalen abgeschlossen wurden.
67Sie verweist zudem auf die zeitliche Reihenfolge der Tarifabschlüsse. Der Entgelttarifvertrag vom 01.05.2008 und der vom 19.08.2009 seien deutlich später als die für allgemeinverbindlich erklärten Tarifverträge beschlossen worden. Ob zu diesem Zeitpunkt noch tarifgebundene Arbeitgeber nicht weniger als 50 % der unter den Geltungsbereich des Tarifvertrages fallenden Arbeitnehmer beschäftigt haben, sei nicht feststellbar und werde bestritten.
68Konkret seien der Beklagten keinerlei Konkurrenten bekannt, die Tariflöhne zahlen.
69Selbst wenn man eine Üblichkeit der Vergütung durch den Entgeltrahmentarifvertrag für die Beschäftigten in der Beton- und Fertigteilindustrie und dem Betonsteinhandwerk (Betonsteingewerbe) in Nordrhein-Westfalen auf Basis der in diesem Tarifvertrag aufgenommenen Entgelttabellen zugrunde legte, sei ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung der arbeitsvertraglichen Hauptleistungspflichten nicht erkennbar. Denn dem Kläger stehe keine Vergütung nach der Entgeltgruppe 13 zu. Er könne allenfalls eine tarifvertragliche Vergütung nach der Lohngruppe 10 fordern.
70In diesem Zusammenhang verweist die Beklagte darauf, dass – wenn sich Parteien um die zutreffende Eingruppierung streiten – die klagende Partei auch im Bereich der Privatwirtschaft nach den allgemeinen Grundsätzen des materiellen und zivilprozessualen Verfahrensrechts diejenigen Tatsachen vorzutragen und ggf. zu beweisen hat, aus denen der rechtliche Schluss möglich ist, dass die im konkreten Einzelfall beanspruchten tariflichen Merkmale erfüllt sind. Im Rahmen einer Eingruppierung sei es nicht entscheidend, über welches individuelle Wissen und über welche individuelle Fertigkeiten die klagende Partei verfüge. Es komme vielmehr auf die benötigten Fachkenntnisse und Fertigkeiten für die konkret ausgeübte Tätigkeit an.
71Dem Vorbringen der klagenden Partei lasse sich jedoch nicht entnehmen, warum er für die Erfüllung der ihm übertragenen Arbeitsaufgaben Kenntnisse benötigt, die durch den Abschluss an einer Fachhochschule bzw. einer vergleichbaren Bildungseinrichtung oder durch entsprechende Berufserfahrung auf einem Arbeitsplatz mit den Anforderungen der Entgeltgruppe 12 erworben wurden (wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Ausführungen der Beklagten insbesondere im Schriftsatz vom 27.10.2010 verwiesen).
72Soweit sich die klagende Partei hilfsweise auf eine Unwirksamkeit der Entgeltvereinbarung unter dem Gesichtspunkt des § 307 Abs. 2 BGB berufe, führe dies ebenfalls nicht weiter. Sie verweist insoweit in ihrem Schriftsatz vom 27.10.2010 auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 31.08.2005 – 5 AZR 545/04.
73Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze sowie die Protokollerklärungen der Parteien verwiesen.
74Entscheidungsgründe :
75Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Beklagte schuldet der klagenden Partei nicht gemäß § 612 Abs. 2 BGB die „übliche" Vergütung, die hier der Tariflohn sein soll.
76I.
77Nach § 138 Abs. 2 BGB ist ein Rechtsgeschäft nichtig, durch das sich jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit oder des Mangels an Urteilvermögen eines anderen für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen.
78Diese Regelung gilt auch für ein auffälliges Missverhältnis zwischen dem Wert der Arbeitsleistung und der Lohnhöhe in einem Arbeitsverhältnis.
79Ein wucherähnliches Geschäft liegt nach § 138 Abs. 1 BGB vor, wenn Leistung und Gegenleistung in einem auffälligen Missverhältnis zueinander stehen und weitere sittenwidrige Umstände, z.B. eine verwerfliche Gesinnung des durch den Vertrag objektiv Begünstigten, hinzutreten (vgl. zum Vorstehenden zuletzt BAG v. 22.04.2009 – 5 AZR 436/08 m.w.N. der bisherigen Rechtsprechung in Rdnr. 9).
80Verstößt die Entgeltabrede gegen § 138 BGB, schuldet der Arbeitgeber gemäß § 612 Abs. 2 BGB die „übliche" Vergütung.
81A. Ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung liegt vor, wenn die Arbeitsvergütung nicht einmal zwei Drittel eines in der betreffenden Branche und Wirtschaftsregion üblicherweise gezahlten Tariflohns erreicht.
821.) Das auffällige Missverhältnis bestimmt sich nach dem objektiven Wert der Leistung des Arbeitnehmers. Ausgangspunkt der Wertbestimmung sind in der Regel die Tariflöhne des jeweiligen Wirtschaftszweiges. Sie drücken den objektiven Wert der Arbeitsleistung aus, wenn sie in dem betreffenden Wirtschaftsgebiet „üblicherweise" gezahlt werden. Entspricht der Tariflohn dagegen nicht der verkehrsüblichen Vergütung, sondern liegt dieses unterhalb des Tariflohns, ist von dem allgemeinen Lohnniveau im Wirtschaftsgebiet auszugehen (BAG vom 22.04.2009 – 5 AZR 436/08 m.w.N. der ständigen Rechtsprechung in Rdnr. 14).
83Im vorliegenden Fall konnte die erkennende Kammer nicht feststellen, dass die Tariflöhne für die Beschäftigten in der Beton- und Fertigteilindustrie und dem Betonsteinhandwerk (Betonsteingewerbe) in Nordrhein-Westfalen in diesem Bundesland „üblicherweise" gezahlt werden.
842.) Nach Ansicht der Kammer kann aus der Allgemeinverbindlicherklärung der beiden Tarifverträge über eine überbetriebliche Zusatzversorgung vom 01.04.1986 und des Tarifvertrags über das Verfahren der überbetrieblichen Zusatzversorgung vom 01.04.1986 im räumlichen Geltungsbereich Bremen, Hamburg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein nicht (zwingend) geschlussfolgert werden, dass im Bundesland Nordrhein-Westfalen ein Entgelt üblicherweise mindestens in Höhe des Entgelttarifvertrages und der jährlich modifizierten Entgelttabellen in diesem Entgeltrahmentarifvertrag gezahlt wird.
85Die Allgemeinverbindlicherklärung setzt zwar nach § 5 Abs. 1 Ziff. 1 TVG voraus, dass die tarifgebundenen Arbeitgeber nicht weniger als 50 % der unter den Geltungsbereich des Tarifvertrages fallenden Arbeitnehmer beschäftigen.
86Aus dem Umstand, dass im Tarifgebiet „Nordwestdeutschland" und in den vorgenannten Bundesländern im Jahre 2004 die tarifgebundenen Arbeitgeber offenbar nicht weniger als 50 % der unter den Geltungsbereich des Tarifvertrages fallenden Arbeitnehmer beschäftigt haben, kann nicht geschlossen werden, dass im Jahre 2010 in einem Teilbereich dieses Tarifgebiets, dem Bundesland Nordrhein-Westfalen, die tarifgebundenen Arbeitgeber überhaupt jemals, jedenfalls aber nicht im Jahre 2010 noch „nicht weniger als 50 % der unter den Geltungsbereich des Tarifvertrages fallenden Arbeitnehmer" beschäftigt haben.
87Für die Auffassung der Beklagten, dass der Schluss von den beiden von der Klägerseite herangezogenen Tarifverträge über eine überbetriebliche Zusatzversorgung auf den Entgeltrahmentarifvertrag nebst Entgelttabelle für die Beschäftigten in dem Betonsteingewerbe in NRW nicht gezogen werden kann, spricht auch, dass gerade der Landesverband Beton- und Fertigteilindustrie Nordrhein-Westfalen e.V. nicht beantragt hatte, die vorgenannten Tarifverträge nach § 5 TVG mit Wirkung zum 01.01.2005 für allgemeinverbindlich zu erklären.
88Für die Rechtsansicht der Beklagten, von der Allgemeinverbindlichkeit der beiden Tarifverträge über eine überbetriebliche Zusatzversorgung könne auf die örtlichen Verhältnisse in Nordrhein-Westfalen nicht zurückgeschlossen werden, spricht nach Ansicht der Kammer schließlich der Umstand, dass in anderen nordwestdeutschen Bundesländern - die im Tatbestand näher aufgeführt sind -ab dem 01.05.2004 der Lohn- und Gehaltstarifvertrag vom 27.09.2004 und auch andere Tarifverträge für allgemeinverbindlich erklärt worden ist, im Bundesland Nordrhein-Westfalen jedoch kein einziger.
893.) Die Beklagte hat im vorliegenden Verfahren schließlich unwidersprochen vorgetragen, ihr sei kein Arbeitgeber bekannt, der (wenigstens) Tariflohn zahlen würde.
90Der Kläger, dem die Gewerkschaft IG BAU und damit eine der beiden Tarifvertragsparteien in Nordrhein-Westfalen Rechtsschutz gewährt, ist diesem Vortrag der Beklagten, der in dieser Konkretheit zwar erst im Schriftsatz vom 21.04.2011 vorgetragen worden ist, weder im Vorfeld zum Kammertermin vom 29.06.2011 noch im Kammertermin vom 29.06.2011 selbst dezidiert entgegengetreten.
91Die Kammer hat – auch unter Berücksichtigung, dass die IG BAU als Tarifvertragspartei über eine größere Sachnähe zu den Tarifverträgen des Betonsteingewerbes verfügt als die nicht tarifgebundene Beklagte –, das Schweigen der klagenden Partei auf den Vortrag der Beklagten als „beredtes Schweigen" gewertet. Dass die Voraussetzungen für eine Allgemeinverbindlichkeitserklärung auch im Tarifgebiet Nordrhein-Westfalen vorliegen bzw. welche anderen Arbeitgeber des Betonsteingewerbes in Nordrhein-Westfalen existieren und wie viele hiervon tarifgebunden sind oder ggf. unabhängig von einer Tarifbindung Tariflohn zahlen, ist unmittelbarer Gegenstand der Wahrnehmung der IG BAU in Nordrhein-Westfalen.
924.) Die Kammer geht vor diesem Hintergrund davon aus, dass die „übliche Vergütung" im Betonsteingewerbe jedenfalls in Nordrhein-Westfalen nicht dem Tariflohn entspricht, sondern unterhalb des Tariflohns liegt.
93Entspricht der Tariflohn nicht der verkehrsüblichen Vergütung, sondern liegt diese unterhalb des Tariflohns, ist von dem allgemeinen Vergütungsniveau im Wirtschaftsgebiet auszugehen. Dabei lässt das BAG in seinen bisherigen Entscheidungen völlig offen, was mit einem solchen „Vergütungsniveau" und zumal einem „allgemeinen" gemeint ist.
94Hierzu hat die klagende Partei nichts vorgetragen. Der Kammer sind auch keine Anhaltspunkte dafür bekannt, aufgrund derer auf das allgemeine Lohnniveau im Wirtschaftsgebiet für die Branche Betonsteingewerbe geschlossen werden könnte.
95Die Kammer verkennt dabei nicht, dass die Feststellung der „verkehrsüblichen Vergütung" auf Klägerseite Schwierigkeiten bereitet. Ziemann weist in seiner Anmerkung zu BAG vom 20.04.2009 im Juris PraxisReport zutreffend darauf hin, dass die Feststellung der verkehrsüblichen Vergütung „unpraktikabel" ist und fragt, welches Datenmaterial hier herangezogen oder ob dies gar erst – für einen Individualrechtsstreit – ermittelt worden soll. Hinzu komme, dass bei der Ermittlung der verkehrsüblichen Vergütung schwerlich Vergütungen einbezogen werden dürfte, die ihrerseits u. a. auf sittenwidrigen (§ 138 BGB) oder – im Hinblick auf den zeitlichen Umfang der Beschäftigten oder das Geschlecht der beschäftigten Personen, auf diskriminierenden Abreden beruhe (§ 4 Abs. 1 S. 2 TZBFG, § 2 Abs. 1 Nr. 2 AGG).
96Die Kammer teilt die Auffassung von Ziemann, dass übliche empirische Erhebungen regelmäßig nicht in der Lage sind, die erhobenen Daten nach diesen rechtlichen Vorgaben zu gewichten. Unpraktikabel ist schließlich auch die Konsequenz dieses Ansatzes, dass für den Anspruchszeitraum ggf. monatsweise die Üblichkeit der Tarifvergütung, hilfsweise der Verkehrsüblichkeit eines niedrigeren allgemeinen Vergütungsniveaus, bestimmt werden muss.
97Ziemanns Schlussfolgerung, dass sich bei diesen praktischen Schwierigkeiten der forensischen Feststellung der Tarifbindung die Verteilung der Darlegungslast eines Prozess als entscheidend darstellt, wird durch den vorliegenden Fall bestätigt.
98Die Kammer teilt auch die Auffassung von Z2, dass vor diesem Hintergrund der Arbeitgeber sich dann, wenn der Arbeitnehmer sich auf eine einschlägige tarifliche Vergütung stützt und vorbringt, seine Arbeitsvergütung unterschreite diese um den maßgeblichen Richtwert, seinerseits nicht auf den Vortrag beschränken kann, die von ihm gezahlte Vergütung sei angemessen und daher nicht sittenwidrig. Er hat vielmehr substantiiert zu begründen, weshalb im Einzelfall ein von den genannten Grundsätzen abweichender Maßstab gelten soll (so Ziemann unter Verweis auf BAG vom 19.02.2008 – 9 AZR 1091/06, BAG vom 25.07.2002 – 6 AZR 311/00 sowie BAG vom 30.09.1998 – 5 AZR 690/97).
99Dennoch war im vorliegenden Fall ausschlaggebend, dass der Kläger im hier konkret zu beurteilenden Fall aufgrund seiner Zugehörigkeit zu einer der beiden Tarifvertragsparteien (im Unterschied zur Beklagten) der „Sachnähere" ist, so dass sich jedenfalls in der hier vorliegenden Fallkonstellation die Beklagte nach Ansicht der Kammer darauf beschränken kann, zu behaupten, ihr sei kein anderer Arbeitgeber in Nordrhein-Westfalen bekannt, der im Betonsteingewerbe nach dem Tariflohn zahlt.
100II.
101Die klagende Partei kann sich auch nicht darauf berufen, die Vergütung, die im Arbeitsvertrag der Parteien vereinbart worden ist, sei „unangemessen". Nach § 307 Abs. 1 BGB sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen.
102Im vorliegenden Fall ist nach Ansicht der Kammer zweifelhaft, ob es sich bei der Vereinbarung der konkreten Vergütung der Parteien im „Formulararbeitsvertrag" der Beklagten um eine Bestimmung „in allgemeinen Geschäftsbedingungen" handelt. Dies kann jedoch letztlich offen bleiben. Nach § 307 Abs. 3 S. 1 BGB unterliegen Bestimmungen in allgemeinen Geschäftsbedingungen der uneingeschränkten Inhaltskontrolle, wenn durch sie von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Zum dispositiven Recht gehören auch die allgemein anerkannten Rechtsgrundsätze sowie die Gesamtheit der wesentlichen Rechte und Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrages ergeben (BGH vom 12.05.2004 – VIII ZR 159/03 unter II 1 a der Gründe).
103Andere Bestimmungen in allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die nicht von Rechtsvorschriften abgewichen wird, sind gemäß § 307 Abs. 3 S. 2 i.V.m. § 307 Abs. 1 S. 2 BGB (nur) bei einem Verstoß gegen das Transparenzgebot unwirksam. Dieser eingeschränkten Kontrolle unterliegen auch Klauseln, die den Umfang der von den Parteien geschuldeten Vertragsleistung festlegen (BAG vom 31.08.2005 – 5 AZR 545/04 m.w.N. in Rdnr. 44). Im Arbeitsverhältnis sind das vor allem die Arbeitsleistung und das Arbeitsentgelt. Es ist nicht Aufgabe des Gerichts, über die §§ 305 ff. BGB den „gerechten Preis zu ermitteln" (BAG a.a.O. unter Verweis auf ErfK/Preis, §§ 305-310 BGB Rdnr. 38).
104§ 307 Abs. 3 S.1 BGB steht jedoch einer Kontrolle der Hauptleistungspflichten nicht entgegen, wenn diese durch Rechtsvorschriften bestimmt werden (BGH vom 30.10.1991 – VIII ZR 51/91 sowie vom 09.07.1981 – VII ZR 139/80). § 307 Abs. 3 S. 2 BGB beruht auf der Erwägung, dass ein Mindestmaß an Transparenz der Preisgestaltung einen funktionierenden Wettbewerb erst ermöglicht.
105Nach den vorstehenden Ausführungen des Bundesarbeitsgerichts ist eine inhaltliche Kontrolle von „Arbeitsleistung" und „Arbeitsentgelt" der Kontrolle der Arbeitsgerichte nicht möglich, soweit es sich – wie hier – um Hauptleistungspflichten im Arbeitsverhältnis handelt, weil es nicht Aufgabe des Gerichts sein soll, durch die §§ 305 ff. BGB den gerechten Preis zu ermitteln.
106Folgte man der von der klagenden Partei zitierten abweichenden Meinung im arbeitsrechtlichen Schrifttum, käme man letztlich zum gleichen Ergebnis. Aufgrund der Gleichstellung von Tarifverträgen mit Rechtsvorschriften im Sinne von § 307 Abs. 3 BGB wird vertreten, dass eine Inhaltskontrolle auch der Höhe des Arbeitsentgelts in Formulararbeitsverträgen vorzunehmen sei. Maßstab sei das tarifliche Lohnniveau, dessen Unterschreitung um mehr als 20 % unangemessen sei (Däubler in: DDBD, § 307 BGB Rdnr. 272 ff. (288) m.w.N.). Für den vorliegenden Fall kann dahingestellt bleiben, ob durch die Verweisung in § 310 Abs. 4 S. 3 BGB Tarifverträge Kontrollmaßstab oder keinen Kontrollmaßstab für eine Inhaltskontrolle im Sinne von § 307 Abs.1 und 2 BGB geworden sind (vgl. dazu Preis in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 11. Aufl. 2011, Rdnr. 39 m.w.N. des Meinungsstandes). Denn das Berufen der klagenden Partei auf die Mindermeinung setzt voraus, dass der Tarifvertrag des Betonsteingewerbes in Nordrhein-Westfalen Kontrollmaßstab für die Vergütung der klagenden Partei wäre. Dann müsste es sich bei der tarifvertraglichen Vergütung im Betonsteingewerbe um die „übliche Vergütung" handeln, was gerade nicht festgestellt werden kann. Außerdem wäre auch in diesem Fall zu berücksichtigen, dass die klagende Partei die Eingruppierung in die Entgeltgruppe 13 bzw. 12 entsprechend den obigen Ausführungen nicht substantiiert vorgetragen hat. Der schärfere 20 v.H.-Maßstab löst ggf. das „Eingruppierungsproblem" der klagenden Partei, nicht jedoch den Ausgangspunkt der Angemessenheitskontrolle.
107Der eingeschränkten Kontrolle nach § 307 Abs. 1 S. 2 BGB hält die Vergütungsvereinbarung der Arbeitsvertragsparteien jedoch stand. Die Kammer hält die Vereinbarung der vertraglichen Hauptleistungspflichten nicht für intransparent.
108Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. §§ 495 und 91 Abs. 1 ZPO. Nach der letztgenannten Vorschrift trägt derjenige die Kosten des Rechtsstreits, der unterlegen ist. Dies ist im vorliegenden Fall die klagende Partei.
109Der Wert des Streitgegenstandes ist gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG im Urteil festzusetzen. Die Höhe des Streitwerts ergibt sich im vorliegenden Fall aus der Höhe der Klageforderung.
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