Urteil vom Arbeitsgericht Iserlohn - 1 Ca 903/13
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin
3. Der Streitwert wird auf 1.334,07 € festgesetzt.
1
Tatbestand
2Die Parteien streiten im Rahmen einer Klage auf Zahlung von Branchenzuschlägen über die Frage des korrekten Nachweises des regelmäßig gezahlten Stundenentgelts vergleichbarer Arbeitnehmer im Kundenbetrieb.
3Die 1963 geborene, verheiratete Klägerin ist seit dem 30.04.2012 auf Grundlage eines schriftlichen Arbeitsvertrages als Produktionshelferin im Rahmen eines Leiharbeitsverhältnisses bei der Beklagten beschäftigt. Zwischen den Parteien wurde die Anwendbarkeit der zwischen dem IGZ e.V. und den unterzeichnenden Mitgliedsgewerkschaften des DGB vereinbarten Tarifverträge vereinbart Für ihre Tätigkeit erhielt die Klägerin zuletzt einen Stundenlohn von 8,19 € brutto. Wegen der Einzelheiten der arbeitsvertraglichen Regelungen wird auf BI. 10 ff. der Akte Bezug genommen.
4Die Klägerin wird seit Beginn des Arbeitsverhältnisses bei der metallverarbeitenden Firma ... eingesetzt.
5Unter dem 25.10.2012 füllte die Firma ... einen Fragebogen der Beklagten im Hinblick auf Branchenzuschläge aus und teilte dabei mit, dass Stammarbeitnehmer dieses Betriebes, in dem kein Tarifvertrag angewendet werde, als Helfer/in einen Bruttostundenlohn von 9,00 € erhielten. Wegen der Einzelheiten des Fragebogens wird auf Bl. 28f. der Akte Bezug genommen.
6Mit ihrer am 05.04.2013 bei Gericht eingegangenen Klage sowie mit Klageerweiterungsschriftsatz vom 18.06.2013 begehrt die Klägerin die Zahlung von Branchenzuschlägen für die Monate November 2012 bis März 2013.
7Die Klägerin ist dabei der Meinung, ihr stünden nach §§ 7 Abs. 2, 2 Abs. 3 des Tarifvertrages über Branchenzuschläge für Arbeitnehmerüberlassungen in der Metall-und Elektroindustrie (künftig: TV BZ ME) in Höhe von 15 % (November bis 14.12.2012) bzw. 20% (ab dem 15.12.2012) ihres jeweiligen Stundenlohns als Branchenzuschlag zu. Durch Vorlage des handschriftlich ausgefüllten Fragebogen (BI. 28f.) der Akte sei ein „Nachweis" des Kundenbetriebs über das regelmäßig gezahlte Stundenentgelt eines vergleichbaren Arbeitnehmers nicht erbracht. Auf Nachfrage der Kammer erläuterte der Klägervertreter, dass als Nachweis etwa eine Lohnabrechnung eines vergleichbaren Arbeitnehmers in Betracht komme.
8Die Klägerin beantragt,
91. die Beklagte zu verurteilen, einen Betrag in Höhe von 215,87 € brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 01.12.2012 als restlichen Arbeitslohn für den Monat November 2012 an sie zu zahlen;
102. die Beklagte zu verurteilen, einen Betrag in Höhe von 236,37 € brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 01.01.2013 als restlichen Arbeitslohn für den Monat Dezember 2012 an sie zu zahlen;
113. die Beklagte zu verurteilen, einen Betrag in Höhe von 300,53 € brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 01.02.2013 als restlichen Arbeitslohn für den Monat Januar 2013 an sie zu zahlen;
124. die Beklagte zu verurteilen, einen Betrag in Höhe von 241,49 € brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 01.03.2013 als restlichen Arbeitslohn für den Monat Februar
132013 an sie zu zahlen;
145. die Beklagte zu verurteilen, einen Betrag in Höhe von 139,81 € brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 01.04.2013 als restlichen Arbeitslohn für den Monat März 2013 an sie zu zahlen.
15Die Beklagte beantragt,
16die Klage abzuweisen
17Sie ist der Auffassung, die erteilte Auskunft des Kundenbetriebs sei hinreichend. Danach ergebe sich — was die Klägerin im Übrigen auch nicht bestreitet — kein Zahlungsanspruch. Unter Berücksichtigung der Deckelung durch Abzug eines Äquivalents zur durchschnittlichen Leistungszulage der Branche in Höhe von 10% des Vergleichslohn ergebe sich eine Bruttostundenvergütung von 8,10 € für Stammarbeitnehmer.
18Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien und der von ihnen geäußerten Rechtsauffassungen wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll des Kammertermins vom 11.09.2013 Bezug genommen.
19Entscheidungsgründe
20Die Klage ist unbegründet.
21Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zahlung von Branchenzuschlägen nach § 2 Abs. 3, 1./2. Spiegelstrich TV BZ ME.
221.
23Zwar ist der Geltungsbereich (räumlich/fachlich/persönlich) nach § 1 unstreitig eröff‑net. Ausweislich der Berechnungen der Beklagten erhält die Klägerin jedoch bereits
24einen im Vergleich zu den Stammarbeitnehmern höheren Stundenlohn. Dazu führt die Beklagte aus unter Bezugnahme auf § 2 Abs. 4 S. 1 TV BZ ME aus, dass der Branchenzuschlag auf die Differenz zum laufenden regelmäßig gezahlten Stundenentgelt eines vergleichbaren Arbeitnehmers des Kundenbetriebs beschränkt ist. Nach dem unbestrittenen Vortrag der Beklagten ist ausweislich der Vereinbarung zum Verhandlungsergebnis des Bundesarbeitgeberverbandes der Personaldienstleister e.V. (BAP), dem Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen e.V. (IGZ) und der IG Metall Vorstand vom 22.05.2012 ein Äquivalent zur durchschnittlichen Leistungszulage der Branche in Höhe von 10% in Ansatz zu bringen. Ausgehend von der Information durch die Firma ... vom 25.10.2012 verdient ein/e Stammarbeitnehmer/in als Helfer/in 9,00 € brutto pro Stunde. Abzüglich der zuvor benannten 10% ergibt sich ein Vergleichslohn von 8,10 €, den die Klägerin mit einer Vergütung von 8,19 € übersteigt. Die letztere Auslegung des Verhandlungsergebnisses vom 22.05.2012 erscheint zwar im Nachhinein vor dem Hintergrund der Protokollnotiz vom 07.09,2012 zum TV BZ ME zumindest fraglich, wurde indes von der Klägerin nicht in Abrede gestellt und mit der Kammer nicht problematisiert, so dass sie nicht Thema der Entscheidung ist.
252.
26Entgegen der Auffassung der Klägerin ist vorliegend weiter nicht die Frage entscheidend, ob die Beklagte die Höhe des Vergleichsentgelts unter Berücksichtigung tariflicher Bestimmungen der Klägerin hinreichend „nachgewiesen" hat. Dabei ist zu beachten, dass die tariflich normierte Nachweispflicht zunächst nur gegenüber dem Verleihbetrieb, also der Beklagten, und nicht gegenüber der Klägerin besteht. Fragerechte und Auskunftspflichten bestehen nur zwischen dem Zeitarbeitsunternehmen und dem Entleihbetrieb, weil auch nur zwischen diesen Parteien eine Rechtsbeziehung besteht. Eine direkte Rechtsbeziehung zwischen der Klägerin und dem Entleihbetrieb besteht hingegen nicht. Dass eine solche durch den TV BZ ME geschaffen werden sollte, ist nicht erkennbar. Auf welche Weise die Beklagte der Klägerin im vorliegenden Prozess zur Abwendung des Zahlungsanspruchs die Höhe des Vergleichslohns entgegen hält, bestimmt sich nach Meinung der Kammer allein nach prozessrechtlichen Regeln. Danach ist die Kopie des handschriftlich ausgefüllten Fragebogens zwar kein zulässiges Beweismittel im Sinne der §§ 371 ff ZPO. Eine Beweisaufnahme ist jedoch immer nur dann erforderlich, wenn ein Anspruch schlüs‑
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28sig dargelegt ist und ein konkretes Beweisthema existiert. Vorliegend ist die Beklagte dem Klageantrag der Klägerin durch Vorlage des ausgefüllten Fragebogens vom 25.10.2012 entgegengetreten. Der Klägerin hätte es nunmehr oblegen, substantiiert zu bestreiten, weshalb die dort getätigten Angaben nicht der Wirklichkeit entsprechen sollen. Dazu hätte sie etwa vortragen können, im Rahmen ihrer Arbeit bei dem Entleihbetrieb Kenntnis erlangt zu haben, dass ein/e Helfer/in tatsächlich einen höheren Stundenlohn als 9,00 € erzielt. Ein einfaches Bestreiten genügt insoweit jedenfalls nicht und erfolgt nach Auffassung der Kammer "ins Blaue". Im Ergebnis kann damit sogar dahinstehen, wer die Beweislast für die tatsächliche Höhe des Vergleichslohns trägt; zu wessen Lasten ein non-liquid mithin gehen würde.
29Indes erscheint es der Kammer nicht nachvollziehbar, weshalb etwa eine Lohnabrechnung der Klägerin als Nachweis genügen würde. Unabhängig von datenschutzrechtlichen Problemen ist auf einer Lohnabrechnung nicht zu erkennen, welche Tätigkeit der betreffende Arbeitnehmer ausführt. Ausgewiesen wäre lediglich ein bestimmtes Stundenentgelt für eine bestimmte Anzahl geleisteter Stunden. Ob es sich dabei aber um das Stundenentgelt eines vergleichbaren Mitarbeiters handelt, ist einer Abrechnung nicht zu entnehmen.
30Schlussendlich ist die erkennende Kammer der Meinung, dass der Kundenbetrieb durch die handschriftliche Ausfüllung des Fragebogens der Beklagten ihrer Nachweispflicht gegenüber der Beklagten nach § 4 Abs. 2 TV BZ ME nachgekommen ist. Der Begriff des „Nachweises" wird dabei in der bisherigen Literatur offenbar einhellig als „Informations- bzw. Auskunftspflicht" verstanden (vgl. etwa Nießen in BB 2013, 375 ff; Mehnert/Stubbe/Haber in BB 2013, 1269ff). Der handschriftliche ausgefüllte und unterzeichnete Fragebogen wird dieser Anforderung gerecht.
31II
32Die Kostenentscheidung beruht auf § 46 Abs. 2 ArbGG, §§ 91 ZPO. Die Klägerin hat als unterliegende Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
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Referenzen
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