Urteil vom Arbeitsgericht Karlsruhe - 2 Ca 126/03

Tenor

1. Es wird festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 26.02.2003 mit Ablauf des 31.05.2003 nicht beendet worden ist.

2. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluß des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Lagerarbeiter weiterzubeschäftigen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.

4. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.100,00 EUR festgesetzt.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich im vorliegenden Rechtsstreit gegen die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses der Parteien durch die Beklagte mit Schreiben vom 26.02.2003 zum 31.05.2003. Zudem begehrt er von der Beklagten die Weiterbeschäftigung als Lagerarbeiter zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen.
Die Beklagte ist als Logistik-Dienstleister für die Beschaffung, Disposition und Zulieferung von Bauteilen zur Produktion von digitalen ...-Fernmeldeanlagen sowie Leiterplatten-Bestückungsautomaten und die weltweite Auslieferung dieser Produkte verantwortlich, wofür sie mehr als 100 Mitarbeiter ausschließlich der zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten beschäftigt.
Der am 01.05.1972 geborene Kläger ist als schwerbehinderter Mensch mit einem Grad der Behinderung von 50 % anerkannt.
Am 21.08.1989 trat der Kläger in den Betrieb der Firma ... in Bruchsal ein, wo er als Packer in der Abteilung "Recycling" zum Einsatz kam. Dort war er damit betraut, gebrauchte Verpackungsmaterialien einer Wiederverwendung zuzuführen.
Seine durchschnittlichen monatlichen Bezüge beliefen sich zuletzt auf 1.700,00 EUR brutto bei einer Regelarbeitszeit von 35 Stunden/Woche.
Infolge der Ausgliederung des sogenannten "Dienste- und Logistikzentrums" der Firma ... am Standort Bruchsal auf die Rechtsvorgängerin der Beklagten am 29.09.2000 ist die Beklagte mittlerweile aufgrund des damit stattgefundenen Betriebsüberganges in die Arbeitgeberstellung gegenüber dem Kläger eingerückt.
Auf den Antrag der Beklagten vom 18.12.2002 erteilte der Landeswohlfahrtsverband Baden – Integrationsamt – mit Bescheid vom 03.02.2003, welcher den nunmehrigen Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 04.02.2003 zugestellt wurde, seine Zustimmung zu der von der Beklagten beabsichtigten betriebsbedingten ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses der Parteien (Bl. 88 ff. d. A.).
Gegen diese Entscheidung hat der Kläger Widerspruch erhoben, über den bislang noch nicht entschieden worden ist.
Mit Schreiben vom 26.02.2003 (Bl. 6 d. A.) kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien zum Ablauf des 31.05.2003.
10 
Die Beklagte begründet ihre Kündigung vom 26.02.2003 – vom Kläger insoweit unwidersprochen – wie folgt:
11 
Aufgrund der nachhaltig schlechten Auftragslage am Standort Bruchsal habe sich die Beklagte gezwungen gesehen, weitreichende Restrukturierungs- und Rationalisierungsmaßnahmen zu ergreifen. Die Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit sollte vor allem durch eine Personalkapazitätsanpassung sowie die Verlagerung des Betriebes der ... nach Karlsdorf erreicht werden.
12 
Im Zuge der damit verbundenen Betriebsänderung vereinbarte die Beklagte mit ihrem am Standort Bruchsal gewählten Betriebsrat am 27.11.2002 einen Interessenausgleich (Bl. 67 ff. d. A.) sowie einen dementsprechenden Sozialplan (Bl. 70 ff. d. A.).
13 
Insgesamt erstreckte sich der von der Beklagten angestrebte Personalabbau auf die Arbeitsverhältnisse von 66 der bei ihr beschäftigten 250 Mitarbeiter, darunter auch dasjenige des Klägers.
14 
Aufgrund der im neu errichteten Logistik-Center Karlsdorf bestehenden deutlich verbesserten Lagermöglichkeiten gegenüber den vorherigen Verhältnissen im Betrieb in Bruchsal konnten neue Vereinbarungen mit den Lieferanten der Beklagten geschlossen werden, wonach diese weniger verpackte und mehr unverpackte Waren liefern. Zum Teil kann überhaupt auf eine Verpackung der Waren verzichtet werden.
15 
Zudem verlagerte der Hauptlieferant der Beklagten, die Firma ... einen Teil ihrer im Ausland angesiedelten Produktion zurück nach Bruchsal. Der Verpackungsaufwand für den Transport der Güter von Bruchsal nach Karlsdorf ist wesentlich geringer als bei Verbringung der Waren aus dem Ausland nach Karlsdorf.
16 
Insgesamt werden von den Lieferanten der Beklagten mittlerweile mehr Kartons als Holzkisten verwendet. Diese Kartons werden von den Lieferanten in der Regel, im Gegensatz zu den Holzkisten, zurückgenommen.
17 
Bei der Durchführung der sozialen Auswahl orientierte sich die Beklagte bei der Gewichtung der maßgeblichen Kriterien Betriebszugehörigkeit, Lebensalter und gesetzliche Unterhaltspflichten an einem Punkteschema, dem sich jeweils noch eine Einzelfallbetrachtung in Form einer individuellen Abschlussprüfung zur Vermeidung unbilliger Härten anschloß (vgl. zu den Einzelheiten Bl. 85 d. A. "Anlage 1 zur Betriebsratsanhörung").
18 
Dabei erstreckte die Beklagte die Sozialauswahl auf die übrigen in der Abteilung "Recycling" beschäftigten Mitarbeiter. Von diesen als nicht vergleichbar mit dem Kläger stufte die Beklagte den dortigen Abteilungsleiter ein. Als vergleichbar mit dem Kläger erachtete sie zum einen Frau ... (geb. am ... betriebszugehörig seit ..., insgesamt nach Angaben der Beklagten 61 Sozialpunkte; mittlerweile ebenfalls gekündigt auf den 31.07.2003, von ihrer Verpflichtung zur Erbringung der Arbeitsleistung freigestellt ab 14.04.2003), zum anderen Herrn ... (geb. am ... verheiratet, betriebszugehörig seit ..., als schwerbehinderter Mensch anerkannt, insgesamt 108 Sozialpunkte). Im Ergebnis erschien der Kläger der Beklagten als am wenigsten sozial schutzwürdig, da der Kläger nur 46 Sozialpunkte für sich in Anspruch nehmen konnte.
19 
Mit Schreiben vom 12.12.2002, welches ..., Personalleiterin der Beklagten, dem Vorsitzenden des Betriebsrats, Herrn ..., noch am selben Tage aushändigte, setzte die Beklagte den Betriebsrat über die von ihr ursprünglich zum 31.03.2003 beabsichtigte ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses der Parteien sowie über die sie dazu veranlassenden Gründe in Kenntnis. Für die Einzelheiten des Anhörungsschreibens vom 12.12.2002 wird auf Bl. 109 ff. d. A. verwiesen.
20 
Anläßlich der Übergabe des in Rede stehenden Anhörungsschreibens erläuterte ... mündlich noch einmal die aus Sicht der Beklagten gegebenen Kündigungsgründe, insbesondere auch die individuellen, im Rahmen der Sozialauswahl zu berücksichtigenden Kriterien.
21 
Durch Schreiben vom 12.12.2002 (Bl. 87 d. A.), welches bei ... am 13.12.2002 einging, teilte der Betriebsrat der Beklagten mit, dass er zu der gegenüber dem Kläger beabsichtigten Kündigung keine Stellungnahme abgebe.
22 
In seiner Klage vom 11.03.2003, bei Gericht eingegangen am 12.03.2003, hat der Kläger die Rechtsunwirksamkeit der ordentlichen Kündigung der Beklagten mit Schreiben vom 26.02.2003 zum 31.05.2003 geltend gemacht.
23 
Er rügt die Ordnungsgemäßheit der von der Beklagten vor Ausspruch der Kündigung vom 26.02.2003 durchgeführten Betriebsratsanhörung.
24 
Zudem beanstandet er die von der Beklagten vorgenommene Sozialauswahl. Diese hätte ebenfalls auf die in der Versandpackerei beschäftigten Mitarbeiter ausgedehnt werden müssen.
25 
Er beantragt,
26 
1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 26.02.2003 nicht mit Ablauf des 31.05.2003 beendet worden ist,
27 
2. im Falle des Obsiegens mit dem Antrag zu 1 die Beklagte zu verurteilen, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Lagerarbeiter weiterzubeschäftigen.
28 
Die Beklagte beantragt,
29 
die Klage abzuweisen.
30 
Als Auswirkung der strukturellen Veränderungen in der Telekommunikationsbranche habe die ... in ihrer Netzwerksparte ... am Standort ... ca. 500 Arbeitsplätze abgebaut. Dieser erhebliche Rückgang des Geschäftsvolumens von ... führe auch bei der Beklagten zu einem dauerhaften Arbeitsausfall.
31 
Insgesamt sei der Umsatz der Beklagten von 2001 zu 2002 um 38 % zurückgegangen.
32 
Sie behauptet, vom Kläger bestritten, dass die Geschäftsleitung der Beklagten am 27.11.2002 die unternehmerische Entscheidung getroffen habe, dass in der Abteilung Recycling spätestens mit dem Umzug in das Logistik-Center ... anstelle von vier Mitarbeitern nur noch zwei Arbeitnehmer benötigt würden.
33 
Mit dem erfolgten Umzug der Abteilung "Recycling" nach ... sei auch der Arbeitsplatz des Klägers ersatzlos entfallen.
34 
Angesichts der veränderten Rahmenbedingungen für die Abteilung "Recycling" (bessere Lagermöglichkeiten, geringerer Verpackungsaufwand, kürzere Transportwege) sei nurmehr ungefähr die Hälfte an Verpackungsmaterial aufzubereiten. Dementsprechend habe sich der Beschäftigungsbedarf in der Abteilung "Recycling" auf die Hälfte reduziert.
35 
Die verbleibende Arbeitsmenge werde zukünftig von, statt wie bisher vier, zwei Mitarbeitern erbracht, ohne dass es bei diesen verbleibenden Mitarbeitern zu Mehrarbeit in nennenswertem Umfang komme.
36 
Die Beklagte trägt desweiteren vor, dass der Betriebsrat bereits vor Einleitung des förmlichen Anhörungsverfahrens aus den zeitnahen Interessenausgleichs- und Sozialplanverhandlungen über detaillierte Kenntnisse der von der Beklagten angestrebten betrieblichen Änderung verfügt habe, insbesondere sei Gegenstand der Verhandlungen im November 2002 auch eine konkrete abteilungsbezogene Erörterung mit dem Betriebsrat gewesen.
37 
Eine Austauschbarkeit des Klägers mit den Mitarbeitern der Versandpackerei sei von vorneherein nicht gegeben. Die Arbeiten in der Versandpackerei erforderten fundierte Kenntnisse der dort eingesetzten Anwendersoftware .... Über die entsprechenden Kenntnisse verfüge der Kläger nicht und könne diese auch nicht in einer der Beklagten zumutbaren Anlernzeit erlernen.
38 
Für die Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
39 
Die Klage hat in vollem Umfang Erfolg.
40 
Sie ist zulässig und begründet.
41 
I.
42 
Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 26.02.2003 nicht mit Ablauf des 31.05.2003 aufgelöst worden.
43 
Denn der Kündigung der Beklagten vom 26.02.2003 ist die Rechtswirksamkeit zu versagen.
44 
Sie ist sozial ungerechtfertigt i. S. v. § 1 Abs. 1 KSchG.
45 
1. Das Arbeitsverhältnis der Parteien unterfällt dem Anwendungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes, da es im Betrieb der Beklagten, die ständig mehr als fünf Arbeitnehmer ausschließlich der zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten beschäftigt, ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, §§ 1 Abs. 1, 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG.
46 
2. Die Kündigung vom 26.02.2003 ist sozial ungerechtfertigt, da sie nicht durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Klägers im Betrieb der Beklagten entgegenstehen, bedingt ist, § 1 Abs. 2 KSchG.
47 
Eine ordentliche arbeitgeberseitige Kündigung kann sowohl von außer- als auch von innerbetrieblichen Faktoren bestimmt sein. Unter innerbetrieblichen Faktoren sind alle betrieblichen Maßnahmen auf technischem, organisatorischem und wirtschaftlichem Gebiet zu verstehen, durch die der Arbeitgeber seine Entscheidung über die der Geschäftsführung zugrunde liegende Unternehmenspolitik im Hinblick auf den Markt oder hinsichtlich der unternehmensinternen Organisation des Betriebes und der Produktion verwirklicht. Bei innerbetrieblichen Faktoren trifft der Arbeitgeber eine Unternehmerentscheidung, die zur Folge hat, dass ein Überhang an Arbeitskräften herbeigeführt wird und damit das Bedürfnis für die Weiterbeschäftigung eines oder mehrerer Arbeitnehmer entfällt. Ob und ggf. welche innerbetrieblichen Maßnahmen der Arbeitgeber ergreift, um den sich ständig ändernden Marktdaten (z. B. Auftragslage, betriebliche Wettbewerbssituation, währungspolitische Aspekte, branchenspezifische Strukturänderungen) Rechnung zu tragen, liegt in dessen unternehmerischem Ermessen.
48 
Die betrieblichen Erfordernisse müssen "dringend" sein und eine Kündigung im Interesse des Betriebes notwendig machen. Diese weitere Voraussetzung ist erfüllt, wenn es dem Arbeitgeber nicht möglich ist, der betrieblichen Lage durch andere Maßnahmen auf technischem, organisatorischem oder wirtschaftlichem Gebiet als durch eine Kündigung zu entsprechen. Die Kündigung muss wegen der betrieblichen Lage unvermeidbar sein.
49 
Wenn sich der Arbeitgeber auf außerbetriebliche oder innerbetriebliche Umstände beruft, darf er sich nicht auf schlagwortartige Umschreibungen beschränken; er muss seine tatsächlichen Angaben vielmehr so im einzelnen darlegen, dass sie vom Arbeitnehmer mit Gegentatsachen bestritten und vom Gericht überprüft werden können. Bei Kündigungen aus innerbetrieblichen Gründen muss der Arbeitgeber darlegen, welche organisatorischen oder technischen Maßnahmen er angeordnet hat und wie sich die von ihm behaupteten Umstände unmittelbar oder mittelbar auf die Beschäftigungsmöglichkeit für den gekündigten Arbeitnehmer auswirken. Der Vortrag des Arbeitgebers muss erkennen lassen, ob durch eine innerbetriebliche Maßnahme oder durch einen ausserbetrieblichen Anlass das Bedürfnis der Beschäftigung des gekündigten Arbeitnehmers wegfällt.
50 
In Anbetracht des Grundsatzes der freien Unternehmerentscheidung sind innerbetriebliche Organisationsakte der gerichtlichen Nachprüfbarkeit nur eingeschränkt zugänglich. Von den Arbeitsgerichten voll nachzuprüfen ist, ob eine derartige unternehmerische Entscheidung tatsächlich vorliegt. Die Gerichte für Arbeitssachen sind allerdings nicht befugt, unternehmerische Entscheidungen auf ihre Zweckmäßigkeit und Notwendigkeit hin zu prüfen. Eine gerichtliche Überprüfung kann sich nur darauf erstrecken, ob die Unternehmerentscheidung offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist.
51 
Die Darlegungs- und Beweislast für die die Kündigung bedingenden Tatsachen trägt der Arbeitgeber, § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG.
52 
Die Beklagte hat sich zur Begründung der gegenüber dem Kläger ausgesprochenen Kündigung – von diesem bestritten – auf eine unternehmerische Entscheidung ihrer Geschäftsleitung vom 27.11.2002 berufen, dass in der Abteilung Recycling spätestens mit dem Umzug in das Logistik-Center ... anstelle von vier Mitarbeitern nur noch zwei Arbeitnehmer benötigt würden.
53 
Dabei kann im Ergebnis dahingestellt bleiben, ob die Beklagte damit überhaupt hinreichend konkret dargelegt hat, wann genau diese Entscheidung und durch wen (Beschluss aller Geschäftsführer?) im Betrieb getroffen worden sein soll.
54 
Denn selbst wenn man zugunsten der Beklagten die Richtigkeit ihres dahingehenden Sachvortrages unterstellen würde, würde die Darstellung einer entsprechenden unternehmerischen Entscheidung der Beklagten allein hier in der Sache nicht weiterhelfen. Denn es fehlt an nachprüfbaren Darlegungen, welche organisatorischen oder technischen Maßnahmen die Beklagte im einzelnen getroffen hat, die den Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit für den Kläger als dringend erforderlich im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG einsichtig machen und damit als nachprüfbar erscheinen lassen.
55 
Auch die Kündigung als solche ist eine Unternehmerentscheidung. Sie muss sich aber an den Vorschriften des Kündigungsschutzgesetzes messen lassen und ist deshalb keine freie Unternehmerentscheidung. Die Kündigung als Unternehmerentscheidung besagt nur, dass ein bestimmter Arbeitsplatz freigemacht werden soll. Sie sagt z. B. nichts darüber aus, ob der Arbeitsplatz nach der Kündigung alsbald wieder besetzt werden soll. Insoweit ist aus der Kündigungsentscheidung allein nicht ersichtlich, inwieweit das betriebliche Erfordernis zur Kündigung "dringend" sein soll. Keinesfalls darf sich daher die unternehmerische Entscheidung, auf die die Kündigung gestützt werden soll, in dem bloßen Kündigungsentschluss als solchem erschöpfen.
56 
Demgegenüber ist die Entscheidung eines Arbeitgebers, infolge eines aufgrund ausserbetrieblicher oder innerbetrieblicher Maßnahmen (Auftragsrückgang, bzw. Rationalisierungsmaßnahmen) rückläufigen Arbeitsvolumens Stellen abzubauen, eine Entscheidung, die zum Wegfall von Arbeitsplätzen führen und damit den entsprechenden Beschäftigungsbedarf entfallen lassen kann.
57 
Sind die vom Arbeitgeber behauptete Organisationsentscheidung und sein Kündigungsentschluss ohne nähere Konkretisierung praktisch deckungsgleich, d. h. sind neben dem Ausspruch der Kündigung gegenüber den betroffenem Arbeitnehmer sonstige Veränderungen der betrieblichen Abläufe nicht ohne Weiteres zu ersehen, kann die in ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes angenommene Vermutung, die Unternehmerentscheidung sei aus sachlichen Gründen erfolgt, nicht von vornherein greifen.
58 
In diesem Fällen muss der Arbeitgeber vielmehr darlegen, in welchem Umfang die fraglichen Arbeiten des von der Kündigung betroffenen Arbeitnehmers zukünftig im Vergleich zum bisherigen Zustand anfallen, d. h. es geht um die Darlegung einer näher konkretisierten Prognose der Entwicklung aufgrund ausserbetrieblicher Faktoren oder unternehmerischer Vorgaben, z. B. nur noch eine geringere Zahl von Aufträgen anzunehmen, und wie diese Arbeiten von dem verbliebenen Personal ohne überobligatorische Leistungen erledigt werden können.
59 
Der Arbeitgeber muss im Kündigungsschutzprozeß konkrete Angaben dazu machen, wie sich die Verringerung der Produktion auf die Arbeitsmenge auswirkt und in welchem Umfang dadurch ein konkreter Arbeitskräfteüberhang entsteht. Im Wege einer abgestuften Darlegungslast wäre es Sache des Arbeitnehmers, hierauf – soweit ihm dies – z. B. aufgrund seiner bisherigen Arbeit, möglich ist – zu erwidern. Dann wäre es wiederum Sache des Arbeitgebers, sich darauf weiter einzulassen. Der Arbeitgeber muss also substantiiert dartun, wie sich die Umsetzung seiner unternehmerischen Entscheidung auf die Beschäftigungsmöglichkeiten auswirkt. Nicht nur die durch äußere Anlässe bedingte, sondern auch die autonome gestaltende Unternehmerentscheidung muss sich in greifbaren betrieblichen und damit objektivierbaren Formen niederschlagen.
60 
Zusammenfassend ist zu sagen: Je näher die eigentliche Organisationsentscheidung an den Kündigungsentschluss rückt, um so mehr muss der Arbeitgeber durch Tatsachenvortrag verdeutlichen, dass ein Beschäftigungsbedürfnis für den Arbeitnehmer entfallen ist (vgl. zum Ganzen: BAG, Urteil vom 17.06.1999 – 2 AZR 141/99 –, in: AP Nr. 101 zu § 1 KSchG 1969 betriebsbedingte Kündigung).
61 
Den Anforderungen an ihre diesbezügliche Darlegungs- und Beweislast ist die Beklagte vorliegendenfalls nicht gerecht geworden. Sie hat nicht substantiiert dargelegt, dass bei Umsetzung ihrer Unternehmerentscheidung der Bedarf für die Beschäftigung des Klägers in Wegfall geraten ist.
62 
Zwar ist der Beklagten insoweit zuzugeben, dass das von ihr geschilderte Bündel von Organisationsänderungen (bessere Lagermöglichkeiten am Standort ... nach Einrichtung des dortigen Logistik-Centers, Änderungen in den vertraglichen Vereinbarungen mit den Lieferanten bezüglich der Verpackung der zu transportierenden Güter) Synergie- und Rationalisierungseffekte mit sich gebracht haben dürfte, die auf einen sich daraus ergebenden rückläufigen Arbeitsbedarf in der in Rede stehenden Abteilung hindeuten.
63 
Doch ist für die erkennende Kammer aus dem Sachvortrag der Beklagten nicht ohne Weiteres nachvollziehbar, wie sich die innerbetrieblichen Umstrukturierungen konkret auf die vorhandene Arbeitsmenge auswirken und wieso daraus gerade ein Überhang an Arbeitskraft von zwei Vollzeitbeschäftigten in der Abteilung "Recycling" entstanden sein soll.
64 
So hat es die Beklagte verabsäumt, die Arbeitsabläufe in der in Rede stehenden Abteilung detailliert darzustellen. Darüber hinaus fehlen Darlegungen der Beklagten, welche tatsächlichen Gegebenheiten ihrer Einschätzung zugrunde liegen, dass der Anfall an Verpackungsmaterial um 50 % zurückgegangen sein soll. Insbesondere ist nicht zu ersehen, ob sich die Prozentangabe auf die Anzahl der einzelnen Verpackungen oder auf deren Volumen bezieht. Nur wenn die Kammer in die Lage versetzt worden wäre, eine Beziehung zwischen den konkreten Arbeitsabläufen und der anfallenden Menge an Verpackungsmaterial herzustellen, könnte die Kammer nachvollziehen, ob tatsächlich der Beschäftigungsbedarf für zwei von vier Mitarbeiter in der Abteilung "Recycling" in Wegfall geraten wäre. Denn die bloße, zudem vom Kläger bestrittene, Angabe der Beklagten, der Anfall an Verpackungsmaterial sei um 50 % zurückgegangen, rechtfertigt die entsprechende Schlussfolgerung nicht. Denn sollten etwa von der absoluten Zahl her tatsächlich nurmehr die Hälfte der Verpackungen anfallen, es sich dabei aber um kleine Verpackungseinheiten handeln (z. B. kleine Kartons), während demgegenüber die großflächigen Verpackungen nach wie vor in unverändertem Umfang vorhanden wären, wäre der Rückgang des Verpackungsmaterials um 50 % nicht zwangsläufig gleichbedeutend mit einer entsprechenden Reduzierung des Arbeitskräftebedarfes.
65 
Somit sind keine ausreichenden objektiven Anhaltspunkte dafür dargetan, dass sich der Arbeitsbedarf in der Abteilung "Recycling" von bislang vier Arbeitnehmern (= 100 %) gerade auf zwei Arbeitnehmer (= 50 %) verringert haben soll.
66 
Damit ist aus dem Sachvortrag der Beklagten nicht zu entnehmen, ob es sich bei der von der Beklagten angeführten unternehmerischen Entscheidung zur Beschäftigung von zwei statt bisher vier Arbeitnehmern in der Abteilung "Recycling" nicht um eine offenbar unsachliche, unvernünftige oder willkürliche Maßnahme handelt, welche organisatorischen oder technischen Maßnahmen die Beklagte konkret angeordnet hat und wie sich die von ihr behaupteten Umstände unmittelbar oder mittelbar auf die Beschäftigungsmöglichkeit für den Kläger auswirken.
67 
Folglich kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Kündigung der Beklagten vom 26.02.2003 durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Klägers im Betrieb der Beklagten entgegenstehen, bedingt ist.
68 
Da die Kündigung der Beklagten vom 26.02.2003 also schon mangels dringender betrieblicher Erfordernisse sozial ungerechtfertigt ist, bedarf es keiner eingehenden Auseinandersetzung mit den Fragen, inwieweit die Beklagte bei der Auswahl des Klägers soziale Gesichtspunkte nach § 1 Abs. 3 KSchG ausreichend berücksichtigt hat und ob die Beteiligung des im Betrieb der Beklagten gewählten Betriebsrates vor Ausspruch der Kündigung gegenüber dem Kläger ordnungsgemäß war.
69 
Zusammenfassend steht somit fest, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 26.02.2003 nicht mit Ablauf des 31.05.2003 aufgelöst worden ist.
70 
II.
71 
Die Beklagte ist verpflichtet, den Kläger zu den bisherigen Arbeitsbedingungen als Lagerarbeiter bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsrechtsstreites weiterzubeschäftigen.
72 
Der gekündigte Arbeitnehmer hat nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes einen arbeitsvertragsrechtlichen Anspruch auf vertragsgemäße Beschäftigung über den Ablauf der Kündigungsfrist hinaus bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzprozesses, wenn die Kündigung, wie hier, unwirksam ist und überwiegende schutzwerte Interessen des Arbeitgebers einer solchen Beschäftigung nicht entgegenstehen. Für letztere Konstellation hat die Beklagte nichts vorgetragen.
73 
Nach alledem war der Klage in vollem Umfang stattzugeben.
74 
III.
75 
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 91 Abs. 1 ZPO.
76 
Der Rechtsmittelstreitwert gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG war auf 5.100,00 EUR festzusetzen. Für das Bestandsschutzbegehren des Klägers sind nach § 12 Abs. 7 Satz 1 ArbGG insoweit drei durchschnittliche Bruttomonatsvergütungen zu 1.700,00 EUR in Ansatz zu bringen, da das Beschäftigungsverhältnis der Parteien, dessen unbefristete Fortsetzung der Kläger vorliegend geltend gemacht hat, im maßgeblichen Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung bereits länger als ein Jahr bestanden hatte.
77 
Das Weiterbeschäftigungsbegehren des Klägers wirkt sich nicht als streitwerterhöhend aus, da das Interesse des Klägers am diesbezüglichen Obsiegen wirtschaftlich identisch mit dem Gegenstand des Bestandsschutzverfahrens ist.

Gründe

 
39 
Die Klage hat in vollem Umfang Erfolg.
40 
Sie ist zulässig und begründet.
41 
I.
42 
Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 26.02.2003 nicht mit Ablauf des 31.05.2003 aufgelöst worden.
43 
Denn der Kündigung der Beklagten vom 26.02.2003 ist die Rechtswirksamkeit zu versagen.
44 
Sie ist sozial ungerechtfertigt i. S. v. § 1 Abs. 1 KSchG.
45 
1. Das Arbeitsverhältnis der Parteien unterfällt dem Anwendungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes, da es im Betrieb der Beklagten, die ständig mehr als fünf Arbeitnehmer ausschließlich der zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten beschäftigt, ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, §§ 1 Abs. 1, 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG.
46 
2. Die Kündigung vom 26.02.2003 ist sozial ungerechtfertigt, da sie nicht durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Klägers im Betrieb der Beklagten entgegenstehen, bedingt ist, § 1 Abs. 2 KSchG.
47 
Eine ordentliche arbeitgeberseitige Kündigung kann sowohl von außer- als auch von innerbetrieblichen Faktoren bestimmt sein. Unter innerbetrieblichen Faktoren sind alle betrieblichen Maßnahmen auf technischem, organisatorischem und wirtschaftlichem Gebiet zu verstehen, durch die der Arbeitgeber seine Entscheidung über die der Geschäftsführung zugrunde liegende Unternehmenspolitik im Hinblick auf den Markt oder hinsichtlich der unternehmensinternen Organisation des Betriebes und der Produktion verwirklicht. Bei innerbetrieblichen Faktoren trifft der Arbeitgeber eine Unternehmerentscheidung, die zur Folge hat, dass ein Überhang an Arbeitskräften herbeigeführt wird und damit das Bedürfnis für die Weiterbeschäftigung eines oder mehrerer Arbeitnehmer entfällt. Ob und ggf. welche innerbetrieblichen Maßnahmen der Arbeitgeber ergreift, um den sich ständig ändernden Marktdaten (z. B. Auftragslage, betriebliche Wettbewerbssituation, währungspolitische Aspekte, branchenspezifische Strukturänderungen) Rechnung zu tragen, liegt in dessen unternehmerischem Ermessen.
48 
Die betrieblichen Erfordernisse müssen "dringend" sein und eine Kündigung im Interesse des Betriebes notwendig machen. Diese weitere Voraussetzung ist erfüllt, wenn es dem Arbeitgeber nicht möglich ist, der betrieblichen Lage durch andere Maßnahmen auf technischem, organisatorischem oder wirtschaftlichem Gebiet als durch eine Kündigung zu entsprechen. Die Kündigung muss wegen der betrieblichen Lage unvermeidbar sein.
49 
Wenn sich der Arbeitgeber auf außerbetriebliche oder innerbetriebliche Umstände beruft, darf er sich nicht auf schlagwortartige Umschreibungen beschränken; er muss seine tatsächlichen Angaben vielmehr so im einzelnen darlegen, dass sie vom Arbeitnehmer mit Gegentatsachen bestritten und vom Gericht überprüft werden können. Bei Kündigungen aus innerbetrieblichen Gründen muss der Arbeitgeber darlegen, welche organisatorischen oder technischen Maßnahmen er angeordnet hat und wie sich die von ihm behaupteten Umstände unmittelbar oder mittelbar auf die Beschäftigungsmöglichkeit für den gekündigten Arbeitnehmer auswirken. Der Vortrag des Arbeitgebers muss erkennen lassen, ob durch eine innerbetriebliche Maßnahme oder durch einen ausserbetrieblichen Anlass das Bedürfnis der Beschäftigung des gekündigten Arbeitnehmers wegfällt.
50 
In Anbetracht des Grundsatzes der freien Unternehmerentscheidung sind innerbetriebliche Organisationsakte der gerichtlichen Nachprüfbarkeit nur eingeschränkt zugänglich. Von den Arbeitsgerichten voll nachzuprüfen ist, ob eine derartige unternehmerische Entscheidung tatsächlich vorliegt. Die Gerichte für Arbeitssachen sind allerdings nicht befugt, unternehmerische Entscheidungen auf ihre Zweckmäßigkeit und Notwendigkeit hin zu prüfen. Eine gerichtliche Überprüfung kann sich nur darauf erstrecken, ob die Unternehmerentscheidung offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist.
51 
Die Darlegungs- und Beweislast für die die Kündigung bedingenden Tatsachen trägt der Arbeitgeber, § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG.
52 
Die Beklagte hat sich zur Begründung der gegenüber dem Kläger ausgesprochenen Kündigung – von diesem bestritten – auf eine unternehmerische Entscheidung ihrer Geschäftsleitung vom 27.11.2002 berufen, dass in der Abteilung Recycling spätestens mit dem Umzug in das Logistik-Center ... anstelle von vier Mitarbeitern nur noch zwei Arbeitnehmer benötigt würden.
53 
Dabei kann im Ergebnis dahingestellt bleiben, ob die Beklagte damit überhaupt hinreichend konkret dargelegt hat, wann genau diese Entscheidung und durch wen (Beschluss aller Geschäftsführer?) im Betrieb getroffen worden sein soll.
54 
Denn selbst wenn man zugunsten der Beklagten die Richtigkeit ihres dahingehenden Sachvortrages unterstellen würde, würde die Darstellung einer entsprechenden unternehmerischen Entscheidung der Beklagten allein hier in der Sache nicht weiterhelfen. Denn es fehlt an nachprüfbaren Darlegungen, welche organisatorischen oder technischen Maßnahmen die Beklagte im einzelnen getroffen hat, die den Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit für den Kläger als dringend erforderlich im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG einsichtig machen und damit als nachprüfbar erscheinen lassen.
55 
Auch die Kündigung als solche ist eine Unternehmerentscheidung. Sie muss sich aber an den Vorschriften des Kündigungsschutzgesetzes messen lassen und ist deshalb keine freie Unternehmerentscheidung. Die Kündigung als Unternehmerentscheidung besagt nur, dass ein bestimmter Arbeitsplatz freigemacht werden soll. Sie sagt z. B. nichts darüber aus, ob der Arbeitsplatz nach der Kündigung alsbald wieder besetzt werden soll. Insoweit ist aus der Kündigungsentscheidung allein nicht ersichtlich, inwieweit das betriebliche Erfordernis zur Kündigung "dringend" sein soll. Keinesfalls darf sich daher die unternehmerische Entscheidung, auf die die Kündigung gestützt werden soll, in dem bloßen Kündigungsentschluss als solchem erschöpfen.
56 
Demgegenüber ist die Entscheidung eines Arbeitgebers, infolge eines aufgrund ausserbetrieblicher oder innerbetrieblicher Maßnahmen (Auftragsrückgang, bzw. Rationalisierungsmaßnahmen) rückläufigen Arbeitsvolumens Stellen abzubauen, eine Entscheidung, die zum Wegfall von Arbeitsplätzen führen und damit den entsprechenden Beschäftigungsbedarf entfallen lassen kann.
57 
Sind die vom Arbeitgeber behauptete Organisationsentscheidung und sein Kündigungsentschluss ohne nähere Konkretisierung praktisch deckungsgleich, d. h. sind neben dem Ausspruch der Kündigung gegenüber den betroffenem Arbeitnehmer sonstige Veränderungen der betrieblichen Abläufe nicht ohne Weiteres zu ersehen, kann die in ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes angenommene Vermutung, die Unternehmerentscheidung sei aus sachlichen Gründen erfolgt, nicht von vornherein greifen.
58 
In diesem Fällen muss der Arbeitgeber vielmehr darlegen, in welchem Umfang die fraglichen Arbeiten des von der Kündigung betroffenen Arbeitnehmers zukünftig im Vergleich zum bisherigen Zustand anfallen, d. h. es geht um die Darlegung einer näher konkretisierten Prognose der Entwicklung aufgrund ausserbetrieblicher Faktoren oder unternehmerischer Vorgaben, z. B. nur noch eine geringere Zahl von Aufträgen anzunehmen, und wie diese Arbeiten von dem verbliebenen Personal ohne überobligatorische Leistungen erledigt werden können.
59 
Der Arbeitgeber muss im Kündigungsschutzprozeß konkrete Angaben dazu machen, wie sich die Verringerung der Produktion auf die Arbeitsmenge auswirkt und in welchem Umfang dadurch ein konkreter Arbeitskräfteüberhang entsteht. Im Wege einer abgestuften Darlegungslast wäre es Sache des Arbeitnehmers, hierauf – soweit ihm dies – z. B. aufgrund seiner bisherigen Arbeit, möglich ist – zu erwidern. Dann wäre es wiederum Sache des Arbeitgebers, sich darauf weiter einzulassen. Der Arbeitgeber muss also substantiiert dartun, wie sich die Umsetzung seiner unternehmerischen Entscheidung auf die Beschäftigungsmöglichkeiten auswirkt. Nicht nur die durch äußere Anlässe bedingte, sondern auch die autonome gestaltende Unternehmerentscheidung muss sich in greifbaren betrieblichen und damit objektivierbaren Formen niederschlagen.
60 
Zusammenfassend ist zu sagen: Je näher die eigentliche Organisationsentscheidung an den Kündigungsentschluss rückt, um so mehr muss der Arbeitgeber durch Tatsachenvortrag verdeutlichen, dass ein Beschäftigungsbedürfnis für den Arbeitnehmer entfallen ist (vgl. zum Ganzen: BAG, Urteil vom 17.06.1999 – 2 AZR 141/99 –, in: AP Nr. 101 zu § 1 KSchG 1969 betriebsbedingte Kündigung).
61 
Den Anforderungen an ihre diesbezügliche Darlegungs- und Beweislast ist die Beklagte vorliegendenfalls nicht gerecht geworden. Sie hat nicht substantiiert dargelegt, dass bei Umsetzung ihrer Unternehmerentscheidung der Bedarf für die Beschäftigung des Klägers in Wegfall geraten ist.
62 
Zwar ist der Beklagten insoweit zuzugeben, dass das von ihr geschilderte Bündel von Organisationsänderungen (bessere Lagermöglichkeiten am Standort ... nach Einrichtung des dortigen Logistik-Centers, Änderungen in den vertraglichen Vereinbarungen mit den Lieferanten bezüglich der Verpackung der zu transportierenden Güter) Synergie- und Rationalisierungseffekte mit sich gebracht haben dürfte, die auf einen sich daraus ergebenden rückläufigen Arbeitsbedarf in der in Rede stehenden Abteilung hindeuten.
63 
Doch ist für die erkennende Kammer aus dem Sachvortrag der Beklagten nicht ohne Weiteres nachvollziehbar, wie sich die innerbetrieblichen Umstrukturierungen konkret auf die vorhandene Arbeitsmenge auswirken und wieso daraus gerade ein Überhang an Arbeitskraft von zwei Vollzeitbeschäftigten in der Abteilung "Recycling" entstanden sein soll.
64 
So hat es die Beklagte verabsäumt, die Arbeitsabläufe in der in Rede stehenden Abteilung detailliert darzustellen. Darüber hinaus fehlen Darlegungen der Beklagten, welche tatsächlichen Gegebenheiten ihrer Einschätzung zugrunde liegen, dass der Anfall an Verpackungsmaterial um 50 % zurückgegangen sein soll. Insbesondere ist nicht zu ersehen, ob sich die Prozentangabe auf die Anzahl der einzelnen Verpackungen oder auf deren Volumen bezieht. Nur wenn die Kammer in die Lage versetzt worden wäre, eine Beziehung zwischen den konkreten Arbeitsabläufen und der anfallenden Menge an Verpackungsmaterial herzustellen, könnte die Kammer nachvollziehen, ob tatsächlich der Beschäftigungsbedarf für zwei von vier Mitarbeiter in der Abteilung "Recycling" in Wegfall geraten wäre. Denn die bloße, zudem vom Kläger bestrittene, Angabe der Beklagten, der Anfall an Verpackungsmaterial sei um 50 % zurückgegangen, rechtfertigt die entsprechende Schlussfolgerung nicht. Denn sollten etwa von der absoluten Zahl her tatsächlich nurmehr die Hälfte der Verpackungen anfallen, es sich dabei aber um kleine Verpackungseinheiten handeln (z. B. kleine Kartons), während demgegenüber die großflächigen Verpackungen nach wie vor in unverändertem Umfang vorhanden wären, wäre der Rückgang des Verpackungsmaterials um 50 % nicht zwangsläufig gleichbedeutend mit einer entsprechenden Reduzierung des Arbeitskräftebedarfes.
65 
Somit sind keine ausreichenden objektiven Anhaltspunkte dafür dargetan, dass sich der Arbeitsbedarf in der Abteilung "Recycling" von bislang vier Arbeitnehmern (= 100 %) gerade auf zwei Arbeitnehmer (= 50 %) verringert haben soll.
66 
Damit ist aus dem Sachvortrag der Beklagten nicht zu entnehmen, ob es sich bei der von der Beklagten angeführten unternehmerischen Entscheidung zur Beschäftigung von zwei statt bisher vier Arbeitnehmern in der Abteilung "Recycling" nicht um eine offenbar unsachliche, unvernünftige oder willkürliche Maßnahme handelt, welche organisatorischen oder technischen Maßnahmen die Beklagte konkret angeordnet hat und wie sich die von ihr behaupteten Umstände unmittelbar oder mittelbar auf die Beschäftigungsmöglichkeit für den Kläger auswirken.
67 
Folglich kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Kündigung der Beklagten vom 26.02.2003 durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Klägers im Betrieb der Beklagten entgegenstehen, bedingt ist.
68 
Da die Kündigung der Beklagten vom 26.02.2003 also schon mangels dringender betrieblicher Erfordernisse sozial ungerechtfertigt ist, bedarf es keiner eingehenden Auseinandersetzung mit den Fragen, inwieweit die Beklagte bei der Auswahl des Klägers soziale Gesichtspunkte nach § 1 Abs. 3 KSchG ausreichend berücksichtigt hat und ob die Beteiligung des im Betrieb der Beklagten gewählten Betriebsrates vor Ausspruch der Kündigung gegenüber dem Kläger ordnungsgemäß war.
69 
Zusammenfassend steht somit fest, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 26.02.2003 nicht mit Ablauf des 31.05.2003 aufgelöst worden ist.
70 
II.
71 
Die Beklagte ist verpflichtet, den Kläger zu den bisherigen Arbeitsbedingungen als Lagerarbeiter bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsrechtsstreites weiterzubeschäftigen.
72 
Der gekündigte Arbeitnehmer hat nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes einen arbeitsvertragsrechtlichen Anspruch auf vertragsgemäße Beschäftigung über den Ablauf der Kündigungsfrist hinaus bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzprozesses, wenn die Kündigung, wie hier, unwirksam ist und überwiegende schutzwerte Interessen des Arbeitgebers einer solchen Beschäftigung nicht entgegenstehen. Für letztere Konstellation hat die Beklagte nichts vorgetragen.
73 
Nach alledem war der Klage in vollem Umfang stattzugeben.
74 
III.
75 
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 91 Abs. 1 ZPO.
76 
Der Rechtsmittelstreitwert gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG war auf 5.100,00 EUR festzusetzen. Für das Bestandsschutzbegehren des Klägers sind nach § 12 Abs. 7 Satz 1 ArbGG insoweit drei durchschnittliche Bruttomonatsvergütungen zu 1.700,00 EUR in Ansatz zu bringen, da das Beschäftigungsverhältnis der Parteien, dessen unbefristete Fortsetzung der Kläger vorliegend geltend gemacht hat, im maßgeblichen Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung bereits länger als ein Jahr bestanden hatte.
77 
Das Weiterbeschäftigungsbegehren des Klägers wirkt sich nicht als streitwerterhöhend aus, da das Interesse des Klägers am diesbezüglichen Obsiegen wirtschaftlich identisch mit dem Gegenstand des Bestandsschutzverfahrens ist.

Verwandte Urteile

Keine verwandten Inhalte vorhanden.

Referenzen

This content does not contain any references.