Urteil vom Arbeitsgericht Köln - 8 Ca 9872/09
Tenor
1. Die Klage wird kostenpflichtig abgewiesen.
2. Streitwert: 28.000,00 Euro.
1
Tatbestand
2Die Parteien streiten über einen Unterlassungsanspruch und eine Entschädigungszahlung.
3Der Beklagte unterhält in der .., dabei befaßt er sich insbesondere mit der Betreuung aufgrund Vergewaltigung traumatisierter Frauen in solchen Gebieten weltweit. Er veröffentlichte in der Zeitung .. vom eine Stellenanzeige für die Position der " ", wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zur Klage angelegte Ablichtung der Anzeige verwiesen.
4Der Kläger ist und bewarb sich mit Schreiben vom 8. Februar 2009 unter Hinweis auf seine Tätigkeit als . auf die vom Beklagten ausgeschriebene Position. Der Beklagte teilte ihm mit Schreiben vom 28. Mai 2009 mit, er habe sich "für eine/n andere/n Bewerber/in" entschieden. Mit Schreiben vom 24. Juli 2009 forderte der Kläger den Beklagten zur Entschädigungszahlung auf. Sodann hat er am 21. Oktober 2009 das vorliegende Verfahren anhängig gemacht.
5Er meint, der Beklagte habe ihn "massivst" in einem der elementarsten Grund- bzw. Menschenrechte, nämlich der Gleichbehandlung von Mann und Frau verletzt, so daß die Entschädigung nicht unter vier Monatsgehältern von ihm mit mindestens 6.000,00 angesetzt - liegen dürfte. Aufgrund seiner umfangreichen Qualifikationen sei davon auszugehen, daß er der bestqualifizierte Bewerber gewesen sei.
6Der Kläger beantragt,
71. den Beklagten zu verurteilen, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 , ersatzweise Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten zu unterlassen, Stellenbewerber im Auswahlverfahren für eine Stelle als .. wegen ihres Geschlechts zu benachteiligen,
82. den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger eine angemessene Entschädigung zu zahlen, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, die jedoch den Betrag von 24.000,00 nicht unterschreiten sollte nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 11.08.2009.
9Der Beklagte beantragt,
10die Klage abzuweisen.
11Er verweist auf seine besondere frauenspezifische Zielsetzung. Es sei für ihn bestandswichtig, insbesondere bezüglich seiner Glaubwürdigkeit und Authentizität, die Position der .., welcher die Gesamtleitung der Organisation und Vertretung nach außen sowie die Repräsentation und politische Lobbyarbeit obliege, mit einer Frau zu besetzen. Diese sei auch zuständig für die regelmäßig zu besuchenden Auslandsprojekte im , in .., ., .., . und im .. . Für die dort betreuten Frauen und die Mitarbeiterinnen vor Ort, die häufig durch Männergewalt traumatisiert seien, wäre es ein fatales Signal, würde die unterstützende Organisation von einem Mann geleitet. Hierdurch würden die Akzeptanz und das Vertrauen in die Organisation beschädigt.
12Im übrigen verweist er darauf, daß das Monatsgehalt der eingestellten .. 5.000,00 beträgt.
13Wegen der weiteren nach der gesetzlichen Vorgabe in § 313 Abs. 2 S. 1 ZPO knapp zusammengefaßten tatsächlichen und rechtlichen Argumentationen der Parteien wird gem. § 313 Abs. 2 S. 2 ZPO auf den Inhalt der im Verfahren gewechselten Schriftsätze nebst in Bezug genommener Anlagen sowie der Sitzungsniederschriften verwiesen.
14Die Parteien haben im Anschluß an die erfolglose Güteverhandlung vom 8. Dezember 2009 übereinstimmend eine Entscheidung durch die Vorsitzende als Einzelrichter beantragt und streitig zur Sache verhandelt.
15Entscheidungsgründe
16Die Klage ist wegen des trotz des Hinweises auf die Bedenken wegen der Zulässigkeit vom Kläger ausdrücklich aufrecht erhaltenen und zur Entscheidung gestellten Antrags zu 1.) bereits unzulässig, wegen des Antrags zu 2.) zwar zulässig, da aufgrund der materiellen Vorgabe in § 15 Abs. 2 AGG, welche einen unbestimmten, durch gerichtliche Entscheidung der Höhe nach zu konkretisierenden Geldanspruch gewährt, die unbezifferte Zahlungsklage ausnahmsweise den Anforderungen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO genügt, jedoch in der Sache unbegründet. Diese Bewertungen beruhen auf folgenden gemäß § 313 Abs. 3 ZPO kurz zusammengefaßten Erwägungen:
17Der Unterlassungsklage fehlt es bereits an der nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO geforderten hinreichenden Bestimmtheit. Diese ist bei einem Unterlassungsantrag nur dann gegeben, wenn er den geltend gemachten Anspruch konkret gegenständlich bezeichnet, den Rahmen der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis gem. § 308 Abs. 1 ZPO erkennbar abgrenzt, den Inhalt und den Umfang der materiellen Rechtskraft der begehrten Entscheidung nach § 322 Abs. 2 ZPO erkennen läßt, das Risiko des eventuellen Unterliegens der Klagepartei nicht durch vermeidbare Ungenauigkeit auf den Gegner abwälzt und zudem erwarten läßt, daß die Zwangsvollstreckung aus der Entscheidung ohne eine Fortsetzung des Streits im Vollstreckungsverfahren erfolgen kann. Der auf das Unterlassen der Benachteiligung von Stellenbewerbern im Auswahlverfahren für eine Stelle als .. wegen ihres Geschlechts gerichtete Antrag wird dieser Zulässigkeitsanforderung nicht gerecht, es ist nicht erkennbar, welche konkreten Handlungen des Beklagten und sonstige Maßnahmen "im Auswahlverfahren" durch den beantragte Titel verboten wären.
18Im übrigen fehlt dem Kläger in Bezug auf die Antragstellung zu 1.) das Rechtsschutzbedürfnis. Auch wenn der Gesetzgeber im Rahmen der Regelungen zum AGG die Ahndung von ihm als unerwünscht angesehener Verhaltensweisen von Arbeitgebern im Zusammenhang mit Stellenausschreibungen und Bewerbungsverfahren in die Hand von Privatpersonen gelegt hat, hat er als Mittel zur Durchsetzung seines Anliegens die Ansprüche nach § 15 Abs. 1 und 2 AGG geschaffen. Der letztgenannte Entschädigungsanspruch richtet sich jedenfalls im Fall des § 15 Abs. 2 S. 2 AGG gerade nicht auf den Ausgleich eines beim Anspruchsteller eingetretenen kausalen Vermögensschaden aufgrund der Nichteinstellung, sondern darauf, daß der beklagte Arbeitgeber für fehlerhaftes Verhalten im Ausschreibungs- und Bewerbungsverfahren bestraft und vor einer Wiederholung in der Zukunft abgeschreckt wird. Damit hat sich der AGG-Gesetzgeber unter Durchbrechung des grundlegenden Systems des zivilen Haftungsrechts und des Prinzips der Trennung von Schadensausgleich in bürgerlichen Rechtsbeziehungen einerseits sowie Bestrafung aufgrund öffentlichrechtlicher Verfolgung andererseits dazu entschlossen, vergleichbar dem Prinzip der punitive damages einem privaten Betroffenen selbst die Möglichkeit zu gewähren, sich durch Geltendmachung einer "Strafzahlung" für eine indizierte und nicht widerlegte Benachteiligung zu bereichern. Mit dieser Möglichkeit der Ahndung entsprechender Verfehlungen durch Geltendmachung des schadensunabhängigen Entschädigungsanspruchs und ggfs. der Ersatzforderung für einen weitergehenden kausalen Schaden sind die Ansprüche einzelner Betroffener umfassend abgedeckt, eines eigenständigen Unterlassungsanspruchs und dessen zivilprozessualer Titulierung in der Rechtsbeziehung des unterlegenen Bewerbers zum ausschreibenden Arbeitgeber bedarf es nicht.
19Der zulässige Leistungsantrag zu 2.) ist unbegründet, auch wenn der Kläger die Entschädigungsforderung innerhalb der in § 15 Abs. 4 S. 2 AGG genannten Frist von zwei Monaten nach Ablehnung der Bewerbung gegenüber dem Beklagten geltend gemacht, ebenso die sich anschließende dreimonatige Klagefrist gemäß § 61 b Abs. 1 ArbGG gewahrt hat. Der Anspruch ist jedoch nicht gegeben, auch wenn der Beklagte eindeutig gegen das aus §§ 11, 7 Abs. 1 i.V.m. 1 AGG folgende Gebot verstoßen hat, Arbeitsplätze geschlechtsneutral auszuschreiben und im übrigen unstreitig stellt, daß er auf der ausgeschriebenen Position ausschließlich Frauen einstellen und beschäftigen will, das heißt männliche Bewerber aufgrund ihres Geschlechts von der Auswahl ausnimmt damit entgegen der Vorgabe in §§ 7 Abs. 1 i.V.m. 1 AGG benachteiligt.
20Zum einen kommt die vom Kläger mit vier Monatsgehältern angesetzte Entschädigung nicht in Betracht, da er sich allenfalls auf § 15 Abs. 2 S. 2 AGG stützen kann. Ersichtlich kann sich der Kläger nicht darauf berufen, daß er im Falle einer geschlechtsneutralen Auswahl für die ausgeschriebene Position eingestellt worden wäre, denn die vom Beklagten geforderte mehrjährige einschlägige Berufspraxis in einer vergleichbaren Leitungsposition, idealerweise in einer NGO, hat er nicht. Eine Tätigkeit bei einem hat nichts mit der Aufgabenstellung in der einer zu tun. Auch ist ein Versicherungsunternehmen keine NGO (non-governmental organisation), dem Kläger fehlen demnach die spezifischen Erfahrungen in der Leitung einer demokratisch strukturierten, nicht nach Profit strebenden humanitären Organisation mit dem Ziel der Durchsetzung sozialer, politischer und feministischer Interessen.
21Aber auch der auf maximal drei Monatsgehälter beschränkte Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 S. 2 AGG ist nicht gegeben, auch wenn es hierfür ohne Relevanz ist, ob die benachteiligende, weil Männer ausschließende Ausschreibung im Ergebnis kausal für die Nichteinstellung des Klägers war. Denn der Entschädigungsanspruch nach 15 Abs. 2 S. 2 AGG soll bereits das Recht der Bewerber auf ein dikriminierungsfreies Bewerbungsverfahren schützen und kommt in Betracht, wenn hier diskriminierungsrelevante Fehler unterlaufen und die Chancen des Bewerbers hierdurch beinträchtigt worden sind, selbst wenn es im Ergebnis auch bei korrekter Ausschreibung und Auswahl nicht zur Einstellung gekommen wäre.
22Dem Beklagten war aber die mit der nur an Frauen gerichteten Stellenausschreibung verbundene objektive Benachteiligung von Männern gemäß § 8 Abs. 1 AGG gestattet. Nach dieser Vorgabe ist die unterschiedliche Behandlung u.a. wegen des Geschlechts zulässig, wenn die Geschlechtszugehörigkeit wegen der Art der auszuübenden Tätigkeit oder der Bedingung ihrer Ausübung "eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt". Durch diese Regelung hat der Gesetzgeber im Vergleich zur Vorgängerregelung in § 611 a BGB die Differenzierungsmöglichkeiten für den Arbeitgeber erweitert, denn nach dieser (§ 611 a Abs. 1 S. 2 BGB a.F.) war eine unterschiedliche Behandlung wegen des Geschlechts nur dann zulässig, wenn ein bestimmtes Geschlecht "unverzichtbare Voraussetzung" für die auszuübende Tätigkeit war. Aufgrund dieses besonderen Merkmals hat es die höchstrichterliche Rechtsprechung beispielsweise als unzulässig angesehen, daß die Stelle einer Gleichstellungsbeauftragten für eine Frau ausgeschrieben wurde, das weibliche Geschlecht sei eben nicht unverzichtbar für die dort anfallenden Tätigkeiten.
23Von diesem Merkmal der objektiv geschlechtsbezogenen "Unverzichtbarkeit" ist der Gesetzgeber des AGG jedoch abgerückt, d.h. er hat ggfs. als Ausgleich für die erheblichen Risiken, welche er durch Schaffung eines vermögensschadensunabhängigen Entschädigungsanspruchs für jeden potentiell Betroffenen den stellenausschreibenden Arbeitgebern auferlegt hat die Zulässigkeit unterschiedlicher Behandlungen wegen des Geschlechts in § 8 Abs. 1 AGG erweitert, indem er es ausreichen läßt, wenn die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Geschlecht eine "wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung" darstellt, diese Anforderung angemessen ist und einem rechtmäßigen Zweck dient. Nachdem bereits zum früheren Rechtszustand ("unverzichtbare Voraussetzung") die Ausschreibung der Stelle der Geschäftsführerin eines Frauenverbandes für eine Frau als zulässig angesehen wurde, konnte die Kammer bei Zugrundelegen der jetzt geltenden Anforderungen der Bewertung des Beklagten folgen, daß die Zugehörigkeit zum weiblichen Geschlecht eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung bei der Besetzung der Position seiner Geschäftsführerin darstellt. Der Beklagte befaßt sich in seiner Aufgabenstellung nur mit Frauen, welche durch männliche Gewalt beschädigt wurden. Es ist angesichts seiner Zielsetzung für seine Authentizität unabdingbar, daß sein ihn nach innen und außen repräsentierendes .. aus Frauen besteht. Gerade in seiner Tätigkeit in afrikanischen und vorderasiatischen Regionen würde er mit dem Einsatz männlicher Repräsentanten seine Glaubwürdigkeit verlieren. Das unternehmerische Konzept des Beklagten, der sich der feministischen Bewegung zugehörig sieht, besteht darin, daß ausschließlich Frauen im Interesse der betreuten Frauen und Mädchen arbeiten, die Zugehörigkeit zu diesem Geschlecht ist danach eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung für die Tätigkeit auch in der . des Beklagten. Von dieser Konzeption, die einem rechtmäßigen Zweck dient und angemessen ist, braucht der Beklagte nicht abzukehren und sich letztlich auch nicht die Position des Klägers zu eigen zu machen, daß die Einstellung eines Mannes ein politischen Signal sein könne, wonach eben kein geschlechtsspezifisches Problem des Mannes sondern ein kulturelles Problem bzw. charakterliches Problem einzelner Männer sei.
24Da der Beklagte aufgrund der von ihm gemäß § 8 Abs. 1 AGG rechtmäßigerweise vorgegebenen besonderen beruflichen Anforderungen für die die Stelle entgegen § 11 AGG ausschließlich für weibliche Bewerber ausschreiben durfte, kommt ein Entschädigungsanspruch des Klägers als abgelehnter männlicher Bewerber nicht in Betracht, so daß die Forderung auch wegen des Zahlungsantrags zu 2.) schon dem Grunde nach nicht besteht.
25Aufgrund des umfassenden Unterliegens des Klägers ergibt sich aus § 91 Abs. 1 ZPO zugleich seine Kostenlast. Die Streitwertfestsetzung nach der Anordnung des § 61 Abs. 1 ArbGG erfolgte gemäß §§ 3, 4, 5 ZPO, dabei wurde der Wert des eigenständigen Unterlassungsantrags in Anlehnung an den Betrag des sgn. Regelstreitwerts bemessen, der Zahlungsantrag mit dem Betrag der vom Kläger angegebenen Minimalforderung.
26- Rechtsmittelbelehrung
Gegen dieses Urteil kann der Kläger
28Berufung
29eingelegen, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 600,00 übersteigt,
30Für den Beklagten ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.
31Die Berufung ist beim Landesarbeitsgericht Köln, Blumenthalstraße 33, 50670 Köln, einzulegen. Die Berufungsschrift muß von einem bei einem deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet werden; an seine Stelle können Vertreter von Gewerkschaften oder von Vereinigungen von Arbeitgebern oder von Zusammenschlüssen solcher Verbände treten, wenn sie kraft Satzung oder Vollmacht zur Vertretung befugt sind und der Zusammenschluß, der Verband oder deren Mitglieder Partei sind.
32Die Berufungsschrift muß binnen einer Notfrist (eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden) von einem Monat nach Zustellung des Urteils beim Landesarbeitsgericht eingegangen sein. Die Berufung ist gleichzeitig oder innerhalb eines weiteren Monats nach Eingang der Berufung bei Gericht in gleicher Form schriftlich zu begründen.
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Referenzen
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