Urteil vom Arbeitsgericht Köln - 9 Ca 245/13
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Der Streitwert beträgt EUR 765,00.
1
T a t b e s t a n d:
2Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung ihres Vertragsverhältnisses durch die Beklagte.
3Die schwerbehinderte Klägerin und …………………………… hatten durch Vertrag vom ………………… vereinbart, dass die Klägerin bei dem ……………………….. vom 1.6.2012 bis zum 31.5.2013 Bundesfreiwilligendienst leisten würde. Vereinbart war ein monatliches Taschengeld in Höhe von 165,00 EUR zuzüglich Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 90,00 EUR. Nach Ablauf einer sechswöchigen Probezeit sollte die Vereinbarung mit einer Frist von vier Wochen zum Fünfzehnten oder zum Ende des Kalendermonats gekündigt werden können. Mit Schreiben vom 18.12.2012 kündigte die Beklagte die Vereinbarung über die Ableistung des Bundesfreiwilligendienstes ordentlich zum 31.1.2013. Mit ihrer Klage setzt die Klägerin sich gegen diese Kündigung zur Wehr.
4Sie ist der Auffassung, dass die Kündigung unberechtigt sei. Es sei diskriminierend, wenn die Beklagte die Kündigung darauf stütze, dass sie keine körperlich anstrengenden Tätigkeiten ausüben könne. Außerdem sei die Kündigung unmittelbar nach der Bewilligung einer Reha-Maßnahme erfolgt. Darüber hinaus fehle es an der notwendigen Zustimmung des Integrationsamtes.
5Die Klägerin beantragt,
6festzustellen, dass die Vereinbarung über die Ableistung des Bundesfreiwilligendienstes vom 01.06.2012 nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 18.12.2012 zum 31.3.2013 beendet wird, sondern unverändert bis zum 31.5.2013 fortbesteht.
7Die Beklagte beantragt,
8die Klage abzuweisen.
9Sie behauptet, dass die Einsatzstelle mangels passender und sinnvoller Aufgaben nicht zu einer kontinuierlich auslastenden Beschäftigung der Klägerin in der Lage gewesen sei, wie es durch die Richtlinien zur Durchführung des Bundesfreiwilligendienstes vorgesehen sei. Die Kündigungsschutzvorschriften des SGB IX fänden auf das Vertragsverhältnis mit der Klägerin keine Anwendung.
10Im Übrigen wird auf den Inhalt der beiderseitigen Schriftsätze nebst Anlagen sowie der Terminsprotokolle verwiesen.
11Entscheidungsgründe:
12I.
13Die Klage ist unbegründet. Die Kündigung vom …………….. hat das Vertragsverhältnis der Parteien über die Ableistung des Bundesfreiwilligendiensts zum 31.1.2013 beendet.
141) Die Kündigung bedurfte keines sie rechtfertigenden Grundes. Nach § 620 BGB kann ein Dienstverhältnis jederzeit unter Einhaltung der vertraglichen bzw. gesetzlichen (§ 621 BGB) gekündigt werden. Die vertragliche Kündigungsfrist von vier Wochen zum Monatsende hat die Beklagte eingehalten.
152) Die Kündigung ist nicht nach § 134 BGB iVm. § 7 Abs. 1 AGG unwirksam. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die Klägerin als Beschäftigte im Sinne von § 6 AGG anzusehen ist oder nicht. Denn es liegen jedenfalls keine Anzeichen für eine verbotene Diskriminierung wegen ihrer Behinderung vor. Die Beklagte hat als Grund für die Kündigung angegeben, dass der Einsatzstelle eine kontinuierliche auslastende Beschäftigung nicht möglich gewesen sei. Eine Benachteiligung der Klägerin im Sinne von § 3 Abs. 1, 2 AGG wird hieraus nicht ersichtlich. Es ist nicht vorgetragen, dass die Klägerin insoweit eine andere Behandlung durch die Einsatzstelle erfährt als andere Freiwillige bei fehlender Beschäftigungsmöglichkeit. Die Beschäftigungsmöglichkeiten bei der konkreten Einsatzstelle sind zwar vielgestaltig, erfordern aber nach dem unwidersprochenen Vortrag der Beklagten überwiegend körperliche Anstrengungen, denen die Klägerin nicht gewachsen ist. Gegen den entsprechend substantiierten Vortrag der Beklagten, wonach nahezu alle Arbeiten, die in der ………………………. mit angeschlossenem landwirtschaftlichem Betrieb anfallen (bspw. Klauenpflege, Schafschur, Heuernte, Weideauftrieb, Roden von Gehölzen, Entbuschungsarbeiten, Zaunbau), körperlich anstrengend seien, hat sich die Klägerin nicht mehr gewandt. Es ist nicht erkennbar geworden, dass eine die vereinbarte Arbeitszeit ausfüllende Beschäftigung der Klägerin mit für sie geeigneten Tätigkeiten möglich gewesen wäre. Die Aufzählung der Klägerin zu den von ihr verrichteten Tätigkeiten lassen nicht erkennen, ob damit eine Arbeitszeitausfüllende Beschäftigung gewährleistet war. Insoweit war die Beklagte zudem auf die Angaben der Einsatzstelle angewiesen. Ebenso wenig ist eine mittelbare Benachteiligung erkennbar. Die Entscheidung der Beklagten zur Kündigung des Vertragsverhältnisses bei fehlender Möglichkeit zur auslastenden Beschäftigung wirkt sich nicht typischerweise zum Nachteil Schwerbehinderter aus.
163) Die Wirksamkeit der Kündigung scheitert auch nicht an der fehlenden Beteiligung des Integrationsamtes. § 85 SGB IX ist nicht auf das Vertragsverhältnis der Parteien anwendbar.
17a) Die Freiwilligen im Sinne des BFDG sind keine Arbeitnehmer im Sinne von § 85 SGB IX. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass zwischen ihnen kein Arbeitsverhältnis im Sinne des allgemeinen Begriffsgebrauchs bestand (vgl. hierzu etwa BAG, Beschluss vom 13. März 2013 – 7 ABR 69/11, Rz. 22, juris). Gegen ein erweitertes Begriffsverständnis im Rahmen des § 85 SGB IX spricht, dass das Gesetz in §§ 127 f., 138 SGB IX hinsichtlich weiterer Beschäftigtengruppen besondere Regelungen getroffen und beispielsweise für in Heimarbeit beschäftigte schwerbehinderte Menschen die Geltung des besonderen Kündigungsschutzes im Sinne der §§ 85 SGB IX gesondert angeordnet hat. Entsprechend werden diese Vorschriften auch nicht für anwendbar auf arbeitnehmerähnliche Personen gehalten (vgl. ErfK/Rolfs, 13. Aufl., § 85 SGB IX Rz. 3; Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, 12. Aufl., § 85 SGB IX Rz. 26; APS/Vossen, 4. Aufl., § 85 SGB IX Rz. 7)
18Eine abweichende des Arbeitnehmerbegriffs in § 85 SGB IX ist auch nicht unionsrechtliche geboten. Der - weite - Arbeitnehmerbegriff, den der Europäische Gerichtshof in seiner „Danosa-Entscheidung“ (EuGH [2. Kammer], Urteil vom 11. November 2010 – C 232/09, Dita Danosa / LKB Lizzings SIA) entwickelt hat, ist nicht heranzuziehen (OLG Düsseldorf, Urteil vom 18. Oktober 2012 – I-6 U 47/12, 6 U 47/12, juris-Rz. 93). Insbesondere gebieten die Bestimmungen der „Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf“ nicht die Anwendung des § 85 SGB IX auch auf schwerbehinderte Freiwillige nach dem BFDG. Denn – anders etwa als „Richtlinie 92/85/EWG zum Schutz schwangerer Arbeitnehmerinnen“ (dort Art. 10) sieht Richtlinie 2000/78/EG nicht die Notwendigkeit eines besonderen Kündigungsschutzes zugunsten behinderter Menschen vor. Entsprechendes lässt sich auch nicht ihren Erwägungsgründen entnehmen (OLG Düsseldorf, Urteil vom 18. Oktober 2012 – I-6 U 47/12, 6 U 47/12, juris-Rz. 109).
19b) Es existiert auch weder im Unionsrecht noch im nationalen Recht ein Grundsatz. Welcher die Gleichstellung von Schwangeren und Schwerbehinderten in Bezug auf den Kündigungsschutz gebieten würde.
20c) Die Anwendbarkeit der Kündigungsschutzvorschriften des SGB IX ergibt sich auch nicht aus § 13 BFDG. Hiernach sind für eine Tätigkeit im Rahmen eines Bundesfreiwilligendienstes die Arbeitsschutzbestimmungen, das Jugendarbeitsschutzgesetz und das Bundesurlaubsgesetz entsprechend anzuwenden. Nach Auffassung der Kammer erfasst der Begriff der Arbeitsschutzbestimmungen nicht den Kündigungsschutz nach § 85 ff. SGB IX. Der Begriff des Arbeitsschutzes ist so zu verstehen wie in § 1 des Arbeitssicherheitsgesetzes und in § 89 Abs. 1 BetrVG. Arbeitsschutzbestimmungen i.d.S. sind Normen, die dem Arbeitgeber Pflichten auferlegen, um die von der Arbeit ausgehenden Gefahren zu beseitigen oder zu vermindern. Darunter fällt auch der soziale Arbeitsschutz einschließlich des Mutterschutzes (vgl. BAG, Beschluss vom 12. Februar 1992 – 7 ABR 42/91, juris-Rz. 26). Auch in § 15 SGB VII wird der Begriff entsprechend verwandt und lediglich Unfallverhütungsvorschriften über Maßnahmen zur Verhütung von Arbeitsunfällen, Berufskrankheiten und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren oder für eine wirksame Erste Hilfe in Bezug genommen. Dass über dieses enge Begriffsverständnis hinaus nicht ohne weiteres von der Anwendbarkeit weiterer arbeitsrechtlicher Vorschriften nach § 13 BFDG ausgegangen werden kann, ergibt sich bereits daraus, dass es der Gesetzgeber als notwendig angesehen hat, die Anwendung des BUrlG auf den BFD gesondert anzuordnen (vgl. Tiedemann, NZA 2012, 602 [604 f.]). Nicht erfasst sind daher die für Arbeitsverhältnisse geltenden Kündigungsschutzbestimmungen (für Helfer im freiwilligen sozialen Jahr - vgl. BAG, Beschluss vom 12. Februar 1992 – 7 ABR 42/91, juris-Rz. 26).
21II.
22Die Klägerin hat als unterliegende Partei gemäß § 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. § 91 Abs. 1 S.1 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
23III.
24Der Streitwert war gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG im Urteil festzusetzen und ist nach einem Bruttoquartalsgehalt der Klägerin (vgl. § 42 Abs. 3 Satz 1 GKG) bemessen.
25IV.
26Die Berufung war nicht gesondert zuzulassen. Zulassungsgründe nach § 64 Abs. 3 ArbGG sind nicht ersichtlich.
27RECHTSMITTELBELEHRUNG
28Gegen dieses Urteil kann von der klagenden Partei Berufung eingelegt werden.
29Für die beklagte Partei ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.
30Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist* von einem Monat schriftlich beim
31Landesarbeitsgericht Köln
32Blumenthalstraße 33
3350670 Köln
34Fax: 0221-7740 356
35eingegangen sein.
36Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach dessen Verkündung.
37Die Berufungsschrift muss von einem Bevollmächtigten unterzeichnet sein.
38Als Bevollmächtigte sind nur zugelassen:
39- 40
1. Rechtsanwälte,
- 41
2. Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
- 42
3. juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in Nummer 2 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
Eine Partei, die als Bevollmächtigte zugelassen ist, kann sich selbst vertreten.
44* Eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.
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Referenzen
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