Urteil vom Arbeitsgericht Köln - 11 Ca 5420/14
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.
3. Streitwert: 1.540,00 EUR.
1
Tatbestand
2Die Parteien streiten über Ansprüche auf eine Vertragsstrafe bzw. Schadensersatz aufgrund der vorzeitigen Beendigung eines Arbeitsverhältnisses.
3Der Kläger ist Inhaber eines kleinen Pflegedienstes "…..". Der Beklagte war als Altenpfleger bei dem Kläger mit Arbeitsvertrag vom …… beginnend zum ….. zu einem Bruttomonatslohn von ……. € angestellt. Wegen der Einzelheiten der arbeitsvertraglichen Regelungen wird auf die zur Gerichtsakte gereichte Kopie des Arbeitsvertrages (Bl. 4 d.A.) Bezug genommen. Dieser enthält unter anderem folgende Regelungen:
4"§ 6 Kündigung
51. Die ersten sechs Monate gelten als Probezeit. In dieser Zeit kann das Arbeitsverhältnis mit einer Frist von 28 Tagen gekündigt werden.
6...
76. Für den Fall, dass der Arbeitnehmer die Arbeit nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt als vereinbart aufnimmt oder das Arbeitsverhältnis vor Ablauf der vereinbarten Dauer oder vor Ablauf der vereinbarten Kündigungsfrist ohne wichtigen Grund beendet, ist eine Vertragsstrafe zu zahlen.
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9§ 15 Vertragsstrafe
10Eine Vertragsstrafe ist wegen nachfolgend genannter Verstöße fällig:
11a) unentschuldigtes Fehlen
12b) Nichtantritt der Arbeit bei Vertragsbeginn
13c) Nichteinhaltung der Kündigungsfrist
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15Für die Probezeit gilt als Vertragsstrafe die Höhe des Bruttolohns, die im Zeitraum der Kündigungsfrist erreichbar, als vereinbart.
16...
17Nach der Probezeit gilt als Vertragsstrafe ein durchschnittlicher Bruttolohn als vereinbart.
18Eine Vertragsstrafe ist auch dann fällig, wenn ein Grund vorliegt, der zu einer fristlosen Kündigung führen würde.“
19„
20Mit Schreiben vom …… kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos zum gleichen Tag. Wegen der Einzelheiten des Kündigungsschreibens wird auf die zur Gerichtsakte gereichte Kopie (Bl. 11 d.A.) Bezug genommen.
21Der Kläger ist der Ansicht, dass der Beklagte durch sein Verhalten eine Vertragsstrafe gemäß § 15 Abs. 1 c des Arbeitsvertrages verwirkt habe. Der Beklagte habe keine Gründe gehabt, die eine fristlose Kündigung rechtfertigen könnten. Jedenfalls stände ihm ein Schadensersatzanspruch in Höhe von ….. € zu, weil der Beklagte die Kündigungsfrist nicht eingehalten habe. Sein Schaden setze sich aus seinem Umsatzausfall in Höhe von ….. € und einem Umsatzdefizit von ca. ….. € zusammen. Hinzu kämen die Kosten des für den Kläger bereit gehaltenen Dienstwagen in Höhe von ….. €.
22Der Kläger beantragt,
23den Beklagten zu verurteilen, an ihn …… € zzgl. Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem ….. zu zahlen;
24Der Beklagte beantragt,
25die Klage abzuweisen.
26Er ist der Ansicht, dass die Kündigung des Arbeitsverhältnisses berechtigt gewesen sei, da der Beklagte die Zusage, dass Arbeitsbeginn nicht vor 7:00 Uhr sei, nicht eingehalten habe.
27Wegen der weiteren Einzelheiten des wechselseitigen Parteivorbringens wird auf die zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen, die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung geworden sind, Bezug genommen.
28Entscheidungsgründe
29Die zulässige Klage ist unbegründet.
30I. Der Kläger hat gegen den Beklagten weder einen Vertragsstrafenanspruch in der geltend gemachten Höhe noch einen Schadensersatzanspruch wegen einer unberechtigten fristlosen Kündigung.
311. Der Kläger hat auf Grund der arbeitsvertraglich vereinbarten Vertragsstrafenabrede keinen Anspruch auf Zahlung einer Vertragsstrafe in Höhe von …… €.
32Die Auslegung der Vertragsstrafenregelung in § 15 Abs. 1 c des Formulararbeitsvertrages ergibt, dass der Beklagte durch seine Kündigung vom ….. die vereinbarte Vertragsstrafe nicht verwirkt hat.
33a. Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei nicht die Verständnismöglichkeit des konkreten, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zu Grunde zu legen sind. Maßgebend sind die Verständnismöglichkeiten des typischerweise bei Verträgen der geregelten Art zu erwartenden nicht rechtskundigen Vertragspartners (BAG vom 23.01.2014 - 8 AZR 130/13 - Rdn 18 nach Juris). Ansatzpunkt für die Auslegung allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut (BAG vom 27.07.2010 - 3 AZR 777/08 - Rdn 21 nach Juris).
34Bei dem Arbeitsvertrag der Parteien handelt es sich um allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne des § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB. Nach § 305 Abs. 1 BGB sind allgemeine Geschäftsbedingungen für alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei (Verwender) der anderen Vertragspartei bei Abschluss des Vertrages stellt. Aus dem Inhalt und der äußeren Gestaltung der in einem Vertrag verwendeten Bedingungen kann sich ein vom Verwender zu widerlegender Anschein dafür ergeben, dass sie zur Mehrfachverwendung formuliert worden sind (BGH vom 24.11.2005 - VII ZR 87/04 -; BAG vom 01.03.2006 - 5 AZR 363/05 - Rdn 20 nach Juris). Das kann zum Beispiel der Fall sein, wenn der Vertrag zahlreiche formelhafte Klauseln enthält und nicht auf die individuelle Vertragssituation abgestimmt ist.
35Im vorliegenden Fall kann kein Zweifel daran bestehen, dass es sich um allgemeine Vertragsbedingungen handelt, denn wie der Kläger im Rahmen des Kammertermins selbst ausgeführt hat, will er im vorliegenden Prozess Klarheit über die Wirksamkeit der Klausel erlangen und damit die Verwendung für die Zukunft absichern. Im Übrigen streitet auch die Regelung des § 315 Abs. 3 Nr. 2 BGB für die Annahme einer allgemeinen Geschäftsbedingung. Dass der Kläger im vorliegenden Fall auf die Regelungen des Arbeitsvertrages insbesondere auf die Vertragsstrafenregelung in irgendeiner Weise Einfluss nehmen konnte, wird auch von der Klägerseite nicht vorgetragen. Insoweit genügt es nicht, dass der Vertragsinhalt lediglich erläutert oder erörtert wird (BAG vom 01.03.2006 - 5 AZR 363/05 - Rdn 25 nach Juris).
36b. Damit unterliegt die vorliegende Vertragsstrafenregelung einer Kontrolle gemäß den §§ 307 ff. BGB. Nach ständiger Rechtsprechung sind zwar Vertragsstrafenabreden in Formularverträgen nach § 309 Nr. 6 BGB generell unzulässig, in formularmäßigen Arbeitsverträgen folgt aber aus der angemessenen Berücksichtigung der im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten nach § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB die grundsätzliche Zulässigkeit von Vertragsstrafenabreden (BAG vom 23.01.2014 - 8 AZR 130/13 - Rdn 21 nach Juris).
37Nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB sind Verwender von allgemeinen Geschäftsbedingungen entsprechend den Grundsätzen von Treu und Glauben verpflichtet, Rechte und Pflichten ihrer Vertragspartner möglichst klar und durchschaubar darzustellen. Die tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen müssen so genau beschrieben werden, dass für den Verwender keine ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume entstehen. Eine Klausel genügt dem Bestimmtheitsgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB, wenn sie im Rahmen des rechtlich und tatsächlich Zumutbaren die Rechte und Pflichten des Vertragspartners des Klauselverwenders so klar und präzise wie möglich beschreibt. Sie verletzt das Bestimmtheitsgebot, wenn sie vermeidbare Unklarheiten oder Spielräume enthält (BAG vom 23.01.2014 - 8 AZR 130/13 - Rdn 23 nach Juris).
38Bei Zugrundelegung dieser Grundsätze ist davon auszugehen, dass die Vertragsstrafenregelung unter Ziffer 15 c den vorliegenden dem Beklagten vorgeworfenen Vertragsverstoß nicht erfasst. Der Beklagte hat ausdrücklich eine fristlose Kündigung ausgesprochen, die von der Vertragsstrafenregelung gerade nicht erfasst wird. Da eine gesetzlich vorgesehene und grundsätzlich auch zulässige fristlose außerordentliche Kündigung ihrem Wortlaut nach keine Kündigungsfrist hat, ist eine Nichteinhaltung dieser Kündigungsfrist in diesem Fall nicht denkbar und die fristlose Kündigung kann damit die Voraussetzungen der Vertragsstrafe der Nichteinhaltung der Kündigungsfrist nicht erfüllen. Dass eine fristlose Kündigung von der Vertragsstrafenregelung insbesondere der Ziffer c nicht erfasst wird, ergibt sich auch aus dem Zusammenhang des Vertrages. Wenn der letzte Satz der Vertragsstrafenregelung dort lautet, dass eine Vertragsstrafe auch dann fällig ist, wenn ein Grund vorliegt, der zu einer fristlosen Kündigung führen würde. Der Fall der fristlosen Kündigung ist damit in der Vertragsstrafenregelung ausdrücklich zusätzlich geregelt. Schließlich enthält § 6 Ziffer 6 des Vertrages eine ausdrückliche Erwähnung einer Vertragsstrafe für den Fall einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohne wichtigen Grund durch den Arbeitnehmer. Auch diese zusätzliche Regelung an einer anderen Stelle spricht dafür, dass dieser Fall durch § 15 des Arbeitsvertrages gerade nicht erfasst sein sollte. Nur wenn man die vertragliche Regelung dahingehend auslegt, dass die Vertragsstrafe dann verwirkt ist, wenn die Kündigungsfrist einer fristgerechten Kündigung nicht eingehalten ist, dürfte zudem dem Bestimmtheitsgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB Genüge getan sein (so auch eine ähnliche Konstellation BAG vom 23.01.2014 - 8 AZR 130/13 - Rdn 25 nach Juris).
39c. Die Vertragsstrafe ist auch nicht gemäß § 6 Ziffer 6 des Arbeitsvertrages angefallen. Diese Vertragsstrafenregelung ist jedenfalls eine überraschende Klausel im Sinne des § 305 c Abs. 1 BGB. Nach § 305 c Abs. 1 BGB werden Bestimmungen in allgemeinen Geschäftsbedingungen dann nicht Vertragsbestandteil, wenn sie nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrages, so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner des Verwenders nicht mit ihnen zu rechnen brauchte. Überraschenden Klauseln muss ein "Überrumpelungs‑ oder Übertölpelungseffekt" inne wohnen. Zwischen denen durch die Umstände bei Vertragsschluss begründeten Erwartungen und dem tatsächlichen Vertragsinhalt muss ein deutlicher Widerspruch bestehen. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, insbesondere das äußere Erscheinungsbild des Vertrages. Der ungewöhnliche äußere Zuschnitt einer Klausel oder ihre Unterbringung an unerwarteter Stelle können eine Bestimmung zu einer ungewöhnlichen und damit überraschenden Klausel machen. Das Überraschungsmoment ist desto eher zu bejahen, je belastender die Bestimmung ist. Im Einzelfall muss der Verwender auf eine solche Klausel besonders hinweisen oder diese drucktechnisch hervorheben (BAG vom 19.08.2010 - 8 AZR 645/08 - Rdn 54 nach Juris).
40Das äußere Erscheinungsbild des vorliegenden Arbeitsvertrages deutet deutlich auf einen Überraschungseffekt hin. Der Arbeitsvertrag enthält ausdrücklich eine Regelung in § 15, die mit „Vertragsstrafe“ überschrieben ist. Vor diesem Hintergrund ist nicht zu erwarten, dass in weiteren vertraglichen Regelungen eine Vertragsstrafe vereinbart werden soll. Insbesondere ist aus der Überschrift "Kündigung" des § 6 des Arbeitsvertrages kein Hinweis auf die Regelung einer Vertragsstrafe im letzten Absatz dieser Ziffer zu entnehmen. Ein durchschnittlicher Vertragspartner geht bei dieser Gestaltung eines Arbeitsvertrages davon aus, dass die Regelungen über Vertragsstrafen in der mit diesem Begriff überschriebenen Vertragsklausel abschließend ist.
41II. Dem Kläger stehen gegen den Beklagten auch keine Schadensersatzansprüche wegen der fristlosen Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu. Ein solcher Anspruch ergibt sich nicht aus § 280 Abs. 1 BGB.
42Es kann dahingestellt bleiben, ob der Beklagte eine zum Schadensersatz verpflichtende Vertragsverletzung begangen hat, indem er das Arbeitsverhältnis ohne wichtigen Grund fristlos gekündigt hat. Jedenfalls fehlt es an jedem substantiierten Vortrag dazu, welcher Schaden dem Kläger hierdurch entstanden ist. Er trägt insoweit weder konkret vor, welche Umsatzausfälle oder ‑einbußen er durch die vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den Kläger erlitten hat, noch tritt er hierfür Beweis an. Auch hinsichtlich eines denkbaren Schadens in Form der Leasingkosten für das Dienstfahrzeug des Klägers fehlt es an jedem Beweisantritt. Da der Beklagte insoweit die Entstehung eines Schadens bestreitet, ist die Klägerseite hier beweisfällig geblieben.
43II. Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus den § 46 Abs. 2 ArbGG in Verbindung mit § 91 Abs. 1 ZPO. Der Streitwert war im Urteil festzusetzen und entspricht dem bezifferten Klageantrag.
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Referenzen
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- VII ZR 87/04 1x (nicht zugeordnet)