Urteil vom Arbeitsgericht Solingen - 3 Ca 1041/13 lev
Tenor
1.Die Klage wird abgewiesen.
2.Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
3.Der Streitwert beträgt 10.637,49 €.
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T a t b e s t a n d :
2Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Befristung ihres Arbeitsverhältnisses.
3Der am 04.08.1948 geborene Kläger war bei der Beklagten seit dem 18.03.2003 als technischer Angestellter für die Produktionsleitung auf Grundlage des Arbeitsvertrages vom 01.04.2003 (Bl. 6 ff d. A.) tätig. In dem Arbeitsvertrag, der von der Beklagten vorformuliert worden ist, heißt es auszugsweise:
4"§ 17 Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses
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Ohne dass es einer Kündigung bedarf, endet das Arbeitsverhältnis mit Beginn des Monats, in dem Herr Q. eine Altersrente oder eine dauerhafte Voll- rente wegen Erwerbsminderung bezieht, spätestens jedoch mit Ablauf des Monats, in dem er das 65. Lebensjahr vollendet."
7Der Kläger erhielt eine monatliche Vergütung in Höhe von 3.545,83 € brutto. Er ist schwerbehindert und Leiter der Schwerbehindertenvertretung der Beklagten am Standort in M..
8Der Kläger ist der Meinung, die Befristung in § 17 des Arbeitsvertrages sei unwirksam. Die Befristung sei wegen seines Alters erfolgt. Zu dem vorgesehenen Zeitpunkt habe er noch keinen vollen Anspruch auf Altersrente. Entgegen der Auffassung der Beklagten ende sein Arbeitsverhältnis auch nicht am 31.10.2013, wenn er 65 Jahre und 3. Monate alt sei. § 41 Satz 3. SGB VI komme nicht zur Anwendung. Der Kläger macht geltend, im Jahr 2014 seien Neuwahlen zur Schwerbehindertenvertretung; er wolle noch seinen Nachfolger bis Ende 2015 einarbeiten.
9Der Kläger beantragt:
10Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht am 31.10.2013 durch Befristung geendet hat.
11Die Beklagte beantragt,
12die Klage abzuweisen.
13Sie ist der Meinung, die Vereinbarung von Altersgrenzen sei seit jeher zulässig. Zum Zeitpunkt des Arbeitsvertragsabschlusses sei die Regelaltersgrenze das 65. Lebensjahr gewesen. Dies habe sich erst durch die Änderung der Regelaltersgrenze geändert. Die vertraglichen Regelungen erfüllten die Voraussetzungen des § 41 S. 3. SGB VI. Das Arbeitsverhältnis sei zum 31.10.2013 beendet worden. Für das Erreichen des Rentenalters sei synonym das 65. Lebensjahr verwandt worden. Entsprechend sei die Regelung auszulegen.
14Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Parteienschriftsätze sowie den gesamten weiteren Akteninhalt Bezug genommen.
15E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
16Die zulässige Klage ist unbegründet.
17A.
18Der Klageantrag ist zulässig. Der Kläger hat den in § 17 S. 1 TzBfG vorgegebenen Klageantrag gewählt.
19B.
20Die Klage ist aber unbegründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die in § 17 des Arbeitsvertrages vereinbarte Befristung mit Ablauf des 31.10.2013 beendet worden.
21I. Der Kläger hat die Entfristungsklage innerhalb der gesetzlichen Klagefrist nach § 17 S. 1 TzBFG erhoben.
22II. Die arbeitsvertragliche Befristung ist wirksam; sie ist dahingehend auszulegen, dass das Arbeitsverhältnis mit Erreichen der Regelaltersgrenze und damit mit Ablauf des 31.10.2013 beendet wird.
231. Nach der ständigen Rechtsprechung des BAG (vgl. etwa BAG, 27.07.2005 - 7 AZR 443/04; vgl. auch BAG, 18.06.2008 - 7 AZR 116/07; LAG Hamm, 17.01.2013 - 8 Sa 1945/10) ist eine einzelvertragliche Altersgrenze, nach der das Arbeitsverhältnis mit Erreichen des gesetzlichen Rentenalters endet, wirksam, wenn der Arbeitnehmer nach dem Vertragsinhalt und der Vertragsdauer eine gesetzliche Altersrente erwerben kann oder bereits erworben hat. Eine solche arbeitsvertragliche Regelung entspricht auch dem Europarecht (vgl. EuGH, 16.10.2007 - C 411/05) sowie der gesetzlichen Regelung in § 10 S. 3 Nr. 5 AGG.
243.. Die Voraussetzungen sind durch die Regelungen in § 17 des Arbeitsvertrages erfüllt. Das Arbeitsverhältnis soll aufgrund der Befristung mit Ablauf des Monats beendet werden, in dem der Kläger die Regelaltersgrenze erreicht. Dies ist der 31.10.2013. Dies ergibt eine Auslegung des § 17 Abs. 3. des Arbeitsvertrages.
25a) Bei dem Arbeitsvertrag der Parteien handelt es sich um einen von der Beklagten vorformulierten Arbeitsvertrag. Zudem handelt es sich bei Arbeitsverträgen um Verbraucherverträge, sodass die Regelungen der §§ 305 ff BGB zu Anwendung kommen.
26b) Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei nicht die Verständnismöglichkeiten des konkreten, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Ansatzpunkt für die nicht am Willen der konkreten Vertragspartner zu orientierende Auslegung allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Daneben kommt es für die Auslegung entscheidend darauf an, wie der Vertragstext aus der Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist, wobei der Vertragswille verständiger und redlicher Vertragspartner betrachtet werden muss. Von Bedeutung für das Auslegungsergebnis sind ferner der von den Vertragspartnern verfolgte Regelungszweck sowie die der jeweils anderen Seite erkennbare Interessenlage der Beteiligten (BAG, 10.07.2013 - 10 AZR 898/11).
27Bleibt nach Ausschöpfung der Auslegungsmethoden ein nicht behebbarer Zweifel, geht dies gemäß § 305 c Abs. 3. BGB zulasten des Verwenders. Die Anwendung der Unklarheitenregel des § 305 c Abs. 3. BGB setzt aber voraus, dass die Auslegung einer einzelnen AGB Bestimmung mindestens zwei Ergebnisse als vertretbar erscheinen lässt und von diesem keines den klaren Vorzug verdient. Die entfernte Möglichkeit, zu einem anderen Ergebnis zu kommen, genügt für die Anwendung der Bestimmung nicht (BAG, 25.08.2010 - 10 AZR 275/09).
28c) Unter Anwendung dieser Grundsätze ist die Regelung in § 17 Abs. 3. des Arbeitsvertrages dahingehend auszulegen, dass das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des Monats enden soll, in dem der Kläger die Regelaltersgrenze erreicht.
29aa) Gegen dieses Auslegungsergebnis scheint zunächst der Wortlaut zu sprechen. In der Arbeitsvertragsregelung steht ausdrücklich, dass das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des Monats beendet werden soll, in dem der Kläger das 65. Lebensjahr vollendet. Zu diesem Zeitpunkt hätte der Kläger allerdings noch keinen (vollständigen) Rentenanspruch, sodass diese Befristungsregelung wiederum Zulässigkeitsfragen gemäß § 10 S. 3 Nr. 5 AGG aufwerfen würde.
30Bereits aus § 133 BGB ergibt sich aber, dass der Wortlaut nicht die Grenze für die Auslegung des Gewollten darstellt. Die Erkenntnis, dass ein Wortlaut eindeutig ist, ist keine Auslegungsmethode, sondern bereits das Ergebnis der Auslegung. Bei der Frage, was die Vertragsparteien gewollt haben, sind aber verschiedene Gesichtspunkte zu berücksichtigen, insbesondere Sinn und Zweck der Regelung.
31bb) Besondere Umstände bei Vertragsschluss im Jahr 2003 sind von den Parteien nicht vorgetragen worden. Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass die Parteien mit der Regelung in § 17 Abs. 3. des Arbeitsvertrages erreichen wollten, dass das Arbeitsverhältnis dann enden sollte, wenn der Kläger durch Erreichen der gesetzlichen Regelaltersgrenze finanziell auch ohne Vergütungsansprüche aus dem Arbeitsverhältnis abgesichert ist.
32Bei der Auslegung ist zu berücksichtigen, dass das 65. Lebensjahr, jedenfalls im Jahr 2003, ein Synonym für die Regelaltersgrenze darstellte (vgl. Schumacher DB 2013, Seite 2331). Bis zum Inkrafttreten des RV-Altersgrenzenanpassungsgesetzes lag die Regelaltersgrenze seit dem Jahr 1916 bei 65 Jahren (vgl. dazu BAG, 15.05.2012 - 3 AZR 11/10; ErfK/Rolfs § 41 SGB VI Rdnr. 10). Die Parteien wollten mit ihrer Regelung keine eigenständige, von der gesetzlichen Regelaltersgrenze unabhängige Befristung vereinbaren; hierfür gibt es keinerlei Anhaltspunkte. Sie nahmen vielmehr durch die Aufnahme der Formulierung "Vollendung des 65. Lebensjahres" auf die gesetzliche Regelaltersgrenze Bezug. Bei der Vereinbarung im Jahr 2003 gab es für die Parteien keine Veranlassung zu einer abweichenden Formulierung, da eben zu diesem Zeitpunkt die Regelaltersgrenze seit nahezu 90 Jahren unverändert bei dem 65. Lebensjahr lag. Etwas anderes wird man womöglich bei Arbeitsverträgen annehmen können, die erst nach Inkrafttreten bzw. nach der Verabschiedung des RV-Altersgrenzenanpassungsgesetzes abgeschlossen worden sind.
33cc) Die Unklarheitenregelung des § 305 c Abs. 3. BGB kommt nicht zur Anwendung. Es verbleiben keine zwei mögliche gleichrangige Auslegungsergebnisse.
34B.
35Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1 S. 1 ZPO, 46 Abs. 3. ArbGG.
36C.
37Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 61 Abs. 1 ArbGG und entspricht drei Monatsgehältern.
38RECHTSMITTELBELEHRUNG
39Gegen dieses Urteil kann von der klagenden Partei Berufung eingelegt werden. Für die beklagte Partei ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.
40Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist* von einem Monat schriftlich oder in elektronischer Form beim
41Landesarbeitsgericht Düsseldorf
42Ludwig-Erhard-Allee 21
4340227 Düsseldorf
44Fax: 0211-7770 2199
45eingegangen sein.
46Die elektronische Form wird durch ein qualifiziert signiertes elektronisches Dokument gewahrt, das nach Maßgabe der Verordnung des Justizministeriums über den elektronischen Rechtsverkehr bei den Arbeitsgerichten im Lande Nordrhein-Westfalen (ERVVO ArbG) vom 3.. Mai 2013 in der jeweils geltenden Fassung in die elektronische Poststelle zu übermitteln ist. Nähere Hinweise zum elektronischen Rechtsverkehr finden Sie auf der Internetseite www.egvp.de.
47Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach dessen Verkündung.
48Die Berufungsschrift muss von einem Bevollmächtigten unterzeichnet sein. Als Bevollmächtigte sind nur zugelassen:
491.Rechtsanwälte,
502.Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
513.juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in Nummer 3. bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
52Eine Partei, die als Bevollmächtigte zugelassen ist, kann sich selbst vertreten.
53* Eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.
54Dr. Hamacher
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Referenzen
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