Urteil vom Arbeitsgericht Stuttgart - 28 Ca 1041/03

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, die Zustimmung zur Reduzierung der regelmäßigen Arbeitszeit der Klägerin auf 20 Stunden pro Woche mit einer Arbeitszeit von jeweils 4 Stunden täglich an den Arbeitstagen Montag bis Freitag zu erteilen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, die tägliche Arbeitszeit der Klägerin auf die Zeit von 18.00 Uhr bis 22.00 Uhr an den Arbeitstagen Montag bis Freitag festzulegen.

3. Der Beklagten wird es untersagt, von der Klägerin bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Klaganträge Ziffer 1 und Ziffer 2 regelmäßig Arbeitsleistung außerhalb der Zeit von 18.00 Uhr bis 22.00 Uhr an den Arbeitstagen Montag bis Freitag zu verlangen.

4. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

5. Der Streitwert wird auf Euro 3.200,– festgesetzt.

Tatbestand

 
Zwischen den Parteien ist der Anspruch auf Zustimmung zur Reduzierung der wöchentlichen Arbeitszeit auf zwanzig Stunden, auf Festlegung derselben auf bestimmte Uhrzeiten an den Wochentagen montags bis freitags sowie auf vorläufige Beschäftigung zu den genannten Zeiten im Streit.
Die Klägerin ist verheiratet und hat zwei Kinder, die am 05.07.1996 und am 08.03.2000 geboren sind. Sie ist für die Beklagte als Gießereiarbeiterin (Kernputzerin) seit dem 08.11.1991 bei einer Arbeitszeit von vierzig Stunden wöchentlich – seit 01.06.2003 37,5 Stunden wöchentlich – gegen eine Vergütung von durchschnittlich Euro; 1.600,00 brutto monatlich beschäftigt. Die Beklagte, ein Zuliefererunternehmen der Automobilindustrie, fertigt für Motoren Gussteile in drei Schichten von 5:30 Uhr (ab 01.06.2003 – 6:00 Uhr) bis 14:00 Uhr (Frühschicht), von 14:00 Uhr bis 22:30 Uhr (ab 01.06.2003 – 22:00 Uhr Spätschicht) und mit zwei Arbeitskräften von 22:00 Uhr bis 6:00 Uhr (Nachtschicht). Der Einsatz der Arbeitskräfte erfolgt z.T. wechselweise in der Früh- und der Spätschicht. Die Klägerin wird auf eigenen Wunsch nach Rückkehr aus dem Erziehungsurlaub seit Februar 2002 jedoch ausschließlich in der Spätschicht eingesetzt. Die betriebliche Arbeitszeit im Übrigen liegt bei 7:00 Uhr bis 17:00 Uhr. Die Aufgabe der Klägerin besteht darin, die für den Gussvorgang erforderlichen Sandkerne zu reinigen und zu entgraten. Je nach Modell bearbeitet die Klägerin an einem Einzelarbeitsplatz pro Schicht z.B. zwischen sechzig bis fünfundsechzig Teile für den Sechszylindermotor oder Stückzahlen von einhundert bis einhundertzehn, achtzig bis fünfundachtzig. Zum Teil wechseln die zu bearbeitenden Sandkerne drei- bis viermal am Tag, zum Teil wird dasselbe Produkt über eine Woche hinaus bearbeitet, je nach Auftragslage und Anforderung des Kunden der Beklagten. Der Ehemann der Klägerin arbeitet für ein Straßenbauunternehmen. Er verlässt das Haus morgens um 5:30 Uhr und kehrt häufig erst abends nach Hause zurück. Bei Abwesenheit der Eltern erfolgt die Betreuung der Kinder der Klägerin durch ihre Schwägerin. Jene hat ebenfalls zwei Kinder, eines davon im Kindergartenalter. Mit Schreiben vom 10.11.2002 (Aktenblatt 5) bat die Klägerin die Beklagte, ihr bestehendes Arbeitsverhältnis für circa zwei Jahre in eine Teilzeitbeschäftigung von 18:30 Uhr bis 22:30 Uhr umzuwandeln, damit sie ihre Kinder am Nachmittag betreuen könne. Mit Schreiben vom 21.11.2002 (Aktenblatt 6) teilte die Beklagte mit, sie könne in der Produktion keine Teilzeit einführen und dem Wunsch nicht entsprechen. Vorsorglich beantragte die Klägerin die unbefristete Reduzierung der Arbeitszeit erneut mit Schreiben vom 15.01.2003.
Mit am 30.01.2003 bei Gericht eingegangener Klage verfolgt die Klägerin ihr Teilzeitbegehren weiter.
Sie trägt vor, ihre Schwägerin sei künftig nicht mehr bereit, die Betreuung der Kinder mit zu übernehmen. Jene lebe in beengten räumlichen Verhältnissen und beabsichtige, ihrerseits eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen. Es sei ihr nicht gelungen, eine adäquate Ersatzbetreuungskraft auf ihre Zeitungsanzeige hin zu finden. Die Klägerin bestreitet, dass ihrem Begehren betriebliche Gründe entgegenstehen. Im Falle der Erkrankung einer der Frauen in der Kernputzerei würde diese durch einen der beiden dort beschäftigten Männer ersetzt. Zu weitergehenden organisatorischen Eingriffen sei es in der Vergangenheit nicht gekommen. Eine Erkrankung könne sie gegebenenfalls vor 17:00 Uhr anzeigen, so dass die bis dahin im Betrieb anwesenden Vorgesetzten entsprechend organisatorisch reagieren könnten. Den pünktlichen Arbeitsantritt um 18:30 Uhr bzw. 18:00 könnten die Schichtführer beaufsichtigen. Die Beklagte habe keine Bemühungen unternommen, gegebenenfalls eine Ersatzarbeitskraft für die ausfallende Arbeitszeit zu finden. Konkrete Pläne, den seit elf Jahren bestehenden Wechselschichtbetrieb auf ein Einschichtmodell umzustellen, bestünden keine. Genauso wenig bestünden Anhaltspunkte dafür, dass eine Vielzahl anderer Arbeitnehmer ihrerseits Teilzeitanträge stellen könnten. Die Klägerin meint, die Beklagte sei mit der Verurteilung zur Abgabe der entsprechenden Erklärungen zur vorläufigen Beschäftigung zu den geänderten Arbeitsbedingungen während des Rechtsstreits zu verurteilen.
Die Klägerin stellt zuletzt folgende Anträge:
1. Die Beklagte wird verurteilt, mit Wirkung ab 15.02.2003, hilfsweise ab 20.04.2003, die Zustimmung zur Reduzierung der regelmäßigen Arbeitszeit der Klägerin auf zwanzig Stunden pro Woche mit einer Arbeitszeit von jeweils vier Stunden an den Arbeitstagen Montag bis Freitag zu erteilen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, die tägliche Arbeitszeit der Klägerin auf Montag bis Freitag von 18:00 Uhr bis 22:00 Uhr zu verteilen.
3. Der Beklagten wird untersagt, von der Klägerin bis zur Rechtskraft der Anträge Ziff. 1 und 2 im Rahmen der regelmäßigen Arbeitszeit außerhalb der Zeit von Montag bis Freitag von 18:00 Uhr bis 22:00 Uhr Arbeitsleistung zu verlangen.
Die Beklagte beantragt,
10 
die Klage abzuweisen.
11 
Sie beruft sich auf das Vorliegen betrieblicher Gründe, die dem Anspruch auf Verringerung der Arbeitszeit und Festlegung derselben entsprechend der gewünschten Verteilung entgegenstehen. Als Zuliefererunternehmen der Automobilindustrie sei sie in besonderem Maße auf eine flexible Produktion angewiesen. Angesichts des derzeitigen wirtschaftlichen Umfeldes sei die Notwendigkeit nicht auszuschließen, ihren Mehrschichtbetrieb auf einen Einschichtbetrieb mit Arbeitszeiten zwischen 7:00 Uhr und 17:00 Uhr umzustellen. Im Fall des Ausfalls einer Arbeitskraft zum Beispiel infolge Krankheit, müssten die Vorgesetzten entsprechende organisatorische Maßnahmen ergreifen und darüber entscheiden, ob aus einer anderen Abteilung ein Arbeitnehmer abzuziehen sei, eine Umbesetzung innerhalb der Abteilung vorzunehmen sei oder Überstunden zu leisten seien. Hierzu seien die Schichtführer nicht befugt. Die Vorgesetzten seien aber nur bis 17:00 Uhr anwesend. Im Übrigen würden Aufsichtspersonen fehlen, die die Einhaltung der Arbeitszeiten insbesondere zu deren Beginn und an deren Ende kontrollieren. Die Gefahr einer ungenehmigten Pause steige, wenn die Klägerin in Abwesenheit der Vorgesetzten erst um 18:00 Uhr die Arbeit antrete. Schließlich habe sie eine unternehmerische Entscheidung getroffen, keine Teilzeitbeschäftigung zu gewähren, weil zu befürchten sei, dass, wenn die Beklagte einer Teilzeitarbeit zustimme, auch weitere Mitarbeiter Teilzeitarbeit fordern würden. Ferner habe sie ohnehin Probleme, ausreichend Arbeitskräfte zu finden, so dass eine Ausgleichskraft für die Klägerin nicht zu finden sei. Die Beklagte meint im Rahmen einer Interessenabwägung sei zu berücksichtigen, dass die Klägerin keine hinreichenden Bemühungen erkennen lasse, tatsächlich eine Betreuungskraft für ihre Kinder zu finden.
12 
Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf deren erschöpfende Schriftsätze verwiesen sowie auf das Sitzungsprotokoll vom 31.07.2003.

Entscheidungsgründe

 
13 
Die zulässige Klage hat auch in der Sache Erfolg.
14 
A.
15 
Die Klage ist zulässig, weil mit dem Anspruch ("Verlangen") nach § 8 Abs. 1 TzBfG eine prozessuale Durchsetzungsmöglichkeit korrespondiert. Das ergibt sich auch aus der insoweit vergleichbaren Vorschrift des § 15 Abs. 7 S. 3 Bundeserziehungsgeldgesetz. Die Klage richtet sich auf die Abgabe einer Willenserklärung (§ 894 ZPO), soweit die Zustimmung zur Verringerung der Arbeitszeit begehrt wird, § 8 Abs. 4 S. 1 Alternative 1 TzBfG sowie auf die gerichtliche Ersetzung der Leistungsbestimmung, soweit die Festlegung bestimmter Arbeitszeiten betroffen ist, § 8 Abs. 4 S. 1 Alternative 2 TzBfG (vgl. Preiß/Gotthard BB 2001, 145 ff.; Grobys/Bram, NZA 2001, 1175 ff.; LAG Baden-Württemberg vom 20.12.2001 – 3 Ta 131/01). Nach dem ausdrücklichen Vorbringen der Klägerin ist die begehrte Verteilung der Arbeitszeit als Annex zur Verringerung derselben zu verstehen, wofür sie zutreffend die Rechtsfigur des sogenannten uneigentlichen Hilfsantrags gewählt hat, welcher nur im Falle der Stattgabe des Hauptantrags zur Entscheidung anfällt.
16 
B.
17 
Die Klage ist auch in der Sache begründet.
18 
I.
19 
Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 8 Abs. 2 TzBfG sind dargetan. Die Klägerin hat die Verringerung ihrer Arbeitszeit und den Umfang der Verringerung drei Monate vor deren Beginn geltend gemacht und die gewünschte Verteilung der Arbeitszeit angegeben. Dies gilt zwar nicht für den Antrag vom 10.11.2002 (Aktenblatt 5). Darin bittet die Klägerin, ihr bestehendes Arbeitsverhältnis für circa zwei Jahre in eine Teilzeitbeschäftigung von 18:30 Uhr bis 22:30 Uhr umzuwandeln. Ein derartiger befristeter Antrag fällt nicht unter den Anwendungsbereich des § 8 TzBfG. Das Gesetz enthält keine Regelung, die § 15 Abs. 7 S. 3 Bundeserziehungsgeldgesetz entspricht. Die Rückkehr zu einer längeren Arbeitszeit ist nur nach Maßgabe des § 9 TzBfG möglich. Das Gesetz enthält mithin keine dem Verringerungsanspruch nach § 8 TzBfG entsprechenden Verlängerungsanspruch (vgl. Hanau NZA 2001, 1168 ff.; ArbG Nienburg NZA 2002, 382 ff.). Die Anerkennung eines befristeten Verlängerungsantrags führte zur Umgehung der gesetzlichen Wertungen. Die Annahme unter Außerachtlassung der Einschränkung der Befristung würde als Ablehnung gelten, § 150 Abs. 2 BGB. Welche Rechtsfolgen darüber hinaus die Nichteinhaltung der Ankündigungsfrist des § 8 Abs. 2 S. 1 TzBfG durch die Nichtangabe des Zeitpunkts des gewünschten Beginns der Vertragsänderung auslöst, kann hier deshalb offen bleiben (vgl. hierzu Hanau NZA 2001, 1168 ff.; ArbG Nienburg NZA 2002, 382 ff. einerseits sowie Hopfner BB 2001, 2144 ff. andererseits). Jedenfalls löst der nicht dem Anwendungsbereich des § 8 TzBfG zuzuordnende Antrag vom 10.11.2002 die Sperrfrist des § 8 Abs. 6 TzBfG nicht aus. Unstreitig hat die Klägerin mit Schreiben vom 15.01.2003 einen weiteren, auf den 20.04.2003 wirkenden Antrag gestellt (Schriftsatz vom 23.04.2003, dort Seite 2 unter Ziff. 1).
20 
II.
21 
Vom Anwendungsbereich des § 8 Abs. 2 S. 2 TzBfG (Verteilung der Arbeitszeit) ist auch die geltend gemachte Verteilung der Arbeitszeit bzw. die Lage derselben innerhalb eines Tages von 18:00 Uhr bis 22:00 Uhr erfasst. Zwar ist der Wortlaut des § 8 Abs. 2 S. 2 TzBfG hinsichtlich des Verteilungsrahmens offen, im Gegensatz etwa zu § 87 Abs. 1 Ziff. 2 BetrVG, der sowohl Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit als auch die Verteilung auf die einzelnen Wochentage benennt. Der Gesetzeszweck des § 1 TzBfG, Teilzeitarbeit zu fördern, spricht gegen eine einschränkende Auslegung des § 8 Abs. 2 S. 2 TzBfG. Insbesondere für erwerbstätige Eltern von Kindern ist die Lage der täglichen Arbeitszeit von erheblicher Bedeutung. Dem Anspruch steht nicht entgegen, dass sich der zuletzt gestellte Klagantrag und das Änderungsangebot vom 15.01.2001 in der Lage der täglichen Arbeitszeit nicht decken. Die Änderung von 18:30 Uhr bis 22:30 Uhr auf 18:00 Uhr bis 22:00 Uhr hat die Klägerin mit Einwilligung der Beklagten vorgenommen, § 263 Alternative 1 ZPO. Sie trägt damit dem Umstand Rechnung, dass die Beklagte zum 01.06.2003 das Ende der Spätschicht um eine halbe Stunde vorgezogen hat. Sie entspricht damit dem Interesse der Beklagten (§ 8 Abs. 5 S. 4 TzBfG), ihre Arbeitszeit mit dem Schichtende zu synchronisieren, zumal in der Nachtschicht von 22:00 Uhr bis 6:00 Uhr nur zwei Männer tätig sind.
22 
III.
23 
1. Dem Anspruch stehen keine betrieblichen Gründe im Sinne des § 8 Abs. 4 TzBfG entgegen. Hierfür trägt die Beklagte die Darlegungs- und Beweislast, weil es sich um eine Einwendung handelt. Dabei ist auf den Zeitpunkt der Ablehnungsentscheidung des Arbeitgebers abzustellen, was sich aus § 8 Abs. 5 S. 4 und Abs. 6 TzBfG ergibt mit der Folge, dass Änderungen der betrieblichen Gründe zwischen der Ablehnungsentscheidung und der mündlichen Verhandlung weder zu Gunsten noch zu Ungunsten des Arbeitnehmers zu berücksichtigen sind (Beckschulze, DB 2000, 2598 ff.; Flatten/Coeppicus, ZIP 2001, 147 ff.).
24 
2. Im Gegensatz zu § 15 Abs. 7 Ziff. 4 Bundeserziehungsgeldgesetz müssen die entgegenstehenden betrieblichen Gründe nicht dringender Natur sein; ausreichend sind rationale nachvollziehbare Gründe. Allerdings belegen die Beispiele des § 8 Abs. 4 S. 2 TzBfG, dass die Gründe von einer gewissen Erheblichkeit sein müssen, weil die Verringerung der Arbeitszeit beispielsweise die Sicherheit im Betrieb "wesentlich" beeinträchtigt oder "unverhältnismäßige" Kosten verursacht. Die Position des Arbeitgebers nach § 8 TzBfG ist mithin stärker ausgestaltet als die nach § 15 Bundeserziehungsgeldgesetz, zumal für den Arbeitnehmer in dem einen Fall Grundrechte aus Art. 6 Grundgesetz streiten, wohingegen der Verringerungswunsch nach § 8 keinerlei Begründung auf Arbeitnehmerseite bedarf. Gemessen an diesen Vorgaben sind keine betrieblichen Gründe dargetan, die dem Teilzeitbegehren der Klägerin entgegengehalten werden können.
25 
a) Soweit sich die Beklagte darauf beruft, es sei nach der Natur ihres Geschäftsbetriebes in Abhängigkeit von der Konjunktur der Automobilindustrie durchaus möglich, dass ihr bestehender Dreischichtbetrieb auf eine Normalschicht von 7:00 Uhr bis 17:00 Uhr umgestellt werden könnte, ist dieser Vortrag spekulativ. Konkrete Überlegungen hierzu gibt es nicht. Immerhin besteht der Schichtbetrieb seit dem Beginn des Arbeitsverhältnisses der Parteien im Jahre 1991. In einem solchen Fall müsste die Beklagte ohnedies mit personellen Anpassungsmaßnahmen reagieren. Es ist schwerlich denkbar, dass sämtliche Arbeitskräfte aus mehreren Schichten bei unveränderter Anzahl der bestehenden Arbeitsplätze in einer Schicht zusammengefasst werden können. Überdies ergibt sich aus § 8 Abs. 5 S. 4 TzBfG, dass der Arbeitgeber die festgelegte Verteilung der Arbeitszeit wieder ändern kann, wenn das betriebliche Interesse daran das Interesse des Arbeitnehmers an der Beibehaltung erheblich überwiegt. Es liegt auf der Hand, dass es der Klägerin nicht gestattet werden könnte, außerhalb jeglicher betrieblicher Arbeitszeiten alleine zu arbeiten.
26 
b) Ohne Erfolg beruft sich die Beklagte darauf, die Vorgesetzten der Klägerin seien nur bis 17:00 Uhr im Betrieb anwesend und könnten auf kurzfristige und insbesondere krankheitsbedingte Ausfälle der Klägerin nicht mit geeigneten Maßnahmen reagieren, um die Produktion sicher zu stellen. Dieses Argument steht in erster Linie nicht der begehrten Teilzeittätigkeit entgegen, sondern befürchteten Fehlzeiten. Eine Arbeitsunfähigkeit könnte bei der Klägerin aber auch mit gleicher Wahrscheinlichkeit während der Arbeitstätigkeit nach 17:00 Uhr eintreten, wie es die Beklagte für wahrscheinlich hält, dass die Klägerin vorher zum Beispiel auf dem Weg zur Arbeit erkrankt. Im Übrigen ergibt sich aus § 5 Abs. 1 S. 1 Entgeltfortzahlungsgesetz, dass der Arbeitnehmer verpflichtet ist, dem Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeit unverzüglich mitzuteilen. Das bedeutet, dass der Arbeitnehmer ohne schuldhaftes Zögern die Mitteilungspflicht zu erfüllen hat, sobald er von der Arbeitsunfähigkeit Kenntnis genommen hat. Es bedarf also keiner besonderen Bereitschaft der Klägerin, die beispielsweise am Vormittag ärztlich festgestellte Arbeitsunfähigkeit umgehend der Beklagten mitzuteilen. Die Unerheblichkeit des Beklagtenvortrags ergibt sich nach Ansicht der Kammer darüber hinaus daraus, dass die Beklagte Verhandlungen über eine Teilzeittätigkeit am Vormittag zwischen 8:30 Uhr und 12:30 Uhr abgelehnt hat, über eine Zeit also, zu welcher unzweifelhaft die Vorgesetzten anwesend sind. Von den behaupteten organisatorischen Maßnahmen, die zur Überbrückung des Ausfalls einer Arbeitskraft in Frage kommen, hat die Beklagte unstreitig in der Vergangenheit ohnehin stets auf ein und dieselbe zurückgegriffen. Im Bedarfsfall ist einer der in der Abteilung der Klägerin beschäftigten männlichen Arbeitskräfte eingesprungen.
27 
c) Auch das weitere Argument der Beklagten, es würden Aufsichtspersonen fehlen, die den pünktlichen Arbeitsbeginn und das pünktliche Arbeitsende kontrollieren, ist nicht stichhaltig. Weder zu Beginn der Frühschicht, noch am Ende der Spätschicht, noch zu Beginn der Nachtschicht, noch am Ende der Nachtschicht sind solche Aufsichtspersonen anwesend. Lediglich der Übergang von der Früh- auf die Spätschicht kann nach dem Vorbringen der Beklagten kontrolliert werden. Einen allgemeinen Erfahrungssatz, dass ungenehmigte Pausen zu bestimmten Zeitpunkten eingelegt werden, gibt es nicht. Die von der Beklagten angesprochenen Stichproben sind deshalb zu jedem Zeitpunkt denkbar und sinnvoll. Ihr Sinn und Zweck würde durch eine zeitliche Festlegung verfehlt. Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit werden im Übrigen bei der Beklagten durch ein Stempeluhrsystem erfasst, dessen Funktionsweise nicht näher dargelegt ist. Die Einhaltung der persönlichen Arbeitszeit der Klägerin kann dadurch kontrolliert werden.
28 
d) Soweit sich die Beklagte darauf beruft, sie habe ohnehin Probleme, ausreichend Arbeitskräfte zu finden, insbesondere eine Vier-Stunden-Beschäftigung in der Kernmacherei sei nicht zu finden, ist ihr Vortrag unsubstanziiert. Konkrete Bemühungen um eine ergänzende Teilzeitkraft, etwa durch Aufgabe von Zeitungsinseraten oder Anfrage bei den Arbeitsvermittlungsbehörden, hat die Beklagte nicht dargelegt. Ob es bei der derzeitigen Arbeitsmarktlage tatsächlich unmöglich ist, angelernte Hilfskräfte zu finden, erscheint zweifelhaft. Unklar ist außerdem, ob die Beklagte tatsächlich Bedarf an einer zusätzlichen Teilzeitkraft hat. Die Beklagte beruft sich auf die Sachzwänge der just-in-Time-Fertigung. Die Beklagte hat die betriebsübliche Arbeitszeit von 8 Stunden für alle Beschäftigten mit Wirkung zum 01.06.2003 auf 7,5 Stunden herabgesetzt, weil die Auftragslage rückläufig sei.
29 
Die Klägerin bearbeitet bestimmte Stückzahlen an Sandkernen je nach Anforderung. Die einzelnen Produkte sind einem Wechsel unterzogen. Es ist also eine Frage der Arbeitsplanung und Arbeitseinteilung, zu entscheiden, wieviele Produkte eines konkreten Modells in welchem Zeitraum herzustellen sind und wieviel Arbeitskräfte hierfür eingesetzt werden. Das bedeutet nicht, dass nur mit vollschichtig beschäftigten Arbeitskräften gerechnet werden kann. Die teilschichtig beschäftigte Klägerin bearbeitet dann eben weniger Stückzahlen, was bereits bei der Einsatzplanung berücksichtigt werden kann.
30 
e) Unerheblich ist deshalb auch, das von der Beklagten behauptete unternehmerische Konzept, keine Teilzeitbeschäftigung zu gewähren. Diese Entscheidung ist nicht näher ausgeführt und wird lapidar damit begründet, es stünde zu befürchten, dass auch weitere Mitarbeiter Teilzeitarbeit fordern. Dabei wird zum einen verkannt, dass jedes Teilzeitgesuch für sich genommen, an der betrieblichen Lage zu messen ist. Im Übrigen würde ein solches, nicht näher ausgeführtes Konzept den Teilzeitanspruch nach § 8 TzBfG aushebeln, obwohl das Gesetz dem Arbeitgeber grundsätzlich Organisationsänderungen zumutet (vgl. § 8 Abs. 4 S. 2 TzBfG). Nicht ausreichend ist deshalb das bloße "Nichtwollen" des Arbeitgebers, erforderlich ist vielmehr ein nachvollziehbares, schlüssig begründetes Konzept, das auch konsequent umgesetzt wird (zum Beispiel ein sogenanntes Ein-Mann-Konzept im Bereich der Kundenbetreuung, der Kinderbetreuung usw.) Zu Unrecht beruft sich die Beklagte schließlich darauf, ihre Interessen an der Beibehaltung der Arbeitszeit, würden diejenigen der Klägerin an deren Verringerung überwiegen. Anhaltspunkte dafür, dass nach § 8 Abs. 4 TzBfG eine Interessenabwägung geboten ist, enthält das Gesetz nicht. Das ergibt sich im Umkehrschluss aus der Regelung des § 8 Abs. 5 S. 4 TzBfG, betreffend die Frage der Änderung der Verteilung der festgelegten Arbeitszeit.
31 
Das ergibt sich auch daraus, dass der Anspruch auf Verringerung der Arbeitszeit arbeitnehmerseitig keinerlei Begründung bedarf.
32 
Den Klaganträgen Ziff. 1 und 2 war deshalb statt zu geben.
33 
IV.
34 
Das Bundesarbeitsgericht hat in der Entscheidung vom 27.02.1985 (EZA § 611 BGB Beschäftigungspflicht Nr. 9) den Grundsatz aufgestellt, dass der Arbeitgeber auch nach Ablauf der Kündigungsfrist zur Weiterbeschäftigung des gekündigten Arbeitnehmers während der Dauer des Prozesses verpflichtet ist, wenn ein erstinstanzlich obsiegendes Urteil vorliegt. Mit der Klägerin ist die Kammer der Ansicht, dass diese Grundsätze unter Berücksichtigung des verfassungsrechtlichen Gebots effektiven Rechtsschutzes und der vorläufigen Vollstreckbarkeit arbeitsgerichtliche Urteile nach § 62 Abs. 1 S. 1 ArbGG auf den vorliegenden Fall übertragbar sind, in welchem festgestellt wurde, dass keine betrieblichen Gründe dem Teilzeitbegehren entgegenstehen. Der beispielsweise aus familiären Gründen geltend gemachte Teilzeitanspruch wäre regelmäßig entwertet, wenn der Anspruchsinhaber bis zur Rechtskraft der Entscheidung im Instanzenzug zuwarten müsste. Vorhandene Ersatzansprüche scheiden mangels materiellen Schadens regelmäßig aus. Hat der Arbeitgeber die Abgabe einer entsprechenden Willenserklärung verweigert, so kann sich dieser nach Treu und Glauben nicht auf das eigene pflichtwidrige Verhalten berufen und den Arbeitnehmer auf den Umweg einer Vollstreckung nach § 894 ZPO verweisen. Der Arbeitnehmer kann dann sofort auf Erfüllung der Hauptpflichten aus dem Arbeitsverhältnis klagen (BAG vom 27.02.1997 AP Nr. 1 zu § 1 KSchG 1969, Wiedereinstellung dort am Ende).
35 
Überwiegende Interessen der Beklagten an der vollschichtigen Beschäftigung der Klägerin während der Prozessdauer sind nicht erkennbar und auch nicht vorgetragen. Sie ist dem Klageantrag Ziff. 3 sachlich nicht einmal entgegengetreten. Die eingeschränkte Beschäftigungspflicht der Klägerin kommt dadurch zum Ausdruck, dass es der Beklagten untersagt wird, außerhalb der Arbeitszeiten von 18:00 Uhr bis 22:00 Uhr von der Klägerin regelmäßig Arbeitsleistung zu erbringen. Etwa erforderliche Überstunden sind hiervon nicht erfasst.
36 
V.
37 
Die Beklagte hat als unterlegene Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, § 91 Abs. 1 ZPO. Der Streitwert ergibt sich aus § 61 Abs. 1 ArbGG in Verbindung mit § 3 ZPO. Das Interesse der Klägerin beläuft sich auf mindestens den (noch) eineinhalbjährigen Betreuungsaufwand (Anlagen K 1, 6).
38 
D.Vorsitzende:
39 
 Meyer

Gründe

 
13 
Die zulässige Klage hat auch in der Sache Erfolg.
14 
A.
15 
Die Klage ist zulässig, weil mit dem Anspruch ("Verlangen") nach § 8 Abs. 1 TzBfG eine prozessuale Durchsetzungsmöglichkeit korrespondiert. Das ergibt sich auch aus der insoweit vergleichbaren Vorschrift des § 15 Abs. 7 S. 3 Bundeserziehungsgeldgesetz. Die Klage richtet sich auf die Abgabe einer Willenserklärung (§ 894 ZPO), soweit die Zustimmung zur Verringerung der Arbeitszeit begehrt wird, § 8 Abs. 4 S. 1 Alternative 1 TzBfG sowie auf die gerichtliche Ersetzung der Leistungsbestimmung, soweit die Festlegung bestimmter Arbeitszeiten betroffen ist, § 8 Abs. 4 S. 1 Alternative 2 TzBfG (vgl. Preiß/Gotthard BB 2001, 145 ff.; Grobys/Bram, NZA 2001, 1175 ff.; LAG Baden-Württemberg vom 20.12.2001 – 3 Ta 131/01). Nach dem ausdrücklichen Vorbringen der Klägerin ist die begehrte Verteilung der Arbeitszeit als Annex zur Verringerung derselben zu verstehen, wofür sie zutreffend die Rechtsfigur des sogenannten uneigentlichen Hilfsantrags gewählt hat, welcher nur im Falle der Stattgabe des Hauptantrags zur Entscheidung anfällt.
16 
B.
17 
Die Klage ist auch in der Sache begründet.
18 
I.
19 
Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 8 Abs. 2 TzBfG sind dargetan. Die Klägerin hat die Verringerung ihrer Arbeitszeit und den Umfang der Verringerung drei Monate vor deren Beginn geltend gemacht und die gewünschte Verteilung der Arbeitszeit angegeben. Dies gilt zwar nicht für den Antrag vom 10.11.2002 (Aktenblatt 5). Darin bittet die Klägerin, ihr bestehendes Arbeitsverhältnis für circa zwei Jahre in eine Teilzeitbeschäftigung von 18:30 Uhr bis 22:30 Uhr umzuwandeln. Ein derartiger befristeter Antrag fällt nicht unter den Anwendungsbereich des § 8 TzBfG. Das Gesetz enthält keine Regelung, die § 15 Abs. 7 S. 3 Bundeserziehungsgeldgesetz entspricht. Die Rückkehr zu einer längeren Arbeitszeit ist nur nach Maßgabe des § 9 TzBfG möglich. Das Gesetz enthält mithin keine dem Verringerungsanspruch nach § 8 TzBfG entsprechenden Verlängerungsanspruch (vgl. Hanau NZA 2001, 1168 ff.; ArbG Nienburg NZA 2002, 382 ff.). Die Anerkennung eines befristeten Verlängerungsantrags führte zur Umgehung der gesetzlichen Wertungen. Die Annahme unter Außerachtlassung der Einschränkung der Befristung würde als Ablehnung gelten, § 150 Abs. 2 BGB. Welche Rechtsfolgen darüber hinaus die Nichteinhaltung der Ankündigungsfrist des § 8 Abs. 2 S. 1 TzBfG durch die Nichtangabe des Zeitpunkts des gewünschten Beginns der Vertragsänderung auslöst, kann hier deshalb offen bleiben (vgl. hierzu Hanau NZA 2001, 1168 ff.; ArbG Nienburg NZA 2002, 382 ff. einerseits sowie Hopfner BB 2001, 2144 ff. andererseits). Jedenfalls löst der nicht dem Anwendungsbereich des § 8 TzBfG zuzuordnende Antrag vom 10.11.2002 die Sperrfrist des § 8 Abs. 6 TzBfG nicht aus. Unstreitig hat die Klägerin mit Schreiben vom 15.01.2003 einen weiteren, auf den 20.04.2003 wirkenden Antrag gestellt (Schriftsatz vom 23.04.2003, dort Seite 2 unter Ziff. 1).
20 
II.
21 
Vom Anwendungsbereich des § 8 Abs. 2 S. 2 TzBfG (Verteilung der Arbeitszeit) ist auch die geltend gemachte Verteilung der Arbeitszeit bzw. die Lage derselben innerhalb eines Tages von 18:00 Uhr bis 22:00 Uhr erfasst. Zwar ist der Wortlaut des § 8 Abs. 2 S. 2 TzBfG hinsichtlich des Verteilungsrahmens offen, im Gegensatz etwa zu § 87 Abs. 1 Ziff. 2 BetrVG, der sowohl Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit als auch die Verteilung auf die einzelnen Wochentage benennt. Der Gesetzeszweck des § 1 TzBfG, Teilzeitarbeit zu fördern, spricht gegen eine einschränkende Auslegung des § 8 Abs. 2 S. 2 TzBfG. Insbesondere für erwerbstätige Eltern von Kindern ist die Lage der täglichen Arbeitszeit von erheblicher Bedeutung. Dem Anspruch steht nicht entgegen, dass sich der zuletzt gestellte Klagantrag und das Änderungsangebot vom 15.01.2001 in der Lage der täglichen Arbeitszeit nicht decken. Die Änderung von 18:30 Uhr bis 22:30 Uhr auf 18:00 Uhr bis 22:00 Uhr hat die Klägerin mit Einwilligung der Beklagten vorgenommen, § 263 Alternative 1 ZPO. Sie trägt damit dem Umstand Rechnung, dass die Beklagte zum 01.06.2003 das Ende der Spätschicht um eine halbe Stunde vorgezogen hat. Sie entspricht damit dem Interesse der Beklagten (§ 8 Abs. 5 S. 4 TzBfG), ihre Arbeitszeit mit dem Schichtende zu synchronisieren, zumal in der Nachtschicht von 22:00 Uhr bis 6:00 Uhr nur zwei Männer tätig sind.
22 
III.
23 
1. Dem Anspruch stehen keine betrieblichen Gründe im Sinne des § 8 Abs. 4 TzBfG entgegen. Hierfür trägt die Beklagte die Darlegungs- und Beweislast, weil es sich um eine Einwendung handelt. Dabei ist auf den Zeitpunkt der Ablehnungsentscheidung des Arbeitgebers abzustellen, was sich aus § 8 Abs. 5 S. 4 und Abs. 6 TzBfG ergibt mit der Folge, dass Änderungen der betrieblichen Gründe zwischen der Ablehnungsentscheidung und der mündlichen Verhandlung weder zu Gunsten noch zu Ungunsten des Arbeitnehmers zu berücksichtigen sind (Beckschulze, DB 2000, 2598 ff.; Flatten/Coeppicus, ZIP 2001, 147 ff.).
24 
2. Im Gegensatz zu § 15 Abs. 7 Ziff. 4 Bundeserziehungsgeldgesetz müssen die entgegenstehenden betrieblichen Gründe nicht dringender Natur sein; ausreichend sind rationale nachvollziehbare Gründe. Allerdings belegen die Beispiele des § 8 Abs. 4 S. 2 TzBfG, dass die Gründe von einer gewissen Erheblichkeit sein müssen, weil die Verringerung der Arbeitszeit beispielsweise die Sicherheit im Betrieb "wesentlich" beeinträchtigt oder "unverhältnismäßige" Kosten verursacht. Die Position des Arbeitgebers nach § 8 TzBfG ist mithin stärker ausgestaltet als die nach § 15 Bundeserziehungsgeldgesetz, zumal für den Arbeitnehmer in dem einen Fall Grundrechte aus Art. 6 Grundgesetz streiten, wohingegen der Verringerungswunsch nach § 8 keinerlei Begründung auf Arbeitnehmerseite bedarf. Gemessen an diesen Vorgaben sind keine betrieblichen Gründe dargetan, die dem Teilzeitbegehren der Klägerin entgegengehalten werden können.
25 
a) Soweit sich die Beklagte darauf beruft, es sei nach der Natur ihres Geschäftsbetriebes in Abhängigkeit von der Konjunktur der Automobilindustrie durchaus möglich, dass ihr bestehender Dreischichtbetrieb auf eine Normalschicht von 7:00 Uhr bis 17:00 Uhr umgestellt werden könnte, ist dieser Vortrag spekulativ. Konkrete Überlegungen hierzu gibt es nicht. Immerhin besteht der Schichtbetrieb seit dem Beginn des Arbeitsverhältnisses der Parteien im Jahre 1991. In einem solchen Fall müsste die Beklagte ohnedies mit personellen Anpassungsmaßnahmen reagieren. Es ist schwerlich denkbar, dass sämtliche Arbeitskräfte aus mehreren Schichten bei unveränderter Anzahl der bestehenden Arbeitsplätze in einer Schicht zusammengefasst werden können. Überdies ergibt sich aus § 8 Abs. 5 S. 4 TzBfG, dass der Arbeitgeber die festgelegte Verteilung der Arbeitszeit wieder ändern kann, wenn das betriebliche Interesse daran das Interesse des Arbeitnehmers an der Beibehaltung erheblich überwiegt. Es liegt auf der Hand, dass es der Klägerin nicht gestattet werden könnte, außerhalb jeglicher betrieblicher Arbeitszeiten alleine zu arbeiten.
26 
b) Ohne Erfolg beruft sich die Beklagte darauf, die Vorgesetzten der Klägerin seien nur bis 17:00 Uhr im Betrieb anwesend und könnten auf kurzfristige und insbesondere krankheitsbedingte Ausfälle der Klägerin nicht mit geeigneten Maßnahmen reagieren, um die Produktion sicher zu stellen. Dieses Argument steht in erster Linie nicht der begehrten Teilzeittätigkeit entgegen, sondern befürchteten Fehlzeiten. Eine Arbeitsunfähigkeit könnte bei der Klägerin aber auch mit gleicher Wahrscheinlichkeit während der Arbeitstätigkeit nach 17:00 Uhr eintreten, wie es die Beklagte für wahrscheinlich hält, dass die Klägerin vorher zum Beispiel auf dem Weg zur Arbeit erkrankt. Im Übrigen ergibt sich aus § 5 Abs. 1 S. 1 Entgeltfortzahlungsgesetz, dass der Arbeitnehmer verpflichtet ist, dem Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeit unverzüglich mitzuteilen. Das bedeutet, dass der Arbeitnehmer ohne schuldhaftes Zögern die Mitteilungspflicht zu erfüllen hat, sobald er von der Arbeitsunfähigkeit Kenntnis genommen hat. Es bedarf also keiner besonderen Bereitschaft der Klägerin, die beispielsweise am Vormittag ärztlich festgestellte Arbeitsunfähigkeit umgehend der Beklagten mitzuteilen. Die Unerheblichkeit des Beklagtenvortrags ergibt sich nach Ansicht der Kammer darüber hinaus daraus, dass die Beklagte Verhandlungen über eine Teilzeittätigkeit am Vormittag zwischen 8:30 Uhr und 12:30 Uhr abgelehnt hat, über eine Zeit also, zu welcher unzweifelhaft die Vorgesetzten anwesend sind. Von den behaupteten organisatorischen Maßnahmen, die zur Überbrückung des Ausfalls einer Arbeitskraft in Frage kommen, hat die Beklagte unstreitig in der Vergangenheit ohnehin stets auf ein und dieselbe zurückgegriffen. Im Bedarfsfall ist einer der in der Abteilung der Klägerin beschäftigten männlichen Arbeitskräfte eingesprungen.
27 
c) Auch das weitere Argument der Beklagten, es würden Aufsichtspersonen fehlen, die den pünktlichen Arbeitsbeginn und das pünktliche Arbeitsende kontrollieren, ist nicht stichhaltig. Weder zu Beginn der Frühschicht, noch am Ende der Spätschicht, noch zu Beginn der Nachtschicht, noch am Ende der Nachtschicht sind solche Aufsichtspersonen anwesend. Lediglich der Übergang von der Früh- auf die Spätschicht kann nach dem Vorbringen der Beklagten kontrolliert werden. Einen allgemeinen Erfahrungssatz, dass ungenehmigte Pausen zu bestimmten Zeitpunkten eingelegt werden, gibt es nicht. Die von der Beklagten angesprochenen Stichproben sind deshalb zu jedem Zeitpunkt denkbar und sinnvoll. Ihr Sinn und Zweck würde durch eine zeitliche Festlegung verfehlt. Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit werden im Übrigen bei der Beklagten durch ein Stempeluhrsystem erfasst, dessen Funktionsweise nicht näher dargelegt ist. Die Einhaltung der persönlichen Arbeitszeit der Klägerin kann dadurch kontrolliert werden.
28 
d) Soweit sich die Beklagte darauf beruft, sie habe ohnehin Probleme, ausreichend Arbeitskräfte zu finden, insbesondere eine Vier-Stunden-Beschäftigung in der Kernmacherei sei nicht zu finden, ist ihr Vortrag unsubstanziiert. Konkrete Bemühungen um eine ergänzende Teilzeitkraft, etwa durch Aufgabe von Zeitungsinseraten oder Anfrage bei den Arbeitsvermittlungsbehörden, hat die Beklagte nicht dargelegt. Ob es bei der derzeitigen Arbeitsmarktlage tatsächlich unmöglich ist, angelernte Hilfskräfte zu finden, erscheint zweifelhaft. Unklar ist außerdem, ob die Beklagte tatsächlich Bedarf an einer zusätzlichen Teilzeitkraft hat. Die Beklagte beruft sich auf die Sachzwänge der just-in-Time-Fertigung. Die Beklagte hat die betriebsübliche Arbeitszeit von 8 Stunden für alle Beschäftigten mit Wirkung zum 01.06.2003 auf 7,5 Stunden herabgesetzt, weil die Auftragslage rückläufig sei.
29 
Die Klägerin bearbeitet bestimmte Stückzahlen an Sandkernen je nach Anforderung. Die einzelnen Produkte sind einem Wechsel unterzogen. Es ist also eine Frage der Arbeitsplanung und Arbeitseinteilung, zu entscheiden, wieviele Produkte eines konkreten Modells in welchem Zeitraum herzustellen sind und wieviel Arbeitskräfte hierfür eingesetzt werden. Das bedeutet nicht, dass nur mit vollschichtig beschäftigten Arbeitskräften gerechnet werden kann. Die teilschichtig beschäftigte Klägerin bearbeitet dann eben weniger Stückzahlen, was bereits bei der Einsatzplanung berücksichtigt werden kann.
30 
e) Unerheblich ist deshalb auch, das von der Beklagten behauptete unternehmerische Konzept, keine Teilzeitbeschäftigung zu gewähren. Diese Entscheidung ist nicht näher ausgeführt und wird lapidar damit begründet, es stünde zu befürchten, dass auch weitere Mitarbeiter Teilzeitarbeit fordern. Dabei wird zum einen verkannt, dass jedes Teilzeitgesuch für sich genommen, an der betrieblichen Lage zu messen ist. Im Übrigen würde ein solches, nicht näher ausgeführtes Konzept den Teilzeitanspruch nach § 8 TzBfG aushebeln, obwohl das Gesetz dem Arbeitgeber grundsätzlich Organisationsänderungen zumutet (vgl. § 8 Abs. 4 S. 2 TzBfG). Nicht ausreichend ist deshalb das bloße "Nichtwollen" des Arbeitgebers, erforderlich ist vielmehr ein nachvollziehbares, schlüssig begründetes Konzept, das auch konsequent umgesetzt wird (zum Beispiel ein sogenanntes Ein-Mann-Konzept im Bereich der Kundenbetreuung, der Kinderbetreuung usw.) Zu Unrecht beruft sich die Beklagte schließlich darauf, ihre Interessen an der Beibehaltung der Arbeitszeit, würden diejenigen der Klägerin an deren Verringerung überwiegen. Anhaltspunkte dafür, dass nach § 8 Abs. 4 TzBfG eine Interessenabwägung geboten ist, enthält das Gesetz nicht. Das ergibt sich im Umkehrschluss aus der Regelung des § 8 Abs. 5 S. 4 TzBfG, betreffend die Frage der Änderung der Verteilung der festgelegten Arbeitszeit.
31 
Das ergibt sich auch daraus, dass der Anspruch auf Verringerung der Arbeitszeit arbeitnehmerseitig keinerlei Begründung bedarf.
32 
Den Klaganträgen Ziff. 1 und 2 war deshalb statt zu geben.
33 
IV.
34 
Das Bundesarbeitsgericht hat in der Entscheidung vom 27.02.1985 (EZA § 611 BGB Beschäftigungspflicht Nr. 9) den Grundsatz aufgestellt, dass der Arbeitgeber auch nach Ablauf der Kündigungsfrist zur Weiterbeschäftigung des gekündigten Arbeitnehmers während der Dauer des Prozesses verpflichtet ist, wenn ein erstinstanzlich obsiegendes Urteil vorliegt. Mit der Klägerin ist die Kammer der Ansicht, dass diese Grundsätze unter Berücksichtigung des verfassungsrechtlichen Gebots effektiven Rechtsschutzes und der vorläufigen Vollstreckbarkeit arbeitsgerichtliche Urteile nach § 62 Abs. 1 S. 1 ArbGG auf den vorliegenden Fall übertragbar sind, in welchem festgestellt wurde, dass keine betrieblichen Gründe dem Teilzeitbegehren entgegenstehen. Der beispielsweise aus familiären Gründen geltend gemachte Teilzeitanspruch wäre regelmäßig entwertet, wenn der Anspruchsinhaber bis zur Rechtskraft der Entscheidung im Instanzenzug zuwarten müsste. Vorhandene Ersatzansprüche scheiden mangels materiellen Schadens regelmäßig aus. Hat der Arbeitgeber die Abgabe einer entsprechenden Willenserklärung verweigert, so kann sich dieser nach Treu und Glauben nicht auf das eigene pflichtwidrige Verhalten berufen und den Arbeitnehmer auf den Umweg einer Vollstreckung nach § 894 ZPO verweisen. Der Arbeitnehmer kann dann sofort auf Erfüllung der Hauptpflichten aus dem Arbeitsverhältnis klagen (BAG vom 27.02.1997 AP Nr. 1 zu § 1 KSchG 1969, Wiedereinstellung dort am Ende).
35 
Überwiegende Interessen der Beklagten an der vollschichtigen Beschäftigung der Klägerin während der Prozessdauer sind nicht erkennbar und auch nicht vorgetragen. Sie ist dem Klageantrag Ziff. 3 sachlich nicht einmal entgegengetreten. Die eingeschränkte Beschäftigungspflicht der Klägerin kommt dadurch zum Ausdruck, dass es der Beklagten untersagt wird, außerhalb der Arbeitszeiten von 18:00 Uhr bis 22:00 Uhr von der Klägerin regelmäßig Arbeitsleistung zu erbringen. Etwa erforderliche Überstunden sind hiervon nicht erfasst.
36 
V.
37 
Die Beklagte hat als unterlegene Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, § 91 Abs. 1 ZPO. Der Streitwert ergibt sich aus § 61 Abs. 1 ArbGG in Verbindung mit § 3 ZPO. Das Interesse der Klägerin beläuft sich auf mindestens den (noch) eineinhalbjährigen Betreuungsaufwand (Anlagen K 1, 6).
38 
D.Vorsitzende:
39 
 Meyer

Verwandte Urteile

Keine verwandten Inhalte vorhanden.

Referenzen

This content does not contain any references.