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| Die zulässige Klage ist nicht begründet. |
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| Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf eine Entschädigung aus § 15 Abs. 2 AGG wegen eines Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot der Behinderung. |
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| Die Klage scheitert schon daran, dass der Kläger die Klagefrist des § 61 b Abs. 1 ArbGG nicht eingehalten hat. |
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| 1. Gemäß § 15 Abs. 4 AGG müssen Ansprüche auf Schadenersatz gemäß § 15 Abs. 1 AGG, sowie Ansprüche auf Entschädigung gemäß § 15 Abs. 2 AGG innerhalb einer Frist von 2 Monaten geltend gemacht werden, wobei die Frist beginnt mit dem Zugang der Ablehnung der Bewerbung. Will der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Entschädigung geltend machen, so hat er gemäß § 61 b Abs. 1 ArbGG zudem innerhalb von drei Monaten nachdem der Anspruch schriftlich geltend gemacht wurde vor dem Arbeitsgericht Klage zu erheben. |
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| Vorliegend erhielt der Kläger eine schriftliche Absage auf seine Bewerbung mit Schreiben vom 21.12.2010. Mit Schreiben vom 21.02.2011 machte der Kläger somit noch rechtzeitig sowohl einen Schadenersatzanspruch, als auch einen Entschädigungsanspruch gegenüber der Beklagten geltend. |
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| Gerichtlich geltend gemacht wurde mit Klageschrift vom 15.06.2011 dagegen nur noch ein Entschädigungsanspruch gemäß § 15 Abs. 2 AGG, nicht jedoch ein Schadenersatzanspruch gemäß § 15 Abs. 1 AGG. Dies ergibt sich sowohl aus der ausdrücklichen Bezeichnung im Antrag als auch aus der Begründung. Vor allem wurde auch in der Begründung ausdrücklich die Anspruchsgrundlage des § 82 Abs. 2 SGB IX in Verbindung mit § 15 Abs. 2 AGG zitiert. Auch erfolgten in der Begründung keine Ausführungen zum Verschulden der Beklagten, was bei einem Schadenersatzanspruch gemäß § 15 Abs. 1 AGG jedoch erforderlich gewesen wäre. |
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| Die Klageschrift vom 15.06.2011 ging jedoch erst am 17.06.2011 bei Gericht ein, somit auf jeden Fall außerhalb der für Entschädigungsansprüche geltenden Klagefrist. Da nur eine Entschädigung geltend gemacht wurde, kann dahinstehen, ob die Klagefrist des § 61 b Abs. 1 ArbGG auch für Schadenersatzansprüche gegolten hätte (offenlassend: BAG 22. Juli 2010 - 8 AZR 1012/08 - AP AGG § 22 Nr. 2; bejahend: Adomeit/Mohr 2. Auflage § 15 AGG, Rn. 129; Jacobs RdA 2010, 193; BeckOK/Fuchs § 15 AGG Rn. 10; verneinend: Zwanziger in Kittner/Zwanziger Arbeitsrecht § 92 Rn 153). |
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| Bei dieser Klagefrist des § 61 b Abs. 1 ArbGG handelt es sich um eine von Amts wegen zu prüfende materielle Ausschlussfrist, deren Nichteinhaltung zum Verfall des Anspruchs führt. Die Klage ist als unbegründet abzuweisen. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist vom Gesetz bewusst nicht vorgesehen (Erfk/Koch 12. Auflage § 61 b ArbGG Rn. 2). |
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| 2. Entgegen der Auffassung des Klägers kommt es nicht darauf an, ob der Kläger diese Klagefrist kannte (Erfk/Koch 12. Auflage § 61 b ArbGG Rn. 2). |
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| Die gesetzliche Regelung ist auch nicht überraschend und verletzt somit auch nicht den Anspruch des Klägers auf effektiven Rechtsschutz. Dass die prozessuale Geltendmachungsfrist in das Arbeitsgerichtsgesetz eingegliedert wurde und nicht - wie auch die Geltendmachungsfrist des § 15 Abs. 4 AGG - in das AGG aufgenommen wurde, hat seinen Grund schlicht darin, dass in § 61 b ArbGG (trotz der materiellrechtlichen Ausschlusswirkung) die Besonderheiten der prozessualen Geltendmachung geregelt werden, im Gegensatz zu den materiell-rechtlichen Regelungen, die Gegenstand des AGG sind (Germelmann 7. Auflage § 61 b ArbGG Rn. 1). Im Übrigen handelt es sich um ein ordnungsgemäß im Bundesgesetzblatt bekannt gegebenes formelles Gesetz. |
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| Dem Kläger steht die Entschädigung auch nicht zu als Schadenersatz über §§ 280, 286 BGB. |
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| Der Beklagten kann im Hinblick auf die Fristversäumung des Klägers keine Pflichtwidrigkeit vorgeworfen werden. |
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| 1. Wie bereits oben dargestellt, sind auf die Klagefrist des § 61 b Abs. 1 ArbGG die zu Ausschlussfristen entwickelnden Grundsätze entsprechend anzuwenden (Erfk/Koch 12. Auflage § 61 b ArbGG Rn. 2). Bei der Versäumung von Ausschlussfristen entspricht es mittlerweile ständiger Rechtsprechung, dass wenn unter Verstoß gegen § 2 NachweisG eine Unterrichtung über die geltenden Ausschlussfristen nicht erfolgt ist, der Arbeitnehmer im Rahmen des Schadenersatzes gegebenenfalls so zu stellen ist, als hätte er seine Ansprüche rechtzeitig geltend gemacht (BAG 17. April 2002 - 5 AZR 89/01 - BAGE 101, 75). Eine entsprechende Anwendung begehrt vorliegend der Kläger unter Berufung auf einen Verstoß der Beklagten gegen die Regelung des § 12 Abs. 5 AGG, zumal auch solche Verstöße gemäß § 280 BGB Schadenersatzansprüche begründen können (Erfk/Schlachter 12. Auflage § 12 AGG Rn. 6). |
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| 2. Ein solcher Verstoß gegen § 12 Abs. 5 AGG durch die Beklagte liegt jedoch nicht vor. |
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| a) Diese Vorschrift regelt lediglich, dass der Gesetzestext des AGG, sowie des § 61 b ArbGG im Betrieb oder der Dienststelle bekannt zu machen ist durch Aushang oder Auslegung an geeigneter Stelle oder durch den Einsatz der im Betrieb oder der Dienststelle üblichen Informations- und Kommunikationstechnik. Dies ist vorliegend auch erfolgt durch Einstellung in das allen Mitarbeitern zugängliche Intranet der Beklagten. |
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| § 12 Abs. 5 AGG ist gerade nicht so formuliert, dass der Arbeitgeber die Beschäftigten, somit über § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG auch die Bewerber über § 61 b ArbGG zu informieren hätte. Vielmehr wird abgestellt auf die Bekanntmachung im Betrieb bzw. der Dienststelle. |
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| Zwar dient § 12 Abs. 5 AGG der Umsetzung des Artikels 10 der Richtlinie 2000/43 EG, des Artikel 12 der Richtlinie 2000/78 EG, sowie des Artikel 8 der Richtlinie 76/207 EWG, weshalb erforderlich ist, dass der Adressatenkreis von der Bekanntmachung Kenntnis erlangen kann (BT-Drs. 16/1780 Seite 37), weshalb man annehmen könnte, auch die Bewerber sollten zum Adressatenkreis gehören, somit eine Kenntnisnahmemöglichkeit der Bekanntmachung erhalten. Jedoch spricht Artikel 8 der Richtlinie 76/207 EWG beispielsweise von einer Bekanntmachung in den Betrieben und Artikel 12 der Richtlinie 2000/78 EG von einer Bekanntmachung am Arbeitsplatz. Der deutsche Gesetzgeber sieht zum Beispiel eine Bekanntmachung im Intranet als ausreichend an (BT-Drs. 16/1780 Seite 37). Hinzu kommt, dass die Regelung des § 12 AGG in den Unterabschnitt 2 des AGG aufgenommen wurde, in dem die Organisationspflichten des Arbeitgebers geregelt sind. Es geht somit um betriebliche Vorkehrungen. Die Vorstellung, dass zum Beispiel bei 500 Bewerbungen auf eine Stelle der ausschreibende Arbeitgeber, der das AGG und § 61 b ArbGG betriebsüblich bekannt gemacht hat, zudem gehalten sein sollte an alle abgelehnten 499 Bewerber Gesetzestexte des AGG und des § 61 b ArbGG zu verschicken, erscheint absurd und nicht gewollt. Adressatenkreis der betrieblichen Bekanntmachungspflicht können somit nur die bereits betriebsangehörigen Mitarbeiter sein. Nur für diese können auch betriebliche Vorkehrungen getroffen werden. |
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| b) Selbst wenn man aber mit dem Kläger annehmen wollte, er hätte gesondert über den Inhalt des § 61 b Abs. 1 ArbGG in Kenntnis gesetzt werden müssen durch die Beklagte, steht ihm ein Schadenersatzanspruch nicht zu. In diesem Falle fehlt es an einer Darlegung der Kausalität zwischen unterlassener Aufklärung und eingetretenem Schaden. Denn auch die Vermutung aufklärungsgemäßen Verhaltens hilft über die fehlende Darlegung der Kausalität nicht hinweg (BAG 20. April 2011 - 5 AZR 171/10 - NZA 2011, 1173). |
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| c) Hinzu kommt, dass noch nicht einmal unbestritten feststeht, dass der Kläger über die Klagefrist in Unkenntnis war. Die Beklagte hat dies bestritten. Der Kläger kündigte nämlich im Geltendmachungsschreiben vom 21.02.2011 selbst an, im Falle der Nichtbefriedigung der geltend gemachten Ansprüche „fristgerecht Klage beim zuständigen Arbeitsgericht erheben“ zu wollen. Welche andere Frist als die des § 61 b Abs. 1 ArbGG will denn der Kläger gemeint haben? |
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| 1. Die Kostenentscheidung folgt aus § 46 Abs. 2 ArbGG in Verbindung mit § 91 Abs. 1 ZPO. Der Kläger ist vollständig unterlegen. |
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| 2. Der Streitwert entspricht der Bezifferung durch den Kläger. |
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| 3. Gründe für eine gesonderte Berufungszulassung gemäß § 64 Abs. 3 ArbGG liegen nicht vor. |
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