Das gegen die Vorsitzende der Kammer 25 des Arbeitsgerichts Stuttgart, Frau Richterin am Arbeitsgericht (…), gerichtete Ablehnungsgesuch der Klägerin vom 14.02.2017 wird als unbegründet zurückgewiesen.
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| Die Klägerin hat die ständige Vorsitzende der Ka. 25, Richterin am Arbeitsgericht (…) (im Folgenden: die ständige Vorsitzende), mit Schriftsatz vom 14.02.2017 wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. |
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| In der Sache streiten die Parteien über die Wirksamkeit einer ordentlichen krankheitsbedingten Kündigung, Weiterbeschäftigung und Erteilung eines Arbeitszeugnisses. |
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| Die Klägerin ist 46 Jahre alt, getrennt lebend und hat sechs Kinder, von denen sie fünf Kindern gegenüber zum Unterhalt verpflichtet ist. Sie ist anrechenbar seit dem 01.08.1990 bei der Beklagten beschäftigt. Die Klägerin ist als Mitarbeiterin im Lager eingesetzt. Das monatliche Tarifgehalt beträgt für die in der Lohngruppe 3 eingruppierten Klägerin 2.302,00 Euro. Auf das Arbeitsverhältnis finden kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme die Bestimmungen des Manteltarifvertrags des Verbandes des Groß- und Außenhandels Baden-Württemberg Anwendung. Die Beklagte beschäftigt an ihrem Geschäftssitz in S. 450 Arbeitnehmer. Ein Betriebsrat ist eingerichtet. |
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| Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 18.08.2016 ordentlich zum 31.03.2017. Hiergegen richtet sich die am 25.08.2016 eingegangene Klage. |
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| Am 27.09.2016 fand die Güteverhandlung statt. Die Sach- und Rechtslage wurde zwischen den Parteien erörtert. Eine gütliche Einigung kam zwischen den Parteien nicht zustande. Es wurde Termin zur mündlichen Verhandlung vor der Kammer bestimmt auf den 13.12.2016. Auf das Sitzungsprotokoll vom 27.09.2016 wird vollumfänglich Bezug genommen (Bl. 33 f. d. A.). |
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| Die ständige Vorsitzende bestimmte mit Verfügung vom 06.10.2016 weitere verfahrensleitende Maßnahmen (Bl. 36 f. d. A.). Der Beklagten wurde eine Schriftsatzfrist bis zum 28.10.2016 und der Klägerin bis zum 18.11.2016 gesetzt. Der Beklagten wurde weiter eine letzte Erwiderungsfrist bis zum 02.12.2016 eingeräumt. Auf die Folgen verspäteten Vorbringens wurde hingewiesen. Auf die Verfügung vom 06.10.2016 wird vollumfänglich Bezug genommen. |
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| Das Sitzungsprotokoll und die Verfügung vom 06.10.2016 wurden den Parteivertretern vorab per Telefax übermittelt (Bl. 40 f. d. A.). Zusätzlich erfolgte eine Übersendung gegen anwaltliches Empfangsbekenntnis. Der Beklagtenvertreter reichte das Empfangsbekenntnis unter dem Datum des 10.10.2016 an das Gericht zurück (Bl. 38 d. A.), nicht hingegen die Klägervertreterin. Diese erklärte erst auf Nachfrage des Gerichts vom 06.12.2016, dass sie das Sitzungsprotokoll und die Verfügung vom 06.10.2016 am 11.10.2016 erhalten habe (Bl. 39 d. A.). Die Erklärung ist handschriftlich auf der an das Gericht zurückgefaxten Nachfrage des Gerichts vom 06.12.2016 vermerkt. |
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| Die Beklagte begründete die streitgegenständliche Kündigung innerhalb der verlängerten Frist mit 22-seitigem Schriftsatz vom 04.11.2016 nebst 23 Anlagen. |
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| Die Klägerin reichte keinen weiteren Schriftsatz zur abschließenden Begründung der Klage ein. |
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| Mit Telefax vom 12.12.2016 beantragte die Klägervertreterin die Verlegung des Kammertermins wegen Krankheit. Dem Verlegungsantrag war eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung beigefügt (Bl. 139 f. d. A.). Nach Aufhebung des Kammertermins am 12.12.2016 (Bl. 141 d. A.) wurde zuletzt der Kammertermin am 14.02.2017 anberaumt (Bl. 149 d. A.). |
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| Bis zum Kammertermin ging kein Schriftsatz der Klägerin zur weiteren Begründung der Klage ein. |
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| Zum Kammertermin am 14.02.2017 erschienen die Klägerin mit der Klägervertreterin und für die Beklagte deren anwaltlicher Vertreter. Nachdem eine gütliche Einigung zwischen den Parteien scheiterte, erklärte die Klägervertreterin, dass sie für die Klägerin keine Anträge stellen werde. Die ständige Vorsitzende wies darauf hin, dass die Beklagte einen Antrag auf Erlass eines Versäumnisurteils und auf eine Entscheidung nach Aktenlage stellen könne. Dieser Hinweis ist Anlass des Befangenheitsantrags. Der Beklagte beantragte die Klage abzuweisen und stellte einen Antrag auf Entscheidung nach Aktenlage. Die Sitzung wurde mit dem Hinweis geschlossen, dass eine Entscheidung am Ende des Sitzungstages ergehen werde. Auf das Sitzungsprotokoll vom 14.02.2017 wird vollumfänglich Bezug genommen (nach Bl. 152 d. A.). |
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| Noch vor Verkündung einer Entscheidung am Ende des Sitzungstages ging per Telefax das Ablehnungsgesuch der Klägerin gegen die ständige Vorsitzende ein. Am Ende des Sitzungstages erging keine Entscheidung. Mit Verfügung vom 23.02.2017 bestimmte die Vertreterin der Ka. 25 einen Verkündungstermin auf den 23.03.2017. |
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| Die ständige Vorsitzende erklärte sich hierzu in der dienstlichen Stellungnahme vom 23.02.2017, auf die vollumfänglich Bezug genommen wird. |
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| Die Klägerin begründet ihr Ablehnungsgesuch gegen die ständige Vorsitzende im Wesentlichen wie folgt: |
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| Sie habe in die Säumnis flüchten wollen. Die Vorsitzende habe den Beklagtenvertreter darauf hingewiesen, dass sie zwei Möglichkeiten habe, auf die Säumnis zu reagieren. Der Beklagtenvertreter habe keine Idee gehabt, was damit gemeint sei und fragte wegen der beiden Möglichkeiten nach. Die Vorsitzende wies darauf hin, dass er einen Antrag auf Erlass eines Versäumnisurteils oder auf Entscheidung nach Aktenlage stellen könne. Von der Möglichkeit einer Entscheidung nach Aktenlage habe der Beklagtenvertreter keine Kenntnis gehabt und hätte den Antrag nicht ohne ausdrücklichen Hinweis der Vorsitzenden gestellt. Der Hinweis sei allerdings rechtlich unzulässig gewesen. Die ständige Vorsitzende habe der Beklagten damit einen unzulässigen prozessualen Vorteil verschafft. Zudem sei die Entscheidung nach Aktenlage unzulässig. Im Kammertermin sei nicht zur Sache verhandelt worden. Es seien auch keine dezidierten Ausschlussfristen gesetzt worden. |
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| Die Beklagte hat sich zum Ablehnungsgesuch der Klägerin nicht geäußert. |
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| Das Ablehnungsgesuch der Klägerin gegen die ständige Vorsitzende hat nach Maßgabe der § 46 Abs. 2 ArbGG, § 495, § 42 ff. ZPO iVm. § 49 ArbGG keinen Erfolg. Das Ablehnungsgesuch ist zulässig (dazu I), aber unbegründet (dazu II). Für die Entscheidung über das Ablehnungsgesuch war die Kammer zuständig, die ohne mündliche Verhandlung entscheiden konnte (dazu III). |
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| Das Ablehnungsgesuch der Klägerin ist zulässig. Es ist insbesondere nicht gem. § 43 ZPO ausgeschlossen. Nach § 43 ZPO kann eine Partei einen Richter nicht mehr wegen der Besorgnis der Befangenheit ablehnen, wenn sie sich bei ihm, ohne den ihr bekannten Ablehnungsgrund geltend zu machen, in eine Verhandlung eingelassen oder Anträge gestellt hat. Mit dem Verlust des Ablehnungsrechts wird die Ablehnung unzulässig. So verhält es sich hier nicht. Die Klägerin hat nach dem im Kammertermin am 14.02.2017 erteilten Hinweis der ständigen Vorsitzenden auf die wegen der Säumnissituation in Betracht kommenden Anträge, die auch Anlass des Ablehnungsgesuchs ist, nicht weiter in der Verhandlung eingelassen und auch keine Anträge gestellt. |
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| Das Ablehnungsgesuch der Klägerin ist unbegründet. |
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| 1. Nach § 42 Abs. 2 ZPO setzt die Ablehnung einen Grund voraus, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Vorsitzenden zu rechtfertigen. Gründe für ein solches Misstrauen sind gegeben, wenn ein Beteiligter von seinem Standpunkt aus bei vernünftiger, objektiver Betrachtung davon ausgehen kann, dass der Richter nicht unvoreingenommen entscheiden werde. Bei Anlegung dieses objektiven Maßstabes kommt es entscheidend darauf an, ob die Prozesspartei, die das Ablehnungsgesuch angebracht hat, von ihrem Standpunkt aus Anlass hat, Voreingenommenheit zu befürchten. Es muss also die Befürchtung bestehen, dass der abgelehnte Richter in die Verhandlung und Entscheidung des gerade anstehenden Falles sachfremde, unsachliche Momente mit einfließen lassen könnte und den ihm unterbreiteten Fall nicht ohne Ansehen der Person nur aufgrund der sachlichen Gegebenheiten des Falles und allein nach Recht und Gesetz entscheidet. Unter Befangenheit ist danach ein Zustand zu verstehen, der eine vollkommen gerechte und von jeder falschen Rücksicht freie Entscheidung zur Sache beeinträchtigt (BAG 06.08.1997 - 4 AZR 789/95 (A) -). |
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| Entscheidend ist dabei nicht, ob der Richter wirklich befangen ist oder sich selbst für befangen hält, sondern allein, ob auch vom Standpunkt des Ablehnenden aus gesehen genügend objektive, d. h. nicht nur in der Einbildung der Partei wurzelnde Gründe vorliegen, die in den Augen eines vernünftigen Menschen geeignet sind, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Vorsitzenden zu erzeugen (BAG 06.08.1997 - 4 AZR 789/95 (A) -). |
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| 2. In Anwendung dieser Grundsätze erweist sich das Ablehnungsgesuch als unbegründet. Der im Kammertermin am 14.02.2017 erteilte Hinweis der ständigen Vorsitzenden, dass die Beklagte einen Antrag auf Erlass eines Versäumnisurteils (§ 330 ZPO) oder auf Entscheidung nach Aktenlage (§ 331a iVm. § 251a ZPO) stellen könne, begründet nicht die Besorgnis der Befangenheit. Der Hinweis ist von § 139 Abs. 1 Satz 2 Alt. 3 ZPO gedeckt. |
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| a) Nach § 139 Abs. 1 Satz 2 Alt. 3 ZPO hat das Gericht darauf hinzuwirken, dass die Parteien sachdienliche (Sach- und Prozess-)Anträge stellen. |
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| § 139 ZPO dient der Erfüllung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, der Gewährleistung eines fairen Verfahrensablaufs sowie der Erzielung eines richtigen Prozessergebnisses. Unter Berücksichtigung dieses Normzwecks ist dem Richter gem. § 139 Abs. 1 Satz 2 ZPO auferlegt, sachdienliche Anträge anzuregen. Danach hat der Richter aber nicht erst dann einzugreifen, wenn die zur Entscheidung gestellten Anträge unklar oder unbestimmt sind. Bei der Hinweispflicht nach § 139 Abs. 1 Satz 2 Alt. 3 ZPO wegen sachdienlicher Anträge geht es darum, den bereits in den Prozess eingeführten und auf diese Weise angedeuteten Willen der Parteien in eine prozessual zulässige Form zu bringen, so dass er als Antrag berücksichtigt werden kann. Davon ausgehend kann das Gericht unter Umständen verpflichtet sein, einen neuen Klageantrag oder Hilfsantrag oder eine Widerklage anzuregen, wenn das Vorbringen der Partei auf ein bestimmtes Prozessziel deutet, das nach der aktuellen Prozesslage nur auf diese Art und Weise erreichbar ist (vgl. MüKoZPO/Fritsche ZPO § 139 Rn. 25 ff., beck-online). |
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| b) Die Anwendung des § 139 ZPO begründet keinen Ablehnungsgrund wegen Besorgnis der Befangenheit, selbst wenn dadurch die Prozesschancen einer Partei verringert werden (vgl. Zöller/Vollkommer ZPO 31. Aufl. § 42 Rn. 26). |
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| Dies ist erst der Fall, wenn der Richter bei der Erfüllung seiner Hinweispflichten in unsachlicher Weise die eine Partei bevorzugen und die andere benachteiligen würde. Denn dann würde er die Pflicht zur Neutralität verletzen. Das ist nach der Gesetzesbegründung der Fall, wenn das Gericht durch Fragen oder Hinweise die Einführung neuer Anspruchsgrundlagen, Einreden oder Anträge anregt, die in dem streitigen Vorbringen der Parteien nicht wenigstens andeutungsweise bereits eine Grundlage haben oder etwa im Sinne einer Parallelwertung in der Laiensphäre im Ansatz vorgetragen sind. Die Grenze ist überschritten, wenn das Verfügungsrecht der Parteien über das Streitverhältnis und deren alleinige Befugnis zur Beibringung des Prozessstoffs nicht mehr gewahrt sind. Das Gericht ist daher gehindert, die Einbringung neuer selbstständiger Angriffs- und Verteidigungsmittel (§ 146 ZPO), weiterer Klagegründe, die Ausübung von Gestaltungsrechten und von Leistungsverweigerungsrechten anzuregen (MüKoZPO/Fritsche ZPO § 139 Rn. 7 f., beck-online). |
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| c) Das Gericht darf in Anwendung des § 139 Abs. 1 Satz 2 Alt. 3 ZPO in einer Säumnissituationen auch auf die Möglichkeit der Entscheidung nach Aktenlage hinweisen. |
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| Ist der Rechtsstreit nach Einschätzung des Gerichts entscheidungsreif und liegen auch die weiteren Voraussetzungen für eine Entscheidung nach Aktenlage gem. § 331a iVm. § 251a ZPO vor, ist ein Hinweis des Gerichts auf den Antrag gem. § 331a ZPO bzw. dessen Anregung von § 139 Abs. 1 Satz 2 Alt. 3 ZPO gedeckt. |
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| Ist der Rechtsstreit nach Einschätzung des Gerichts hingegen nicht entscheidungsreif, besteht auch kein Anlass, auf die Entscheidung nach Aktenlage hinzuweisen oder einen solchen Antrag anzuregen. Dies ist bspw. der Fall, wenn der Rechtsstreit nicht ausreichend vorbereitet wurde (vgl. § 56 Abs. 1 ArbGG, § 139 ZPO) bzw. auf die Folgen verspäteten Vorbringens nicht hingewiesen wurde (vgl. § 56 Abs. 2, § 61a Abs. 5 ArbGG) oder sich erst im Laufe des Rechtsstreits weitere entscheidungsrelevanten Gesichtspunkte ergeben haben, auf deren Aufklärungsbedürftigkeit das Gericht noch nicht hinweisen konnte. |
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| Ob der Rechtsstreit in einer Säumnissituation entscheidungsreif ist oder nicht, unterliegt der Einschätzung des Gerichts (vgl. Musielak/Stadler 13. Aufl. § 331a Rn. 3 mwN). Dies ist der Fall, wenn der nach Aktenlage zu berücksichtigende Prozessstoff eine abschließende, auf der rechtlichen und tatsächlichen Würdigung dieses Prozessstoffes beruhende gerichtliche Entscheidung gestattet. Dabei begründet weder die Bejahung der Entscheidungsreife noch die Ablehnung eines Antrags auf Entscheidung nach Aktenlage die Besorgnis der Befangenheit. Die Einschätzung der Entscheidungsreife unterliegt der richterlichen Unabhängigkeit, die - wie jede im Rahmen der Prozessleitung geäußerte nicht willkürliche Rechtsansicht - keiner Überprüfung im Rahmen eines Ablehnungsgesuchs unterliegt. |
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| d) Davon ausgehend begegnet es keinen Bedenken, dass die ständige Vorsitzende im Kammertermin am 14.02.2017 auch auf die Möglichkeit der Entscheidung nach Aktenlage hinwies. Es handelt sich um eine von § 139 Abs. 1 Satz 2 Alt. 3 ZPO gedeckte prozessleitende und -fördernde Maßnahme. |
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| aa) Die Klägerin war im Kammertermin am 14.02.2017 wegen Nichtverhandelns säumig (§ 333 ZPO). In dieser Prozesslage war der von der ständigen Vorsitzenden erteilte Hinweis auf die in Betracht kommenden Anträge von § 139 Abs. 1 Satz 2 Alt. 3 ZPO gedeckt. Die ständige Vorsitzende war gehalten, auf die Stellung sachdienlicher Anträge hinzuwirken, die der konkreten Prozesssituation gerecht werden. Wegen der Säumnis der Klägerin kam neben dem Antrag auf Erlass eines Versäumnisurteils (§ 330 ZPO) auch ein Antrag auf Erlass einer Entscheidung nach Aktenlage (§ 331a iVm. § 251a ZPO) in Betracht. Hierauf wurde lediglich hingewiesen. Dies ergibt sich übereinstimmend aus dem Ablehnungsgesuch und der dienstlichen Stellungnahme der ständigen Vorsitzenden. Darin liegt weder eine Bevorzugung der Beklagten noch eine Benachteiligung der Klägerin. |
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| bb) Wenn die ständige Vorsitzende zur Auffassung gelangt sein sollte, dass der Rechtsstreit entscheidungsreif ist bzw. diese Auffassung im Kammertermin am 14.02.2017 vertreten haben sollte. begründet dies aus den bereits genannten Gründen keine Besorgnis der Befangenheit. Die Klägerin kann die Rechtsauffassung der ständigen Vorsitzenden bzw. die hierauf beruhende Entscheidung mit dem vom Gesetzgeber vorgesehenen Rechtsmittel der Berufung angreifen. |
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| cc) Die ständige Vorsitzende hat auch auf keinen Antrag hingewiesen, der nicht bereits im Vortrag der Beklagten bzw. deren Anträgen angelegt war. Die Entscheidung nach Aktenlage entsprach dem erkennbaren Prozesswillen der Beklagten. Diese hat mit dem Klageabweisungsantrag klar und deutlich zum Ausdruck gebracht, dass sie eine abschließende Entscheidung in erster Instanz anstrebt. Zur Erreichung dieses Prozessziels war nach bereits durchgeführter Güteverhandlung und Vorbereitung des Kammertermins durch Auflagen und Schriftsatzfristen der Antrag auf Entscheidung nach Aktenlage mindestens ebenso sachdienlich wie der Antrag auf Erlass eines Versäumnisurteils. |
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| e) Die Klägerin kann das Ablehnungsgesuch nicht mit Erfolg darauf stützen, dass der Beklagtenvertreter keine Kenntnis vom Antrag nach § 331a ZPO hatte. |
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| Der Beklagtenvertreter hatte im Kammertermin offenkundig keine präsente Kenntnis darüber, welche prozessualen Möglichkeiten ihm im Hinblick auf die Säumnis der Klägerin zur Verfügung standen. Daraus folgt allerdings nicht, dass die ständige Vorsitzende der Beklagten mit dem Hinweis einen unzulässigen prozessualen Vorteil verschafft hat. Aus der für das Gericht erkennbaren Unkenntnis des Beklagtenvertreters folgt im Gegenteil, dass ein typischer Anwendungsfall des § 139 Abs. 1 Satz 2 Alt. 3 ZPO vorlag. Dem folgend begegnet es keinen Bedenken, dass die ständige Vorsitzende in Ansehung an die Säumnissituation nicht nur auf den für die Klägerin günstigeren Antrag nach § 330 ZPO hinwies. Denn nach der gesetzlichen Konzeption steht die Entscheidung nach Aktenlage bei Entscheidungsreife gleichrangig neben der Möglichkeit eines Versäumnisurteils. |
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| Das Hinwirken auf die Stellung sachdienlicher Anträge gilt für alle Parteien: Wäre die Beklagte im Kammertermin am 14.02.2017 säumig gewesen, wäre ein der Klägerin erteilter Hinweis auf § 331a ZPO ebenso von § 139 Abs. 1 Satz 2 Alt. 3 ZPO gedeckt gewesen. |
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| Die Klägerin verkennt in diesem Zusammenhang zudem, dass die Entscheidung nach Aktenlage gem. § 331a iVm. § 251a ZPO, soweit sie denn ergeht und nicht abgelehnt wird, sowohl zugunsten der Beklagten als auch zu deren Lasten ausfallen kann. |
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| f) Aus der Kommentarliteratur zu § 331a ZPO folgt keine andere Bewertung. |
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| Im ZPO-Kommentar von Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann (74. Aufl. § 331a Rn. 3 ff.) heißt es auszugsweise wie folgt: |
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| „Die Vorschrift [Anmerkung: § 331a ZPO] soll der „Flucht in die Säumnis“ entgegenwirken. … |
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| Antrag, S. 1. Das Gericht regt ihn [Anmerkung: Antrag auf Entscheidung nach Aktenlage] zu selten an. … |
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| Auslegung: Oft ist zweifelhaft, was ein Antrag bezweckt. Die Auslegung (…) muß zeigen, ob die Partei einen förmlichen Antrag aus § 331a stellt oder ob sie anheimstellt, aus § 251a von Amts wegen nach der Aktenlage zu entscheiden, oder ob sie eine schriftliche Entscheidung nach § 128 II beantragt und annimmt, der Gegner werde später erscheinen und sich anschließen. Wegen der verschiedenen Tragweite aller dieser Maßnahmen für die Hauptsache und die Kosten muß das Gericht nach § 139 eine ganz eindeutige Erklärung herbeiführen. Soweit das Gericht nicht auf die erschienen Partei einredet, besteht nach § 42 Rn. 39 auch keine begründete Ablehnungsgefahr. Eine bloße Anregung dürfte zwecks notwendiger Klärung zulässig sein.“ |
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| Stadler führt hierzu aus (in: Musielak ZPO § 331a 13. Aufl. § 331a Rn. 1): |
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| „Ob eine Aktenlageentscheidung (s. die Entschuldigungsmöglichkeit nach § 251a Abs. 2 S. 4), ein Versäumnisurteil (beachte §§ 338, 342) oder ggf. ein unechtes Versäumnisurteil (etwa bei unzulässiger oder unschlüssiger Klage und Säumnis des Klägers) günstiger ist, muss die erschienene Partei im Einzelfall abwägen. Ggf. ist nach § 139 auf die unterschiedlichen Folgen hinzuweisen.“ |
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| Herget führt hierzu aus (in: Zöller 31. Aufl. § 331a ZPO Rn. 1): |
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| „Zweck: Die Möglichkeit der Entscheidung nach Aktenlage will der Gefahr vorbeugen, dass eine Partei unter Inkaufnahme des relativ ungefährl (§§ 342, 719) VU in Verschleppungsabsicht dem Termin fern bleibt. Wo diese Absicht des Säumigen erkennbar ist, sollte das Gericht bei entscheidungsreifer Sache (§ 300) Antrag gem § 331a anregen. Doch muss die anwesende Partei vor Antragstellung beachten, dass hier (anders als bei § 331) kein Geständnis des Säumigen fingiert wird, vielmehr früheres Bestreiten die Beweislast auslöst (RGZ 132, 330).“ |
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| Den zutreffenden Ausführungen Hergets folgend lag in der mündlichen Verhandlung am 14.02.2017 eine Prozesssituation vor, die einen lehrbuchartigen Anwendungsfall des § 331a ZPO darstellt. Das Prozessverhalten lässt auf eine Verschleppungsabsicht der Klägerin schließen. Die Sach- und Rechtslage wurde bereits im Gütetermin erörtert. Der Kammertermin wurde mit Verfügung vom 06.10.2016 umfassend vorbereitet. Die Klägerin nahm zur ausführlichen Klageerwiderung der Beklagten keine Stellung. Im Kammertermin erklärte sie, keinen Antrag zu stellen. Die Prozessverschleppungsabsicht hat die Klägervertreterin mit dem Ablehnungsgesuch ausdrücklich bestätigt, indem sie ausführt, sie habe im Kammertermin am 14.02.2017 in die Säumnis fliehen wollen. Der von der ständigen Vorsitzenden erteilte Hinweis auf die prozessualen Möglichkeiten ist danach ohne Weiteres von § 139 Abs. 1 Satz 2 Alt. 3 ZPO. Dem zitierten Schrifttum folgend wäre es angesichts der Verschleppungsabsicht der Klägerin sogar unbedenklich gewesen, wenn die ständige Vorsitzenden einen Antrag auf Entscheidung nach Aktenlage angeregt hätte. |
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| 3. Die Klägerin kann das Ablehnungsgesuch nicht mit Erfolg darauf stützen, dass im ersten Kammertermin keine Entscheidung nach Lage der Akten ergehen könne. |
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| In der Rechtsprechung und im Schrifttum ist sehr umstritten, ob im arbeitsgerichtlichen Verfahren bereits im ersten Kammertermin eine Entscheidung nach Aktenlage ergehen kann (dafür: ArbG Stuttgart 05.12.2013 - 5 Ca 5903/13 - mwN; LAG Berlin 03.02.1997 - 9 Sa 133/96 -; Hessisches LAG 31.10.2000 - 9 Sa 2072/99 -; ArbG Köln 08.03.2013 - 2 Ca 4314/12 - und 02.09.2011 - 2 Ca 2969/11 -; Schwab/Weth-Korinth, 4. Aufl. § 59 ArbGG Rn. 53; Natter/Gross-Rieker ArbGG § 55 ArbGG Rn. 9; Gravenhorst, jurisPR-ArbR 31/2011, Anm. 6; dagegen: Hessisches LAG 10.11.2015 - 15 Sa 476/15 -; LAG Hamm 04.03.2011 - 18 Sa 907/19 -; Hessisches LAG 05.11.2010 - 3 Sa 602/10 -; LAG Bremen 25.06.2003 - 2 Sa 67/03 -; GMP-Germelmann ArbGG 8. Aufl. § 55 Rn. 17; ErfK/Koch 16. Aufl.§ 55 ArbGG Rn. 4). |
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| Welcher Auffassung zu folgen ist, kann dahinstehen. Sollte die ständige Vorsitzende der Auffassung sein, dass im arbeitsgerichtlichen Verfahren bereits im ersten Kammertermin eine Entscheidung nach Aktenlage ergehen kann, handelt es sich dabei um eine gut vertretbare Rechtsansicht. Diese von der richterlichen Unabhängigkeit gedeckte rechtliche Bewertung unterliegt nicht der Überprüfung im Rahmen eines Ablehnungsgesuchs, sondern dem vom Gesetz dafür vorgesehenen Rechtsmittel der Berufung bzw. durch das Berufungsgericht. |
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| 4. Die Rüge der Klägerin, dass keine „Ausschlussfristen“ gesetzt worden seien, greift nicht durch. Bei verständiger Würdigung des Vortrags will die Klägervertreterin wohl sagen, dass das Gericht keine Schriftsatzfristen gesetzt und auch nicht auf die Folgen verspäteten Vorbringens hingewiesen habe. Beides ist unzutreffend. Der Klägerin wurde mit Verfügung vom 06.10.2016 eine konkrete Schriftsatzfrist nebst Auflagen und Hinweisen gesetzt. Die Verfügung enthält auch einen Verspätungshinweis gem. § 56 Abs. 2 bzw. § 61 Abs. 5 ArbGG. Die Klägervertreterin hat den Erhalt der Verfügung ausdrücklich bestätigt. Damit ist ein ggf. bestehender Mangel der Zustellung gem. § 174 ZPO durch den bestätigten Erhalt der Verfügung gem. § 189 ZPO jedenfalls als geheilt anzusehen. |
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| Für die Entscheidung über das Ablehnungsgesuch der Klägerin war gem. § 49 Abs. 1 ArbGG die Kammer zuständig. |
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| Die Vorsitzende war von der Entscheidung über das Ablehnungsgesuch gem. § 45 Abs. 2 ZPO ausgeschlossen. Die Entscheidung erfolgte unter Mitwirkung des nach dem Geschäftsverteilungsplan für das Ablehnungsgesuch gegen die ständige Vorsitzende der Ka. 25 zuständigen Zweitvertreter, mithin des Vorsitzenden der Ka. 30, und mit den am 07.03.2017 zur Entscheidung berufenen ehrenamtlichen Richtern der Ka. 25. |
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| Den Parteien wurde ausreichend rechtliches Gehör gewährt. Die ständige Vorsitzende hat in Übereinstimmung mit § 44 Abs. 3 ZPO eine dienstliche Erklärung abgegeben. Diese wurde den Parteien mit Verfügung vom 23.02.2017 übermittelt. Die Parteien erhielten Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 03.03.2017. Die Parteien wurden zugleich daraufhin hingewiesen, dass beabsichtigt sei, am 07.03.2017 mit den an diesem Tag zur Entscheidung berufenen ehrenamtlichen Richtern über da Ablehnungsgesuch zu entscheiden. |
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| Die Entscheidung über das Ablehnungsgesuch konnte ohne mündliche Verhandlung ergehen (§ 128 Abs. 4 ZPO). |
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| Die Entscheidung ist unanfechtbar (§ 49 Abs. 3 ArbGG). |
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