Urteil vom Anwaltsgerichtshof NRW - 1 AGH 3/12
Tenor
Der Bescheid der Beklagten vom 23.01.2012 wird aufgehoben.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten bleibt nachge-lassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Der Geschäftswert beträgt 12.500,00 Euro.
1
G r ü n d e:
2I.
3Der Kläger hat am 05.02.2010 Antrag auf Verleihung der Fachanwaltsbezeichnung „Bau- und Architektenrecht“ gestellt. Mit Bescheid vom 17.03.2011 hat die Beklagte diesen Antrag abgelehnt. In dem vor dem Senat unter dem Aktenzeichen
41 AGH 24/11 geführten Klageverfahren haben die Parteien den nachfolgenden Vergleich geschlossen:
51. Die besonderen praktischen Erfahrungen des Klägers sollen durch ein
6Fachgespräch überprüft werden.
72. Die Themen dieses Fachgespräches wird der Senat den Parteien
8mitteilen.
93. Im Anschluss an das Fachgespräch wird die Beklagte über den Antrag
10des Klägers vom 05.02.2010, eingegangen bei der Beklagten am
1109.02.2010, neu entscheiden.
124. Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
13Zu den Themen des Fachgespräches hat der Senat folgenden Beschluss gefasst:
14Die Themenkreise für das Fachgespräch sind: „Besonderheiten der Verfahrens- und Prozessführung, insbesondere selbständige Beweisverfahren“ sowie „Recht der Architekten und Ingenieure“.
15Im Anschluss an das Fachgespräch vom 06.12.2011 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 23.10.2012, zugestellt am 24.10.2012, den Antrag des Klägers erneut ab. Hiergegen richtet sich die am 07.02.2012 bei Gericht eingegangene Klage.
16Die Beklagte begründete ihre erneute Ablehnung damit, der Kläger habe die besonderen praktischen Erfahrungen nach § 5 Abs. 1 lit. l FAO nicht nachgewiesen. Der Kläger habe 80 Fälle, davon 40 gerichtliche Verfahren (davon mind. 6 selbstän-dige Beweisverfahren) innerhalb der letzten drei Jahre vor der Antragstellung persönlich und weisungsfrei bearbeitet haben müssen, wobei sich mind. jeweils 5 Fälle auf die Bereiche des § 15 e Nr. 1 und 2 FAO hätten beziehen müssen. Tatsächlich weise die Fallliste 52 gerichtliche Verfahren, weitere 6 selbständige Beweisverfahren und 57 außergerichtliche Mandate auf. Diese hätten aber nicht vollständig als solche im Sinne der §§ 5 Abs. 1 lit. l, 14 e FAO anerkannt werden können. Die Mindestfallzahl der gerichtlichen Verfahren sei nicht erreicht. Es seien nur 6 selbständige Beweisverfahren benannt worden, von denen der Fall B 3 keinen baurechtlichen Bezug aufweise, so dass die Mindestfallzahl unterschritten sei. Daher sei es entscheidend auf das Ergebnis des im Vergleich vereinbarten Fachge-spräches angekommen. Das Fachgespräche habe am 06.12.2011 ab 17.15 Uhr bis 18.50 Uhr stattgefunden. Es habe die Bedenken zum Nachweis der besonderen praktischen Erfahrungen letztlich nicht ausräumen können. Dem Kläger seien nicht alle zuständigen Gerichte bekannt. Er habe nicht gewusst, wie das Verfahren förmlich in Gang gesetzt werden müsse, um die Verjährung zu hemmen, bei der Benennung des jeweiligen Antragsgegners oder Streitverkündeten habe er Schwierigkeiten gehabt und nicht gewusst, wann das selbständige Beweisverfahren endet. Auch seien besondere praktische Erfahrungen zu den Besonderheiten der Verfahrens- und Prozessführung, insbesondere der selbständigen Beweisverfahren sowie im Recht der Architekten und Ingenieure nicht nachgewiesen worden. Im Ergebnis sei das Fachgespräch daher als nicht bestanden gewertet worden. Diesem Votum des Fachausschusses habe sich die zuständige Abteilung 5 nach ausführ-licher Beratung angeschlossen.
17Der Kläger ist hingegen der Auffassung, sein Antrag sei zu Unrecht abgelehnt worden. Schon sein ursprünglicher Antrag sei begründet gewesen, so dass ein Anspruch auf Verleihung der Fachanwaltsbezeichnung gegeben sei. Die mündliche Verhandlung vom 15.07.2011 in der Sache 1 AGH 24/11 habe ergeben, dass die Beklagte in ihrer Beurteilung falsch gelegen habe. Nach Auffassung des Senates sei allenfalls bei Fall B 3 ein baurechtlicher Bezug zweifelhaft; im Ergebnis sei der bau-rechtliche Bezug gegeben. Anders als im Vergleich vereinbart, hätte der Fachaus-schuss auch nicht seine besonderen praktischen Erfahrungen, sondern seine theoretischen Fachkenntnisse im Architektenrecht und Recht des selbständigen Beweisverfahrens geprüft. Trotz seines ausdrücklichen Wunsches auf Aufbewahrung sei die Tonträgeraufzeichnung vernichtet worden. Dies wirke sich aus, da über das Fachgespräch 2 Protokolle existierten, die „zum Teil sehr deutlich voneinander ab-weichen würden“. Tatsächlich habe er die ihm gestellten Fragen sämtlichst richtig beantwortet. Dies wird im Einzelnen vom Kläger ausgeführt. Schließlich beanstandet er die Prüfungsbedingungen, weil kein abgestimmter Prüfungsverlauf gegeben gewesen sei. Der Vorsitzende und die Beisitzer hätten bunt durcheinander gefragt, was ihnen gerade eingefallen sei. Ein Fragenkatalog, wie er im Bescheid aufgeführt sei, sei ihm bis zur Zustellung des Bescheides nicht bekannt gewesen. Schließlich habe der Ausschuss eine umfangreiche mündliche Fachprüfung abgehalten, die zwar auch praktische Erfahrungen berührt, aber im Schwerpunkt eindeutig auf den theoretischen Kenntnissen im materiellen Recht und im Prozessrecht gelegen habe.
18Der Kläger beantragt,
19den angefochtenen Bescheid aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihm die Fachanwaltsbezeichnung für Bau- und Architektenrecht zu verleihen,
20ferner, die Berufung zuzulassen.
21Die Beklagte beantragt,
22die Klage abzuweisen.
23Sie verweist auf den angefochtenen Bescheid. Sie ist nach wie vor der Auffassung, dass die besonderen praktischen Erfahrungen durch die Fälle nicht ausreichend nachgewiesen gewesen seien. Nachgewiesen seien nur 5 Fälle selbständiger Beweisverfahren, so dass es entscheidend auf das Ergebnis des Fachgespräches angekommen sei. Den Vorwurf des Klägers, der Fachausschuss habe nicht seine besonderen praktischen Erfahrungen, sondern seine theoretischen Fachkenntnisse überprüft, könne sie nicht gelten lassen. Praktische Kompetenz und Fragen der richtigen Taktik des Vorgehens in bestimmten Verfahrenssituationen ließen sich nicht prüfen, ohne zugleich die materiell-rechtlichen Grundlagen der in Rede stehenden rechtlichen Auseinandersetzungen zu erörtern. Wenn der Kläger der Auffassung sei, im wesentlichen nur zu den von ihm eingereichten Fällen befragt zu werden, so sei dies falsch. Das Fachgespräch solle eine „Lückenfüllungsfunktion“ haben, um das fehlende selbständige Beweisverfahren ausgleichen zu können. Die Beklagte ver-weist hierzu auf die Entscheidung des BGH vom 25.02.2008 (BRAK-Mitt. 2008, 133) und Scharmer in Hartung/Römermann, § 7 FAO Rn. 29 und 33 f. hin. Der im Be-scheid angeführte Ausgangsfall und die Fragen hätten den Ausschussmitgliedern als Leitfaden der Prüfung gedient, Bewertung und Grundlage des Fachgespräches seien aber selbstverständlich die Fragen und Antworten gewesen, die sich aus dem Proto-koll ergeben. Widersprüche zwischen den beiden Protokollen existierten tatsächlich nicht. Dem Bescheid sei aufgrund eines Büroversehens nicht nur das Protokoll, sondern eine weitere in Tabellenform aufbereitete Version des Protokolls, die als rein interne Arbeitshilfe des Ausschusses gedacht gewesen sei, übermittelt worden. Das beigefügte Protokoll sei die abgestimmte Version der Tonaufzeichnung. Der Hinweis auf § 160 ZPO (gemeint sei wohl § 160 a Abs. 3 ZPO) greife nicht, da diese Norm im Verwaltungsverfahren der Rechtsanwaltskammer Anwendung finde. Im Übrigen nimmt die Beklagte zu dem Inhalt des Fachgespräches im Einzelnen Stellung, weist aber insoweit auf die nur eingeschränkte richterliche Kontrolle bei der Festlegung des Gesprächsinhaltes und der Bewertung der Gesprächsergebnisse eines Fachge-spräches hin.
24In der mündlichen Verhandlung haben die Parteien übereinstimmend erklärt, dass das dem Bescheid beigefügte Protokoll das wiedergibt, was Gegenstand des Fach-gespräches gewesen ist. Der im Bescheid aufgeführte Fragenkatalog ist für das Fachgespräch nur ein Leitfaden gewesen. Die Fragen, wie sie im Bescheid wieder-gegeben sind, sind nicht in der Weise Gegenstand des Fachgespräches gewesen, wie sie in der Fallfragenliste aufgeführt sind. Maßgeblich für Inhalt und Verlauf des Fachgespräches ist vielmehr das Protokoll.
25II.
26Die zulässige Klage ist in ihrem anfechtenden Teil begründet, im Übrigen unbe-gründet.
27Der Kläger hat derzeit keinen entscheidungsreifen Anspruch auf Verleihung des Rechtes zum Führen der Fachanwaltsbezeichnung für Bau- und Architektenrecht. Indes ist der Bescheid der Beklagten rechtswidrig, da das Ergebnis des Fach-gespräches ausweislich des darüber niedergelegten Protokolls den ablehnenden Bescheid nicht deckt. Die Beklagte wird daher mit dem Kläger ein weiteres Fach-gespräch führen und seinen Antrag sodann erneut bescheiden müssen. Der Bescheid war daher aufzuheben, die weitergehende Klage auf Verpflichtung zur Verleihung der Fachanwaltsbezeichnung war hingegen abzuweisen.
28Für die Verleihung einer Fachanwaltsbezeichnung hat der Kläger besondere theoretische Kenntnisse und besondere praktische Erfahrungen nachzuweisen (§ 2 Abs. 1 FAO). Die besonderen theoretischen Kenntnisse sind nachgewiesen, auch die Fortbildungsnachweise für 2011 hat der Kläger mit Schriftsatz vom 30.03.2012 über-reicht.
29Es fehlt aber ein Nachweis der besonderen praktischen Erfahrungen.
301. Im Bau- und Architektenrecht müssen 80 Fälle, davon mind. 40 gerichtliche Verfahren, von denen wiederum mind. 6 selbständige Beweisverfahren sind, nachgewiesen werden. Mind. jeweils 5 Fälle müssen sich auf die Bereiche des § 14 e Nr. 1 und 2 beziehen (§ 5 S. 1 lit. l FAO). Der Kläger hat mit seiner Fallliste diese Voraussetzungen nicht komplett erfüllt. Er hat 6 Fälle selbstän-diger Beweisverfahren benannt. Mind. dem Fall B 3 fehlt der baurechtliche Bezug. Es handelt sich hierbei um ein Beweisverfahren, dessen Antrags-gegenstand der Feststellung eines tatsächlichen Zustandes (Lage der Zaunfundamente mit einem Teil auf dem Nachbargrundstück) dient. Der Kläger ist der Auffassung, der Bezug sei gegeben, da der Bauunternehmer den Auftrag gehabt habe, einen Zaun zu errichten; die Fundamente für die Zaunpfähle waren teilweise über die Grenze gebaut. Daraus würden eventuell Schaden-ersatzansprüche gegen den Bauunternehmer herzuleiten sein. Gegenstand des Beweisverfahrens ist allerdings allenfalls die Vorbereitung solcher Ansprüche. Es geht hier lediglich um die Feststellung eines tatsächlichen Zustandes zur Vorbereitung von möglichen Ansprüchen aus einem Bauvertrag.
312. Damit kommt es auf das Ergebnis des Fachgespräches an, auf dessen
32Durchführung sich die Parteien in dem gerichtlichen Vergleich vor dem Senat im Verfahren 1 AGH 24/11 geeinigt hatten.
33Das Fachgespräch kann gem. § 7 Abs. 1 FAO auch zum Nachweis der praktischen Erfahrungen dienen. Der Gegenstand des Fachgespräches war durch den Beschluss des Senates vorgegeben. Er bezog sich auf die Beson-derheiten der Verfahrens- und Prozessführung, insbesondere selbständige Beweisverfahren sowie das Recht der Architekten- und Ingenieure. Damit war den Voraussetzungen des § 7 Abs. 2 S. 1 FAO genügt.
34Die Entscheidung des Kammervorstandes über die Verleihung der Fach-anwaltsbezeichnung unterliegt nach ständiger Rechtsprechung der unein-geschränkten richterlichen Überprüfung. Nur insoweit, als es um prüfungs-spezifische Wertungen geht, kommt eine beschränkte richterliche Kontrolle in Betracht (Scharmer in Hartung/Römermann, Berufs- und Fachanwaltsordnung, 4. Aufl., § 7, 50 m. H. auf die ständige Rechtsprechung, BGH BRK-Mitt. 2003, 25, 26; Gaier/Wolf/Göcken/Quaas, § 24 FAO, Rn. 20).
35Die Überprüfung muss sich hier im Wesentlichen auf die Einhaltung der Formalien, also z. B. auf die Fragen einer form- und fristgerechten Ladung oder einer hinreichend langen Gesprächsdauer beschränken. Im vollen Umfang überprüfbar ist aber auch, ob das Fachgespräch die „richtigen“ Inhalte hatte, ob also exakt die Ausschnitte eines Fachgebietes Prüfungsgegenstand waren, bezüglich derer die vom Antragsteller vorgelegten Unterlagen Defizite auf-wiesen und die in der Ladung entsprechend benannt waren (Offermann-Burkhart, Fachanwalt werden und bleiben, 3. Aufl., Rn. 1121 ff.). Dabei hat der AGH auch die Möglichkeit, auf einen Vergleich zwischen Rechtsanwaltskammer und Antragsteller hinzuwirken, in dessen Rahmen die Kammer sich bereit erklärt, ein Fachgespräch zu führen und der Antragsteller sein Einverständnis hierzu erteilt (Offermann-Burkhart, a.a.O., 2. Aufl., Rn. 865). Hiervon wurde im vorliegenden Fall im Ausgangsverfahren Gebrauch gemacht.
36Entgegen der Auffassung des Klägers ist der Bescheid nicht wegen einer zu langen Gesprächsdauer fehlerhaft. Vorliegend dauerte das Fachgespräch von 17.15 Uhr bis 18.50 Uhr, mithin 95 Min., und damit 35 Min. länger als der nach § 7 Abs. 2 S. 3 FAO vorgegebene Rahmen. § 7 Abs. 2 S. 3 FAO ist eine Soll-vorschrift. So kann das Fachgespräch früher als nach 45 Min. beendet werden, wenn beim Fachausschuss vorhandene Zweifel ausgeräumt sind. Im um-gekehrten Fall ist der Ausschuss allerdings nicht berechtigt, das Gespräch vorzeitig, z. B. wegen „Aussichtslosigkeit“ abzubrechen. Der Antragsteller kann verlangen, dass ihm die maximale Gesprächsdauer zur Verfügung steht (Scharmer, a.a.O., § 7, 68). Der Fachausschuss hat dem Kläger hier noch mehr Gelegenheit gegeben, Zweifel auszuräumen. Dies ist nicht zu seinem Nachteil. Eine Überschreitung führt daher nicht zur rechtserheblichen Verletzung der Formvorschrift.
37Auch hatte das Fachgespräch die nach Maßgabe des Vergleichs richtigen Inhalte. Der Kläger ist der Auffassung, das Fachgespräch habe sich nicht an das gehalten, was im Vergleich und dem Senatsbeschluss über die Inhalte festgelegt worden sei; es sei vielmehr eine unzulässige Theorieprüfung gewesen. Der Beklagten ist insofern Recht zu geben, dass das Fachgespräch auch bei der Prüfung besonderer praktischer Erfahrungen nicht ohne Berührung theoretischer Kenntnisse im materiellen Recht und im Prozessrecht geführt werden kann. Die praktischen Erfahrungen bei der Bearbeitung eines Rechts-falles können nur vor dem Hintergrund der materiellen Rechtslage geprüft werden, da ein Rechtsanwalt ohne die Beachtung materiellen Rechtes und Prozessrechtes eine Beratung und Vertretung praktisch nicht durchführen kann und sollte.
38Auch die Vernichtung der Tonbandaufzeichnung führt nicht zu einem durch-greifenden formalen Fehler. Die FAO kennt eine Pflicht zur Aufbewahrung des Tonträgers nicht. In § 7 Abs. 2 S. 4 FAO ist lediglich normiert, dass über das Fachgespräch ein Inhaltsprotokoll zu führen ist. Dieses liegt vor. Das Protokoll endet mit dem Satz:
39„Laut diktiert und genehmigt. Auf ein erneutes Abspielen wird von allen Beteiligten verzichtet.“
40Das Protokoll wurde sodann vom Tonträger in das Schriftprotokoll übertragen. Anhaltspunkte dafür, dass eine falsche Übertragung stattgefunden hat, hat der Senat nicht. Der Kläger selbst behauptet dies auch nicht. Im Gegenteil stimmen Kläger und Beklagte darin überein, dass das Protokoll das zutreffend wiedergibt, was Gegenstand der Erörterung gewesen ist.
41Hingegen war der Bescheid aufzuheben, da seine Begründung nicht durch die im Protokoll niedergelegten Ergebnisse des Fachgespräches gedeckt sind. Gem. § 7 Abs. 2 S. 4 FAO ist über das Fachgespräch ein Inhaltsprotokoll zu führen. Das Inhaltsprotokoll hat die Aufgabe, den tatsächlichen Verlauf zu dokumentieren, um eine Prüfung dahingehend zu ermöglichen, ob die Stellung-nahme des Ausschusses gegenüber dem Kammervorstand auf zutreffenden sachlichen Grundlagen beruht. Das Protokoll misst der Bundesgerichtshof an dieser Aufgabe. Es muss daher nicht dem Verlauf des Fachgespräches Schritt für Schritt, d. h. also anhand jeweils der Darstellung der einzelnen protokol-lierten Fragen und Antworten wiedergeben. Nach diesen Grundsätzen muss aber aus dem Protokoll erkennbar sein, welche Inhalte die Fragen an den Antragsteller und die von dem Antragsteller gegebenen Antworten hatten und aus welchen Gründen der Fachausschuss diese ggfls. als unzutreffend ange-sehen hat (Scharmer, a.a.O., § 7, 69 m. H. auf die Rechtsprechung). Die Entscheidung der Rechtsanwaltskammer, ob durch das Fachgespräch die besonderen praktischen Erfahrungen des Rechtsanwaltes nachgewiesen sind, muss sich allerdings aus den tatsächlichen Feststellungen, wie sie im Protokoll festgehalten sind, herleiten lassen. Das Protokoll bietet die tatsächliche Grund-lage für die Entscheidung. Die Gründe des Bescheides müssen sich daher an den protokollierten Tatsachen messen lassen. Enthält die Entscheidung Gesichtspunkte, die durch die Feststellungen im Protokoll nicht gedeckt sind und haben sich diese Gründe auf die Entscheidung ausgewirkt, ist die Ent-scheidung rechtswidrig.
42Nach diesen Grundsätzen war der angefochtene Bescheid aufzuheben. Tragende Gründe für die Ablehnung waren u. a., dass der Kläger in Ver-kennung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes nicht gewusst habe, was zur Unterbrechung der Verjährung bei einem gerichtlichen Beweisantrag erforderlich sei, ferner sei ihm die Eintrittspflicht einer Haftpflichtversicherung des Architekten im Falle vorsätzlichen Pflichtenverstoßes nicht bekannt gewesen.
43Nach der Begründung des Bescheides hat der Kläger u.a. die Auffassung vertreten, ein gerichtlicher Beweisantrag müsse, um die Wirkungen der Ver-jährungsunterbrechung zu erreichen, förmlich zugestellt werden; dabei habe er die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes verkannt (Seite 5 Mitte des Bescheides). Im Protokoll heißt es hierzu (Seite 3 Mitte):
44Herr O empfiehlt, dass der Antrag förmlich zugestellt werden müsse, um dem Lauf der Verjährungsfrist zu hemmen. Diesbezüglich würde er das Gericht um eine Quittung bitten.
45Insoweit deckt die – unstreitig zutreffende – Protokollierung die Begründung des Bescheides nicht. Der Kläger hat gerade nicht erklärt, der Bescheid müsse un-bedingt förmlich zugestellt werden, was im Übrigen dem gesetzlichen Regelfall entspricht. Er hat nur eine Empfehlung ausgesprochen, wie er mit der Ein-reichung eines Beweisantrages zur Verjährungsunterbrechung umgeht. Damit hat er den Regelfall der verjährungsunterbrechenden Maßnahme beschrieben. Wenn er darüber hinaus für sich persönlich über die förmliche Zustellung noch eine gerichtliche Quittung einholt, ist dies eine vorsorgende Maßnahme, die überflüssig sein mag, jedoch nicht auf mangelnde praktische Erfahrungen schließen lässt. Dass ihm darüber hinaus ein in der Rechtsprechung des BGH behandelter Ausnahmefall unbekannt gewesen sei, ergibt sich aus dem Proto-koll genauso wenig wie eine entsprechende Frage danach.
46Im Bescheid (Seite 6, 3. Abs.) wird ferner ausgeführt, dem Kläger sei nicht bekannt gewesen, dass die Haftpflichtversicherung eines Architekten bei vorsätzlichen Pflichtverstößen von der Verpflichtung zur Leistung frei wird. Der Kläger behauptet hierzu, die Frage, ob bei vorsätzlicher Pflichtverletzung eine Haftpflichtversicherung des Architekten eintreten müsse oder nicht, sei ihm nicht gestellt worden. Das Protokoll verhält sich über diesen Themenkomplex unter Ziffer 4. Es heißt dort, dem Kläger sei die Frage gestellt worden, wie letztlich die Haftung der Beteiligten beantwortet werden müsse, wenn der objektüberwachende Architekt hinsichtlich der Bauwerksabdichtung keinerlei Überwachungstätigkeit (auftragswidrig) entfaltet habe und die Abdichtung handwerklich fehlerhaft sei. Aus dieser Formulierung ist nicht zwingend eine vorsätzliche Pflichtverletzung des Architekten abzuleiten. Es können auch andere Gründe, die einen Vorsatz des Architekten ausschließen, dafür maßgeblich gewesen sein, dass der Architekt bei der Bauwerksabdichtung auftragswidrig keine Überwachungstätigkeit entfaltet hat. Nach dem Protokoll jedenfalls kann nicht festgestellt werden, dass dem Kläger die Frage nach der Eintrittspflicht der Haftpflichtversicherung bei vorsätzlicher Pflichtverletzung gestellt worden ist und dass er diese Frage fehlerhaft beantwortet habe.
47Aus der zusammenfassenden Begründung der Ablehnung ergibt sich, dass diese beiden Punkte für die Entscheidung tragend waren. Diese Gründe sind aber durch die tatsächlichen Feststellungen des Protokolls nicht gedeckt. Damit erweist sich der Bescheid als rechtswidrig und war aufzuheben.
483. Der weitgehende Verpflichtungsantrag der Klage war hingegen abzuweisen. Der Kläger hat 6 gerichtliche Beweisverfahren nicht nachgewiesen und das Defizit des von der Beklagten zu Recht nicht anerkannten Falles B3 durch das Fachgespräch (noch) nicht ausgeglichen. Damit sind die Voraussetzungen einer Verleihung nicht gegeben. Der Senat kann die Entscheidungsreife selbst auch nicht herbeiführen, da das Fachgespräch vom Fachausschuss der Beklagten zu führen und zu wiederholen ist.
494. Die Nebenentscheidung beruht auf dem Gesetz. Wegen des nur teilweisen Obsiegens und der Gleichgewichtigkeit von Obsiegen und Unterliegen waren die Kosten gegeneinander aufzuheben. Der Gegenstandswert entspricht der ständigen Rechtsprechung des Senates.
50Rechtsmittelbelehrung:
51Gegen dieses Urteil kann innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils schriftlich die Zulassung der Berufung beantragt werden. Der Antrag ist bei dem Anwaltsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen, Heßlerstraße 53, 59065 Hamm, zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45 a, 76133 Karlsruhe, einzureichen. Die Berufung ist nur zuzulassen,
521. wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
532. wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten
54aufweist,
553. wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
564. wenn das Urteil von einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs, des
57Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten
58Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht
59und auf dieser Abweichung beruht oder
605. wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
61Vor dem Bundesgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozess-kostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Das gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesgerichtshof eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind Rechtsanwälte und Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule im Sinne des Hochschulrahmengesetzes mit Befähigung zum Richteramt zugelassen. Ferner sind die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) bezeichneten Personen und Organisationen als Bevollmächtigte zugelassen. Ein nach dem Vorstehenden Vertretungsbe-rechtigter kann sich selbst vertreten; es sei denn, dass die sofortige Vollziehung einer Widerrufsverfügung angeordnet und die aufschiebende Wirkung weder ganz noch teilweise wiederhergestellt worden ist. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Auf-gaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich
62der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüs-se vertreten lassen.
63Die Festsetzung des Streitwerts ist unanfechtbar.
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Referenzen
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