Urteil vom Anwaltsgerichtshof NRW - 1 AGH 11/14
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.Dem Kläger bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.Der Geschäftswert wird auf 12.500,-- Euro festgesetzt.
1
Tatbestand
2Der am ##.##.1948 geborene Kläger ist seit dem ##.##.1978 als Rechtsanwalt zugelassen. Seit 1980 ist der Kläger auf vertraglicher Basis als Honoraranwalt für die Verbraucherzentrale NRW e. V. als Berater auf dem Gebiet Bank- und Kapitalmarktrecht tätig. Er ist außerdem Gründungsmitglied des „X e. V.“ mit Sitz in E, auf dessen Internetseite er Problem- und Fallbesprechungen veröffentlichte. Zudem ist er Gründungsmitglied des „F“ des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen in Berlin und seit 2009 Mitglied der „Arbeitsgemeinschaft Bank- und Kapitalmarktrecht im Deutschen Anwaltsverein e. V.“.
3Unter dem 29.01.2013 beantragte er gegenüber der Beklagten, ihm die Bezeichnung „Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht“ zu verleihen. Einen auf die Fachanwaltsbezeichnung vorbereitenden Lehrgang hatte der Kläger nicht absolviert.
4Der Kläger wies allerdings gegenüber der Beklagten unter Vorlage seines Schwerbehindertenausweises und eines ärztlichen Attestes darauf hin, dass er aufgrund einer seit vielen Jahren bestehenden Schwerbehinderung nicht in der Lage sei, an einem vorbereitenden Lehrgang teilzunehmen und insbesondere die erforderlichen Klausuren zu schreiben. Ein schweres Hüftleiden mit extremer Versteifung des
5Beckenbereiches mache es ihm unmöglich, mehr als 3 Stunden ununterbrochen zu sitzen oder zu stehen.
6Die Beklagte wies den Antrag des Klägers wegen des fehlenden Nachweises
7besonderer theoretischer Kenntnisse mit Bescheid vom 25.03.2014, zugestellt am 26.03.2014, zurück. Sie führte u.a. aus, die Fachanwaltsordnung sehe einen Dispens vom Nachweis besonderer theoretischer Kenntnisse nicht vor. Der Kläger habe zudem nicht nachgewiesen, dass ihm aufgrund seiner Behinderung die erfolgreiche Teilnahme an einem Fachanwaltslehrgang unmöglich oder unzumutbar wäre. Bspw. würde die „Hagen Law School“ Fachanwaltslehrgänge ohne Präsenzpflicht anbieten. Zwar bestehe auch dort eine Anwesenheitspflicht bei den Klausuren. Denkbar wäre es jedoch, dass die Klausurleistung an einem Schreibpult erbracht werde. Im Übrigen habe der Kläger auch an Fortbildungsveranstaltungen teilnehmen können, in denen der Teilnehmer in der Regel ebenfalls mehrere Stunden sitzend verbringen müsse. Vor diesem Hintergrund sei eine vollständige Befreiung des Antragstellers von dem Erfordernis des Besuches eines Fachlehrgangs nicht gerechtfertigt.
8Mit Schriftsatz vom 14.04.2014, eingegangen am 15.04.2014, hat der Kläger Klage erhoben.Er hat zunächst wegen seiner Behinderung einen Dispens von dem in §§ 2, 4 Abs. 1 u. 3 FAO geforderten Nachweis besonderer theoretischer Kenntnisse erstrebt.
9In der mündlichen Verhandlung vor dem Anwaltsgerichtshof vom 13.06.2014 hat der Kläger sodann geltend gemacht, er könne die abverlangten besonderen theoretischen Kenntnisse anhand von Veröffentlichungen nachweisen.
10Mit Schriftsatz vom 17.06.2014 (Bl.52 ff. GA) legt der Kläger verschiedene Veröffentlichungen sowie eine Stellungnahme der Rechtsanwältin Y, E, (Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht sowie seit Dezember 2003 Vorsitzende des X e. V.) vom 17.06.2014 vor.Er trägt dazu vor, es bedürfe nicht mehr der Klärung, ob seine gesundheitlichen Einschränkungen dazu führen müssten, ihm ohne Nachweis der theoretischen Kenntnisse allein aufgrund der Zugehörigkeit zur Anwaltschaft und des Nachweises der praktischen Kenntnisse die Fachanwaltsbezeichnung zu verleihen. Er verfüge über die erforderlichen theoretischen Fachkenntnisse und könne den entsprechenden Nachweis mit den im Rahmen des § 4 Abs. 3 FAO zulässigen Mitteln führen. Die von ihm vorgelegten Veröffentlichungen und Urteilsanmerkungen hätten hinreichende wissenschaftliche Qualität und würden alle Bereiche des § 14 l FAO – bis auf dessen Ziffer 6 – abdecken. Dazu vertritt er die Auffassung, der Nachweis theoretischer Kenntnisse müsse nicht alle Teilbereiche des § 14 l FAO umfassen; § 5 lit.s FAO sei hier analog anzuwenden. Ergänzend sei die Stellungnahme der Rechtsanwältin Y heranzuziehen, die seine Fähigkeiten fundiert beurteilen könne.
11Schließlich verweist der Kläger darauf, dass – sofern aufgrund der überreichten Unterlagen der Nachweis theoretischer Kenntnisse noch nicht als vollständig erbracht angesehen werden sollte – ein Fachgespräch nach § 7 FAO zu führen sei.
12Er beantragt,
13die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 25.03.2014 zu verpflichten, ihm die Befugnis zum Führen der Bezeichnung „Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht“ zu verleihen.
14Die Beklagte beantragt,
15die Klage abzuweisen.
16Die Beklagte nimmt Bezug auf eine Stellungnahme der Vorsitzenden des Vorprüfungsausschusses der Beklagten für Bank- und Kapitalmarktrecht vom 12.09.2014. Danach sei davon auszugehen, dass die Voraussetzungen des § 4 Abs. 3 FAO nicht erfüllt seien. Wegen der Einzelheiten wird auf die von der Beklagten überreichte Stellungnahme vom 12.09.2014 verwiesen.
17Der Senat hat den Kläger in der mündlichen Verhandlung persönlich angehört. Wegen der Einzelheiten wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 13.06.2014 und 21.08.2015 verwiesen.
18Entscheidungsgründe:
19Die form- und fristgerecht erhobene Verpflichtungsklage ist zulässig, aber unbegründet.
20Die Verleihung einer Fachanwaltsbezeichnung setzt gem. § 43 c BRAO i.V.m. §§ 2, 4 FAO voraus, dass der Antragsteller in einem Fachgebiet besondere theoretische Kenntnisse erworben hat. Gem. § 4 Abs.1 FAO erfolgt der Erwerb der besonderen theoretischen Kenntnisse regelmäßig durch die Teilnahme an einem auf die Fachanwaltsbezeichnung vorbereitenden anwaltsspezifischen Lehrgang, der alle relevanten Bereiche des Fachgebiets umfasst. Sofern die theoretischen Kenntnisse außerhalb eines solchen Lehrgangs erworben werden, müssen diese dem im jeweiligen Fachgebiet zu vermittelnden Wissen entsprechen, § 4 Abs.3 FAO.
211. Dass die vom Kläger ausschließlich außerhalb eines Lehrgangs erworbenen theoretischen Kenntnisse dem in einem solchen Lehrgang vermittelten Wissen entsprechen, kann nicht festgestellt werden.Der Kläger hat schon nicht belegt, dass er besondere theoretische Kenntnisse in allen relevanten Bereichen des Fachgebiets Bank- und Kapitalmarktrecht erworben hat.In welchen Bereichen besondere theoretische Kenntnisse nachgewiesen werden müssen, ergibt sich aus § 14 l Nr.1 – 10 FAO. Ein geeigneter anwaltsspezifischer Lehrgang muss die dort genannten Bereiche vollständig umfassen, der Antragsteller muss grundsätzlich über die volle Zeitdauer an dem Lehrgang teilgenommen haben (Scharmer in Hartung, BORA/FAO, 5. Aufl., § 4 Rn.33 u. 42) und dementsprechend in allen in § 14 l FAO genannten Bereichen Fachwissen erworben haben.
22Anderweitig erlangte theoretische Kenntnisse müssen gem. § 4 Abs.3 FAO zu den im Wege eines Lehrgangs erworbenen Kenntnissen äquivalent sein und ebenfalls alle relevanten Bereiche des Fachgebiets umfassen (vgl. Scharmer in Hartung, a.a.O. Rn.67; Offermann-Burckart in Henssler/Prütting, BRAO, 4. Aufl., § 4 FAO Rn.23 mit Verweis auf AGH NRW, Beschl. v. 29.09.2006, Az.: 1 ZU 63/06, BRAK-Mitt. 2007, 78 Tz.28; dies. a.a.O.,§ 14 l Rn.5; Vossebürger in Feuerich/Weyland, BRAO, 8.Aufl. § 4 FAO Rn.12 a.E.).a) Dementgegen berührt – unstreitig - keine der vom Kläger vorgelegten Veröffentlichungen den Teilbereich des § 14 l Nr.6 FAO (Factoring/Leasing).
23aa) Auf den Nachweis besonderer theoretischer Kenntnisse in dem Teilbereich des § 14 l Nr.6 FAO kann entgegen der Auffassung des Klägers nicht verzichtet werden, insb. ist eine analoge Anwendung des § 5 lit.s FAO nicht zulässig.
24§ 5 lit.s FAO bezieht sich ausschließlich auf den Kanon der zu bearbeitenden praktischen Fälle. Eine planwidrige gesetzliche Regelungslücke, die u.U. eine analoge Anwendung auf den Nachweis der theoretischen Kenntnisse erlauben würde, liegt nicht vor. Dies ergibt sich eindeutig aus dem Entstehungsprozess des § 5 lit.s FAO in seiner jetzigen Fassung. In der bis zum 01.03.2010 geltenden Fassung der Vorschrift mussten sich die nachzuweisenden praktischen Fälle auf die in § 14 l Nr.1 – 9 FAO bestimmten Bereiche beziehen. Der Nachweis besonderer praktischer Erfahrungen durch Fallbearbeitungen musste mithin in allen und nicht nur in einigen Teilbereichen des Fachgebietes erbracht werden. Diese Anforderung erwies sich jedoch nicht als praxisgerecht, da es nur wenigen Antragstellern gelang, Fälle aus allen Bereichen des § 14 l FAO zu benennen. Der Satzungsgeber hat deshalb nach Befragung der Fachausschüsse bei den Kammern die Vorschrift mit Wirkung zum 01.03.2010 dahin neu gefasst, dass sich die Fallnachweise nur auf mindestens drei verschiedene Bereiche des § 14 l FAO beziehen müssen (Scharmer a.a.O., § 5 FAO Rn.249 f). Eine entsprechende Änderung bzw. Einschränkung wurde in Bezug auf den Nachweis besonderer theoretischer Kenntnisse i.S.d. § 4 Abs.1 u. 3 FAO seinerzeit gerade nicht vorgenommen.bb) Der Kläger kann sich zum Nachweis umfassender theoretischer Kenntnisse auch nicht (ergänzend) auf die Stellungnahme der Rechtsanwältin Y berufen.Dahin stehen kann an dieser Stelle, ob der Rechtsprechung zu folgen ist, die bisher nur Stellungnahmen von amtlichen Vertretern der Justiz anerkannt hat (vgl. BGH NJW 2000, 3648; Vossebürger a.a.O., § 4 Rn.12 m.w.N.). Jedenfalls aber bedarf es verschiedener aussagekräftiger Stellungnahmen (vgl. dazu die Erörterung der Entscheidung BGH NJW 2000, 3648 durch Offermann-Burckart a.a.O. § 4 Rn.30 ff), die hinreichend erkennen lassen, dass sich die besonderen theoretischen Kenntnisse des Antragstellers auf alle nachzuweisenden besonderen Kenntnisse erstrecken (Vossebürger a.aO.; AGH München BRAK-Mitt. 2003, 85; BGH NJW 2000, 3648).
25Die Stellungnahme der Rechtsanwältin Y entspricht diesen Anforderungen nicht, sie ist allgemein und pauschal gehalten. Vor allem aber fehlen konkrete Ausführungen dazu, inwieweit der Kläger besondere theoretische Kenntnisse in dem Bereich des § 14 l Nr.6 FAO erworben hat. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass hohe Anforderungen an den Nachweis der außerhalb eines Fachlehrgangs erworbenen theoretischen Kenntnisse zu stellen sind (vgl. Scharmer a.a.O., § 4 Rn.63), ist dem Schreiben der Verfahrensbevollmächtigten des Klägers vom 17.06.2014 keine besondere Aussagekraft beizumessen.b) Überdies folgt der Senat der Auffassung der Beklagten, dass der Kläger mit den von ihm vorgelegten Veröffentlichungen gemäß der Stellungnahme der Vorsitzenden des Vorprüfungsausschusses vom 12.09.2014 den Nachweis besonderer theoretischer Kenntnisse auch in den Teilbereichen § 14 l Nr. 3 /4 / 8 und 10 FAO nicht er-bracht hat. Seine Veröffentlichungen berühren allenfalls punktuell die in § 14 l Nr. 1 / 2 / 5 und 9 FAO genannten Teilbereiche.Soweit der Kläger rügt, die Beklagte habe sich an dieser Stelle nur die Stellungnahme der Vorsitzenden des Vorprüfungsausschusses aber nicht eine Stellungnahme des gesamten Ausschusses zu Eigen gemacht, bringt ihm dies für das Verfahren nichts ein. Die Beklagte ist nicht daran gehindert, ihren Parteivortrag in dieser Weise zu führen.Die seitens des Klägers vorgelegten 86 Veröffentlichungen sind nicht geeignet, außerhalb eines Lehrgangs erworbene theoretische Kenntnisse nachzuweisen. Die vorgelegten Beiträge genügen nicht den Anforderungen des § 4 Abs.3 FAO.Der Kläger geht fehl in der Annahme, es komme nicht auf die Qualität der Veröffentlichung an; vielmehr sei im Rahmen des § 4 Abs.3 FAO jedes Werk zu berücksichtigen, das mit Zustimmung des Autors der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werde.Ersichtlich kommt es auf die Legaldefinition des Begriffs „Veröffentlichung“ nach § 6 Abs.1 UrhG im Zusammenhang mit § 4 Abs.3 FAO nicht an. Im Rahmen des § 4 Abs.3 FAO zu berücksichtigende Veröffentlichungen müssen den hohen qualitativen Anforderungen einer Fachanwaltsausbildung genügen und wissenschaftliche Qualität aufweisen (Offermann-Burckart, aaO. § 4 Rn. 28; Scharmer, a.a.O., § 4 Rn.67; Vossebürger, a.a.O., § 4 Rn.12 a.E.).Sämtliche Veröffentlichungen, die der Kläger den Teilbereichen § 14 l Nr. 3 /4 / 8 und 10 FAO zuordnen möchte, richten sich zu Werbezwecken an das rechtssuchende Publikum, den Beiträgen wohnt keine wissenschaftliche Qualität inne. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat auf die Stellungnahme der Beklagten vom 12.09.2014. Soweit der Kläger mit der Anlage vom 09.12.2014 zu dem Schriftsatz vom 17.12.2014 (Bl.181 ff GA) den Ausführungen der Beklagten entgegen tritt, rechtfertigt seine Stellungnahme keine abweichende Bewertung der Sach- und Rechtslage. Unter Beibehaltung der vom Kläger vorgenommenen Nummerierung der dort vorgetragenen Einwendungen ist in Bezug auf die Bereiche des § 14 l Nr. 3 / 4 / 8 und 10 FAO folgendes auszuführen:
26(1) Die knappen Ausführungen des Klägers zur Einführung des „P-Kontos“ stellen keine anwaltsspezifische, wissenschaftliche Qualität erreichende Auseinandersetzung mit dem in § 14 l Nr. 3 FAO genannten allgemeinen Zahlungsverkehr dar.
27(17) Bei einem Widerruf eines mit einer Restschuldversicherung versehenen Darlehensvertrages können zwar die Themenbereiche des § 14 l Nr. 7 und Nr. 10 FAO berührt sein. Der Kläger erwähnt in seinem Beitrag jedoch lediglich den Begriff des Bearbeitungsentgelts, es erfolgt aber weder eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Frage der AGB-rechtlichen Zulässigkeit ihrer Erhebung noch wird erörtert, aus welchem Grunde Bearbeitungsgebühren bei einem Widerruf des Darlehens nicht geschuldet sind. Verfahrens- und prozessrechtliche Fragen werden nicht erörtert, sondern allenfalls am Rande gestreift. Das reicht zum Nachweis besonderer theoretischer Kenntnisse im Sinne des § 4 Abs. 3 FAO nicht aus.
28(21/ 85) Der Kläger fasst zwar eine Entscheidung in einem Schlichtungsverfahren zusammen; die Besonderheiten des Schlichtungsverfahrens werden jedoch nicht dargestellt, die Anforderungen nach §§ 4 Abs.3, 14 l Nr. 10 FAO werden nicht erfüllt.
29(22/23/24 u. 26) Zwar kann der Ansicht des Klägers gefolgt werden, dass der Handel mit Anteilen an offenen Immobilienfonds dem WpHG zuzuordnen ist (vgl. Assmann/Schneider, WpHG, 6. Aufl. § 2 Rn.15 ff). Damit unterfallen die Beiträge zu Nr. 22, 23, 24 und 26 aber gerade nicht § 14 l Nr.4 FAO („sonstige Bankgeschäfte“), sondern allenfalls § 14 l Nr. 5 („Wertpapierhandel“). Zu dem Teilbereich des § 14 l Nr.4 FAO legt der Kläger mithin keine Veröffentlichungen vor.
30(72) Hier wird zwar eine Beanstandung durch die BaFin in einem Einzelfall angesprochen. Damit ist aber der weite Themenbereich des § 14 l Ziffer 8 FAO („Recht der Bankenaufsicht, Bankenrecht der europäischen Gemeinschaft und Kartellrecht“) nicht ansatzweise abgedeckt.
31(82) Verfahrens- bzw. prozessrechtliche Fragen (§ 14 Nr.10 FAO) werden nicht erwähnt; im Übrigen handelt es sich bei dem Beitrag um eine Kurznachricht und nicht um eine, eine besondere fachliche Qualität erreichende Publikation.
32c) Der Vorprüfungsausschuss hat zu Recht gem. § 7 Abs.1 S.2 FAO von einem Fachgespräch mit dem Kläger abgesehen, da er seine Stellungnahme zu der Frage, inwieweit der Kläger besondere theoretische Kenntnisse in dem Fachgebiet des Bank- und Kapitalmarktrechts nachgewiesen hat, ohne ein solches Gespräch abgeben konnte (vgl. Scharmer a.a.O., § 7 FAO Rn.53; Hartung in Henssler/Prütting, BRAO, 4. Aufl., § 7 FAO Rn.6).
33Zwar hält der BGH auch nach der Neufassung des § 7 FAO ein Fachgespräch als ergänzende Beurteilungsgrundlage für den Nachweis theoretischer Kenntnisse gem. § 4 Abs. 3 FAO für zulässig und geeignet. Dies gilt aber nur in Fällen, in denen die schriftlichen Unterlagen nach § 6 FAO noch nicht genügen, das Gelingen eines Nachweises im Rahmen eines Fachgesprächs aber durchaus aussichtsreich erscheint (BGH, Beschl. vom 30.05.2012 – BRAK-Mitt. 2012, 243 Tz.6).
34Im Hinblick auf diese begrenzte – nicht eigenständige, sondern nur ergänzende – Funktion des Fachgesprächs kann das Gespräch nicht zum Nachweis theoretischer Kenntnisse herangezogen werden, wenn die vom Antragsteller im Rahmen des § 4 Abs. 3 FAO vorgelegten Unterlagen in wesentlichen Teilen unzureichend sind und deshalb kein nur partieller Klärungsbedarf besteht (BGH, Beschl. vom 21.07.2008, - AnwZ (Brfg) 62/07).
35Die mündliche Prüfung im Fachgespräch soll demnach nur einer ergänzenden, auf Beseitigung von Unklarheiten und Zweifeln bezogenen Beurteilung dienen. Durch ein Fachgespräch können gravierende Defizite in den vorgelegten Unterlagen nicht ausgeglichen werden (Offermann-Burckart a.a.O., § 6 FAO Rn.64; vgl. auch Vossebürger a.a.O., § 7 FAO Rn.7).
36Da der Kläger jedenfalls besondere theoretische Kenntnisse in den Teilfachbereichen § 14 l Nr. 3 / 4 / 6 / 8 und 10 FAO nicht nachgewiesen hat, kann durch ein einzelnes Fachgespräch die in diesen Bereichen bestehende Lücke nicht gefüllt werden.
372. Soweit der Kläger sich nunmehr noch hilfsweise darauf beruft, ihm sei unter Beachtung seines Grundrechts aus Art.3 Abs.3 S.2 GG aufgrund seiner gesundheitlichen Beeinträchtigungen ein Dispens im Hinblick auf die Teilnahme an einem Fachanwaltslehrgang mit der Klausurenpflicht nach § 4 a FAO zu erteilen, vermag der Senat dem nicht zu folgen.Der ablehnende Bescheid der Beklagten vom 25.03.2014 verletzt den Kläger nicht in seinem Grundrecht aus Art.3 Abs.3 S.2 GG.
38Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs.3 GG liegt dann vor, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (BVerfGE 85; 238, 244). Im Umkehrschluss ist eine Gleichbehandlung unterschiedlicher Normadressaten dann als verfassungswidrig anzusehen, wenn diese Unterschiede so gravierend sind, dass eine Gleichbehandlung gegen eine am Gerechtigkeitsgedanken orientierte Betrachtungsweise verstößt (BVerfGE 52, 256).
39Der Senat geht davon aus, dass die Unterschiede zwischen einem stark gehbehinderten und einem nicht behinderten Menschen so wesentlich sind, dass eine Gleichbehandlung dieser Adressaten nicht angebracht ist.
40Zwar sieht der Wortlaut des § 4 FAO eine Differenzierung zwischen behinderten und nicht behinderten Menschen nicht vor. Eine sogleich in jedes Gesetz eingeflochtene Ausnahmeregelung, durch die eine Benachteiligung unterbunden wird, ist indes nicht erforderlich. Die Rechte von Menschen mit Behinderungen werden durch eigens darauf zugeschnittene Gesetze (BGG, SchwbG, SGB IX) sowie durch Art. 3 Abs. 3 S. 2 GG als Auffangtatbestand gewahrt.
41Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 3 S. 2 GG kann sich hier daher nur aus der Art und Weise ergeben, wie die Beklagte die §§ 2, 4 Abs. 1 und 3 FAO ausgelegt und angewandt hat. Sie hat die Auffassung vertreten, der Kläger könne den Anforderungen des § 4 Abs. 1 FAO etwa dadurch Genüge tun, dass er einen Fernlehrgang bei der „Hagen Law School“ absolviere.
42a) Soweit der Kläger einwendet, die überwiegende Anzahl der ihm bekannten Rechtsanwälte habe die besonderen theoretischen Kenntnisse dadurch nachgewiesen, dass sie einen Fachkurs mit Präsenzpflicht besucht hätten, wozu er aber nicht in der Lage sei, liegt darin keine Benachteiligung des Klägers von einigem Gewicht.Denn jedenfalls ist dem Kläger die Möglichkeit zur Erlangung der Fachanwaltsbezeichnung nicht versperrt, und zwar auch nicht auf dem Wege des § 4 Abs. 1 FAO durch Absolvierung eines Fachlehrgangs. Die „Hagen Law School“ führt ausweislich ihres Internetauftrittes Fernlehrgänge durch, die von ihrem Zuschnitt her den Anforderungen der §§ 2, 4 Abs.1, 14 l FAO genügen. Das Verfahren hat keinen Anhaltspunkt dafür ergeben, dass der Kläger nicht in der Lage ist, einen solchen Kurs zu absolvieren. Die Beeinträchtigung, dass der Kläger den vorbereitenden Lehrgang nur in der modifizierten Form eines Fernlehrgangs absolvieren kann, ist zumutbar.In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass die durch Art. 3 Abs.3 S.2 GG geschützten Belange des Klägers in einem Spannungsverhältnis mit den Interessen der Rechtsuchenden stehen. Diese erwarten von einem Rechtsanwalt, der eine Fachanwalts-Bezeichnung führt, gerade auch besondere theoretische Kenntnisse auf dem jeweiligen Fachgebiet. Dieses Vertrauen würde enttäuscht, wenn dem Kläger ein vollständiger Dispens vom Nachweis solcher theoretischer Kenntnisse erteilt würde, ohne dass dies mangels verhältnismäßiger und zumutbarer Alternativen erforderlich wäre.
43b) Soweit die Fernlehrgänge ebenfalls mit Klausuren gemäß § 4 a FAO abgeschlossen werden müssen, bei denen eine Präsenzpflicht besteht, räumt jedenfalls die „Hagen Law School“ bei den regelmäßig an 3 Tagen (freitags bis sonntags) stattfindenden Klausurterminen Teilnehmern mit Behinderungen gerichtsbekannt grundsätzlich Möglichkeiten der Schreiberleichterung ein. Es ist bspw. Teilnehmern, die nicht mit der Hand schreiben können, gestattet worden, das Anfertigen der Klausuren mittels eines Computers oder eines Spracherkennungsprogramms zu erledigen. Auch eine Verlängerung der Bearbeitungszeit kann eingerichtet werden.Auf die bestehenden Möglichkeiten ist der Kläger in dem Verhandlungstermin vom 13.06.2014 durch den Senat hingewiesen worden. Stichhaltige Argumente dafür, weshalb dem Kläger das Anfertigen der Aufsichtsarbeiten unter Verlängerung der Bearbeitungszeit und unter zur Hilfenahme eines Spracherkennungsprogramms und/oder eines an die Bedürfnisse des Klägers angepassten Sitzmöbels aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich ist, hat der Kläger nicht vorgetragen.
443. Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 112 c BRAO, 154 Abs.1 VwGO und
45§§ 167 VwGO, 708 Nr.11, 711 ZPO.
46Rechtsmittelbelehrung
47Gegen dieses Urteil kann innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils schriftlich die Zulassung der Berufung beantragt werden.
48Der Antrag ist bei dem Anwaltsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen, Heßlerstraße 53,59065 Hamm, zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45 a, 76133 Karlsruhe, einzureichen. Die Berufung ist nur zuzulassen,
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1. wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
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2. wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
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3. wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
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4. wenn das Urteil von einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
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5. wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Vor dem Anwaltsgerichtshof und dem Bundesgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Das gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesgerichtshof eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind Rechtsanwälte und Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule im Sinne des Hochschulrahmengesetzes mit Befähigung zum Richteramt zugelassen. Ferner sind die in § 67 Abs. 2 S. 2 Nr. 3-7 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) bezeichneten Personen und Organisationen als Bevollmächtigte zugelassen. Ein nach dem Vorstehenden Vertretungsberechtigter kann sich selbst vertreten; es sei denn, dass die sofortige Vollziehung einer Widerrufsverfügung angeordnet und die aufschiebende Wirkung weder ganz noch teilweise wieder hergestellt worden ist. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung der öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.
56Die Festsetzung des Streitwerts ist unanfechtbar.
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Referenzen
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