Urteil vom Anwaltsgerichtshof NRW - 1 AGH 30/16
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte ihrerseits zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Der Geschäftswert wird festgesetzt auf 50.000,00 EUR.
1
Tatbestand
21.
3Der Kläger wendet sich mit der am 19.05.2016 eingegangenen Klage gegen die ihm am 22.04.2016 zugegangene Verfügung der Beklagten vom 18.04.2016, mit der sie die Zulassung des Klägers zur Rechtsanwaltschaft gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO widerrief.
4Der am ##.##.1969 geborene Kläger wurde mit Aushändigung der Urkunde vom 23.03.2004 am 01.04.2004 zur Rechtsanwaltschaft und als Rechtsanwalt zuge-lassen.
5Erstmals mit Schreiben vom 07.04.2015 hörte die Beklagte den Kläger zu seinen Vermögensverhältnissen an und bat ihn um Stellungnahme zu offenen titulierten Forderungen verschiedener Gläubiger. Gleichzeitig wurde der Kläger aufgefordert, die Begleichung der genannten Forderungen nachzuweisen (Blatt 44 ff. P [Prozess-heft der Beklagten]). Nachdem der Kläger mit Schreiben vom 25.04.2015 (Blatt 50 P) teilweise Angaben zu den offenen Forderungen gemacht hatte, ohne allerdings Nachweise vorzulegen, hörte die Beklagte ihn mit Schreiben vom 29.04.2015 (Blatt 52 ff. P) erneut an und wies darauf hin, dass gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO die Zulassung zu Rechtsanwaltschaft zu widerrufen ist, wenn ein Rechtsanwalt in Vermögensverfall geraten ist. Mit Schreiben seines Rechtsvertreters, Herrn Rechts-anwalt X, vom 01.06.2015 (Blatt 94 P) beantwortete der Kläger das Anhörungsschreiben der Beklagten vom 29.06.2015 teilweise (Blatt 95 ff. P). Auf ein Nachforderungsschreiben der Beklagten vom 08.06.2015 (Blatt 103 P) erteilte der Kläger mit Schreiben vom 10.07.2015 (Blatt 108 P) Auskunft. Den von der Beklagten mit Schreiben vom 14.07.2015 (Blatt 111 P) erhobenen Nachforderungen kam der Kläger mit Schreiben vom 06.08.2015 (Blatt 114 P) teilweise nach. Einer weiteren unter Androhung einer Frist gestellten Nachforderung der Beklagten mit Schreiben vom 19.08.2015 (Blatt 136 P) folgte der Kläger mit Schreiben vom 01.09.2015, dem die geforderten Nachweise beigefügt waren (Blatt 148 ff. P). Auf Grund dieser Nach-weise teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sie davon ausgehe, dass der Kläger nunmehr seinen Zahlungsverpflichtungen regelmäßig nachkomme und auch in Zukunft die Raten fristgerecht gezahlt würden (Blatt 152 P).
6Mit Schreiben vom 12.10.2015 unterrichtete das Amtsgericht Münster die Beklagte über den Erlass eines Kostenfestsetzungsbeschlusses in einem Rechtsstreit der T Gesellschaft mbH & Co KG aus I gegen den Kläger (Blatt 153 ff.). Am 08.02.2016 (Blatt 157 ff. P) unterrichtete der Obergerichtsvollzieher U aus O die Beklagte darüber, dass der Kläger in sechs Verfahren eine Vermögensauskunft abgegeben habe. Die Gesamtforderung in diesen Verfahren belief sich einschließlich Nebenforderungen auf rund 7.900 EUR und ergab sich aus titulierten Forderungen aus den Jahren 2014 und 2015.
7Daraufhin hörte die Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 22.02.2016 (Blatt 169 P) erneut in Hinblick auf seine Vermögensverhältnisse an und wies auf die Möglichkeit des Widerrufs der Zulassung zur Rechtanwaltschaft hin. Ihm wurde eine Frist von zwei Wochen ab Zugang des Schreibens zum Nachweis der Begleichung sämtlicher noch offener Forderungen gegeben. Darüber hinaus wurde er aufgefordert, zu weiteren Zwangsvollstreckungsverfahren, seinen Einkommens- und Vermögens-verhältnissen und sonstigen einkommensbezogenen Verhältnissen Auskunft zu geben. Diesem Anhörungsschreiben war die Übersicht der laufenden Klageverfahren und titulierten Forderungen ab 2001 beigefügt (Blatt 172 bis 182 P). Mit Schreiben vom 25.02.2016 unterrichtete das Amtsgericht Münster die Beklagte über den Erlass zweier Haftbefehle in weiteren Zwangsvollstreckungssachen gegen den Kläger auf Grund titulierter Forderungen aus dem Jahre 2014 (Blatt 183 ff. P). Mit Schreiben vom 10.03.2016 unterrichtete das Finanzamt N die Beklagte über eine nicht ausgeglichene Umsatzsteuerforderung aus dem Jahre 2014 in Höhe von 2.323,07 EUR zzgl. Säumniszuschlägen, und wies darauf hin, dass sich der Kläger zuletzt im Kalenderjahr 2013 in der Beitreibung von Steuerforderungen befand.
8Mit innerhalb der zugestandenen Fristverlängerung zugegangenen Stellungnahme des Klägers vom 25.03.2016 auf das Anhörungsschreiben der Beklagten vom 22.02.2016 (Blatt 192 ff. P) kündigte der Kläger an, eine Gesamtübersicht offener Forderungen zusammen mit den Zahlungsbelegen vorzulegen. Er behauptete, die Tilgung begonnen zu haben und in dem Verfahren des Mahngerichts Hagen 33 M 656/16 die Forderung getilgt zu haben. Weitere 11 Forderungen seien bereits angezahlt worden und „würden in den nächsten Tagen getilgt“. Belege und Nach-weise für diese Behauptungen hat der Kläger nicht vorgelegt. Sein Einkommen im März 2016 bezifferte er auf voraussichtlich 6.500,00 EUR. Sein Einkommen für April 2016 mit voraussichtlich 4.000,00 EUR bei betrieblichen Kosten in Höhe von rund 310,00 EUR monatlich sowie den Aufwendungen für die Berufshaftpflicht und den Kammerbeitrag von etwa 960,00 EUR jährlich. Darüber hinaus gab er an, derzeit mietfrei bei seinen Eltern zu leben, die u.a. Kosten für Krankenversicherung und PKW bis zur Gesamttilgung der offenen Forderungen übernähmen. Zahlungsbelege sollten in der folgenden Woche vorgelegt werden.
92.
10Mit Verfügung vom 18.04.2016 widerrief die Beklagte die Zulassung des Klägers zur Rechtsanwaltschaft gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO (Blatt 193 ff. P). Die Beklagte begründet die Verfügung mit dem Vermögensverfall des Klägers. Sie verweist insoweit auf eine der Widerrufsverfügung anliegende Aufstellung von Zwangsvoll-streckungsmaßnahmen, von denen die laufenden Nummern 3, 4, 6 sowie 10 bis 12 noch nicht erledigt seien, also offene Forderungen in Höhe von 11.100,95 EURO aufwiesen. Darüber hinaus habe der Kläger in diesen Forderungsangelegenheiten am 04.02.2016 die Vermögensauskunft abgegeben. In den Forderungssachen mit der laufenden Nummer 3 und 10 habe das Amtsgericht Münster Haftbefehle zur Abgabe der Vermögensauskunft eingetragen. Zur Forderungsangelegenheit des Versorgungswerks der Rechtsanwälte im Lande NRW (Nr. 6) liege nach Aktenlage eine Tilgungsvereinbarung vor. Auf Grund der genannten Umstände sei von einem Vermögensverfall gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO auszugehen. Dieser werde u.a. vermutet, wenn der Rechtsanwalt in das vom Vollstreckungsgericht zu führende Verzeichnis eingetragen worden sei, was hier der Fall sei. Im Übrigen liege ein Vermögensverfall vor, wenn der Rechtsanwalt in ungeordnete, schlechte finanzielle Verhältnisse gerate, die er in absehbarer Zeit nicht ordnen könne und außer Stande sei, seinen Zahlungsverpflichtungen geregelt nachzukommen. Beweisanzeichen hierfür seien insbesondere die Erwirkung von Schuldtiteln und Zwangsvoll-streckungsmaßnahmen. Der Vermögensverfall führe auch zu einer nachhaltigen Gefährdung der Interessen der Rechtssuchenden. Anhaltspunkte dafür, dass diese Interessen nicht gefährdet würden, seien nicht ersichtlich. So sei zum einen durch eine mögliche Kontopfändung ein Zugriff der Gläubiger auf Mandantengelder zu befürchten, zum anderen könne auch nicht ausgeschlossen werden, dass der Kläger unter dem Druck der Zwangsvollstreckungsmaßnahmen auf Gelder, die auf seinen Geschäftskonten verwahrt würden, Rückgriff nehmen könnte. Unter Würdigung dieser Umstände war angesichts der ungeordneten und zerrütteten finanziellen Verhältnisse der Widerruf zur Rechtsanwaltschaft auszusprechen.
11Nach Erlass der Widerrufsverfügung ging bei der Beklagten mit Schreiben des Amts-gerichts Münster vom 15.04.2016 (Blatt 208 ff. P) ein weiterer Pfändungs- und Über-weisungsbeschluss in Höhe einer Gesamtforderung in Höhe von 4.406,66 EUR ein. Mit Schreiben vom 12.05.2016 (Blatt 220 ff. P) unterrichtete das Amtsgericht Münster die Beklagte über die Rechtshängigkeit einer Auskunftsklage einer Rechtsschutz-versicherung zum Verbleib gezahlter Honorarvorschüsse.
123.
13Mit am 19.05.2016 eingegangenem Schriftsatz erhob der Kläger gegen die Widerrufsverfügung der Beklagten Klage zum Anwaltsgerichtshof (Blatt 1), die er mit Schriftsatz vom 31.07.2016 (Blatt 39 ff.) im Wesentlichen wie folgt begründete:
14Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt für den Erlass der Widerrufsverfügung sei nicht der Zeitpunkt der Verwaltungsentscheidung, sondern „das Ende des gerichtlichen Verfahrens bis hin zum BGH“. Er könne seine Verbindlichkeiten in absehbarer Zeit ordnen und sei auch in der Lage, seinen Verpflichtungen nachzukommen. Wie sich aus der der Klageschrift als Anlage 2, die durch als Anlage 3 beigelegte Belege bestätigt werde, wurde ein Teil der Forderungen getilgt. Zu den Forderungen unter Nr. 3 und 4 wird auf eine nachzureichende Ratenzahlungsvereinbarung verwiesen. Die Forderung zu Nr. 6 (Versorgungswerk der Rechtsanwälte) sei getilgt. Zu der Forderung zu Nr. 10 wird eine Bestätigung einer Ratenzahlungsvereinbarung vor-gelegt; aus der beigefügten Forderungsaufstellung ergibt sich eine weiterhin offene Forderung in Höhe von 3.451,62 EURO. Hinsichtlich weiterer offener Forderungen seien Stundungs- und Ratenzahlungsvereinbarungen abgeschlossen worden, so dass keine Forderung offenbleiben werde. Da die Beklagte diese absehbare Ent-wicklung nicht berücksichtigt habe, sei die Widerrufsverfügung fehlerhaft. Der Kläger weist darüber hinaus darauf hin, dass er ab Juli 2014 bis Ende Dezember 2015 an einem Medikamententest der Universität N zur Behandlung von Hepatitis C teilgenommen habe. Mit seiner Teilnahme und der Inkaufnahme unbekannter Gesundheitsrisiken habe er dazu beigetragen „10.000 von Patienten in Deutschland und 100.000 weltweit eine erstmals effektive Behandlung“ zu ermöglichen. Die nicht bezahlte Teilnahme und damit verbundene Nebenwirkungen sowie zeitliche Ver-pflichtungen hätten bei ihm zu einer eingeschränkten Mandantenakquise geführt. Außerdem verweist er auf eine Schwerbehinderung. Diese Umstände hätten Anlass zu einer Verlängerung der von der Beklagten zu gewährenden Zeit für die Tilgung der Verbindlichkeiten sein müssen.
15Darüber hinaus weist er darauf hin, dass die Löschung von Forderungen im Schuldnerverzeichnis beantragt worden sei. Die Forderungen des Universitätsklinikums N (lfd. Nr. 11 der Forderungsübersicht) und der F Versicherung AG (lfd. Nr. 12 der Forderungsübersicht) seien getilgt worden und hätten nicht mehr im Schuldnerverzeichnis stehen bzw. berücksichtigt werden dürfen. Die Zahlung auf die Forderung des Universitätsklinikums N hat der Kläger unter Überreichung eines entwerteten Mahnbescheides (Blatt 55) nachgewiesen. Eine entsprechende Bestätigung der Tilgung der Forderungen der F Versicherung AG lag nicht vor. Auch die aus den von der Beklagten genannten Gründen abgeleitete Vermutungswirkung für den Vermögensverfall widerspreche der höchstrichterlichen Rechtsprechung, die Stundungs- und Ratenzahlungsvereinbarungen als ausreichend ansehe. Außerdem sei der Kläger seit 2016 auch publizistisch tätig und werde aus dieser Tätigkeit Einnahmen von mindestens 14.000,00 EUR generieren. Eine Interessengefährdung von Rechtssuchenden sei nicht gegeben, die angefochtene Widerrufsverfügung sei gemessen am Maßstab der Artikel 12 und 14 GG unverhältnismäßig. Bei der Gesamtwürdigung sei auch zu berücksichtigen, dass sich der Kläger seit seiner Zulassung als Rechtsanwalt nichts zu Schulden habe kommen lassen und sich nach Kräften nach Beendigung des Medikamententests bemühe, seine finanziellen Verhältnisse zu ordnen.
16Der Kläger beantragt,
17den Bescheid der Beklagten vom 18.04.2014, dem Kläger zugestellt am 22.04.2016, mit dem dem Kläger die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft widerrufen wurde, aufzuheben.
18Die Beklagte beantragt,
19die Klage abzuweisen.
20Die Beklagte vertritt die Ansicht, dass sich der Kläger zum Zeitpunkt des Erlasses der Widerrufsverfügung in Vermögensverfall befand. Hierfür streite schon die Abgabe der Vermögensauskunft. Im Zeitpunkt des Erlasses der Widerrufsverfügung waren die Forderungsangelegenheiten der laufenden Nummer 3, 4, 6 und 10 bis 12 der Forde-rungsaufstellung anhängig. In den Verfahren laufende Nummer 3, 4, 10 bis 12 habe der Kläger am 04.02.2016 die Vermögensauskunft abgegeben. In den Forderungs-angelegenheiten der laufenden Nummer 3 und 10 waren vom Amtsgericht Münster am 19.03.2015 Haftbefehle zur Abgabe der Vermögensauskunft eingetragen. Für die Forderungsangelegenheit des Versorgungswerks der Rechtsanwälte im Lande NRW, lfd. Nr. 6 der Forderungsaufstellung, liege eine Tilgungsvereinbarung vor. Nach Erlass der Widerrufsverfügung habe der Kläger lediglich die Erledigung der Forde-rungssache lfd. Nr. 11 (Universitätsklinikum N) und lfd. Nr. 12 (F Versicherung AG) nachgewiesen. Für die übrigen Forderungen behaupte er, Ratenzahlungsvereinbarungen getroffen zu haben. Der pauschale Hinweis auf den Abschluss von Ratenzahlungsvereinbarungen müsse unberücksichtigt bleiben, da diese nicht nachgewiesen worden seien. Es sei Sache des Klägers, umfassend zu seiner Vermögenssituation vorzutragen, was nicht geschehen sei. Die Erkrankung des Klägers könne zu keiner anderen Sichtweise führen.
21Mit Schreiben vom 16.08.2016 legte der Kläger eine Behandlungsbescheinigung des Universitätsklinikums C für die Zeit vom 10.08. bis 15.08.2016 vor. Mit Schreiben vom 18.08.2016 überreichte die Beklagte einen Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts Münster gegen den Kläger sowie die Mitteilung über den Eingang einer Forderungsklage der Sparkasse im N gegen den Kläger auf Darlehensrückzahlung in Höhe von 6.670,35 EUR zzgl. Zinsen. Mit Schreiben vom 31.08.2016 überreichte die Beklagte die Mitteilung des Landgerichts Münster vom 26.08.2016 über die Anhängigkeit einer Klage auf Geltendmachung von Herausgabeansprüchen aus einem mit dem Kläger abgeschlossenen Anwaltsvertrag.
22Der Kläger hat innerhalb der erbetenen Fristverlängerung zum 05.09.2016 nicht ergänzend vorgetragen.
23Entscheidungsgründe
24I.
25Die fristgerecht eingegangene Klage des Klägers gegen den Bescheid des Beklagten vom 18.04.2016 ist ohne Vorverfahren (§§ 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO), 68 Abs. 1 Satz 2 VwGO, 110 JustG NRW zulässig. Der Kläger ist gem. §§ 112 c Abs. 1 Satz 2 BRAGO i.V.m. § 67 Abs. 4 VwGO zur Selbstvertretung berechtigt.
26II.
27Die Klage ist nicht begründet. Die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft ist gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO zu widerrufen, wenn der Rechtsanwalt in Vermögensverfall geraten ist, es sei denn, dass dadurch die Interessen der Rechtssuchenden nicht gefährdet sind; ein Vermögensverfall wird vermutet, wenn ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des Rechtsanwalts eröffnet oder der Rechtsanwalt in das vom Vollstreckungsgericht zu führende Verzeichnis (§ 26 Abs. 2 der Insolvenzordnung, § 882 b der Zivilprozessordnung) eingetragen ist.
281.
29Die angefochtene Widerrufsverfügung ist formell rechtmäßig ergangen.
30Die Beklagte ist für die Entscheidung über den Widerruf zur Rechtsanwaltschaft gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO gemäß § 33 BRAO sachlich und örtlich zuständig. Der Kläger ist Mitglied der Beklagten. Die Entscheidung über den Widerruf der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft ist nach Anhörung des Klägers gemäß § 32 Abs. 1 BRAO i.V.m. § 28 VwVfG erfolgt. Der Widerrufsverfügung war die entsprechend § 32 Abs. 1 BRAO i.V.m. § 39 VwVfG erforderliche Begründung beigefügt.
312.
32Der angefochtene Widerrufsverfügung ist auch materiell rechtmäßig.
33a)
34Maßgeblicher Zeitpunkt bei der gerichtlichen Überprüfung der Widerrufsverfügung der Beklagten ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Erlasses des Widerrufsbescheides (BGH, Beschluss vom 04.02.2016 – AnwZ (Brfg.) 59/15 –). Ausnahmsweise können zu Gunsten des Rechtsanwaltes, dessen Zulassung wider-rufen werden soll, im gerichtlichen Verfahren der nachträgliche zweifelsfreie Wegfall des Widerrufsgrundes berücksichtigt werden.
35b)
36Ein Vermögensverfall liegt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. nur: BGH, Beschluss vom 08.10.2010 – AnwZ (B) 11/09 –) vor, wenn der Rechtsanwalt in ungeordnete, schlechte finanzielle Verhältnisse geraten ist, die er in absehbarer Zeit nicht ordnen kann und außer Stande ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen. Beweisanzeichen für einen Vermögensverfall sind dabei die Erwirkung von Schuldtiteln und fruchtlose Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen den Rechtsanwalt. Nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO wird darüber hinaus der Vermögensverfall vermutet, wenn der Rechtsanwalt in das vom Vollstreckungsgericht zu führende Schuldnerverzeichnis (§ 882b ZPO) eingetragen ist. Die Vermutung entfällt, wenn die Eintragung im Zeitpunkt der Widerrufsentscheidung gelöscht ist (vgl. BGH, Beschluss vom 08.12.2010 – AnwZ (B) 119/09 –). Ungeordnete Vermögensverhältnisse liegen auch dann nicht mehr vor, wenn eine Ratenzahlungsvereinbarung getroffen wurde und der Schuldner der Ratenzahlung nachkommt und keine weiteren Vollstreckungshandlungen mehr gegen ihn erfolgen und wenn die Gläubiger in absehbarer Zeit befriedigt werden können (BGH, NJW 2005, 1271).
37aa)
38Der Vermögensverfall des Klägers ist hier bereits entsprechend § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO zu vermuten, da der Kläger im Zeitpunkt des Erlasses der Widerrufsverfügung in das vom Vollstreckungsgericht zu führende Verzeichnis gemäß § 882b ZPO eingetragen war. Die Eintragungen im Schuldnerverzeichnis waren auch im Zeitpunkt der Widerrufsentscheidung noch nicht gelöscht, so dass die Vermutung des § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO bereits für einen Vermögensverfall des Klägers streitet. Ein Rechtsanwalt, der im Schuldnerverzeichnis eingetragen ist, muss zur Widerlegung der Vermutung des Vermögensverfalls ein vollständiges Verzeichnis seiner Gläubiger und Verbindlichkeiten vorlegen und konkret darlegen, dass seine Vermögens- und Einkommensverhältnisse nachhaltig geordnet sind (vgl. BGH, Beschluss vom 14.10.2014 –AnwZ (Brfg) 22/14).
39Dies hat der Kläger nicht getan. Er hat insbesondere nicht hinreichend dargelegt, dass seine Vermögens- und Einkommensverhältnisse zumindestens in absehbarer Zeit nachhaltig geordnet sein würden. Er hat nur zu einzelnen kleineren Forderungen die Tilgung und den Abschluss von Ratenzahlungsvereinbarungen nachgewiesen. Einen Nachweis, dass und wie alle Forderungen in absehbarer Zeit getilgt werden könnten, ist er schuldig geblieben. Vielmehr wurden nach Erlass der Widerrufsver-fügung weitere titulierte und nicht beglichene Forderungen bekannt.
40bb)
41Der Vermögensverfall im Zeitpunkt des Erlasses der Widerrufsverfügung steht zudem auf Grund gewichtiger, nicht widerlegter Beweisanzeichen fest. Im Zeitpunkt des Erlasses der Widerrufsverfügung bestanden offene Forderungen in Höhe von 11.100,95 EUR. Hinsichtlich einer weiteren offenen Forderung in Höhe von 4.406,66 EUR wurde eine Ratenzahlungsvereinbarung vorgelegt. Kontoauszüge über die gezahlten Raten liegen nicht vor. Gegen den Kläger sind im Zusammen-hang mit den offenen Forderungen Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse erlassen worden. Die Zwangsvollstreckung in das Vermögen des Klägers war in den genannten Fällen erfolglos. Der Kläger hat am 02.02.2016 in sechs Verfahren die Vermögensauskunft gemäß § 802c ZPO abgegeben. Gegen ihn wurden in zwei weiteren Verfahren Haftbefehle zur Abgabe der Vermögensauskunft erlassen.
42Die Anzahl der gegen den Kläger erwirkten Schuldtitel und Zwangsvollstreckungs-maßnahmen sind ein hinreichendes Beweisanzeichen dafür, dass der Kläger in Vermögensverfall geraten ist. Es ist auch nicht davon auszugehen, dass der Kläger in der Lage ist, die noch offenen Forderungen zu begleichen. Lediglich hinsichtlich einer Forderung in Höhe von 4.406,66 EUR ist mit dem Gläubiger eine Raten-zahlungsvereinbarung getroffen worden. Der Nachweis, dass diese Ratenzahlungs-vereinbarung erfüllt wird, ist bisher nicht geführt worden. Nachweise über Zahlungs-leistungen liegen nicht vor. Der Kläger hat auch keinen Nachweis darüber geführt, dass hinsichtlich der sonstigen, titulierten Forderungen Ratenzahlungsverein-barungen getroffen worden sind. Es ist auf Grund seiner Vermögensverhältnisse, die in dem Vermögensverzeichnis dokumentiert sind, davon auszugehen, dass er auf Dauer auch nicht in der Lage ist, diese Forderungen zu begleichen. Zwar behauptet der Kläger, über Einnahmen zu verfügen, die seine Ausgaben deutlich übersteigen. So ergibt sich aus dem Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2009 (Blatt 128 P) ein zu versteuerndes Einkommen in Höhe von 141.869,00 EUR. Der von dem Kläger vorgelegte Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2013 (Blatt 130 P) weist dem hingegen ein rechnerisch negatives zu versteuerndes Einkommen in Höhe von 10.280,00 EUR aus. Nachweise für eine seitdem verbesserte Einkommenssituation hat der Kläger nicht vorgelegt. Vielmehr deutet u.a. der Umstand, dass auch nach Erlass der Widerrufsverfügung bis zur mündlichen Verhandlung weitere titulierte Forderungen gegen den Kläger bekannt geworden sind, darauf hin, dass er sich weiterhin in ungeordneten schlechten Verhältnissen befindet und sie auch in absehbarer Zeit nicht ordnen und seinen Verpflichtungen nachkommen kann. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass er möglicherweise – wie er behauptet – auf Grund seines gesundheitlichen Zustandes und der Teilnahme an einem Medikamententest in diese schlechten finanziellen Verhältnisse geraten ist. Das Gesetz nimmt keine Wertung der Gründe und Umstände vor, aus denen sich der Vermögensverfall ergibt. Entscheidend ist vielmehr, dass sich aus den Gesamt-umständen ergibt, dass in absehbarer Zeit nicht mit einer Verbesserung dieser Situation zu rechnen ist.
43cc)
44Im Falle des Vermögensverfalls ist regelmäßig von der Gefährdung der Interessen der Rechtssuchenden auszugehen. In diesem Falle ist es Sache des Klägers nachzuweisen, dass trotz seiner geringen Einkünfte, der ungedeckten Forderungen und der erfolglosen Einzelvollstreckung eine Gefährdung der Interessen der Rechtssuchenden nicht gegeben ist. Der Kläger hat weder in der Anhörung vor Erlass der Widerrufverfügung noch im gerichtlichen Verfahren vorgetragen, auf welche Weise er sicherstellen kann, dass die Anforderungen an den Schutz der Belange der Rechtssuchenden gewahrt bleiben. Er verweist in diesem Zusammen-hang alleine darauf, dass die angefochtene Widerrufsverfügung unverhältnismäßig und nicht berücksichtigt worden sei, dass sich der Kläger seit seiner Zulassung im Jahre 2004 nichts habe zu Schulden kommen lassen. Dieser Vortrag ist nicht geeignet, die Regelvermutung zu widerlegen, nach der von einer Gefährdung der Interessen der Rechtssuchenden bei Vermögensverfall auszugehen ist. Es ist Aufgabe des Klägers, die Umstände dafür vorzutragen und zu belegen, die in seinem Falle eine Ausnahme von der Regelannahme begründen. Dies hat der Kläger nicht getan.
45Insgesamt ist festzustellen, dass der Kläger der begründeten Darlegung seines Vermögensverfalls im Widerrufsbescheid der Beklagten nicht hinreichend konkret entgegengetreten ist. Er hat sich nicht zu allen der noch offenen Schuldpositionen geäußert, insbesondere nicht vorgetragen, alle diese Verbindlichkeiten ganz getilgt zu haben oder insoweit Tilgungsvereinbarungen getroffen zu haben. Der nach Erlass der Widerrufsverfügung getroffene Nachweis zwei Forderungen getilgt zu haben, bzw. hierüber Tilgungsvereinbarungen getroffen zu haben, stellt die Feststellung des Vermögensverfalls nicht in Frage.
46III.
47Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 112c BRAO, 154 VwGO und §§ 167 Abs. 2 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO. Die Festsetzung des Geschäftswertes beruht auf § 194 Abs. 2 BRAO.
48IV.
49Ein Anlass, die Berufung nach §§ 112c BRAO, 124, 124a Abs. 1 VwGO zuzulassen, besteht nicht.
50Rechtsmittelbelehrung
51Gegen dieses Urteil kann innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils schriftlich die Zulassung der Berufung beantragt werden. Der Antrag ist bei dem Anwaltsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen, Heßlerstraße 53, 59065 Hamm, zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45 a, 76133 Karlsruhe, einzureichen. Die Berufung ist nur zuzulassen,
521. wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
532. wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
543. wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
554. wenn das Urteil von einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts ab-weicht und auf dieser Abweichung beruht oder
565. wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Ent-scheidung beruhen kann.
57Vor dem Anwaltsgerichtshof und dem Bundesgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Das gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesgerichtshof eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind Rechtsanwälte und Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule im Sinne des Hochschulrahmengesetzes mit Befähigung zum Richteramt zugelassen. Ferner sind die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) bezeichneten Personen und Organisationen als Bevollmächtigte zugelassen. Ein nach dem Vorstehenden Vertretungsberechtigter kann sich selbst vertreten; es sei denn, dass die sofortige Vollziehung einer Widerrufsverfügung angeordnet und die aufschiebende Wirkung weder ganz noch teilweise wiederhergestellt worden ist. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.
58Die Festsetzung des Streitwerts ist unanfechtbar.
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Referenzen
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