Beschluss vom Anwaltsgerichtshof NRW - 1 AGH 19/16
Tenor
1. Das Verfahren wird eingestellt.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits. Der Beigeladene trägt seine Kosten selbst.
3. Der Streitwert wird auf 25.000,00 € festgesetzt.
1
Gründe:
2I.
3Der am ##.##.1977 geborene Beigeladene ist seit dem 01.07.2008 im Bezirk der Beklagten zur Rechtsanwaltschaft zugelassen sowie Mitglied des Y. Per Arbeitsvertrag vom 13.12.2013 ist er bei der Fa. X als „Unternehmensanwalt“ beschäftigt.
4Aufgrund seiner früheren beruflichen Tätigkeit war der Beigeladene durch Bescheid der Klägerin vom 29.12.2011 mit Wirkung ab dem 01.10.2011 von der Versicherungspflicht in der allgemeinen Rentenversicherung befreit worden. Unter dem 10.01.2014 zeigte der Beigeladene der Klägerin den Wechsel zu seiner jetzigen Arbeitgeberin an und beantragte erneut die Befreiung von der Versicherungspflicht. Auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts wies die Klägerin den Antrag zurück. Der hiergegen eingelegte Widerspruch des Beigeladenen blieb erfolglos.
5Mit dem am 12.02.2016 bei der Beklagten eingegangenen Antrag vom 03.02.2016 beantragte der Beigeladene sodann die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt für seine Tätigkeit bei der Fa. X. Dem Antrag beigefügt waren der Arbeitsvertrag vom 13.12.2013, eine Stellenbeschreibung vom 24.08.2015 sowie eine Tätigkeitsbeschreibung vom 03.02.2016.
6Die Beklagte hat mit Bescheid vom 22.03.2016 dem Antrag des Beigeladenen nach Anhörung der Klägerin entsprochen.
7Zur Begründung der Zulassung als Syndikusrechtsanwalt hat die Beklagte ausgeführt, der Beigeladene sei für seine Arbeitgeberin anwaltlich tätig. Er übe eine fachlich unabhängige und eigenverantwortliche Tätigkeit aus, die den Anforderungen des § 46 Abs.3 Nr.1 – 4 BRAO entspreche. Dies ergebe sich aus dem Arbeitsvertrag und der Tätigkeitsbeschreibung vom 03.02.2016.
8Danach sei es Aufgabe des Beigeladenen betriebsrelevante Rechtsfragen, insb. zu Fragen des Arzneimittelrechts, der Erstattung von Arzneimitteln im Bereich des SGB V, des Medizinproduktrechts, Lebensmittelrechts, Betäubungsmittelrechts und des gewerblichen Rechtsschutzes zu analysieren sowie vor diesem spezifischen betrieblichen Hintergrund selbständig Lösungswege herauszuarbeiten. Er berate telefonisch, schriftlich und persönlich seine Arbeitgeberin und deren Fachabteilungen in den juristisch sehr regulierten Sachverhalten der Erforschung, Entwicklung, Herstellung und Vertrieb von Arzneimitteln. Er führe juristische Mitarbeiterschulungen durch und erstelle, prüfe, überarbeite und pflege selbständig und eigenverantwortlich Verträge mit Auftragsinstituten, Prüfärzten, Agenturen, internationalen Partnern etc., ferner führe er eigenverantwortlich Vertrags- und Einigungsverhandlungen mit verschiedenen Partnern seiner Arbeitgeberin.
9Die Klägerin hat gegen den am 24.03.2016 zugestellten Zulassungsbescheid fristgerecht Anfechtungsklage erhoben.
10Sie hat die Ansicht vertreten, dass die Tätigkeit des Beigeladenen nicht den Anforderungen des § 46 Abs.2 – 5 BRAO entspreche, insbesondere hat sie geltend macht, aus den eingenreichten Unterlagen ergebe sich nicht der Nachweis der fachlichen Unabhängigkeit i.S.d. § 46 Abs.4 BRAO. Nach dem Arbeitsvertrag vom 13.12.2013 sei der Beigeladene als Arbeitnehmer gemäß näherer Anweisung seiner Arbeitgeberin beschäftigt. Daran ändere die Tätigkeitsbeschreibung vom 03.02.2016 nichts. Soweit darin die fachliche Unabhängigkeit bescheinigt werde, sei sie unzutreffend, da sie nicht den sich aus dem Arbeitsvertrag ergebenden Tatsachen entspreche. Der Tätigkeitsbeschreibung sei nicht zu entnehmen, dass sie den Regelungen des Arbeitsvertrages vorgehe oder diesen ändere.
11Die Klägerin hat deshalb beantragt, den Bescheid der Beklagten vom 22.03.2016 aufzuheben. Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
12Die Beklagte hat den Zulassungsbescheid verteidigt.
13Mit Schriftsatz vom 08.07.2016 hat die Beklagte eine weitere Ergänzung vom 23.06.2016 zum Arbeitsvertrag des Beigeladenen überreicht. Aus der Ergänzung ergibt sich, dass sich der Beigeladene und seine Arbeitgeberin darüber einig sind, dass die Tätigkeitsbeschreibung vom 03.02.2016 Bestandteil des bestehenden Arbeitsvertrages geworden sei und entgegenstehende Regelungen mit der Tätigkeitsbeschreibung als Vertragsergänzung ihre Wirksamkeit verloren hätten.Daraufhin haben die Beteiligten die Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt und wechselseitige Kostenanträge gestellt.
14II.
15Der Rechtsstreit ist durch die übereinstimmenden Erklärungen der Beteiligten vom 01.08.2016 und 19.08.2016 gem. § 161 Abs.1 VwGO in der Hauptsache erledigt.
16Die Erledigung der Hauptsache hat der Anwaltsgerichtshof von Amts wegen festzustellen. Das Verfahren ist gem. § 112 c BRAO i.V.m. § 87a Abs.1 Nr.3, Abs.3 VwGO durch Beschluss des Berichterstatters einzustellen.
17Nach § 112 c Abs.1 s.1 BRAO i.V.m. § 161 Abs.2 S.1 VWGO ist dabei nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden.
181. Hätten die Beteiligten den Rechtsstreit nicht für erledigt erklärt, wäre die Klägerin mit ihrer Klage aller Voraussicht nach unterlegen. Dies führt dazu, dass sie die Kosten des Verfahrens – mit Ausnahme der Kosten des Beigeladenen - zu tragen hat.
19Im Zeitpunkt des Erlasses des Zulassungsbescheids vom 22.03.2016 lagen die Voraussetzungen für die Zulassung des Beigeladenen als Syndikusrechtsanwalt nach §§ 46 a Abs.1, 46 Abs.2 – 5 BRAO vor; insb. hat der Beigeladene im Zeitpunkt seiner Zulassung als Syndikusrechtsanwalt eine fachlich unabhängige Tätigkeit gem. den Anforderungen des § 46 Abs.4 BRAO ausgeübt.
20Der Arbeitsvertrag des Beigeladenen vom 13.12.2013 ist durch die Tätigkeitsbeschreibung vom 03.02.2016 wirksam dahin geändert worden, dass der Beigeladene, was seine anwaltliche Tätigkeit angeht, weisungsungebunden handelt.Dies ergibt sich eindeutig und ausdrücklich aus der Tätigkeitsbeschreibung vom 03.02.2016.
21Die Tätigkeitsbeschreibung vom 03.02.2016 ist auch Inhalt des Arbeitsvertrages zwischen dem Beigeladenen und seiner Arbeitgeberin geworden. Die ursprüngliche Weisungsgebundenheit des Beigeladenen im Verhältnis zu seiner Arbeitgeberin ist dadurch wirksam abbedungen worden, obgleich die Tätigkeitsbeschreibung vom 03.02.2016 nicht ausdrücklich bestimmt, dass die in ihr enthaltenen Regelungen dem Arbeitsvertrag vom 13.12.2013 vorgehen.
22Der Inhalt des unter dem 03.02.2016 geschaffenen Vertragsverhältnisses zwischen dem Beigeladenen und seiner Arbeitgeberin, bestehend aus den Regeln des ursprünglichen Arbeitsvertrages vom 13.12.2013 und der Tätigkeitsbeschreibung vom 03.02.2016, ergibt sich im Wege der Vertragsauslegung nach §§ 133, 157 BGB.
23Aus dem Umstand, dass der Beigeladene und dessen Arbeitgeberin die Tätigkeitsbeschreibung vor dem Hintergrund des Antrags auf Zulassung des Beigeladenen als Syndikusrechtsanwalt erstellt haben und es hierfür eine Änderung des bisherigen arbeitsvertraglichen Verhältnis bedurfte, ergibt sich, dass die Vertragsparteien eine Abänderung des ursprüngliche Arbeitsvertrages im Sinne der Tätigkeitsbeschreibung herbeiführen wollten. Das Schaffen einer unklaren arbeitsvertraglichen Situation durch ein unklares Verhältnis zwischen dem Inhalt des Arbeitsvertrages und der Tätigkeitsbeschreibung war bei verständiger Würdigung der Sach- und Rechtslage weder von dem Beigeladenen noch von seiner Arbeitgeberin gewollt. Dass die Beteiligten den Arbeitsvertrag von Anfang an im Sinne der Tätigkeitsbeschreibung vom 03.02.2016 ändern wollten, ergibt sich nunmehr unzweifelhaft aus der ergänzenden Vereinbarung vom 23.06.2016.
24Der wirksamen Änderung des Arbeitsvertrages zum 03.02.2016 durch die schriftlich unvollständig formulierte Tätigkeitsbeschreibung gleichen Datums steht nicht entgegen, dass nach § 16 des Arbeitsvertrages vom 13.12.2013 Vertragsänderungen zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform bedürfen.
25Der nach der Konzeption des Vertrages im Wege Allgemeiner Geschäftsbedingungen geltende § 16 sieht zugleich den Vorrang individueller Vertragsabreden vor. Daher ist nach einer Auslegung des Arbeitsvertrages vom 13.12.2013 davon auszugehen, dass das Schriftformerfordernis lediglich Beweiszwecken dienen und keine konstitutive Wirkung haben soll, weshalb mündlich getroffene Abreden vorrangig Geltung haben (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 75. Aufl., § 305 b Rn.5; BAG NJW 2009, 316 Tz.27 ff, zitiert nach juris). Danach reicht es für die wirksame Änderung des Arbeitsvertrags durch die Tätigkeitsbeschreibung vom 03.02.2016 aus, dass der Beigeladene und seine Arbeitgeberin am 03.0.20.2016 Einigkeit erzielt haben, dass der Beigeladene in fachlich-rechtlicher Hinsicht ab sofort fachlich unabhängig tätig werden soll.
262. Von der Kostentragungspflicht der Klägerin ausgenommen sind die Kosten des Beigeladenen. Billigkeitsgesichtspunkte, die nach § 162 Abs.3 VwGO eine Kostenerstattung durch die Klägerin rechtfertigen, sind nicht ersichtlich.3. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 194 Abs.2 BRAO.
27Dieser Beschluss ist insgesamt unanfechtbar.
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