Urteil vom Bundesarbeitsgericht (10. Senat) - 10 AZR 361/09
Tenor
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Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 3. März 2009 - 5 Sa 128/08 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Tatbestand
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Die Parteien streiten über die Zahlung einer tariflichen Funktionszulage.
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Die Klägerin ist seit 1997 als Kassiererin im Möbelhaus der Beklagten in N beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden kraft beiderseitiger Verbandszugehörigkeit die Tarifverträge für die Beschäftigten im Einzelhandel des Landes Mecklenburg-Vorpommern Anwendung. Die Klägerin erhielt nach dem Entgelttarifvertrag für den Einzelhandel im Bundesland Mecklenburg-Vorpommern (im Folgenden: ETV-MV) eine monatliche Vergütung nach Gehaltsgruppe 2 nach dem 7. Tätigkeitsjahr in Höhe von 1.947,00 Euro brutto. Nach dem ETV-MV fallen in die Gehaltsgruppe 2:
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„Tätigkeiten, die im Rahmen bestehender Anweisungen selbstständig erledigt werden und eine abgeschlossene entsprechende Berufsausbildung erfordern.
Beispiele: Verkäufer/in, Kassierer/in ...“
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Bis zum Februar 2005 arbeitete die Klägerin an den Kassen im Ausgangsbereich des Möbelhauses und erhielt eine Funktionszulage nach § 2 Ziff. 8 des ETV-MV (sog. Kassenzulage), in dem es heißt:
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„SB-Kassierer/innen erhalten in den Monaten, in denen sie auf Anweisung der Geschäftsleitung im Wochendurchschnitt mehr als 24 Stunden an Ausgangskassen (check-out) tätig sind, eine Funktionszulage von 4 % ihres Tarifentgeltes.“
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Seit März 2005 wird sie an der Kasse der hauseigenen Cafeteria beschäftigt und erhielt weiterhin bis November 2006 die Funktionszulage. Die Cafeteria befindet sich im 2. Obergeschoss mitten im Verkaufslokal. Sie lässt sich nur über die Verkaufsräume des Möbelhauses betreten und wieder verlassen. In ihr werden Speisen und Getränke an Kunden und Mitarbeiter des Möbelhauses angeboten und an der Kasse der Cafeteria bezahlt. Neben dieser Kasse gibt es nur Kassen im Ausgangsbereich des Möbelhauses.
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Nach einer vergeblichen außergerichtlichen Geltendmachung hat die Klägerin mit der der Beklagten am 28. Juni 2007 zugestellten und am 31. August 2007 erweiterten Klage die Zahlung der Zulage für die Monate Dezember 2006 bis Juli 2007 in Höhe von insgesamt 622,24 Euro brutto begehrt. Sie hat die Auffassung vertreten, die Funktionszulage sei weiter zu zahlen, da die Cafeteria eine abgeschlossene Abteilung und die dort befindliche Kasse deshalb eine „Ausgangskasse“ im Tarifsinn sei. Die Kassiertätigkeiten in der Cafeteria und an den weiteren „Ausgangskassen“ des Möbelhauses unterschieden sich nicht.
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Die Klägerin hat beantragt
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die Beklagte zu verurteilen, an sie 622,24 Euro brutto nebst Jahreszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 31. August 2007 zu zahlen.
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Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie ist der Ansicht, die Cafeteriakasse sei keine „Ausgangskasse“, sie befinde sich nicht im Ausgangsbereich des Ladengeschäfts. Die tarifliche Funktionszulage solle die besonderen Belastungen an einer „Ausgangskasse“ finanziell ausgleichen. Diese bestünden an einer „Cafeteriakasse“ nicht. Die Tätigkeit an dieser Kasse unterscheide sich wesentlich von der an einer „Ausgangskasse“ eines Möbelhauses. Es würden deutlich weniger unterschiedliche Artikel kassiert und keine kassenübergreifenden, verantwortungsvolleren Arbeiten verrichtet.
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Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Zahlungsbegehren weiter.
Entscheidungsgründe
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Die Revision der Klägerin hat keinen Erfolg. Die Vorinstanzen haben die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf eine Funktionszulage nach § 2 Ziff. 8 des ETV-MV. Sie war von Dezember 2006 bis Juli 2007 nicht an einer „Ausgangskasse“ (check-out) tätig.
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I. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet der ETV-MV aufgrund der beiderseitigen Tarifbindung der Parteien Anwendung. Nach § 2 Ziff. 8 ETV-MV erhalten SB-Kassiererinnen nur dann eine vierprozentige Funktionszulage zu ihrem Tarifentgelt, wenn sie auf Anweisung der Geschäftsleitung - in einem bestimmten Mindestumfang - an einer „Ausgangskasse“ (check-out) tätig sind.
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II. Die Klägerin hat zwar als SB-Kassiererin im Möbelhaus der Beklagten in dem vom Tarifvertrag geforderten Stundenumfang gearbeitet. Sie war jedoch im Zeitraum Dezember 2006 bis Juli 2007 nicht an einer „Ausgangskasse“ (check-out) tätig.
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1. Der Tarifwortlaut, von dem vorrangig auszugehen ist (vgl. st. Rspr., Senat 19. November 2008 - 10 AZR 658/07 - Rn. 17, AP BMT-G II § 67 Nr. 4; 22. Oktober 2008 - 10 AZR 842/07 - Rn. 15), ist zwar nicht eindeutig, deutet aber hinreichend darauf hin, dass nur die Kassiererinnen eine Funktionszulage erhalten sollen, die an einer Kasse tätig sind, die passiert werden muss und nach deren Passieren man das Ladengeschäft unmittelbar verlassen kann.
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a) Der Begriff der „Ausgangskasse“ (check-out) hat in der Rechtsterminologie keine festumrissene Bedeutung. Er kann sowohl im Sinne einer Kasse vor dem Ausgang des Ladengeschäfts oder Gebäudes als auch im Sinne einer Kasse am Ende eines abgeschlossenen Bereichs, beispielsweise einem Ausgang einer abgeschlossenen Abteilung, verstanden werden.
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b) Die Tarifvertragsparteien des Einzelhandels haben die Begriffe „Ausgangskasse“ bzw. „check-out“ nicht näher definiert. Im Zweifel wollen Tarifvertragsparteien einen solchen Begriff so verstanden wissen, wie er üblicherweise im Handelsverkehr oder im Wirtschaftsleben verstanden wird und damit den Anschauungen der beteiligten Berufskreise und dem Handelsbrauch entspricht (vgl. hierzu BAG 23. September 2009 - 4 AZR 333/08 - Rn. 24 mwN).
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Solche übereinstimmenden Vorstellungen vom Begriff der „Ausgangskasse“ bzw. eines „check-out“ sind nicht hinreichend feststellbar. Im fachspezifischen Sprachgebrauch scheint allerdings unter dem Begriff der „Ausgangskasse“ eine Kasse verstanden zu werden, die am Ende einer abgesperrten Zone oder eines abgeschlossenen Bereichs steht. So beschreibt beispielsweise „Vahlens Großes Wirtschaftslexikon“ unter dem Stichwort „check-out“ eine „Ausgangskasse“, dh. „einen Kassentisch mit Kasse im Ausgangsbereich einer Verkaufsstelle“. Eine „Check-Out-Linie ... umfasst alle Kassen im Ausgangsbereich. Daneben gibt es dezentral angeordnete Abteilungs- oder Blockkassen, die sich nicht im Ausgangsbereich befinden“. Das englisch-deutsche Wörterbuch für Recht, Wirtschaft und Politik (2000) führt zum Begriff „check-out“ aus: „Ausgangskasse (in einem Supermarkt, wo Ware vorgezeigt und bezahlt wird)“. Unter dem Stichwort „Ausgang“ findet sich im Duden - Das große Wörterbuch der deutschen Sprache (3. Aufl.) der Hinweis auf ein „Hinausgehen, Verlassen des Hauses“ bzw. die „Tür, Öffnung durch die jemand hinausgeht, ein Gebäude, einen Raum verlassen kann“. Sämtliche Beschreibungen stellen damit auf ein - endgültiges - Verlassen eines abgeschlossenen Raumes ab und legen nahe, dass der durchzuführende Kassiervorgang in diesem Zusammenhang erfolgen muss. Nicht zwingend ist hingegen, dass er nur unmittelbar am Ende eines Ladengeschäfts - am Ausgang des Geschäfts - erfolgen kann. Möglich ist auch, dass die Kasse am Ende eines abgeschlossenen Bereichs steht und der Kunde diesen Bereich durch eine Kassenzone verlassen und keine weitere/n Kasse(nzonen) mehr passieren muss.
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c) Im Streitfall ist hiernach ein Anspruch auf die tarifliche Funktionszulage iSv. § 2 Ziff. 8 ETV-MV schon deshalb nicht gegeben, weil die Cafeteriakasse sich weder am Ausgang des Möbelhauses noch eines abgeschlossenen Bereichs befindet, sondern der Kunde auch nach Passieren der Cafeteriakasse vor dem Verlassen des Möbelhauses die Kassenzone am Ausgang des Ladengeschäfts durchschreiten muss.
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2. Dieses Verständnis wird durch den Sinn und Zweck der tariflichen Funktionszulage bestätigt.
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a) Eine tarifliche Funktionszulage unterscheidet sich von einer Erschwerniszulage vor allem dadurch, dass eine zusätzliche Vergütung für eine bestimmte Tätigkeit in einer bestimmten Funktion gewährt wird (vgl. bspw. Senat 17. April 1996 - 10 AZR 617/95 - AP BAT §§ 22, 23 Zulagen Nr. 18; 16. November 2005 - 10 AZR 108/05 - zu II 2 b bb der Gründe, ZTR 2006, 313; 18. März 2009 - 10 AZR 293/08 - Rn. 14). Tarifliche Funktionszulagen wollen für herausgehobene Tätigkeiten, die mit der Grundvergütung der Tarifgruppe nur mangelhaft erfasst und vergütet werden, einen tariflichen Zuschlag gewähren. Dabei stehen nicht die „erschwerten Umstände“ der Tätigkeit im Vordergrund. „Schwerer“ im Sinne einer Funktionszulage ist die vergütete Arbeit vor allem, weil sie „schwieriger“ ist. Dementsprechend hat der Zehnte Senat in seiner Entscheidung vom 17. März 2004 (- 10 AZR 294/03 - zu II 3 der Gründe, AP TVG § 1 Tarifverträge: Einzelhandel Nr. 83) angenommen, mögliche Erschwernisse bei einer Kassentätigkeit als Rechtfertigung einer Funktionszulage könnten darin liegen, dass Kassiererinnen - jedenfalls bei normalem bis starkem Kundenandrang - ständig konzentriert Waren bewegen, Preise erfassen und eingeben, ggf. Diebstähle aufdecken, und Geld kassieren müssten und dabei stets im Blickpunkt der Kunden stünden. Eine solche Kassiererin würde eine monotone Tätigkeit mit dennoch hoher finanzieller Verantwortung ausüben und sei dem Druck in vielen Fällen eiliger oder drängelnder Kunden ausgesetzt, denen sie geduldig und freundlich gegenübertreten müsse.
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b) Entsprechendes gilt auch für die Tätigkeit an einer „Ausgangskasse“ im Vergleich zu einer anderen, mit der Grundvergütung abgegoltenen Kassierertätigkeit. Eine Tätigkeit an einer „Ausgangskasse“ zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass es dem Kunden an zentraler Stelle ermöglicht wird, seinen gesamten Einkauf des Geschäfts oder einer größeren abgeschlossenen Abteilung (auf einmal) abzuwickeln, zu bezahlen und dann das Ladengeschäft ohne weitere Kontrollen oder Passieren weiterer abgeschlossener Kassenzonen zu verlassen. Typischerweise müssen alle (auch nur potentiellen) Kunden hierzu eine „Ausgangskasse“ passieren. Diese Kanalisierung des Kundenstroms führt im Vergleich zu anderen Kassen, beispielsweise bei sog. Etagenkassen, zu einer hohen Kundenbetreuungsfrequenz, was vor allem die Häufigkeit und den Umfang der Kassiervorgänge betrifft. Zumeist wird es an solchen Kassen kaum einen „Leerlauf“ für die Kassiererinnen geben, weshalb neben der höheren Verantwortung typischerweise auch eine höhere Belastung gegeben sein wird. Hinzu kommt, dass im Vergleich zu einer anderen Kasse das zu kassierende Warensortiment, häufig das gesamte Sortiment des Geschäfts oder einer größeren Abteilung, beispielsweise einer abgeschlossenen Lebensmittelabteilung, umfangreicher ist. Dementsprechend muss die Kassiererin einer solchen „Zentralkasse“ sämtliche Kassenfunktionen beherrschen. Damit wird ihre herausgehobene Funktion deutlich. Sie ist an zentraler Stelle für die ordnungsgemäße Abwicklung des Verkaufs verantwortlich und repräsentiert das Handelsunternehmen. Ihre Funktion unterscheidet sich von der einer Kassiererin an der Kasse eines Ladengeschäfts und setzt sie von diesen „normalen“ Kassierertätigkeiten deutlich ab.
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c) Auch bei Berücksichtigung des Sinns und Zwecks der Funktionszulage kann nicht von einer nach § 2 Ziff. 8 ETV-MV zuschlagspflichtigen Tätigkeit der Klägerin an der Cafeteriakasse ausgegangen werden. An dieser Kasse werden nur die in der Cafeteria verzehrten Speisen und Getränke bezahlt. Der Kunde muss nach Passieren dieser Kasse noch an einer weiteren zentralen Kassenzone vorbeigehen, um das Ladengeschäft zu verlassen. Die tariflichen Voraussetzungen für die Zahlung einer Funktionszulage nach § 2 Ziff. 8 ETV-MV sind deshalb nicht gegeben.
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III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
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Mikosch
W. Reinfelder
Eylert
Der ehrenamtliche
Richter Staedtler ist
wegen der Beendigung
seiner Amtszeit
verhindert zu
unterschreiben.Mikosch
Stefan Fluri
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