Urteil vom Bundesarbeitsgericht (4. Senat) - 4 AZR 193/09
Tenor
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Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 5. Dezember 2008 - 3 Sa 1615/07 - aufgehoben. Die Sache wird zur weiteren Verhandlung und Entscheidung auch über die Kosten der Revision an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
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Die Parteien streiten über die Eingruppierung der Klägerin in der Entgeltgruppe III (Oberärztin/Oberarzt) des Tarifvertrages für Ärztinnen und Ärzte an kommunalen Krankenhäusern im Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände vom 17. August 2006 (TV-Ärzte/VKA) und über die Zahlung einer Zulage von monatlich 250,00 Euro nach § 51 Abs. 3 des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst - Besonderer Teil Krankenhäuser - vom 13. September 2005 (TVöD/BT-K) für den Zeitraum vom 1. April bis zum 31. Juli 2006.
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Die Klägerin ist Fachärztin für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde und Mitglied des Marburger Bundes. Sie ist aufgrund eines Arbeitsvertrages mit der Beklagten, die Mitglied im Kommunalen Arbeitgeberverband (KAV) ist, seit dem 1. Januar 2002 im Klinikum D beschäftigt.
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In der zum Klinikum gehörenden Hals-Nasen-Ohrenklinik sind nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts zehn Ärzte beschäftigt, davon acht Assistenzärzte. Weiterhin sind dort zwei Arzthelferinnen, zwei medizinisch-technische Assistentinnen, zwei Logopädinnen, eine Chefsekretärin, eine Sekretärin, eine Empfangsdame und eine Schreibkraft tätig.
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Nach dem Inkrafttreten des TVöD am 1. Oktober 2005 fragte die Verwaltung der Beklagten am 26. Oktober 2005 beim Chefarzt der HNO-Klinik schriftlich an, welche Tätigkeiten in der Klinik evtl. zulagenfähig nach § 51 TVöD/BT-K seien. In dem Antwortschreiben vom 2. November 2005 teilte der Chefarzt der HNO-Klinik, Prof. Dr. R, ua. mit, dass die Klägerin, die zu diesem Zeitpunkt bereits als Oberärztin geführt wurde, für den Bereich der Allergologie in der HNO-Klinik weiterbildungsermächtigt sei; sie betreue diesen Bereich selbständig und unterfalle damit der Funktionszulagenregelung nach § 51 Abs. 3 TVöD/BT-K. Im Anschluss gewährte die Beklagte der Klägerin mit Wirkung ab 1. Oktober 2005 eine Funktionszulage in Höhe von monatlich 250,00 Euro.
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Ab dem 1. August 2006 wurde auf das Arbeitsverhältnis der Parteien der TV-Ärzte/VKA angewandt und die Klägerin nach der dort in § 16 Buchst. b aufgeführten Entgeltgruppe II (Fachärztin/Facharzt) in der Stufe 2 vergütet. Demgegenüber machte die Klägerin mit Schreiben vom 8. September 2006 geltend, dass sie als Oberärztin in der Entgeltgruppe III TV-Ärzte/VKA eingruppiert sei. Mit Schreiben vom 25. September 2006 wies die Beklagte diese Ansicht zurück und teilte der Klägerin gleichzeitig mit, dass sie die monatliche Zulage von 250,00 Euro ohne Rechtsgrundlage gewährt habe, da die Klägerin die in § 51 Abs. 3 TVöD/BT-K aufgeführten Voraussetzungen nicht erfülle. Sie machte die Rückzahlung der gewährten Zulagen geltend und behielt sie im Folgenden von der Vergütung der Klägerin ein.
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Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, sie sei in der Entgeltgruppe III TV-Ärzte/VKA eingruppiert, da ihr die medizinische Verantwortung für den Bereich Allergologie ausdrücklich übertragen worden sei. Im Zusammenhang mit der Zusage der Funktionszulage sei dies ausdrücklich von der Beklagten bestätigt worden. Im Übrigen müsse die Kenntnis des Arbeitgebers von der Übertragung der Aufgaben einer ausdrücklichen Übertragung durch den Arbeitgeber selbst gleichstehen. Die nachträgliche Einbehaltung der Zulage sei ungerechtfertigt, weil die Voraussetzungen für den Anspruch auf die Zulage vorgelegen hätten. Ihr seien, wie die tariflichen Bestimmungen es vorsähen, mehr als zehn Mitarbeiter unterstellt. Hierbei seien auch die Assistenzärzte einzubeziehen, da deren Weiterbildung in Allergologie den tariflichen Begriff der Unterstellung erfülle.
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Die Klägerin hat zuletzt beantragt:
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1.
festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin seit dem 1. August 2006 Vergütung nach der Vergütungsgruppe III, Stufe 1 (Oberärztin/Oberarzt) des Tarifvertrages für Ärztinnen und Ärzte an kommunalen Krankenhäusern im Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände vom 17. August 2006 zu zahlen,
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die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin weitere 1.000,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21. Februar 2007 zu zahlen.
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Die Beklagte hat ihren Klageabweisungsantrag damit begründet, dass die Klägerin in der Entgeltgruppe II TV-Ärzte/VKA zutreffend eingruppiert sei. Es mangele bereits an der ausdrücklichen Übertragung der medizinischen Verantwortung, da die Funktion einer Oberärztin nicht durch den Arbeitgeber übertragen worden sei. Der Chefarzt der Klinik oder die Personalleiterin seien zu einer solchen Übertragung nicht befugt gewesen. Im Übrigen hätten auch die Voraussetzungen für die Gewährung der Zulage tatsächlich nicht vorgelegen. Die Weiterbildung der Assistenzärzte erfolge im Bereich Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, in dem die Allergologie lediglich einen Teilbereich darstelle.
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Das Arbeitsgericht hat die Klage im jetzt noch streitigen Umfang abgewiesen. Die von der Klägerin eingelegte Berufung hat das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen und die Revision gegen sein Urteil zugelassen. Nach Verkündung des Berufungsurteils ist die Klinik im Wege der partiellen Gesamtrechtsnachfolge gemäß § 168 UmwG auf die Klinikum D GmbH übergegangen, deren Gesellschaftsanteile vollständig in der Hand der Beklagten liegen und die gleichfalls Mitglied des KAV ist. Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin ihr Klageziel insgesamt weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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Die Revision ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin rechtsfehlerhaft zurückgewiesen.
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A. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage für unbegründet erachtet. Die von der Klägerin begehrte Eingruppierung scheitere bereits daran, dass es an einer ausdrücklichen Übertragung der medizinischen Verantwortung durch die Beklagte mangele. Eine etwaige Verantwortungsübertragung durch den Chefarzt der Klinik genüge nicht. Unabhängig davon, ob dieser vor Inkrafttreten des TV-Ärzte/VKA überhaupt die Beklagte selbst bindende Tatbestände hätte schaffen können, seien diese jedenfalls mit Inkrafttreten des TV-Ärzte/VKA eingruppierungsrechtlich irrelevant. Die Protokollerklärung der Tarifvertragsparteien zu § 16 Buchst. c TV-Ärzte/VKA enthalte ein rechtsgeschäftliches Vertretungsverbot, so dass auch die Grundsätze der Anscheins- und Duldungsvollmacht nicht anwendbar seien. Auch der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz führe nicht zu der von der Klägerin begehrten Vergütungsverpflichtung der Beklagten. Diese habe erkennbar lediglich die tariflichen Normen vollziehen wollen und kein gestaltendes Verhalten gezeigt.
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Ferner sei die Klage auch hinsichtlich der Funktionszulage nach § 51 Abs. 3 TVöD/BT-K nicht begründet. Die tariflichen Voraussetzungen für den Anspruch auf die Zulage seien im Streitzeitraum von April bis Juli 2006 nicht gegeben. Die Klägerin habe keinen selbständigen Funktionsbereich mit mindestens zehn Beschäftigten geleitet. Von der tariflich vorausgesetzten Selbständigkeit des Bereichs Allergologie könne schon deshalb nicht ausgegangen werden, weil es an einem von der übrigen Organisation der Klinik unterscheidbaren Mitarbeiterkreis fehle.
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B. Die Revision ist teilweise unzulässig, im Übrigen jedoch begründet, weil das Landesarbeitsgericht den tariflichen Begriff der ausdrücklichen Übertragung der medizinischen Verantwortung fehlerhaft ausgelegt hat. Mit der Begründung des Landesarbeitsgerichts durfte die Klage nicht abgewiesen werden. Für eine abschließende Beurteilung der Frage, ob und ggf. in welchem Zeitraum die Klägerin die Voraussetzungen des Tätigkeitsmerkmales der Entgeltgruppe III TV-Ärzte/VKA erfüllt, fehlt es dem Senat an hinreichenden tatsächlichen Feststellungen. Hinsichtlich des Zahlungsantrages ist das Landesarbeitsgericht von einer rechtsfehlerhaften Auslegung des Begriffs des Funktionsbereichs in § 51 Abs. 3 TVöD/BT-K ausgegangen. Ob der Klägerin bei zutreffender Auslegung der Tarifnorm der Anspruch zusteht, kann vom Senat mangels hinreichender tatsächlicher Feststellungen des Landesarbeitsgerichts gleichfalls nicht abschließend entschieden werden.
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I. Die Revision ist unzulässig, soweit das Landesarbeitsgericht seine Entscheidung über den Eingruppierungsfeststellungsantrag der Klägerin - auch - darauf gestützt hat, dass der Klägerin aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz kein Anspruch auf die begehrte Vergütung zusteht.
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1. Nach § 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ZPO gehört zum notwendigen Inhalt der Revisionsbegründung die Angabe der Revisionsgründe. Bei einer Sachrüge muss die Revisionsbegründung den Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts so aufzeigen, dass Gegenstand und Richtung des Revisionsangriffs erkennbar sind. Daher muss die Revisionsbegründung eine Auseinandersetzung mit den Urteilsgründen des angefochtenen Urteils enthalten. Dies erfordert die konkrete Darlegung der Gründe, aus denen das angefochtene Urteil rechtsfehlerhaft sein soll (st. Rspr., zB BAG 6. Januar 2004 - 9 AZR 680/02 - zu II 2 a der Gründe mwN, BAGE 109, 145, 148). Bei mehreren Streitgegenständen muss für jeden eine solche Begründung gegeben werden. Fehlt sie zu einem Streitgegenstand, ist das Rechtsmittel insoweit unzulässig (BAG 15. März 2006 - 4 AZR 73/05 - Rn. 17, AP ZPO § 551 Nr. 63 = EzA ZPO 2002 § 551 Nr. 2; 12. November 2002 - 1 AZR 632/01 - zu B I der Gründe mwN, BAGE 103, 312, 319 f.).
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2. Danach ist die Revision der Klägerin teilweise unzulässig. Die Klägerin hat ihre Klage in den Vorinstanzen zum einen auf die Erfüllung der tariflichen Anforderungen des Anspruchs auf die von ihr geforderte Vergütung und zum anderen auf die Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes durch die Beklagte gestützt. Das sind zwei voneinander zu unterscheidende, selbständige Lebenssachverhalte und damit zwei Streitgegenstände iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO (BAG 15. März 2006 - 4 AZR 73/05 - Rn. 18, AP ZPO § 551 Nr. 63 = EzA ZPO 2002 § 551 Nr. 2). Deshalb bedurfte es bei insoweit unbeschränkter Revision gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts für jeden dieser Streitgegenstände einer den gesetzlichen Anforderungen entsprechenden Begründung. Eine solche lässt die Revisionsbegründung bezüglich des Streitgegenstandes der Gleichbehandlung gänzlich vermissen.
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II. Die im Übrigen zulässige Revision ist begründet.
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1. Die Klage ist zulässig. Entgegen dem in der Revisionsinstanz vorgebrachten Vortrag der Beklagten liegt aufgrund der zwischenzeitlich erfolgten partiellen Gesamtrechtsnachfolge kein „gesetzlicher Parteiwechsel“ vor, da sich die Rechtsnachfolge nicht auf das gesamte Vermögen des Rechtsvorgängers bezieht und von daher die Zuordnung des Anspruchs zu dem einen oder dem anderen Teil nicht unmittelbar aus dem Gesetz folgt, sondern von rechtsgeschäftlichen Erklärungen der Beteiligten abhängig ist (vgl. BGH 6. Dezember 2000 - XII ZR 219/98 - ZIP 2001, 305 zur Ausgliederung nach § 123 Abs. 3 UmwG).
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2. Ob die Klage hinsichtlich des Feststellungsantrages auch begründet ist, kann der Senat nicht abschließend feststellen. Mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung durfte sie jedenfalls nicht abgewiesen werden.
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a) Für das Arbeitsverhältnis der Parteien gilt seit dem 1. August 2006 der TV-Ärzte/VKA kraft mitgliedschaftlicher Tarifgebundenheit der Parteien.
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b) Damit sind für die Eingruppierung der Klägerin folgende Tarifbestimmungen des TV-Ärzte/VKA maßgeblich:
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„§ 15
Allgemeine Eingruppierungsregelungen
(1)
Die Eingruppierung der Ärztinnen und Ärzte richtet sich nach den Tätigkeitsmerkmalen des § 16. Die Ärztin/ Der Arzt erhält Entgelt nach der Entgeltgruppe, in der sie/ er eingruppiert ist.
(2)
Die Ärztin/ Der Arzt ist in der Entgeltgruppe eingruppiert, deren Tätigkeitsmerkmalen die gesamte von ihr/ ihm nicht nur vorübergehend auszuübende Tätigkeit entspricht.
Die gesamte auszuübende Tätigkeit entspricht den Tätigkeitsmerkmalen einer Entgeltgruppe, wenn zeitlich mindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge anfallen, die für sich genommen die Anforderungen eines Tätigkeitsmerkmals oder mehrerer Tätigkeitsmerkmale dieser Entgeltgruppe erfüllen. …
Protokollerklärungen zu § 15 Abs. 2
1.
Arbeitsvorgänge sind Arbeitsleistungen (einschließlich Zusammenhangsarbeiten), die, bezogen auf den Aufgabenkreis der Ärztin/ des Arztes, zu einem bei natürlicher Betrachtung abgrenzbaren Arbeitsergebnis führen (z. B. Erstellung eines EKG). Jeder einzelne Arbeitsvorgang ist als solcher zu bewerten und darf dabei hinsichtlich der Anforderungen zeitlich nicht aufgespalten werden.
...
§ 16
Eingruppierung
Ärztinnen und Ärzte sind wie folgt eingruppiert:
…
c)
Entgeltgruppe III:
Oberärztin/ Oberarzt
Protokollerklärung zu Buchst. c:
Oberärztin/ Oberarzt ist diejenige Ärztin/ derjenige Arzt, der/ dem die medizinische Verantwortung für selbstständige Teil- oder Funktionsbereiche der Klinik bzw. Abteilung vom Arbeitgeber ausdrücklich übertragen worden ist.
...“
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c) Die vom Landesarbeitsgericht für die Klageabweisung angeführte Begründung, der Klägerin sei die medizinische Verantwortung nicht ausdrücklich durch den Arbeitgeber übertragen worden, ist unzutreffend. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts schließt diese tarifliche Anforderung eine rechtsgeschäftliche Vertretung nicht aus.
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aa) Der Senat hat sich in seiner Entscheidung vom 22. September 2010 (- 4 AZR 166/09 -) mit einem in der insoweit tragenden Begründung nahezu identischen Berufungsurteil derselben Kammer des Hessischen Landesarbeitsgerichts ausführlich mit der Sichtweise der Berufungskammer auseinandergesetzt. Die dortigen Ausführungen lassen sich wie folgt zusammenfassen (im Hinblick auf die klagende Partei wird im Folgenden stets die weibliche Form gewählt):
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Grundlage der tariflichen Eingruppierungsbewertung ist nach § 15 Abs. 2 Satz 1 TV-Ärzte/VKA die nicht nur vorübergehend auszuübende Tätigkeit der Ärztin. Nach der Senatsrechtsprechung ist dies die nach dem Inhalt des Arbeitsvertrages der Parteien bestimmte, vertraglich geschuldete Tätigkeit. Die Wirksamkeit einer entsprechenden Vereinbarung richtet sich nach allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen. Insoweit kann sich die Arbeitgeberpartei des Arbeitsvertrages auch vertreten lassen. Soweit sie in Bezug auf den Arbeitsvertragsinhalt nicht selbst handelt, muss sie sich ggf. das Handeln eines Vertreters nach den Grundsätzen der Anscheins- und Duldungsvollmacht zurechnen lassen. Entscheidend ist die von der Ärztin nach der konkreten Gestaltung des Arbeitsverhältnisses auszuübende vertragliche Tätigkeit. Bedient sich der Arbeitgeber bei der Leitung einer Klinik der Dienste einer Chefärztin und überlässt er dieser die nähere Ausgestaltung der Organisation der Klinik und die personelle Zuweisung von Aufgaben, ist der Arbeitgeber an die sich daraus ergebenden Rechtsfolgen gebunden. Die Zuweisung einer Tätigkeit an eine Ärztin, die diese nach einer entsprechenden Aufgabenübertragung längere Zeit ausübt, ist in der Regel arbeitsvertraglich gedeckt, dh. entweder hält sich die Maßnahme im Bereich des bisherigen Direktionsrechts oder sie stellt eine übereinstimmende Änderung des Arbeitsvertrages hinsichtlich der konkreten Arbeitspflicht der Ärztin dar. Jedenfalls handelt es sich dabei in der Regel auch im tariflichen Sinne um die auszuübende Tätigkeit der Ärztin, die sodann nach dem Grundsatz der Tarifautomatik anhand der tariflichen Tätigkeitsmerkmale zu bewerten ist. Der TV-Ärzte/VKA hat mit seiner Anforderung, die medizinische Verantwortung müsse der Ärztin „ausdrücklich durch den Arbeitgeber“ übertragen werden, kein - grundsätzlich auch noch für die Vergangenheit rückwirkendes - „rechtsgeschäftliches Vertretungsverbot“ bestimmt, das die Tarifautomatik außer Kraft setzen würde. Der Arbeitgeber ist an die von seiner Chefärztin vorgenommenen Zuweisungen von Tätigkeiten, die die vertragliche Arbeitspflicht der Arbeitnehmerin betreffen, gebunden als hätte er sie selbst angeordnet (vgl. dazu ausf. BAG 22. September 2010 - 4 AZR 166/09 - Rn. 16 bis 27).
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bb) Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze scheitert der Klageanspruch nicht an der Anforderung einer „ausdrücklichen Übertragung“ durch den Arbeitgeber. Dies hat das Landesarbeitsgericht verkannt.
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Zwar geht es zu Recht davon aus, dass die Erlaubnis, den Titel eines „Oberarztes“ zu tragen, tariflich ohne Bedeutung ist. Das Landesarbeitsgericht hat aber nicht geprüft, ob die von der Klägerin auszuübende Tätigkeit, die nach deren Auffassung ua. die Ausübung einer medizinischen Verantwortung im Sinne von § 16 Buchst. c TV-Ärzte/VKA beinhaltet, dieser in einer der Beklagten zivilrechtlich zuzurechnenden Weise übertragen worden ist. Letztlich lässt es das Landesarbeitsgericht ausreichen, dass die Klägerin nicht vorgetragen hat, dass die „Verantwortungsübertragung“ ausdrücklich durch den Arbeitgeber erfolgt ist. Damit stellt es auf die förmliche Übertragung einer Verantwortung ab, die unabhängig von der arbeitsvertraglich auszuübenden Tätigkeit der Klägerin durch den Arbeitgeber selbst erfolgen muss. Dies entspricht jedoch nicht den tariflichen Bestimmungen, die - wie dargelegt - von einer Bewertung der vertraglich auszuübenden Tätigkeit im Sinne einer Tarifautomatik ausgehen. Hiermit hat sich das Landesarbeitsgericht nicht befasst.
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d) Das Urteil des Landesarbeitsgerichts ist nach § 562 Abs. 1 ZPO aufzuheben und die Sache nach § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen. Dies ist nicht etwa deshalb ausgeschlossen, weil die Klage aus anderen Gründen entscheidungsreif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO). Auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts kann weder beurteilt werden, ob der Klägerin die tariflich zugrunde zu legende Tätigkeit vom Arbeitgeber ausdrücklich übertragen worden ist noch, ob sie in einem selbständigen Teil- oder Funktionsbereich der Klinik tätig ist noch, ob sie für diesen Bereich die medizinische Verantwortung im tariflichen Sinne trägt.
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aa) Es mangelt bereits an einer präzisen Feststellung der tariflich relevanten Tätigkeit der Klägerin. Der Aufgabenbereich ist im Tatbestand des Berufungsurteils lediglich dahingehend beschrieben, dass die Klägerin „als Fachärztin für Hals- , Nasen- und Ohrenheilkunde ... im Bereich Allergologie“ beschäftigt ist. Nach einer Beschreibung der personellen Ausstattung der HNO-Klinik insgesamt wird die Befugnis der Klägerin erwähnt, „fachliche Weisungen zu erteilen“. Unstreitig ist die Wahrnehmung der Aufgabe einer Weiterbildung für Ärzte und Fachärzte im Bereich Allergologie. Welche Tätigkeiten die Klägerin ansonsten präzise zu verrichten hat, mit welchen Befugnissen sie verbunden ist und wie diese Verpflichtung begründet worden ist, ergibt sich aus dem Berufungsurteil selbst nicht. Dass das Landesarbeitsgericht diesem Gesichtspunkt keine Bedeutung zugemessen hat, ist aus seiner Sicht konsequent. Im Allgemeinen dürfte eine solche herausgehobene Tätigkeit nicht eigenmächtig „okkupiert“ worden sein, sondern im Rahmen einer Organisations- oder Personalentscheidung der Klinikleitung erfolgt und dann - möglicherweise auch konkludent - von der Arbeitnehmerin befolgt und damit angenommen worden sein. Der Beklagten ist jedoch Gelegenheit zu geben, evtl. Einwände und atypischen Sachvortrag hiergegen zu erbringen. Dabei wird zu berücksichtigen sein, dass - nach derzeitiger Aktenlage - die Klägerin mit Wissen und Wollen der Beklagten die bisherige Tätigkeit weiter ausübt.
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bb) Das Landesarbeitsgericht hat sodann davon abgesehen, die in § 15 Abs. 2 TV-Ärzte/VKA vorgesehene Bestimmung von Arbeitsvorgängen vorzunehmen. Auch dies wird nachzuholen sein. Für den Fall, dass nicht von einem einheitlichen Arbeitsvorgang auszugehen ist, wofür allerdings die Ausübung einer bestimmten Funktion oder die Übernahme einer Leitungstätigkeit häufig spricht (vgl. zB BAG 5. November 2003 - 4 AZR 632/02 - BAGE 108, 224, 232), sind die jeweiligen Zeitanteile unterschiedlicher Arbeitsvorgänge heranzuziehen.
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cc) Die Klage ist auch nicht deshalb bereits jetzt abweisungsreif, weil sich eine ggf. übertragene medizinische Verantwortung nicht auf einen selbständigen Teil- oder Funktionsbereich der Klinik bezogen hätte. Für eine solche Bewertung bedarf es weiterer Feststellungen des Landesarbeitsgerichts.
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(1) Die Auslegung des Begriffs des selbständigen Teilbereichs ergibt unter besonderer Berücksichtigung des Wortlauts und des tariflichen Gesamtzusammenhangs nach den hierfür heranzuziehenden Kriterien (vgl. dazu nur BAG 26. Januar 2005 - 4 AZR 6/04 - mwN, BAGE 113, 291, 299), dass ein selbständiger Teilbereich einer Klinik oder Abteilung im tariflichen Sinne regelmäßig eine organisatorisch abgrenzbare Einheit innerhalb der übergeordneten Einrichtung einer Klinik oder Abteilung ist, der eine bestimmte Aufgabe mit eigener Zielsetzung sowie eigener medizinischer Verantwortungsstruktur zugewiesen ist und die über eine eigene räumliche, personelle und sachlich-technische Ausstattung verfügt (vgl. hierzu ausführlich BAG 9. Dezember 2009 - 4 AZR 568/08 - Rn. 29, AP TVG § 1 Tarifverträge: Arzt Nr. 9).
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Ein Funktionsbereich liegt nach der Protokollerklärung Nr. 3 des Tarifvertrages zur Änderung und Ergänzung der Anlage 1a zum BAT vom 23. Februar 1972, an den bis zum Inkrafttreten des TV-Ärzte/VKA dessen Tarifvertragsparteien gebunden waren, dann vor, wenn es sich um ein wissenschaftlich anerkanntes Spezialgebiet innerhalb eines Fachgebietes der Medizin handelt. Beispielhaft nennen die Tarifvertragsparteien die Nephrologie, die Handchirurgie, die Neuroradiologie, die Elektroencephalographie und die Herzkatheterisierung. Diese Beispiele können auch bei der Auslegung des TV-Ärzte/VKA herangezogen werden (Placzek/Griebeling MedR 2008, 599, 600; Anton ZTR 2008, 184, 186; für eine entsprechende Vorgehensweise im Bereich des TV-Ärzte/TdL vgl. BAG 9. Dezember 2009 - 4 AZR 495/08 - Rn. 33, AP TVG § 1 Tarifverträge: Arzt Nr. 8).
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(2) Das Landesarbeitsgericht hat insoweit keine hinreichenden tatsächlichen Feststellungen zur abschließenden Bewertung dieser Frage getroffen.
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(a) Ob es sich bei dem Bereich der Allergologie in der HNO-Klinik des Klinikums D um einen selbständigen Teilbereich der Klinik handelt, kann auf der Grundlage der Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht abschließend entschieden werden. Der im Tatbestand des Berufungsurteils enthaltene Hinweis, dass eine feste Zuordnung bestimmter Mitarbeiter zum Arbeitsbereich der Klägerin nicht erfolgt sei, reicht für sich genommen nicht aus, um die Erfüllung der Anforderung des selbständigen Teilbereichs ausschließen zu können. Im Gesamtbereich der HNO-Klinik sind zehn Ärzte, zwei Arzthelferinnen, zwei medizinisch-technische Assistentinnen, zwei Logopädinnen, eine Chefsekretärin, eine Sekretärin, eine Empfangsdame und eine Schreibkraft beschäftigt. Sollte es sich bei der Abteilung Allergologie um einen funktionell und räumlich verselbständigten Bereich der HNO-Klinik handeln, wäre eine personelle Fluktuation im Bereich der Mitarbeiter/innen nicht schädlich, wenn insgesamt ein bestimmter, zahlenmäßig definierter Bestand von Arbeitskräften diesem Bereich zugewiesen ist (zB sog. „Vollbeschäftigungseinheiten“ - VBE), ohne dass eine personelle Konkretisierung zwingend erforderlich wäre.
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Auch der sonstige Parteivortrag erlaubt keine abschließende Beurteilung. Die Klägerin hat vorgetragen, die Allergologie sei eine funktionell und organisatorisch abgrenzbare Einheit in der HNO-Klinik der Beklagten. Sie sei räumlich abgegrenzt in den Räumen der sog. Vestibularisdiagnostik. Sie verfüge über eigene Sprechstunden, eigene Terminsvergabe und eigene Arztbriefe. Die Beklagte hat dagegen die Auffassung vertreten, aus ihren eigenen Personaldispositionslisten ergebe sich die Unterteilung der HNO-Klinik in das HNO-Institut, die HNO-Audiologie, die HNO-Otoneurologie, die HNO-Logopädie, die HNO-Aufnahme und den HNO-Schreibdienst. Die Allergologie werde nirgendwo eigens aufgeführt.
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Der Vortrag der Klägerin ist zwar nicht hinreichend schlüssig, von einem Teilbereich im tariflichen Sinne auszugehen. Er ist jedoch erkennbar vor dem Hintergrund der von den Vorinstanzen für entscheidend gehaltenen und nahezu ausschließlich erörterten Frage der ausdrücklichen Übertragung der Verantwortung erbracht worden. Ferner waren zum Zeitpunkt des Berufungsurteils die Entscheidungen des Senats vom 9. Dezember 2009, in denen die tariflichen Anforderungen des Tätigkeitsmerkmales einer Oberärztin erstmals höchstrichterlich im Einzelnen ausgelegt und detailliert formuliert worden sind (zB - 4 AZR 495/08 - AP TVG § 1 Tarifverträge: Arzt Nr. 8; - 4 AZR 568/08 - AP TVG § 1 Tarifverträge: Arzt Nr. 9; - 4 AZR 687/08 - AP TVG § 1 Tarifverträge: Arzt Nr. 10; - 4 AZR 836/08 - AP TVG § 1 Tarifverträge: Arzt Nr. 5; usw.), noch nicht bekannt. Wäre das Landesarbeitsgericht von diesen Kriterien ausgegangen, hätte es deshalb die Klage wegen des bislang nicht schlüssigen Vortrages der Klägerin gleichwohl nicht ohne vorherigen rechtlichen Hinweis nach § 139 Abs. 2 ZPO abweisen dürfen, ohne deren Recht auf rechtliches Gehör nach Art. 103 GG zu verletzen. Der Vortrag der Beklagten lässt die Annahme eines Teilbereichs im Tarifsinne nicht als ausgeschlossen erscheinen. Die von ihr selbst erstellten Personaldispositionslisten dürften keine hinreichende Organisationsentscheidung darstellen, um eine abschließende Liste der möglichen selbständigen Teilbereiche im tariflichen Sinne zu begründen.
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(b) Auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts kann auch nicht endgültig ausgeschlossen werden, dass die Klägerin einen Funktionsbereich leitet. Da die Frage der Ausfüllung des unbestimmten Rechtsbegriffs des Funktionsbereichs im Sinne der tariflichen Regelung in § 16 Buchst. c TV-Ärzte/VKA anhand einer Einzelfallbetrachtung beantwortet werden muss, und die hierfür heranzuziehenden Elemente vom Landesarbeitsgericht noch nicht abschließend festgestellt worden sind, wird das Landesarbeitsgericht bei der erneuten Verhandlung und Entscheidung ua. Folgendes zu berücksichtigen haben:
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(aa) Ein Funktionsbereich im tariflichen Sinne ist - anders als ein Teilbereich - medizinisch definiert, dh. in ihm ist die Untergliederung eines Fachgebietes der Medizin organisiert, die wissenschaftlich anerkannte Spezialgebiete erfasst. Zur Ermittlung eines verselbständigten Spezialgebietes innerhalb eines Fachgebietes ist auf die Weiterbildungsordnung abzustellen, da es um eine fachliche Zuordnung geht (BAG 7. Juli 2010 - 4 AZR 893/08 - Rn. 28). Insoweit spricht die für die Parteien einschlägige Weiterbildungsordnung der Landesärztekammer Hessen (HessWBO) eher gegen die Annahme, der Bereich der Allergologie - soweit die entsprechende Einheit im Klinikum dem in tatsächlicher Hinsicht entspricht - sei ein selbständiger Funktionsbereich im tariflichen Sinne. Denn sie ist kein Schwerpunkt eines Fachgebietes iSv. Abschnitt B der HessWBO, für das eine auf der Facharztweiterbildung der Hals-Nasen-Ohrenheilkunde aufbauende Spezialisierung möglich ist. Vielmehr gehört die „Erkennung und Behandlung gebietsbezogener allergischer Erkrankungen einschließlich der Notfallbehandlung des anaphylaktischen Schocks“ zum Standard-Weiterbildungsinhalt einer HNO-Fachärztin (vgl. Abschnitt B Nr. 8.1 HessWBO). Die nach Abschnitt C HessWBO mögliche Zusatz-Weiterbildung für Allergologie setzt demgemäß auch lediglich eine nicht fachgebietsbezogene allgemeine Facharztausbildung voraus.
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(bb) Andererseits wird das Landesarbeitsgericht zu berücksichtigen haben, dass die Allergologie nach der Stellungnahme des Gruppenausschusses der VKA für Kranken- und Pflegeanstalten vom 10. Dezember 1979 sowie der 2./80 Mitgliederversammlung der TdL vom 6./7. März 1980 anlässlich einer Erweiterung des Kataloges der Protokollerklärung Nr. 3 als Beispiel für einen Funktionsbereich im tariflichen Sinne genannt worden ist (zit. bei Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese VergO VKA Stand November 2010 Teil II Ärzte, Apotheker Anm. 6 IV A). Dabei ist jedoch zu beachten, dass zu der Protokollerklärung Nr. 3 insoweit ein Unterschied besteht, als diese eine gemeinsame Erklärung beider Tarifvertragsparteien ist, die Stellungnahme der VKA dagegen nur die Sicht einer der beiden Tarifvertragsparteien wiedergibt und überdies den Funktionsbereich der Allergologie nicht dem Fachgebiet Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, sondern dem Fachgebiet Dermatologie und Venerologie zuordnet.
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(cc) Der Katalog der Protokollerklärung Nr. 3 und die entsprechenden Ergänzungen durch die Tarifvertragsparteien auf Arbeitgeberseite können nur dahingehend verstanden werden, dass sie in allgemeiner Form anerkennen, dass innerhalb eines bestimmten Fachgebietes bestimmte Tätigkeiten in einem Spezialgebiet nicht den Normalaufgaben des Facharztes in seinem Fachgebiet zuzuordnen sind, sondern innerhalb dieses Fachgebietes eine so weitgehende Spezialisierung stattgefunden hat, dass bei entsprechender Organisation des Fachgebietes in der Klinik die Tätigkeit in diesem Bereich als Tätigkeit in einem „Funktionsbereich“ tariflich gesondert bewertet werden soll. Dementsprechend sind im Regelfall interdisziplinäre zentrale Dienste nicht als Funktionsbereich angesehen worden; ebenso wenig haben der Gruppenausschuss der VKA bzw. die Mitgliederversammlung der TdL in der Vergangenheit Teilgebiete als Funktionsbereiche angesehen, die in mehreren Fachgebieten auftreten, zB Schmerztherapie - interdisziplinär -, Herzschrittmacherimplantation - Chirurgie, Anästhesie, Inneres -, medizinische Intensivstation - interdisziplinär -, Onkologie - interdisziplinär -, Schwerbrandverletztenbehandlung - Chirurgie, Inneres, Dermatologie - (vgl. im Einzelnen und zu den jeweiligen Daten der Beschlüsse Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese VergO BL Stand November 2010 I Allg. Teil Erl. 41.2 b).
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Es bedarf vor diesem Hintergrund darüber hinaus gegebenenfalls auch einer Überprüfung, ob die seinerzeitige allgemeine Klassifizierung der Allergologie als Funktionsbereich im tariflichen Sinne heute noch dieselbe Bedeutung hat. Denn in dieser Allgemeinheit lässt sich eine Zuordnung zu einem einzigen Fachgebiet (damals: Haut- und Geschlechtskrankheiten) nicht mehr vornehmen. Das zeigt schon die Weiterbildungsordnung, nach der von den 18 Monaten der vorgeschrieben Weiterbildungszeit bis zu 12 Monaten in der Hals-Nasen-Ohrenheilkunde oder der Haut- und Geschlechtskrankheiten oder der Inneren Medizin und Pneumologie oder der Kinder- und Jugendmedizin abgeleistet werden können. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass sich der jeweils aktuelle Stand der Medizin in den Weiterbildungsordnungen zutreffender widerspiegelt und ggf. auch durch Fachliteratur und Sachverständigengutachten zu belegen wäre.
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dd) Zuletzt kann die Klage auch nicht abgewiesen werden, weil der Senat entscheiden könnte, dass der Klägerin jedenfalls keine medizinische Verantwortung übertragen worden sei.
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(1) Aus der Struktur der Regelung in § 16 TV-Ärzte/VKA folgt, dass die der Oberärztin im Tarifsinne obliegende „medizinische“ Verantwortung über die allgemeine „ärztliche“ Verantwortung einer Assistenzärztin und einer Fachärztin deutlich hinausgeht. Dabei wird an die tatsächliche krankenhausinterne Organisations- und Verantwortungsstruktur angeknüpft. Kliniken sind arbeitsteilig organisiert und weisen zahlreiche spezialisierte und fragmentierte Diagnose-, Behandlungs- und Pflegeabläufe mit einer abgestuften Verantwortungsstruktur der handelnden Personen auf (vgl. Genzel/Degener-Hencke in Laufs/Kern Handbuch des Arztrechts 4. Aufl. S. 1067; Deutsch NJW 2000, 1745, 1746). Dem entspricht die tarifliche Einordnung der medizinischen Verantwortung von Oberärztinnen, die in § 16 TV-Ärzte/VKA innerhalb der Struktur der Entgeltgruppen nach „unten“ und nach „oben“ in ein von den Tarifvertragsparteien als angemessen angesehenes Verhältnis gesetzt wird. Von der Übertragung einer medizinischen Verantwortung im Tarifsinne kann demnach nur dann gesprochen werden, wenn sich das Aufsichts- und - eingeschränkte - Weisungsrecht auch auf Fachärztinnen der Entgeltgruppe II TV-Ärzte/VKA erstreckt und andererseits die Verantwortung für den Bereich ungeteilt ist (vgl. dazu ausführlich BAG 9. Dezember 2009 - 4 AZR 836/08 - AP TVG § 1 Tarifverträge: Arzt Nr. 5 zum TV-Ärzte/VKA).
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(2) Dies lässt sich anhand der Feststellungen des Landesarbeitsgerichts für die Klägerin nicht abschließend beantworten.
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(a) Im Tatbestand des Berufungsurteils sind außerhalb der allgemeinen Bezugnahme auf die Schriftsätze der Parteivertreter keine Tatsachen benannt, aus denen sich auf die Beantwortung der Frage der medizinischen Verantwortung der Klägerin Rückschlüsse ziehen ließen.
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(b) Auch der sonstige Akteninhalt ist diesbezüglich nicht abschließend aussagekräftig. Sowohl das Schreiben des Chefarztes der HNO-Klinik an die Landesärztekammer vom 23. Februar 2004, in dem er mitteilt, dass die Klägerin eigenständig und weisungsunabhängig das Allergielabor der HNO-Klinik betreut, als auch dessen Schreiben an die Beklagte vom 2. November 2005, wonach die Klägerin weiterbildungsermächtigt für den Bereich der Allergologie sei; sie betreue diesen Bereich selbständig, haben insoweit lediglich indizielle Wirkung. Die offenbar unstreitige Weiterbildungsermächtigung der Klägerin allein dürfte nicht ausreichen. Sie zeigt aber immerhin eine über den „normalen“ Facharzt hinausgehobene Qualifikation, die sich aber auch im Rahmen der Organisation und Verantwortungsverteilung innerhalb der Klinik niederschlagen und über den bloßen Bereich der Weiterbildung hinaus erstrecken muss.
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Zur regelmäßig notwendigen Unterstellung von Fachärzten gibt es gleichfalls keinen schlüssigen Vortrag der Klägerin. Allerdings hat sie namentlich sieben Ärzte benannt, die in der Zusatz-Weiterbildung Allergologie sind und mithin (mindestens) Fachärzte. Zwei dieser sieben Ärzte werden von der Beklagten sogar als Oberärzte im Tarifsinne vergütet. Inwieweit die Klägerin gegenüber diesen Personen eine organisatorisch abgesicherte Weisungsbefugnis hat, ist nicht geklärt.
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Wenig aussagekräftig ist auch die Zuerkennung der Funktionszulage nach § 51 Abs. 3 TVöD/BT-K durch die Beklagte im Zeitraum der „Anwendung“ des TVöD auf das Arbeitsverhältnis der Parteien vom 1. Oktober 2005 bis zum 31. Juli 2006.
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Nach den oben dargelegten Ausführungen zur Gewährung rechtlichen Gehörs und der Notwendigkeit der Erteilung richterlicher Hinweise nach § 139 Abs. 2 ZPO gerade bei Tarifverträgen mit gänzlich neuen und sehr komplexen Tätigkeitsmerkmalen wird auch insoweit der Klägerin Gelegenheit zu geben sein, ihren Vortrag nach Maßgabe der oa. Ausführungen zu ergänzen.
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3. Auch hinsichtlich des Zahlungsantrages ist die Revision begründet. Mit der vom Landesarbeitsgericht gewählten Begründung durfte die Klage nicht abgewiesen werden. Ob sie im Ergebnis begründet ist, kann der Senat anhand der bisherigen tatsächlichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht entscheiden.
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a) Das Landesarbeitsgericht ist in Übereinstimmung mit den Parteien davon ausgegangen, dass für einen möglichen Zahlungsanspruch der Klägerin folgende Regelung des TVöD/BT-K in der vom 1. Oktober 2005 bis zum 31. Juli 2006 geltenden Fassung maßgebend ist:
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„§ 51
Eingruppierung der Ärztinnen und Ärzte
(1)
…
(3)
Ärztinnen und Ärzte, die aufgrund ausdrücklicher Anordnung innerhalb einer Fachabteilung oder eines Fachbereichs einen selbständigen Funktionsbereich mit mindestens zehn Beschäftigten leiten, erhalten für die Dauer der Anordnung eine Funktionszulage von monatlich 250 €.“
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b) Das Landesarbeitsgericht hat das Vorliegen der tariflichen Voraussetzungen für die Funktionszulage in der Begründung rechtsfehlerhaft verneint.
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aa) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, ein Funktionsbereich im tariflichen Sinne müsse eine gewisse organisatorische Eigenständigkeit aufweisen. Hiervon könne jedenfalls dann nicht mehr ausgegangen werden, wenn ein von der übrigen Organisation unterscheidbarer Mitarbeiterkreis fehle. Eine feste Zuordnung bestimmter Mitarbeiter zum Arbeitsbereich der Klägerin sei jedoch unstreitig nicht erfolgt.
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bb) Mit dieser Begründung kann der Antrag nicht abgewiesen werden. Es ist zutreffend, dass ein Funktionsbereich eine gewisse organisatorische Eigenständigkeit voraussetzt. Diese wird sich neben einer räumlichen und gegenständlichen Abgrenzbarkeit häufig auch durch die Ausstattung des Funktionsbereichs mit einem bestimmten festen Personalstamm zeigen. Zwingend ist dies aber nicht. Denn wie bei einem Teilbereich (vgl. dazu oben B II 2 d cc [2] [a]) kann auch die Eigenständigkeit eines Funktionsbereichs dadurch verdeutlicht werden, dass ein bestimmtes Quantum an - zB nichtärztlichem - Personal ständig in dem und für den Funktionsbereich tätig ist. Dass dieses Personal auch von den jeweils eingesetzten Personen her in der Zeit identisch ist, ist nicht erforderlich. Maßgebend für die Charakterisierung einer Einheit als Funktionsbereich ist die Zuordnung von Arbeitszeiten für die Wahrnehmung und Erfüllung der Funktion des Bereichs. Dies kann ua. auch in einer Organisationsform geschehen, die eine bestimmte Anzahl von sog. Vollbeschäftigungseinheiten für den Bereich vorsieht. Ob diese durch wechselndes Personal oder durch einheitliches Personal abgedeckt wird, ändert am Charakter der Zuweisung zum Funktionsbereich nichts. So ist es denkbar, dass nichtärztliche Mitarbeiter jeweils an bestimmten Tagen die Aufgaben innerhalb des Funktionsbereichs wahrnehmen, an anderen Tagen aber in dem übrigen Bereich der Klinik eingesetzt werden. Die vom Landesarbeitsgericht vorausgesetzte, aber - unstreitig - nicht erfüllte Bedingung der „festen Zuordnung bestimmter Mitarbeiter zum Arbeitsbereich der Klägerin“ ist daher kein notwendiges Merkmal der Erfüllung der tariflichen Voraussetzungen.
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c) Der Senat kann auch nicht aus sonstigen Gründen den Zahlungsantrag abschließend entscheiden. Abgesehen davon, dass es keine Feststellungen des Landesarbeitsgerichts zur Zahl etwaiger der Klägerin unterstellter Mitarbeiter gibt, lässt sich anhand der tatsächlichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts auch nicht beurteilen, ob die Allergologie als ein selbständiger Funktionsbereich iSv. § 51 TVöD/BT-K anzusehen ist.
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aa) Insoweit kann zunächst auf die Ausführungen zum Begriff des Funktionsbereichs nach § 16 Buchst. c TV-Ärzte/VKA verwiesen werden (vgl. oben B II 2 d cc [2] [b]).
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bb) Der Begriff des Funktionsbereichs in § 51 Abs. 3 TVöD/BT-K idF vom 1. Oktober 2005 bis zum 31. Juli 2006 wird über den allgemeinen Begriffsinhalt hinaus von den Tarifvertragsparteien dadurch präzisiert, dass sie sich auf die Protokollerklärung zu § 12.1 TVöD-K (entspricht § 51 TVöD/BT-K) mit folgendem Wortlaut geeinigt haben:
-
„1. …
3.
Funktionsbereiche sind wissenschaftlich anerkannte Spezialgebiete innerhalb eines ärztlichen Fachgebietes, z. B. Nephrologie, Handchirurgie, Neuroradiologie, Elektroencephalographie, Herzkatheterisierung.“
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Damit orientieren sich die Tarifvertragsparteien, die auch schon den BAT miteinander vereinbart hatten, ersichtlich an der Protokollerklärung Nr. 3 zur VergO BAT/VKA. Es ist deshalb von einem vergleichbaren Verständnis auszugehen.
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cc) Das Landesarbeitsgericht wird jedoch - wie bei der Frage der Ausfüllung des unbestimmten Rechtsbegriffs des Funktionsbereichs iSv. § 16 Buchst. c TV-Ärzte/VKA - insoweit als Besonderheit zu beachten haben, dass die Tarifvertragsparteien des TVöD mit Wirkung ab 1. August 2006 eine vom bisherigen Wortlaut der Beispielsfälle in Nr. 3 der Protokollerklärung zu § 12.1 TVöD-K abweichende Protokollerklärung vereinbart haben. Diese hat seitdem folgenden Wortlaut:
-
„Funktionsbereiche sind wissenschaftlich anerkannte Spezialgebiete innerhalb eines ärztlichen Fachgebietes, z. B. Kardiologie, Unfallchirurgie, Neuroradiologie, Intensivmedizin, oder sonstige vom Arbeitgeber ausdrücklich definierte Funktionsbereiche“.
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Dass diese Protokollerklärung erst für den Zeitraum ab dem 1. August 2006 vereinbart worden ist, hat für die Einbeziehung in die Auslegung des Begriffs des Funktionsbereichs in § 51 TVöD/BT-K keine unmittelbare Bedeutung, da es sich nicht um eine normative Regelung handelt, sondern um einen Beispielskatalog zur Erläuterung des nach wie vor gebrauchten Begriffs des Funktionsbereichs iSd. § 51 TVöD/BT-K. Jedenfalls mit der Nennung von deutlich abweichenden Beispielen wird ersichtlich der medizinischen Entwicklung Rechnung getragen, die sich seit der erstmaligen Formulierung des vorher vereinbarten Beispielskatalogs im Jahre 1972 vollzogen hat.
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4. Sodann hat das Landesarbeitsgericht in den Blick zu nehmen, dass im Hinblick auf die zwischenzeitlich erfolgte partielle Gesamtrechtsnachfolge möglicherweise ergänzender Vortrag erbracht und sachdienliche Anträge gestellt werden.
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Bepler
Winter
Creutzfeldt
Pfeil
Bredendiek
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