Urteil vom Bundesarbeitsgericht (4. Senat) - 4 AZR 247/09
Tenor
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Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 22. Januar 2009 - 5 Sa 985/08 E - aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
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Die Parteien streiten über die Eingruppierung des Klägers in der Entgeltgruppe III (Oberärztin/Oberarzt) des Tarifvertrages für Ärztinnen und Ärzte an kommunalen Krankenhäusern im Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände vom 17. August 2006 (TV-Ärzte/VKA).
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Der Kläger ist Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin und verfügt über eine Weiterbildung im Bereich Neonatologie. Die Beklagte ist Mitglied des kommunalen Arbeitgeberverbandes (KAV) und beschäftigt den Kläger seit dem 1. Januar 1991 auf der Grundlage eines Arbeitsvertrages vom 30. Oktober 1990. Dieser kam nach einer Bewerbung des Klägers auf eine im Ärzteblatt ausgeschriebenen Stelle einer/s „Oberärztin/Oberarzt“ zustande.
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Im Arbeitsvertrag der Parteien ist ua. vereinbart, dass sich das Arbeitsverhältnis nach dem BAT und den ihn ergänzenden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Arbeitgeber jeweils geltenden Fassung richtet und dass außerdem die für den Arbeitgeber jeweils geltenden sonstigen Tarifverträge Anwendung finden.
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Die Klinik besteht aus drei Stationen, die je nach dem Alter der zu behandelnden Kinder, nicht jedoch nach Krankheitsbildern unterteilt sind. Der Kläger ist überwiegend in der Station für früh- und neugeborene Kinder tätig. Sie ist im Erdgeschoss der Klinik untergebracht und besteht aus sieben Betten. Vier Betten davon sind in einem Zimmer untergebracht und mit Beatmungsmöglichkeiten als Intensivtherapieplätze nutzbar. Die gesamte Station wird einheitlich von eigenen Stationspflegekräften versorgt. Es gibt seit 2006 einen nur für diese Station eingerichteten assistenzärztlichen Dienst.
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Aufgrund eines Schreibens der Beklagten vom 31. März 1992 ist der Kläger rückwirkend zum 1. Januar 1992 als „1. Oberarzt und Abwesenheitsvertreter des Leitenden Arztes der Kinderklinik eingesetzt“ worden. Nach dem Ausscheiden des Leitenden Arztes zum 31. Dezember 2004 war der Kläger bis zum Dienstantritt des Nachfolgers am 1. September 2005 kommissarisch mit der Leitung der Klinik beauftragt.
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Seit dem Inkrafttreten des TV-Ärzte/VKA wird der Kläger entsprechend der Entgeltgruppe II Stufe 5 TV-Ärzte/VKA als Facharzt vergütet. Mit Schreiben vom 26. März 2007 machte der Kläger vergeblich die Eingruppierung als Oberarzt in der Entgeltgruppe III TV-Ärzte/VKA geltend.
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Der Kläger hat zuletzt die Auffassung vertreten, ihm sei die medizinische Verantwortung für die Früh- und Neugeborenenstation K 1 übertragen worden. Diese sei ein selbständiger Funktionsbereich der Klinik im tariflichen Sinne. Er sei nicht nur dem nichtärztlichen Personal, sondern auch den beiden anderen Oberärzten sowie mehreren Assistenzärzten gegenüber weisungsbefugt.
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Der Kläger hat, soweit für die Revision noch von Interesse, beantragt
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festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger seit dem 1. Oktober 2006 Vergütung nach der Entgeltgruppe 3 des Tarifvertrages für Ärztinnen und Ärzte an kommunalen Krankenhäusern (TV-Ärzte/VKA) vom 17. August 2006 zu zahlen.
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Die Beklagte hat ihren Klageabweisungsantrag damit begründet, dass der Kläger in der Entgeltgruppe II TV-Ärzte/VKA zutreffend eingruppiert sei. Bei der Früh- und Neugeborenenstation handele es sich zwar um einen Funktionsbereich, dieser sei jedoch nicht als selbständig im tariflichen Sinne anzusehen. Die medizinische Verantwortung hierfür trage allein der Leitende Arzt; die dem Kläger zugewiesene bloße Vorgesetztenfunktion erfülle dieses Tarifmerkmal nicht. Mit seiner Leitungsfunktion sei die Verantwortung für fremdes fachärztliches Tun nicht verbunden. Dementsprechend sei die Übertragung auch nicht ausdrücklich erfolgt.
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Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die hiergegen eingelegte Berufung hat das Landesarbeitsgericht der Klage im jetzt noch streitigen Umfang stattgegeben und die Revision gegen sein Urteil zugelassen. Mit ihrer Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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Die Revision ist begründet. Mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung kann der Klage nicht stattgegeben werden. Ob der Kläger als Oberarzt iSv. Entgeltgruppe III § 16 TV-Ärzte/VKA eingruppiert ist, kann der Senat mangels hinreichender tatsächlicher Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht entscheiden.
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I. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage für begründet erachtet, weil die tariflichen Anforderungen des Tätigkeitsmerkmales eines Oberarztes nach § 16 TV-Ärzte/VKA erfüllt seien. Die Tätigkeit des Klägers in der Früh- und Neugeborenenstation der Klinik, die er zu mehr als 50 Prozent seiner gesamten Arbeitszeit ausübe, sei als ein einziger Arbeitsvorgang zu werten. Die Station sei ein selbständiger Funktionsbereich im tariflichen Sinne, da es sich um eine Einheit handele, die ein wissenschaftlich anerkanntes Spezialgebiet innerhalb eines Fachgebiets betreffe. Die Station sei auch hinreichend organisatorisch verselbständigt, da sie fachlich, räumlich und personell abgrenzbar sei. Für diesen Bereich sei dem Kläger die medizinische Verantwortung übertragen worden. Er sei - vom Chefarzt abgesehen - der medizinische Leiter der Station und anderen Assistenz-, Fach- und Oberärzten gegenüber weisungsberechtigt. Diese Verantwortung sei ihm mit Schreiben vom 31. März 1992 auch ausdrücklich übertragen worden.
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II. Die Revision ist begründet. Zwar geht das Urteil des Landesarbeitsgerichts weitgehend von zutreffenden Annahmen aus und kommt zu zutreffenden Schlüssen. Hinsichtlich der Frage der medizinischen Verantwortung des Klägers für die Früh- und Neugeborenenstation tragen die tatsächlichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts das Ergebnis jedoch nicht. Auf dieser Grundlage lässt sich auch durch den Senat nicht abschließend bewerten, ob der Kläger diese tarifliche Anforderung erfüllt.
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1. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet der TV-Ärzte/VKA nach übereinstimmender Auffassung der Parteien und der Vorinstanzen Anwendung. Damit sind für die Eingruppierung des Klägers folgende Tarifbestimmungen des TV-Ärzte/VKA maßgeblich:
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„§ 15 Allgemeine Eingruppierungsregelungen
(1) Die Eingruppierung der Ärztinnen und Ärzte richtet sich nach den Tätigkeitsmerkmalen des § 16. Die Ärztin/Der Arzt erhält Entgelt nach der Entgeltgruppe, in der sie/er eingruppiert ist.
(2) Die Ärztin/Der Arzt ist in der Entgeltgruppe eingruppiert, deren Tätigkeitsmerkmale die gesamte von ihr/ihm nicht nur vorübergehend auszuübende Tätigkeit entspricht.
Die gesamte auszuübende Tätigkeit entspricht den Tätigkeitsmerkmalen einer Entgeltgruppe, wenn zeitlich mindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge anfallen, die für sich genommen die Anforderungen eines Tätigkeitsmerkmals oder mehrerer Tätigkeitsmerkmale dieser Entgeltgruppe erfüllen.
Protokollerklärung zu § 15 Abs. 2
1. Arbeitsvorgänge sind Arbeitsleistungen (einschließlich Zusammenhangsarbeiten), die, bezogen auf den Aufgabenkreis der Ärztin/des Arztes, zu einem bei natürlicher Betrachtung abgrenzbaren Arbeitsergebnis führen (z.B. Erstellung eines EKG). Jeder einzelne Arbeitsvorgang ist als solcher zu bewerten und darf dabei hinsichtlich der Anforderungen zeitlich nicht aufgespalten werden.
...
§ 16 Eingruppierung
Ärztinnen und Ärzte sind wie folgt eingruppiert:
…
c)
Entgeltgruppe III:
Oberärztin/Oberarzt
Protokollerklärung zu Buchst. c:
Oberärztin/Oberarzt ist diejenige Ärztin/derjenige Arzt, der/dem die medizinische Verantwortung für selbstständige Teil- oder Funktionsbereiche der Klinik bzw. Abteilung vom Arbeitgeber ausdrücklich übertragen worden ist.
...“
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Ferner hat die Niederschriftserklärung der Tarifvertragsparteien zu § 6 Abs. 2 des Tarifvertrages zur Überleitung der Ärztinnen und Ärzte an kommunalen Krankenhäusern in den TV-Ärzte/VKA und zur Regelung des Übergangsrechts (TVÜ-Ärzte/VKA) folgenden Wortlaut:
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„Die Tarifvertragsparteien gehen davon aus, dass Ärzte, die am 31. Juli 2006 die Bezeichnung „Oberärztin/Oberarzt“ führen, ohne die Voraussetzungen für eine Eingruppierung als Oberärztin/Oberarzt nach § 16 TV-Ärzte/VKA zu erfüllen, die Berechtigung zur Führung der bisherigen Bezeichnung nicht verlieren. Eine Eingruppierung in die Entgeltgruppe III ist hiermit nicht verbunden.“
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2. Ob der Kläger nach Maßgabe der vorstehenden Bestimmungen als Oberarzt eingruppiert ist oder nicht, lässt sich durch den Senat nicht abschließend beurteilen.
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a) Das Landesarbeitsgericht ist zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass die für die Eingruppierung maßgebende Tätigkeit des Klägers seine Beschäftigung in der Früh- und Neugeborenenstation der Klinik ist und dass es sich dabei um einen einheitlichen Arbeitsvorgang im tariflichen Sinne handelt. Ausweislich der tatsächlichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts ist der Kläger dort mit mehr als 50 Prozent seiner Arbeitszeit tätig. Insofern ist das einheitliche Arbeitsergebnis der ärztlichen Tätigkeit in dieser Station die ärztliche und pflegerische Versorgung der Patienten, die nach tatsächlichen Gesichtspunkten auch nicht weiter aufteilbar ist (BAG 14. August 1991 - 4 AZR 25/91 - AP BAT 1975 §§ 22, 23 Nr. 159; 10. Dezember 1997 - 4 AZR 39/96 - AP BAT 1975 §§ 22, 23 Nr. 238). Hiergegen wendet sich die Revision auch nicht.
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b) Das Landesarbeitsgericht ist ferner zutreffend davon ausgegangen, dass die Früh- und Neugeborenenstation ein selbständiger Funktionsbereich im tariflichen Sinne ist.
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aa) Es handelt sich um einen Funktionsbereich.
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(1) Der Begriff des Funktionsbereichs ist dabei von den Tarifvertragsparteien in dem Sinne gebraucht worden, in dem er auch schon früher von ihnen als Tarifvertragsparteien des BAT gebraucht worden ist. Danach sind Funktionsbereiche medizinisch definiert, dh. sie sind Untergliederungen eines Fachgebiets der Medizin, die wissenschaftlich anerkannte Spezialgebiete erfassen. Als Beispiele für Funktionsbereiche haben die Tarifvertragsparteien in ihrer Protokollerklärung Nr. 3 des Tarifvertrages zur Änderung und Ergänzung der Anlage 1a zum BAT vom 20. Februar 1972 ua. die Handchirurgie, die Neuroradiologie, die Elektroencephalographie und die Herzkatheterisierung benannt (BAG 9. Dezember 2009 - 4 AZR 495/08 - Rn. 33, AP TVG § 1 Tarifverträge: Arzt Nr. 8; 7. Juli 2010 - 4 AZR 863/08 - Rn. 42, ZTR 2011, 27).
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(2) Die Früh- und Neugeborenenstation der Klinik ist ein Bereich, in dem es um die Erkennung, Überwachung und Behandlung der postnatalen Adaption und Unreife bei Früh- und Neugeborenen geht. Dies hat die Beklagte selbst in der Berufungserwiderung vorgetragen und dabei ausdrücklich eingeräumt, dass damit die Anforderungen eines Funktionsbereichs im tariflichen Sinne erfüllt sind. Diese Merkmale entsprechen dem Weiterbildungsinhalt nach der Muster-Weiterbildungsordnung der Bundesärztekammer für den Schwerpunkt Neonatologie im Fachgebiet Kinder- und Jugendmedizin.
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bb) Das Landesarbeitsgericht hat auch zu Recht angenommen, dass dieser Funktionsbereich selbständig im tariflichen Sinne ist. Sie ist räumlich selbständig im Erdgeschoss der Klinik untergebracht und verfügt seit 2006 über einen eigenen assistenzärztlichen Dienst. Das dort eingesetzte Pflegepersonal ist ausschließlich für diese Station zuständig. Sie wird ferner als eigene Kostenstelle in der Verwaltung geführt. Die Revision greift das Berufungsurteil auch insoweit nicht an.
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c) Das Landesarbeitsgericht ist im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, dass dem Kläger die medizinische Verantwortung ausdrücklich übertragen wurde. Dabei kann zugunsten der Beklagten unterstellt werden, dass mit der Übertragung der Stellung eines „1. Oberarztes“ im Jahre 1992 die tarifliche Anforderung nicht erfüllt ist. Es steht jedoch fest, dass der Kläger die von ihm auszuübende Tätigkeit mit Wissen und Wollen der Beklagten ausübt und lediglich hinsichtlich der tariflichen Bewertung unterschiedliche Ansichten bestehen. Die Beklagte bestreitet nicht, dass die Tätigkeit des Klägers in der Früh- und Neugeborenenstation den auch von ihr gewollten arbeitsvertraglichen Verpflichtungen des Klägers entspricht. Sie bewertet diese Tätigkeit lediglich nicht als Ausübung der medizinischen Verantwortung im tariflichen Sinne und bestreitet von daher, dem Kläger eine medizinische Verantwortung ausdrücklich übertragen zu haben. Ob der Kläger bei der unstreitig von ihm vertraglich auszuübenden Tätigkeit auch eine medizinische Verantwortung im tariflichen Sinne trägt, ist jedoch allein eine Frage der tariflichen Bewertung dieser Tätigkeit, nicht eine Frage der ausdrücklichen Übertragung.
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d) Nicht hinreichend durch tatsächliche Feststellungen ist aber die Annahme des Landesarbeitsgerichts untersetzt, der Kläger trage für diesen selbständigen Funktionsbereich die medizinische Verantwortung.
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aa) Das Landesarbeitsgericht hat die Auffassung der Beklagten zu Recht zurückgewiesen, die Letztverantwortung des Chefarztes schließe die medizinische Verantwortung des Klägers für die Früh- und Neugeborenenstation aus. Es ist sodann davon ausgegangen, dass sich die medizinische Verantwortung des Klägers daraus ergebe, dass er medizinischer Leiter der Station sei und über eine Weisungsbefugnis gegenüber „anderen Assistenz-, Fach- und Oberärzten“ verfüge.
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bb) Diese Wertung ist jedoch unter Berücksichtigung der Auslegung des Begriffs der medizinischen Verantwortung durch den Senat nicht durch die tatsächlichen Feststellungen getragen.
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(1) Aus der Struktur der Regelung in § 16 TV-Ärzte/VKA folgt, dass die den Oberärzten im Tarifsinne obliegende „medizinische“ Verantwortung über die allgemeine „ärztliche“ Verantwortung eines Assistenzarztes und eines Facharztes deutlich hinausgeht. Dabei wird an die tatsächliche krankenhausinterne Organisations- und Verantwortungsstruktur angeknüpft. Kliniken sind arbeitsteilig organisiert und weisen zahlreiche spezialisierte und fragmentierte Diagnose-, Behandlungs- und Pflegeabläufe mit einer abgestuften Verantwortungsstruktur der handelnden Personen auf. Dem entspricht die tarifliche Einordnung der medizinischen Verantwortung von Oberärzten, die in § 16 TV-Ärzte/VKA innerhalb der Struktur der Entgeltgruppen nach „unten“ und nach „oben“ in ein von den Tarifvertragsparteien als angemessen angesehenes Verhältnis gesetzt wird. Von der Übertragung einer medizinischen Verantwortung im Tarifsinne kann demnach nur dann gesprochen werden, wenn sich das Aufsichts- und - eingeschränkte - Weisungsrecht auch auf Fachärzte der Entgeltgruppe II TV-Ärzte/VKA erstreckt und andererseits die Verantwortung für den Bereich ungeteilt ist (vgl. dazu ausführlich BAG 9. Dezember 2009 - 4 AZR 836/08 - Rn. 24 ff., AP TVG § 1 Tarifverträge: Arzt Nr. 5).
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(2) Ob die so beschriebene tarifliche Anforderung der medizinischen Verantwortung im zu entscheidenden Fall erfüllt ist, lässt sich nicht abschließend beantworten.
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(a) Das Landesarbeitsgericht hat insofern ausgeführt, dass der Kläger medizinischer Leiter der Station ist und über eine Weisungsbefugnis gegenüber „anderen Assistenz-, Fach- und Oberärzten“ verfügt. Bereits aus dem Wortlaut ergibt sich, dass das Landesarbeitsgericht diese auf den ersten Blick als Tatsachenfeststellung erscheinende Formulierung in den Entscheidungsgründen ganz pauschal und ohne Bezug zu jeglichem Tatsachenvortrag der Parteien gewählt hat. Dem entspricht, dass es im Tatbestand des Berufungsurteils - insoweit differenzierter - wörtlich heißt:
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„In Bezug auf die ihm übertragenen Aufgaben hat er die Weisungsbefugnis über ärztliches und nichtärztliches Personal. Er gibt den anderen Ärzten Anleitung für Intensivbehandlungen, zeigt spezielle Techniken und überwacht Beatmungsänderungen. Er wird während seines Hintergrunddienstes von Assistenzärzten und Oberarztkollegen um Rat gefragt und weist diese an. Er ist weisungsbefugt gegenüber den beiden anderen Oberärzten sowie diversen Assistenzärzten. Lediglich dem Chefarzt gegenüber ist er untergeordnet.“
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Die Erfüllung der vom Senat im Wege der Auslegung gewonnenen Anforderung der Unterstellung eines Facharztes iSv. Entgeltgruppe II TV-Ärzte/VKA ist hieraus nicht zu entnehmen. Weder aus dem Tatbestand des Berufungsurteils noch aus dem Parteivortrag ergibt sich, welche anderen „Oberärzte“, ggf. mit welchen Zeitanteilen, auch in der Früh- und Neugeborenenstation tätig sind. Es kann sich dabei grundsätzlich nicht um einen Oberarzt iSv. Entgeltgruppe III TV-Ärzte/VKA handeln, da insofern für jeden Teil- oder Funktionsbereich nur ein Oberarzt die ungeteilte medizinische Verantwortung trägt. Ob es bei den beiden „Oberarztkollegen“ um Ärzte geht, die vor Inkrafttreten des TV-Ärzte/VKA den Status eines Oberarztes verliehen bekommen haben und weiter so zu bezeichnen sind, auch wenn sie die Anforderungen des entsprechenden Tätigkeitsmerkmales des TV-Ärzte/VKA nicht erfüllen (vgl. dazu die Niederschriftserklärung der Tarifvertragsparteien zu § 6 Abs. 2 TVÜ-Ärzte/VKA), ob diese „Oberarztkollegen“ (mindestens) Fachärzte sind und ob sie überhaupt auf der Früh- und Neugeborenenstation der Klinik arbeiten, ist nicht festgestellt.
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(b) Das Landesarbeitsgericht ist damit bei der in den Entscheidungsgründen erhobenen Behauptung, der Kläger sei „anderen Assistenz-, Fach- und Oberärzten“ gegenüber weisungsbefugt, nicht von dem tariflichen Verständnis der Weisungsbefugnis im Sinne der hierarchischen Bestimmung der Differenz zwischen tariflichem Oberarzt und tariflichem Facharzt durch den Senat ausgegangen. Um die Erfüllung der diesbezüglichen Anforderung des Tätigkeitsmerkmales des Oberarztes annehmen zu können, bedarf es daher der genauen Feststellung, welchem allein (oder überwiegend) in der Früh- und Neugeborenenstation der Klinik tätigen Facharzt gegenüber der Kläger weisungsbefugt ist. Dies wird das Landesarbeitsgericht nachzuholen haben.
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cc) Die Klage kann auf der anderen Seite nicht deshalb durch den Senat abgewiesen werden, weil der Tatsachenvortrag des Klägers insofern nicht ausreichend ist. Ihm ist unter dem Gesichtspunkt der Gewährung rechtlichen Gehörs Gelegenheit zu geben, beim Landesarbeitsgericht die Anforderungen der Rechtsprechung an den schlüssigen Vortrag in einem Eingruppierungsprozess zu erfüllen, nachdem die maßgebenden Kriterien erst nach Abschluss der Berufungsinstanz mit der Entscheidungsserie des Senats vom 9. Dezember 2009 feststehen. Tatsachen, die es bereits jetzt ausschließen würden, die medizinische Verantwortung des Klägers für einen Teil- oder Funktionsbereich anzunehmen, liegen nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hier nicht vor.
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Bepler
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