Urteil vom Bundesarbeitsgericht (5. Senat) - 5 AZR 265/10
Tenor
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1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 19. Februar 2010 - 6 Sa 251/09 - wird zurückgewiesen.
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2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
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Die Parteien streiten über einen tariflichen Einmalbetrag.
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Der Kläger ist bei der Beklagten als Maschinenbediener tätig. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden die Tarifverträge der Textil- und Bekleidungsindustrie aufgrund beiderseitiger Tarifgebundenheit Anwendung.
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In der Tarifrunde 2008 wurden durch Tarifvereinbarung vom 11. März 2008 die Löhne, Gehälter und Ausbildungsvergütungen ab 1. Juni 2008 um 3,6 % erhöht. § 3 des ebenfalls am 11. März 2008 abgeschlossenen Tarifvertrags zur Förderung der Beschäftigung und Wettbewerbsfähigkeit der Deutschen Textil- und Bekleidungsindustrie (im Folgenden: TV 2008) lautet ua.:
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„1.
Die Beschäftigten erhalten einen Einmalbetrag in Höhe von 200 Euro. Auszubildende erhalten den Einmalbetrag in Höhe von 100 Euro.
Beginnt oder endet das Arbeits- bzw. Ausbildungsverhältnis in der Zeit vom 1. April 2008 bis 31. Mai 2008, ..., so besteht der Anspruch ab bzw. bis zum Anfang bzw. Ende dieses Zeitraums zeitanteilig.
Dieser Bruttobetrag wird mit der Vergütung des Monats April 2008, …, bei späterem Eintritt mit der Vergütung für den Monat Mai, ..., ausgezahlt.
…
2.
Teilzeitbeschäftigte haben einen Anspruch im Verhältnis ihrer vertraglichen Arbeitszeit zur tariflichen Arbeitszeit.
3.
Der Einmalbetrag wird bei der Bemessung sonstiger Leistungen nicht berücksichtigt.
4.
Arbeitgeber und Betriebsrat können aus wirtschaftlichen Gründen durch freiwillige Betriebsvereinbarungen die Kürzung oder den Wegfall des Einmalbetrags vereinbaren. Hiervon ausgenommen ist der Einmalbetrag für Auszubildende. Voraussetzung ist, dass für die Zeit der Absenkung oder des Wegfalls eine Beschäftigungszusage gegeben werden muss.“
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Seit dem 18. März 2008 bezog der Kläger Krankengeld. Die Beklagte zahlte ihm den Einmalbetrag nicht.
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Der Kläger hat die Auffassung vertreten, ihm stehe der Einmalbetrag als tarifliche Sondervergütung, die unabhängig davon zu gewähren sei, ob der Arbeitgeber im Zeitpunkt der Fälligkeit Arbeitsentgelt schulde, zu.
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Der Kläger hat beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an ihn 200,00 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11. August 2008 zu zahlen.
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Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Bei der tariflichen Einmalzahlung handele es sich um eine pauschalierte Entgelterhöhung.
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Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Zahlungsbegehren weiter.
Entscheidungsgründe
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Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers gegen das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts zu Recht zurückgewiesen.
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I. Der Kläger hat keinen Anspruch auf den geltend gemachten Einmalbetrag, denn sein Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall bestand nur bis zum Ablauf von sechs Wochen, § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG. Im April und Mai 2008 stand ihm kein Arbeitsentgelt zu. Bei dem Einmalbetrag gemäß § 3 TV 2008 handelt es sich um eine pauschale Erhöhung des Arbeitsentgelts für April und Mai 2008 und nicht um eine Sonderzahlung, die allein aufgrund der rechtlichen Zugehörigkeit des Arbeitnehmers zum Betrieb des Arbeitgebers beansprucht werden könnte. Das hat das Landesarbeitsgericht aus den maßgeblichen Tarifvorschriften zutreffend hergeleitet.
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1. Der Wortlaut der Tarifnorm lässt keinen Rückschluss auf den Charakter der Leistung zu. Die Begriffe „Einmalbetrag“ und „Einmalzahlung“ sind sowohl als Ausdruck für eine pauschale Entgelterhöhung als auch zur Kennzeichnung einer von der Gegenleistung des Arbeitnehmers unabhängigen Sonderzahlung (Gratifikation im engeren Sinn) gebräuchlich. Auch als Gegenleistung kann eine Zahlung pauschal und für mehrere Lohnzahlungsperioden vorgesehen sein. Welche Art der Vergütung vorliegt, muss durch Auslegung des Tarifvertrags ermittelt werden (BAG 27. August 2008 - 5 AZR 820/07 - Rn. 15 mwN, BAGE 127, 319).
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2. Der tarifliche Gesamtzusammenhang belegt den Zweck einer pauschalierten Entgelterhöhung für April und Mai 2008.
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a) Das Fehlen eines ausdrücklichen Hinweises in § 3 TV 2008 auf den Zusammenhang mit der zeitlich anschließenden linearen Entgelterhöhung ist unerheblich. Aus § 3 Nr. 1 Unterabs. 2 TV 2008, wonach der Einmalbetrag anteilig gezahlt wird, wenn das Arbeits- bzw. Ausbildungsverhältnis in der Zeit vom 1. April 2008 bis zum 31. Mai 2008 beginnt oder endet, sowie § 3 Nr. 2 TV 2008, wonach Teilzeitbeschäftigte lediglich einen Anspruch im Verhältnis ihrer vertraglichen Arbeitszeit zur tariflichen Arbeitszeit haben, folgt, dass mit der Leistung die im April und Mai 2008 geleistete Arbeit zusätzlich vergütet werden soll. § 3 Nr. 1 Unterabs. 2 TV 2008 ermöglicht hierbei eine genaue Zuordnung zu den Lohnperioden April und Mai 2008. Demgegenüber regelt § 3 Nr. 1 Unterabs. 3 TV 2008 nur die Fälligkeit des Einmalbetrags.
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b) Der Zweck der Leistung ergibt sich weiter aus dem Regelungsanlass und dem tariflichen Gesamtzusammenhang, insbesondere aus dem Inhalt des Tarifabschlusses 2008. Die Industriegewerkschaft Metall hatte mit Schreiben vom 12. Dezember 2007 die gültigen Lohn- und Gehaltstarifverträge zum 29. Februar 2008 gekündigt und eine Forderung nach einer Erhöhung der Löhne, Gehälter und Ausbildungsvergütungen um 5,5 % ab dem 1. März 2008 gestellt. Die anschließende Tarifrunde führte sodann zu dem Verhandlungsergebnis vom 11. März 2008. Darin vereinbarten die Tarifvertragsparteien unter II. eine Erhöhung der Löhne, Gehälter und Ausbildungsvergütungen erst ab dem 1. Juni 2008 um 3,6 %. Unter I. des Verhandlungsergebnisses vereinbarten sie die Zahlung des Einmalbetrags. Dieser zeitliche und inhaltliche Zusammenhang verdeutlicht, dass der Einmalbetrag die Übergangszeit ab dem 1. März 2008 bis zum Wirksamwerden der 3,6%igen Lohnerhöhung ab dem 1. Juni 2008 überbrücken sollte. Dem steht nicht entgegen, dass - entsprechend der Regelung in § 3 Nr. 1 Unterabs. 2 TV 2008 - der März 2008 als sog. Nullmonat keine Berücksichtigung fand. Eine Geldleistung wirkt auch dann als Überbrückungszahlung, wenn sie nicht den ganzen zu überbrückenden Zeitraum abdeckt.
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Die Regelung des Einmalbetrags innerhalb des Tarifvertrags zur Förderung der Beschäftigung und Wettbewerbsfähigkeit der Deutschen Textil- und Bekleidungsindustrie anstatt der sonst üblichen Regelung in Einkommenstarifverträgen steht der Charakterisierung als pauschale Entgelterhöhung nicht entgegen. Dieser Regelungszusammenhang ist historisch und durch den 2005 vereinbarten Verzicht auf lineare Entgelterhöhungen angesichts der damaligen schwierigen wirtschaftlichen Situation in der Textilindustrie zu erklären.
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c) Die Festsetzung eines einheitlichen Betrags für alle Arbeitnehmer ungeachtet der individuellen Lohn- oder Gehaltsgruppe widerspricht nicht dem gegenleistungsbezogenen Vergütungscharakter des Einmalbetrags. Die Bewertung der Angemessenheit einer Entgelterhöhung auch im Hinblick auf die Entgeltdifferenzierung zwischen verschiedenen Arbeitnehmergruppen ist grundsätzlich den Tarifvertragsparteien vorbehalten. Der Tarifvertrag darf deshalb einen für alle Arbeitnehmer einheitlichen Erhöhungsbetrag auch bei unterschiedlicher Wertigkeit der Arbeit festsetzen (BAG 4. Juli 2007 - 4 AZR 549/06 - Rn. 22, NZA-RR 2008, 149; 1. März 2006 - 5 AZR 540/05 - Rn. 23, AP TVG § 4 Übertariflicher Lohn und Tariflohnerhöhung Nr. 40 = EzA TVG § 4 Tariflohnerhöhung Nr. 47).
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d) Die Regelung in § 3 Nr. 3 TV 2008, wonach der Einmalbetrag bei der Bemessung sonstiger Leistungen nicht berücksichtigt wird, bestätigt dessen Entgeltcharakter, weil es andernfalls keiner Herausnahme bei der Bemessung sonstiger Entgeltleistungen bedurft hätte.
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e) Aus dem Umstand, dass § 3 Nr. 4 TV 2008 den Betriebsparteien aus wirtschaftlichen Gründen bestimmte Regelungsspielräume eröffnet, lässt sich für die Frage der Rechtsnatur der Leistung nichts herleiten. Der Pauschalbetrag bleibt auch bei seinem Wegfall und seiner Reduzierung Tarifentgelt (vgl. BAG 27. August 2008 - 5 AZR 820/07 - Rn. 17, BAGE 127, 319).
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f) Die Verfahrensrüge des Klägers ist unbegründet. Eine Beweisaufnahme zur Entstehungsgeschichte der Tarifnorm war nicht erforderlich. Bleiben nach der Auslegung einer Tarifnorm nach Wortlaut, Wortsinn und tariflichem Gesamtzusammenhang Zweifel an deren Inhalt und dem wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien, so kann zwar auf die - im Bestreitensfall festzustellende - Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags zurückgegriffen werden (BAG 19. November 2008 - 10 AZR 658/07 - Rn. 17, AP BMT-G II § 67 Nr. 4). Die Auslegung von § 3 TV 2008 war und ist jedoch nicht zweifelhaft.
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II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
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Müller-Glöge
Laux
Biebl
Zorn
Bürger
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Referenzen
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