Urteil vom Bundesarbeitsgericht (1. Senat) - 1 AZR 433/10

Tenor

1. Die Revision des beklagten Landes gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 29. April 2010 - 11 Sa 1464/09 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Tenor wie folgt lautet:

Es wird festgestellt, dass der Kläger nicht verpflichtet ist, an der flexiblen Arbeitszeitreglung der Generalstaatsanwaltschaft Hamm entsprechend der Dienstvereinbarung zur flexiblen Arbeitszeit vom 19. Dezember 2007 teilzunehmen.

2. Das beklagte Land hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger als freigestelltes Mitglied des Bezirkspersonalrats verpflichtet ist, die bei der Mittelbehörde geltende Dienstvereinbarung zur Arbeitszeit zu beachten.

2

Der Kläger ist Justizangestellter bei der Staatsanwaltschaft M und dort Mitglied des örtlichen Personalrats. Darüber hinaus ist er auch Mitglied des Bezirkspersonalrats bei der Generalstaatsanwaltschaft H und des beim Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen in D gebildeten Hauptpersonalrats. Aufgrund eines Beschlusses des Bezirkspersonalrats ist er zu 80 % und aufgrund eines Beschlusses des Hauptpersonalrats zu weiteren 20 % von der Arbeitsleistung freigestellt. Das ständige Büro des Bezirkspersonalrats befindet sich bei der Generalstaatsanwaltschaft H.

3

In der Dienststelle der Generalstaatsanwaltschaft H gilt seit dem 1. Januar 2008 die mit dem örtlichen Personalrat abgeschlossene Dienstvereinbarung „Flexible Arbeitszeit“ (DV-FLAZ). Darin ist bestimmt:

        

„II.   

Geltungsbereich

        

1.    

Die Dienstvereinbarung gilt für alle an die Einhaltung von Dienststunden gebundenen Kräfte des Beamten- und Tarifbereichs (im Folgenden: Beschäftigte). Ausgenommen sind lediglich die Beschäftigten im beruflichen Fahrdienst, deren Arbeitszeit sich nach einem besonderen Dienstplan richtet.“

4

Mit Schreiben vom 23. September 2008 teilte der Generalstaatsanwalt dem Kläger mit, er habe ab dem 1. Oktober 2008 die zwischen der Generalstaatsanwaltschaft und dem örtlichen Personalrat vereinbarten Dienstvereinbarung über flexible Arbeitszeitregelung zu beachten. Zur Vermeidung arbeitsrechtlicher Konsequenzen kommt der Kläger dem seit dem 1. Januar 2009 unter Vorbehalt nach.

5

Der Kläger hat geltend gemacht, die Generalstaatsanwaltschaft könne ihn nicht anweisen, die DV-FLAZ zu beachten. Diese gelte nur für Mitarbeiter der Generalstaatsanwaltschaft H. Er sei jedoch auch nach seiner Wahl in den Bezirkspersonalrat Beschäftigter der Staatsanwaltschaft M geblieben und nach wie vor bei der Staatsanwaltschaft M aktiv und passiv wahlberechtigt.

6

Der Kläger hat zuletzt beantragt

        

festzustellen, dass die Weisung des beklagten Landes an den Kläger vom 22. Oktober 2008 rechtswidrig ist und der Kläger nicht verpflichtet ist, an der flexiblen Arbeitszeit der Generalstaatsanwaltschaft in H teilzunehmen.

7

Das beklagte Land hat zur Begründung seines Klageabweisungsantrags ausgeführt, der Kläger sei organisatorisch in die Dienststelle der Generalstaatsanwaltschaft H eingebunden und eingegliedert. Deshalb habe er die dort geltende Dienstvereinbarung zu beachten.

8

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr entsprochen. Mit der Revision verfolgt das beklagte Land seinen Klagabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision des beklagten Landes ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage im Ergebnis zu Recht stattgegeben.

10

I. Die Klage ist zulässig.

11

1. Die gebotene Auslegung des Klageantrags ergibt unter Berücksichtigung des gesamten Parteivorbringens und den Klarstellungen in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat, dass der Kläger damit die Feststellung begehrt, die in der DV-FLAZ getroffene Arbeitszeitregelung nicht einhalten zu müssen. Dem liegt zugrunde, dass der Generalstaatsanwalt mit seinem Schreiben vom 22. Oktober 2008 den Kläger lediglich auf die seiner Auffassung nach bestehende Rechtslage hingewiesen hat und dem Schreiben darüber hinaus keine weitergehende Bedeutung zukommt.

12

2. Der so verstandene Klageantrag betrifft ein hinreichend bestimmt bezeichnetes Rechtsverhältnis (§ 253 Abs. 2 Nr. 2, § 256 Abs. 1 ZPO). Es geht um die Feststellung des Nichtbestehens der Verpflichtung des Klägers, die Arbeitszeitregelung der DV-FLAZ zu beachten. Hierfür besteht das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse. Das mit der Feststellungsklage angestrebte Urteil ist trotz seiner lediglich feststellenden und einer Vollstreckung nicht zugänglichen Wirkung geeignet, den Konflikt der Parteien endgültig zu lösen, weil in Bezug auf die Kontrolle der Einhaltung der Arbeitszeiten nur diese Frage zwischen ihnen umstritten ist.

13

II. Die Klage ist begründet. Der Kläger ist nicht verpflichtet, die Arbeitszeitregelung der DV-FLAZ zu befolgen.

14

1. Der Kläger fällt nicht in den Geltungsbereich der DV-FLAZ. Diese gilt nach Nr. II 1 für alle an die Einhaltung von Dienststunden gebundenen Kräfte des Beamten- und Tarifbereichs. Ausgenommen sind lediglich die Beschäftigten im beruflichen Fahrdienst, deren Arbeitszeit sich nach einem besonderen Dienstplan richtet. Zwar mag der Kläger nach seinem Arbeitsvertrag eine an die Einhaltung von Dienststunden gebundene Kraft iSd. DV-FLAZ sein. Deren Anwendung steht jedoch entgegen, dass der Kläger nicht Bediensteter der Dienststelle der Generalstaatsanwaltschaft H ist. Die Regelungskompetenz des örtlichen Personalrats dieser Dienststelle, der die DV-FLAZ mit dem Generalstaatsanwalt vereinbart hat, erstreckt sich nach allgemeinen Grundsätzen nur auf Beschäftigte dieser Dienststelle (dazu Weber in Richardi/Dörner/Weber Personalvertretungsrecht 3. Aufl. § 73 Rn. 26). Hierzu gehört der Kläger nicht. Er ist vielmehr auch nach seiner Wahl in den Bezirks- und Hauptpersonalrat Bediensteter der Staatsanwaltschaft M geblieben.

15

2. Die erfolgte teilweise Freistellung für die Tätigkeit im Bezirkspersonalrat führt nicht zur Eingliederung in die Dienststelle der Generalstaatsanwaltschaft H. Daran ändert auch die zum Betriebsverfassungsgesetz ergangene Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nichts, wonach bei einer Freistellung von Betriebsratsmitgliedern nach § 38 BetrVG im Einzelfall bei einem Betrieb mit mehreren Filialen eine Änderung des Arbeitsorts sowie der Lage der Arbeitszeit eintreten kann (vgl. BAG 13. Juni 2007 - 7 ABR 62/06 - Rn. 14, AP BetrVG 1972 § 38 Nr. 31 = EzA BetrVG 2001 § 40 Nr. 13). Dem steht entgegen, dass die Stufenvertretungen nach § 50 LPVG NRW „bei“ den jeweiligen Mittelbehörden bzw. den obersten Landesbehörden gebildet werden. Sie werden diesen nur angegliedert, ohne dass die Mitglieder der jeweiligen Stufenvertretungen zu Beschäftigten dieser Behörden werden, weil sie nicht mit Aufgaben der Behörde der Mittelstufe oder der obersten Dienstbehörde befasst werden (vgl. BVerwG 20. November 1979 - 6 P 12.79 - PersV 1981, 285). Dies kommt in § 13 Abs. 2 Satz 2 BPersVG klarstellend zum Ausdruck, wonach der in Satz 1 dieser Bestimmung geregelte Verlust der Wahlberechtigung bei einer länger als drei Monate andauernden Abordnung nicht für Beschäftigte gilt, die als Mitglieder einer Stufenvertretung freigestellt sind (vgl. Dörner in Richardi/Dörner/Weber Personalvertretungsrecht § 13 Rn. 30). Das Fehlen einer entsprechenden Regelung in § 10 Abs. 2 LPVG NRW führt allein dazu, dass der vom Bundesverwaltungsgericht aufgestellte Grundsatz ohne hinzugefügte Klarstellung gilt (Cecior/Vallendar/Lechtermann/Klein Das Personalvertretungsrecht in Nordrhein-Westfalen Stand Dezember 2011 § 10 Rn. 51). Deshalb ist der Kläger auch Mitglied in drei Arbeitnehmervertretungen, dem örtlichen Personalrat der Staatsanwaltschaft M sowie des Bezirks- und Hauptpersonalrats. Fehlt es danach an einer Eingliederung in die Dienststelle der Generalstaatsanwaltschaft H, ist auch die DV-FLAZ für den Kläger nicht verbindlich.

16

3. Der Zuordnung des Klägers zur Staatsanwaltschaft M entspricht auch, dass er weiterhin den Weisungen des Leiters dieser Staatsanwaltschaft unterliegt. Die Beklagte kann sich zur Begründung eines Weisungsrechts des Generalstaatsanwalts nicht auf §§ 14, 15 der Verordnung zur einheitlichen Regelung der Gerichtsverfassung vom 20. März 1935 (RGBl. I S. 403) berufen. Diese Verordnung ist durch Art. 21 des Ersten Gesetzes über die Bereinigung von Bundesrecht im Zuständigkeitsbereich des Bundesministeriums der Justiz (BGBl. I 2006 S. 866) gemäß Art. 210 Abs. 2 Nr. 1 dieses Gesetzes mit Wirkung vom 24. April 2008 aufgehoben worden. Überdies sind nach I. der Allgemeinen Verfügung des Justizministeriums vom 5. November 2000 idF vom 6. November 2003 (JMBl. NRW S. 266) Personalangelegenheiten der Angestellten von den Beschäftigungsbehörden zu bearbeiten. Beschäftigungsbehörde des Klägers ist die Staatsanwaltschaft M. Die Wahl in den Bezirkspersonalrat hat daran nichts geändert, weil - wie ausgeführt - der Bezirkspersonalrat „bei“ der jeweiligen Mittelbehörde gebildet wird und die Mitglieder des Bezirkspersonalrats ihren jeweiligen Dienststellen als Beschäftigte zugeordnet bleiben. Nichts anderes folgt aus dem seit dem 1. Januar 2011 geltenden § 8 Abs. 1 JustG NRW. Dessen Regelungsgegenstand ist die behördeninterne Dienstaufsicht. Danach üben die Leitungen der Gerichte, Staatsanwaltschaften und sonstigen Behörden die Dienstaufsicht über ihre jeweilige Behörde aus und die Mittelbehörden über die jeweils nachgeordneten Behörden. Ein unmittelbares Weisungsrecht des Generalstaatsanwalts gegenüber den Bediensteten der Staatsanwaltschaft M folgt daraus nicht.

        

    Schmidt    

        

    Koch    

        

    Linck    

        

        

        

    Frischholz    

        

    M. Seyboth    

                 

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