Urteil vom Bundesarbeitsgericht (8. Senat) - 8 AZR 942/12
Tenor
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Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 13. Juli 2012 - 10 Sa 199/12 - wird zurückgewiesen.
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Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
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Die Parteien streiten über die Höhe eines Abfindungsanspruchs aus Tarifvertrag.
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Die am 18. März 1970 geborene Klägerin war seit dem 15. September (richtig wohl: Dezember) 2000 bei der Beklagten in deren Betrieb in F beschäftigt. Als Teilzeit-Angestellte verdiente sie zuletzt monatlich brutto 2.059,69 Euro.
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Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 29. September 2009 fristgemäß zum 30. Juni 2010. Zugleich bot sie der Klägerin die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses ab dem 1. Januar (richtig wohl: Juli) 2010 in H an, da sie entschieden hatte, ihren Geschäftssitz dorthin zu verlegen. Die Klägerin nahm dieses Änderungsangebot nicht an. Im nachfolgenden Kündigungsrechtsstreit wurde durch rechtskräftiges Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 25. März 2011 - 10 Sa 1290/10 - festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien zum 30. Juni 2010 beendet worden ist.
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Kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme fanden auf das Arbeitsverhältnis die Tarifverträge für das private Bankgewerbe Anwendung (§ 10 Abs. 1 des Arbeitsvertrages vom 4. Dezember 2000). Zu den anzuwendenden Tarifverträgen gehörten auch die für das private Bankgewerbe vereinbarten Rationalisierungsschutzabkommen (RSchABK). Zwischen den Parteien ist in der Revisionsinstanz nicht mehr streitig, dass die Verlegung des Geschäftssitzes von F nach H eine Rationalisierungsmaßnahme im Sinne der Rationalisierungsschutzabkommen darstellt, wohl aber, ob das tarifvertragliche Rationalisierungsschutzabkommen in der ab dem 8. Juli 2004 geltenden Fassung - so die Beklagte - oder in der ab dem 10. Juni 2010 - so die Klägerin - geltenden Fassung Anwendung findet. Die spätere Fassung übernimmt zwar in § 9 RSchABK, der die Abfindungen bei Rationalisierungen regelt, die Anspruchsvoraussetzungen der früheren Fassung, sieht aber ab vollendetem 40. Lebensjahr höhere Abfindungen vor.
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§ 9 Ziff. 3 RSchABK idF vom 10. Juni 2010 lautet wie folgt:
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„Führen Rationalisierungsmaßnahmen - auch in Form eines Auflösungsvertrages - zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses, so erhält der Arbeitnehmer eine Abfindung. Sie beträgt:
Betriebszuge-
Alter
hörigkeit
40
44
48
52
56
Monatsgehälter
10
4,5
5
5,5
6
6,5
14
5,5
6,25
7
7,75
8,5
18
6,5
7,5
8,5
9,5
10,5
22
7,5
8,75
10
11,25
12,5
26
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10
11,5
13
14,5
Für Arbeitnehmer vor Vollendung des 40. Lebensjahres beträgt die Abfindung:
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bei 5-jähriger Betriebszugehörigkeit
1 Monatsgehalt,
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bei 10-jähriger Betriebszugehörigkeit
2 Monatsgehälter,
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bei 15-jähriger Betriebszugehörigkeit
3 Monatsgehälter.
Für die Berechnung der Dauer der Betriebszugehörigkeit und das Lebensalter ist der Tag der Beendigung des Arbeitsverhältnisses maßgebend.“
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Der Anspruch auf die Abfindung ruht, wenn der Arbeitnehmer Kündigungsschutzklage erhebt (§ 9 Ziff. 5 RSchABK).
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Die Klägerin meint, das Rationalisierungsschutzabkommen sei in der ab dem 10. Juni 2010 geltenden Fassung anzuwenden, da ihr Arbeitsverhältnis erst zum 30. Juni 2010 beendet worden sei. Daher habe sie einen Anspruch auf Abfindung iHv. 4,5 Monatsgehältern oder 9.268,61 Euro. Sie erfülle die Anspruchsvoraussetzungen, da sie im Zeitpunkt ihres Ausscheidens am 30. Juni 2010 ihr 40. Lebensjahr vollendet und im 10. Jahr der Betriebszugehörigkeit zur Beklagten gestanden habe. Bei richtiger Auslegung von § 9 Ziff. 3 RSchABK müsse die Betriebszugehörigkeit keine vollen zehn Jahre betragen. Nach Sinn und Zweck der tariflichen Regelung sollten ältere Arbeitnehmer, beginnend mit vollendetem 40. Lebensjahr, gegenüber jüngeren höhere Ansprüche haben. Daher müsse es genügen, wenn sie sich bei Ausscheiden im 10. Jahr ihrer Betriebszugehörigkeit befunden habe.
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Unter Berücksichtigung des Berufungsurteils beantragt die Klägerin,
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die Beklagte zu verurteilen, an sie eine weitere Abfindung in Höhe von 3,5 Gehältern oder 7.208,92 Euro brutto zu zahlen.
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Zur Begründung ihres Antrags auf Klageabweisung vertritt die Beklagte zum einen die Auffassung, das Rationalisierungsschutzabkommen sei in der Fassung 2004 anzuwenden, da es auf den Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung ankomme. Jedenfalls erfülle die Klägerin die Voraussetzungen für eine Abfindung in der von ihr verlangten Höhe nicht. Sie sei keine zehn Jahre bei der Beklagten beschäftigt gewesen. § 9 Ziff. 3 RSchABK könne nicht so ausgelegt werden, dass bei vollendetem 40. Lebensjahr eine Betriebszugehörigkeit „bis zu 10 Jahren“ oder „im 10. Jahr“ der Betriebszugehörigkeit ausreiche. Es bestehe, soweit eine tarifliche Regelungslücke anzunehmen sei, allenfalls ein Abfindungsanspruch iHv. einem Monatsgehalt.
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Das Arbeitsgericht hat der Klage iHv. 4,5 Monatsgehältern stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht das erstinstanzliche Urteil teilweise abgeändert und eine Abfindung iHv. 2.059,69 Euro brutto, dh. in Höhe eines Monatsgehaltes zugesprochen und im Übrigen die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils, während die Beklagte die Zurückweisung der Revision beantragt.
Entscheidungsgründe
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Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Nach § 9 Ziff. 3 des arbeitsvertraglich in Bezug genommenen Rationalisierungsschutzabkommens steht der Klägerin keine höhere Abfindung zu, als ihr insoweit rechtskräftig vom Berufungsgericht zuerkannt wurde.
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A. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Die Beklagte schulde der Klägerin eine Abfindung nach § 9 Ziff. 3 Satz 2 iVm. § 3 RSchABK in Höhe eines Bruttomonatsgehaltes. Das Arbeitsverhältnis sei durch eine Rationalisierungsmaßnahme beendet worden. Es könne dahinstehen, in welcher Fassung das Rationalisierungsschutzabkommen zur Anwendung komme. Die Klägerin erfülle die in beiden Fassungen gleichen Voraussetzungen für eine Abfindung iHv. 4 oder 4,5 Monatsgehältern nicht. Die für Arbeitnehmer im Alter ab 40 Jahren in § 9 Ziff. 3 RSchABK vorgesehenen höheren Abfindungsbeträge entstünden erst ab einer Betriebszugehörigkeit von mindestens zehn Jahren. Die tabellarische Angabe „10“ könne nicht iSv. „bis zu 10“ Jahren der Betriebszugehörigkeit ausgelegt werden. Nach Sinn und Zweck der tariflichen Regelung sei es auszuschließen, dass ein Arbeitnehmer mit Vollendung des 40. oder eines höheren Lebensjahres bereits mit dem ersten Tag seiner Betriebszugehörigkeit die erhöhte Abfindung verlangen könne, sofern ihm rationalisierungsbedingt gekündigt werde. Allerdings enthalte das Rationalisierungsschutzabkommen eine unbewusste Regelungslücke für Arbeitnehmer wie die Klägerin. Diese könne durch die Gerichte ohne unzulässigen Eingriff in die verfassungsrechtlich geschützte Tarifautonomie geschlossen werden, soweit sich aus dem Tarifvertrag selbst hinreichende Anhaltspunkte dafür ergäben, wie die Tarifvertragsparteien nach ihrem mutmaßlichen Willen die nicht berücksichtigte Fallkonstellation geregelt hätten, wenn sie denn die Lückenhaftigkeit erkannt hätten. In den Rationalisierungsschutzabkommen hätten die Tarifvertragsparteien zu erkennen gegeben, dass im Falle des rationalisierungsbedingten Verlustes von Arbeitsplätzen immer Abfindungen gezahlt werden sollten, wenn bestimmte Mindestzeiten an Betriebszugehörigkeit erreicht worden sind. Daher sei nicht davon auszugehen, dass die Tarifvertragsparteien Arbeitnehmer, die erst deutlich nach Vollendung des 40. Lebensjahres in ein Arbeitsverhältnis eintreten, oder sich darin ohne 10-jährige Betriebszugehörigkeit befinden, von jeglicher Abfindungszahlung ausnehmen wollten. Insoweit könne unterstellt werden, dass in solchen Fällen die „normale“ Abfindung des § 9 Ziff. 3 Satz 2 RSchABK zu zahlen sei. Da die Klägerin im Zeitpunkt der Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses noch keine 10-jährige, jedoch eine 5-jährige Betriebszugehörigkeit aufzuweisen habe, stehe ihr ein Monatsgehalt als Abfindungszahlung zu.
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B. Diese Begründung hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.
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I. Zu Recht konnte das Landesarbeitsgericht es dahinstehen lassen, welche Fassung des Rationalisierungsschutzabkommens Anwendung findet. Selbst wenn zugunsten der Klägerin unterstellt wird, ihr Fall beurteile sich nach dem höhere Abfindungsbeträge vorsehenden Rationalisierungsschutzabkommen in der Fassung vom 10. Juni 2010, ist die Revision unbegründet. Denn die Klägerin erfüllt die in beiden Rationalisierungsschutzabkommen gleichlautenden Voraussetzungen für eine erhöhte Abfindung nicht.
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II. Rechtsfehlerfrei hat das Landesarbeitsgericht erkannt, dass die erstinstanzliche Auslegung der Ziffer „10“ in § 9 Ziff. 3 Satz 2 RSchABK iSv. „im 10. Jahr“ oder „bis zu 10 Jahren“ Betriebszugehörigkeit die zulässigen Grenzen der Auslegung überschritt. Die Ziffer „10“ bedeutet, dass zehn Jahre der Betriebszugehörigkeit am Tag der Beendigung des Arbeitsverhältnisses (§ 9 Ziff. 3 Satz 4 RSchABK) vollendet sein müssen.
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1. Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrages folgt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Ausgehend vom Tarifwortlaut ist der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen, ohne am Buchstaben zu haften (§ 133 BGB). Erlaubt der Tarifwortlaut kein abschließendes Ergebnis, ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist ferner auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und oft nur so der Sinn und Zweck der Tarifnorm ermittelt werden kann. Verbleiben noch Zweifel, können weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des jeweiligen Tarifvertrages, die folgende Tarifgeschichte und ggf. auch die praktische Tarifübung herangezogen werden, dies ohne Bindung an eine bestimmte Reihenfolge. Es gibt nämlich weder einen allgemeinen Erfahrungssatz, in welcher Weise die Tarifvertragsparteien jeweils den mit einer Tarifnorm verfolgten Sinn und Zweck zum Ausdruck bringen, noch gebietet die juristische Methodenlehre hier eine bestimmte Reihenfolge der Auslegungskriterien (BAG 12. September 1984 - 4 AZR 336/82 - BAGE 46, 308 = AP TVG § 1 Auslegung Nr. 135 = EzA TVG § 1 Auslegung Nr. 14). Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse gilt es zu berücksichtigen; im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten, gesetzeskonformen und praktisch brauchbaren Regelung führt (vgl. BAG 13. Oktober 2011 - 8 AZR 514/10 - Rn. 26, AP TVG § 1 Auslegung Nr. 228; 11. November 2010 - 8 AZR 392/09 - Rn. 16, AP BGB § 613a Nr. 392; 23. September 2009 - 4 AZR 382/08 - Rn. 14, BAGE 132, 162 = AP TVG § 1 Tarifverträge: Arzt Nr. 3; 20. Januar 2009 - 9 AZR 677/07 - Rn. 35, BAGE 129, 131 = AP TVG § 1 Altersteilzeit Nr. 43 = EzA TVG § 4 Altersteilzeit Nr. 30; 21. Juli 1993 - 4 AZR 468/92 - zu B II 1 a aa der Gründe, BAGE 73, 364 = AP TVG § 1 Auslegung Nr. 144 = EzA TVG § 1 Auslegung Nr. 28).
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2. Der „Wortlaut“ der tabellarischen Ziffernangabe „10“ in § 9 Ziff. 3 Satz 2 RSchABK ist allerdings für sich genommen nicht eindeutig und daher grundsätzlich einer Auslegung zugänglich. Bereits die Angabe in einer tarifvertraglichen Tabelle lässt aber systematischen Auslegungsgesichtspunkten besondere Bedeutung zukommen. Gegen die von der Klägerin vertretene und vom Arbeitsgericht übernommene Auslegung spricht zum einen, dass auch die weiteren Steigerungsstufen in der Tabelle von § 9 Ziff. 3 Satz 2 RSchABK „14, 18, 22 und 26“ ohne jeglichen Zusatz aufgeführt werden. Dass es sich bei den Ziffernangaben um „Jahre“ handeln soll, die nach einem Stichtag, dem Tag der Beendigung des Arbeitsverhältnisses, berechnet werden sollen, ergibt sich aus § 9 Ziff. 3 Satz 3 und Satz 4 RSchABK. Aus Satz 3 ergibt sich zudem, dass es sich jeweils um volle Jahre der Betriebszugehörigkeit handeln soll, weil es dort ausdrücklich heißt: „bei 5-jähriger Betriebszugehörigkeit“ usw. Dies verbietet ein Verständnis von „bis zu 5-jähriger Betriebszugehörigkeit“ ebenso wie bis zu 14- oder bis zu 22-jähriger Betriebszugehörigkeit in § 9 Ziff. 3 Satz 2 RSchABK. Eine Auslegung im Sinne von „im 10. Jahr“ oder „im 15. Jahr“ der Betriebszugehörigkeit ist noch ferner liegend und findet weder in Wortlaut noch Systematik des Tarifvertrages eine Stütze. § 9 Ziff. 3 RSchABK stellt erkennbar die Betriebszugehörigkeit als Regelungskriterium an die erste und das Lebensalter, darauf aufbauend, an die zweite Stelle der tariflichen Regelungstechnik. Ohne Rechtsfehler hat das Landesarbeitsgericht darauf hingewiesen, dass es dieser tariflichen Struktur widerspräche, wenn ein am Tage der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses über 40-jähriger Arbeitnehmer mit einer nur kurzen Betriebszugehörigkeit („bis zu 10 Jahren“) eine Abfindung von 4 oder 4,5 Bruttomonatsgehältern beanspruchen könnte. Im Übrigen wird im Tarifvertrag hinsichtlich des Lebensalters ausdrücklich von „Vollendung“ der entsprechenden Altersstufen gesprochen, § 9 Ziff. 3 Satz 3 RSchABK.
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III. Ohne Rechtsfehler hat das Landesarbeitsgericht erkannt, dass das Rationalisierungsschutzabkommen 2010 ebenso wie die vorhergehende Fassung eine Regelungslücke enthält. Nach dem Wortlaut der Tarifvorschrift ist eine Abfindung für Arbeitnehmer, die zwar das 40. Lebensjahr schon vollendet haben, jedoch nicht auf mindestens zehn Jahre Betriebszugehörigkeit verweisen können, nicht vorgesehen. Das Landesarbeitsgericht ist rechtlich ebenso zutreffend von einer unbewussten Regelungslücke ausgegangen, wie es diese der Tarifstruktur folgend geschlossen hat.
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1. Tarifvertragliche Regelungen sind einer ergänzenden Auslegung grundsätzlich nur dann zugänglich, wenn damit kein Eingriff in die durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützte Tarifautonomie verbunden ist. Eine ergänzende Auslegung eines Tarifvertrages scheidet daher aus, wenn die Tarifvertragsparteien eine regelungsbedürftige Frage bewusst ungeregelt lassen und diese Entscheidung höherrangigem Recht nicht widerspricht(BAG 23. April 2013 - 3 AZR 23/11 - Rn. 29). Eine Lückenschließung im Wege der ergänzenden Tarifauslegung hat zu unterbleiben, wenn unter Berücksichtigung von Treu und Glauben den Tarifvertragsparteien ein Spielraum zur Lückenschließung verbleibt und es ihnen wegen der verfassungsrechtlich geschützten Tarifautonomie überlassen bleiben muss, die von ihnen für angemessen gehaltene Regelung selbst zu finden (vgl. BAG 23. April 2013 - 3 AZR 23/11 - Rn. 30).
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2. Von einer bewussten Regelungslücke ist nicht auszugehen. Die Tarifvertragsparteien haben eine Abfindung für Arbeitnehmer unter 40 Jahren, die jedoch schon eine 5-jährige Betriebszugehörigkeit aufweisen, in Höhe eines Monatsgehaltes vorgesehen, § 9 Ziff. 3 Satz 3 RSchABK. Dass sie demgegenüber eine Abfindung für Arbeitnehmer, die älter als 40 Jahre sind, aber ebenfalls schon eine mindestens 5-jährige Betriebszugehörigkeit vorweisen können, ausschließen wollten, ist schon deswegen nicht anzunehmen, weil sie das Lebensalter ab 40 in § 9 Ziff. 3 Satz 2 RSchABK ausdrücklich als abfindungserhöhenden Faktor anerkannt haben. Zudem wäre die bewusste Versagung jeglicher Abfindung für über 40-jährige Arbeitnehmer, die noch nicht zehn Jahre Betriebszugehörigkeit zurückgelegt haben, eine Anknüpfung allein an das Lebensalter, für die ein legitimes Ziel zur Rechtfertigung im Rationalisierungsschutzabkommen nicht erkennbar ist, § 10 Satz 1 AGG.
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3. Auch die Schließung der unbewussten Tariflücke durch das Berufungsgericht hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.
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a) Eine tarifvertragliche Lücke ist in der Weise auszufüllen, dass die Grundzüge und Systematik des konkreten Vertrages „zu Ende gedacht“ werden (vgl. für den Fall der ergänzenden Vertragsauslegung: BGH 20. September 1993 - II ZR 104/92 - zu 2 der Gründe, BGHZ 123, 281; BAG 19. Mai 2010 - 4 AZR 796/08 - Rn. 31, BAGE 134, 283 = AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 76 = EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 48). Hierfür ist an den Vertrag selbst anzuknüpfen, denn die in ihm enthaltenen Regelungen und Wertungen, sein Sinn und Zweck sind Ausgangspunkt der Vertragsergänzung.
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b) Danach ist es revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn das Landesarbeitsgericht im Fall der Klägerin auf eine Abfindung in Höhe eines Bruttomonatsgehaltes erkannt hat. Für die Höhe der Abfindung haben die Tarifvertragsparteien im Rationalisierungsschutzabkommen die Dauer der Betriebszugehörigkeit als grundlegende Voraussetzung gewählt. Bei einer Betriebszugehörigkeit, die unter fünf Jahren liegt, soll es keine Abfindung geben. Bei (vollendeter) 5-jähriger Betriebszugehörigkeit ein Monatsgehalt und bei vollendeter 10-jähriger Betriebszugehörigkeit weitere Gehälter, je nach dem, ob das 40. Lebensjahr noch nicht erreicht oder vollendet ist. Die Klägerin hat eine über 5-jährige Betriebszugehörigkeit, wenn auch noch nicht eine von zehn Jahren vorzuweisen. Sie war am 18. März 2010 40 Jahre alt geworden und ist am 30. Juni 2010 aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden. Da ihr das höhere Lebensalter am Tag der Beendigung des Arbeitsverhältnisses dem erkennbaren Willen der Tarifvertragsparteien nach keine Nachteile einbringen sollte, ist es nach der Struktur und den Wertungen des Tarifvertrages konsequent, ihr ebenfalls ein Monatsgehalt aufgrund ihrer über 5-jährigen Betriebszugehörigkeit zuzusprechen. Dagegen ist anders als nach der Auffassung der Revision weder die auf 4,5 Bruttomonatseinkommen gesteigerte Abfindung zuzusprechen, weil die Klägerin eben noch keine Betriebszugehörigkeit von vollendeten zehn Jahren aufzuweisen hat, noch eine Abfindung „zwischen“ einem Monatsgehalt und 4,5 Monatsgehältern. Dafür bietet das Tarifwerk keine hinreichenden Anhaltspunkte. In § 9 Ziff. 3 Satz 3 RSchABK wird für unter 40-jährige Arbeitnehmer die Abfindung ebenfalls erst bei „10-jähriger Betriebszugehörigkeit“ auf zwei Monatsgehälter erhöht. Eine solche Betriebszugehörigkeit liegt im Fall der Klägerin gerade nicht vor. Was die Tarifvertragsparteien bei einer „fast 10-jährigen“ Betriebszugehörigkeit eines Arbeitnehmers mit vollendetem 40. Lebensjahr geregelt hätten, kann dem Tarifwerk nicht entnommen werden und bliebe eine unzulässige, in die Tarifautonomie eingreifende Spekulation der Gerichte. Da an die Stufe der erreichten Betriebszugehörigkeit angeknüpft wird und insofern die unter und über 40-Jährigen gleichbehandelt werden, liegt keine unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters vor. Für eine mittelbare Benachteiligung iSd. § 3 Abs. 2 AGG sind weder dem Akteninhalt noch dem Vorbringen der Klägerin Anhaltspunkte zu entnehmen.
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C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.
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Hauck
Hauck
Breinlinger
Eimer
Wroblewski
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