Urteil vom Bundesarbeitsgericht (3. Senat) - 3 AZR 209/12

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 20. Dezember 2011 - 8 Sa 58/11 - wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Höhe der der Klägerin zustehenden betrieblichen Altersrente und dabei über die Auswirkungen der „außerplanmäßigen“ Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung zum 1. Januar 2003.

2

Die am 29. Dezember 1948 geborene Klägerin war vom 1. Juli 1979 bis zum 31. Dezember 2008 zunächst bei den Rechtsvorgängerinnen der Beklagten, der D GmbH und der C GmbH, und zuletzt bei der Beklagten beschäftigt. Seit dem 1. Januar 2009 bezieht sie eine gesetzliche Rente und von der Beklagten eine vorgezogene betriebliche Altersrente nach der „Versorgungsordnung 1995 in der Fassung vom 1. Juli 1995“ der D GmbH (im Folgenden: VO 95) iHv. monatlich 671,31 Euro brutto.

3

Die VO 95, bei der es sich um eine Gesamtzusage handelt, enthält auszugsweise folgende Regelungen:

        

§ 1   

        

Versorgungsberechtigte

        

(1)     

Versorgungsberechtigt nach Maßgabe dieser Versorgungsordnung 1995 sind alle Mitarbeiter, die am 01.07.1995 in einem Beschäftigungsverhältnis mit D GmbH (= ‚D‘) stehen oder später eintreten (‚Versorgungsberechtigte’).

        

…       

        
        

§ 2     

        

Versorgungsleistungen

        

(1)     

Nach Aufnahme in das Versorgungswerk und nach Erfüllung der jeweiligen Anspruchsvoraussetzungen werden als Versorgungsleistungen gewährt:

                 

a)    

Altersrente

(§ 6) 

                 

b)    

Vorgezogene Altersrente

(§ 7) 

                 

…       

        
        

§ 5     

        

Ruhegeldfähiges Einkommen

        

(1)     

Das ruhegeldfähige Einkommen wird für jeden Versorgungsberechtigten erstmals bei Diensteintritt und dann an jedem nachfolgenden 01. Juli (Berechnungsstichtag) festgestellt. …

        

(2)     

Die Ermittlung des ruhegeldfähigen Einkommens erfolgt aus dem 13fachen des am Berechnungsstichtag geltenden vertraglich vereinbarten monatlichen Grundgehaltes bei Gehaltsempfängern bzw. bei Lohnempfängern des Monatslohns (= Jahresgehalt im Sinne der Leistungsrichtlinien).

                 

Dieses Jahresgehalt wird aufgeteilt in den Betrag bis zum 12fachen der jeweils am Berechnungsstichtag geltenden monatlichen Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung (Teil A), und ggf. in den Teil, der das 12fache dieser Beitragsbemessungsgrenze (Teil B) übersteigt.

        

…       

        
        

§ 6     

        

Altersrente

        

(1)     

Scheidet ein Versorgungsberechtigter zu seinem normalen Pensionierungstag (Alter 65) aus den Diensten von D aus, so erhält er eine lebenslang zahlbare Altersrente.

        

(2)     

Die jährliche Altersrente beträgt 0,4 % des ruhegeldfähigen Einkommens (Teil A) gem. § 5 bis zu den Beitragsbemessungsgrenzen in der gesetzlichen Rentenversicherung (nachfolgend kurz ‚Beitragsbemessungsgrenze’ genannt) und 1,67 % des ruhegeldfähigen Einkommens (Teil B) gem. § 5 oberhalb der Beitragsbemessungsgrenzen, beides multipliziert mit der anrechnungsfähigen Dienstzeit gem. § 4.

        

§ 7     

        

Vorgezogene Altersrente

        

(1)     

Scheidet ein Versorgungsberechtigter wegen Inanspruchnahme des vorgezogenen Altersruhegeldes aus der gesetzlichen Rentenversicherung aus den Diensten des Unternehmens aus, so erhält er eine vorzeitige, sofort beginnende Altersrente. Dieses gilt analog für Begünstigte, die von der gesetzlichen Rentenversicherung befreit sind.

        

(2)     

Unabhängig von den Voraussetzungen des Abs. (1) können Versorgungsberechtigte eine vorgezogene Altersrente beantragen, wenn sie nach mindestens 10 Jahren anrechnungsfähiger Dienstzeit und Vollendung des 55. Lebensjahres aus den Diensten von D ausscheiden.

        

(3)     

Die vorgezogene Altersrente berechnet sich nach den gleichen Grundsätzen wie die Altersrente gem. § 6, jedoch unter Zugrundelegung des ruhegeldfähigen Einkommens zum Zeitpunkt der vorzeitigen Pensionierung und der bis dahin zurückgelegten anrechnungsfähigen Dienstzeit. Erfolgt die erste Rentenzahlung frühestens ab dem Monat, der auf die Vollendung des 60. Lebensjahres folgt, so wird die vorgezogene Altersrente ohne eine Reduktion (wegen des vorgezogenen Rentenzahlungsbeginns) gezahlt.“

4

§ 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der nach § 160 SGB VI erlassenen Verordnung über maßgebende Rechengrößen der Sozialversicherung für 2003 (Sozialversicherungs-Rechengrößenverordnung 2003) vom 17. Dezember 2002 (BGBl. I S. 4561) hatte die Beitragsbemessungsgrenze in der Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten für das Jahr 2003 auf 55.200,00 Euro jährlich und 4.600,00 Euro monatlich festgesetzt. Durch Art. 2 Nr. 4 des Gesetzes zur Sicherung der Beitragssätze in der gesetzlichen Krankenversicherung und in der gesetzlichen Rentenversicherung (Beitragssatzsicherungsgesetz - BSSichG) vom 23. Dezember 2002 (BGBl. I S. 4637) wurde § 275c in das SGB VI eingefügt. Diese Vorschrift trat zum 1. Januar 2003 in Kraft und legte die Beitragsbemessungsgrenze in der Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten (West) für das Jahr 2003 auf 61.200,00 Euro jährlich und 5.100,00 Euro monatlich fest. Zudem wurden in § 275c Abs. 3 SGB VI die ungerundeten Ausgangswerte für die Bestimmung der Beitragsbemessungsgrenze des Jahres 2004 festgelegt. Dies hatte und hat zur Folge, dass sich die einmalige stärkere Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze des Jahres 2003 im Ergebnis auch für die folgenden Jahre erhöhend bei der Fortschreibung der Beitragsbemessungsgrenze durch Verordnungen gemäß § 160 SGB VI auswirkte und auswirkt. So wurde die Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der wiederum nach § 160 SGB VI erlassenen Verordnung über maßgebende Rechengrößen der Sozialversicherung für 2004 (Sozialversicherungs-Rechengrößenverordnung 2004) vom 9. Dezember 2003 (BGBl. I. S. 2497) für das Jahr 2004 auf 61.800,00 Euro jährlich und 5.150,00 Euro monatlich und nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der Verordnung über maßgebende Rechengrößen der Sozialversicherung für 2005 (Sozialversicherungs-Rechengrößenverordnung 2005) vom 29. November 2004 (BGBl. I S. 3098) für das Jahr 2005 auf 62.400,00 Euro jährlich und 5.200,00 Euro monatlich festgesetzt. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der Verordnung über maßgebende Rechengrößen der Sozialversicherung für 2008 (Sozialversicherungs-Rechengrößenverordnung 2008) vom 5. Dezember 2007 (BGBl. I S. 2797) betrug die Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung für das Jahr 2008 63.600,00 Euro jährlich und 5.300,00 Euro monatlich.

5

Infolge der „außerplanmäßigen“ Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze für das Jahr 2003 verringerte sich die „Ausgangsrente“ der Klägerin nach § 7 VO 95 um monatlich 167,20 Euro. Die gesetzliche Rente der Klägerin erhöhte sich wegen der „außerplanmäßigen“ Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze für das Jahr 2003 um 9,46 Euro.

6

Mit ihrer am 21. Oktober 2010 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat sich die Klägerin unter Berufung auf die in den Urteilen des Senats vom 21. April 2009 (- 3 AZR 695/08 - BAGE 130, 214 und - 3 AZR 471/07 -) aufgestellten Grundsätze gegen die von der Beklagten vorgenommene Berechnung ihrer vorgezogenen Altersrente gewandt und die Auffassung vertreten, ihre vorgezogene Altersrente sei ohne Berücksichtigung der „außerplanmäßigen“ Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze im Jahr 2003 zu berechnen. Die VO 95 sei durch die „außerplanmäßige“ Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung zum 1. Januar 2003 lückenhaft geworden. Die Lücke sei im Wege der ergänzenden Auslegung dahin zu schließen, dass die vorgezogene Altersrente unter Außerachtlassung der „außerplanmäßigen“ Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze berechnet werde.

7

Die Klägerin hat beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an sie 4.258,98 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB aus jeweils 157,74 Euro erstmals seit dem 1. Februar 2009 und letztmals seit dem 1. April 2011 jeweils monatlich zu zahlen.

8

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

9

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben, das Landesarbeitsgericht hat sie auf die Berufung der Beklagten abgewiesen. Mit ihrer Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung der arbeitsgerichtlichen Entscheidung. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klage ist unbegründet. Der Klägerin stehen die geltend gemachten Zahlungsansprüche nicht zu. Die Beklagte hat die vorgezogene Altersrente der Klägerin nach der VO 95 zutreffend berechnet. Die Klägerin kann weder aufgrund einer ergänzenden Auslegung der §§ 5 und 6 VO 95 noch wegen einer Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 Abs. 1 BGB) eine höhere als die von der Beklagten gezahlte Altersrente beanspruchen.

11

I. Die Beklagte hat die vorgezogene Altersrente der Klägerin zutreffend ermittelt. Die Berechnung entspricht den Vorgaben der §§ 5 und 6 iVm. § 7 VO 95. Danach war die am Berechnungsstichtag geltende Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung zugrunde zu legen. Die VO 95 ist nicht ergänzend dahin auszulegen, dass die Altersrente der Klägerin unter Außerachtlassung der „außerplanmäßigen“ Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung zum 1. Januar 2003 zu berechnen ist. Dies hat das Landesarbeitsgericht im Ergebnis zutreffend erkannt. Dabei kann dahinstehen, ob die VO 95 infolge der „außerplanmäßigen“ Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze durch § 275c SGB VI zum 1. Januar 2003 lückenhaft geworden ist. Eine ergänzende Auslegung der VO 95 scheidet jedenfalls deshalb aus, weil mehrere gleichwertige Möglichkeiten zur Schließung einer eventuellen Regelungslücke bestehen und es sich nicht feststellen lässt, für welche Möglichkeit die Parteien sich entschieden hätten, wenn sie die „außerplanmäßige“ Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze vorhergesehen hätten.

12

1. Zwar hat der Senat in den Urteilen vom 21. April 2009 (- 3 AZR 695/08 - BAGE 130, 214 und - 3 AZR 471/07 -; zur Kritik an diesen Entscheidungen vgl. etwa Böhm/Ulbrich BB 2010, 1341, 1342; Bormann BetrAV 2011, 596, 597 ff.; Cisch/Bleeck BB 2010, 1215, 1219 f.; Diller NZA 2012, 22, 23 ff.; Höfer BetrAVG Stand August 2012 Bd. I ART Rn. 816.4 f.; Hölscher/Janker BetrAV 2010, 141, 142 f.; Rolfs in Blomeyer/Rolfs/Otto BetrAVG 5. Aufl. Anh § 1 Rn. 224 a ff.; Weber DB 2010, 1642, 1643 f.) angenommen, Versorgungsordnungen, die für den Teil des versorgungsfähigen Einkommens oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung höhere Versorgungsleistungen vorsehen als für den darunter liegenden Teil (sog. gespaltene Rentenformel), seien durch die „außerplanmäßige“ Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung um 500,00 Euro monatlich nach § 275c SGB VI zum 1. Januar 2003 regelmäßig lückenhaft geworden. Die Regelungslücke sei im Wege ergänzender Auslegung entsprechend dem ursprünglichen Regelungsplan dahin zu schließen, dass die Betriebsrente ohne Berücksichtigung der „außerplanmäßigen“ Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze berechnet werde und von dem so errechneten Betrag die Beträge in Abzug zu bringen seien, um die sich die gesetzliche Rente infolge höherer Beitragszahlungen erhöht hat.

13

2. Diese Rechtsprechung hat der Senat mit seinen Urteilen vom 23. April 2013 (vgl. etwa - 3 AZR 475/11 - und - 3 AZR 23/11 -) zu Versorgungsregelungen in Gesamtzusagen und Tarifverträgen ausdrücklich aufgegeben mit der Begründung, es bestünden mehrere gleichwertige Möglichkeiten zur Schließung einer eventuellen Regelungslücke; unter Anlegung eines objektiv-generalisierenden Maßstabs lasse sich nicht feststellen, für welche Möglichkeit die Parteien bzw. Tarifvertragsparteien sich entschieden hätten, wenn sie die „außerplanmäßige“ Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze vorhergesehen hätten. An dieser Rechtsprechung, die ua. die VO 95 betraf (BAG 23. April 2013 - 3 AZR 475/11 -), hält der Senat fest. Bei einer etwaigen Lückenhaftigkeit der VO 95 käme nicht nur eine Ergänzung des Vertrags dahin in Betracht, dass bei der Berechnung der Altersrente von einer um die „außerplanmäßige“ Anhebung der durch § 275c SGB VI „bereinigten“ Beitragsbemessungsgrenze unter gleichzeitiger Anrechnung der durch diese Anhebung in der gesetzlichen Rentenversicherung erzielten höheren gesetzlichen Rente auszugehen ist. Unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der in den §§ 5 und 6 VO 95 getroffenen Regelungen bestehen vielmehr weitere rechtlich zulässige und interessengerechte Möglichkeiten zur Schließung einer etwaigen nachträglich eingetretenen Regelungslücke (BAG 23. April 2013 - 3 AZR 475/11 - Rn. 16). Sinn und Zweck einer „gespaltenen Rentenformel“ wie derjenigen in §§ 5 und 6 VO 95 ist es, den im Einkommensbereich über der Beitragsbemessungsgrenze bestehenden erhöhten Versorgungsbedarf über die hierfür vorgesehene höhere Leistung abzudecken, da dieser Teil der Bezüge nicht durch die gesetzliche Altersrente abgesichert ist (BAG 23. April 2013 - 3 AZR 475/11 - aaO; 21. April 2009 - 3 AZR 695/08 - Rn. 23, BAGE 130, 214). Deshalb wäre es ebenso denkbar, dass sich typische Vertragsparteien im Hinblick darauf, dass sich die Auswirkungen der „außerplanmäßigen“ Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze verringern, je später nach dem 1. Januar 2003 der Versorgungsfall eintritt, auf eine wenige Jahre begrenzte Übergangsregelung für rentennahe Jahrgänge verständigt hätten. Ebenso käme eine Lückenschließung dergestalt in Betracht, dass die Betriebszugehörigkeit bis zum 31. Dezember 2002 und die Betriebszugehörigkeit danach bei der Berechnung der Altersrente entsprechend der Berechnungsweise aus der „Barber-Entscheidung“ des Europäischen Gerichtshofs (17. Mai 1990 - C-262/88 - Slg.1990, I-1889; vgl. auch BAG 3. Juni 1997 - 3 AZR 910/95 - BAGE 86, 79) unterschiedlich behandelt werden (so etwa Weber DB 2010, 1642). Danach könnte für bis zum 31. Dezember 2002 erdiente Anwartschaftsteile eine Korrektur der Beitragsbemessungsgrenze um die „außerplanmäßige“ Anhebung zum 1. Januar 2003 vorgenommen werden, weil insoweit keine Rentensteigerungen in der gesetzlichen Rentenversicherung erreicht werden konnten; für ab dem 1. Januar 2003 erdiente Versorgungsanwartschaften wäre die erhöhte Beitragsbemessungsgrenze zugrunde zu legen, weil ab diesem Zeitpunkt auch Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung erworben werden. Dies hätte zur Folge, dass für die Berechnung des Teils der Rentenanwartschaft oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze eine Trennung in die Zeit vor dem 1. Januar 2003 und die Zeit danach vorgenommen werden müsste (vgl. hierzu ausführlich Weber DB 2010, 1642).

14

II. Die Klägerin kann auch nach den Grundsätzen der Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) nicht verlangen, dass ihre von der Beklagten gezahlte Altersrente so berechnet wird, als wäre die „außerplanmäßige“ Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung nicht erfolgt.

15

1. Nach § 313 Abs. 1 BGB kann eine Anpassung des Vertrags verlangt werden, wenn sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert haben und die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen hätten, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten; eine Vertragsanpassung kommt allerdings nur in Betracht, soweit einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann.

16

2. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Eine Vertragsanpassung nach den Regeln über die Störung der Geschäftsgrundlage scheitert zwar nicht von vornherein daran, dass die Versorgungsvereinbarung der Parteien infolge der „außerplanmäßigen“ Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung durch § 275c SGB VI lückenhaft geworden sein könnte. Eine Vertragslücke stünde der Anwendung der Regeln über die Störung der Geschäftsgrundlage nicht entgegen (vgl. BAG 23. April 2013 - 3 AZR 475/11 - Rn. 19). Die durch die „außerplanmäßige“ Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung zum 1. Januar 2003 verursachte Versorgungseinbuße der Klägerin von 167,20 Euro monatlich, dh. von ca. 20 %, ist jedoch nicht so schwerwiegend, dass ihr ein Festhalten am unveränderten Vertrag unzumutbar wäre.

17

a) Nicht jede einschneidende Veränderung der bei Vertragsschluss bestehenden oder gemeinsam erwarteten Verhältnisse rechtfertigt eine Vertragsanpassung. Erforderlich ist nach § 313 Abs. 1 BGB vielmehr, dass der betroffenen Partei unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann. Dies kann nur angenommen werden, wenn ein Festhalten an der vereinbarten Regelung für die betroffene Partei zu einem nicht mehr tragbaren Ergebnis führt (BAG 23. April 2013 - 3 AZR 475/11 - Rn. 21; BGH 1. Februar 2012 - VIII ZR 307/10 - Rn. 30 mwN).

18

b) Das Festhalten an der unveränderten Versorgungsregelung führt für die Klägerin nicht zu einem untragbaren, mit Recht und Gerechtigkeit nicht zu vereinbarenden Ergebnis.

19

Die „außerplanmäßige“ Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung um 500,00 Euro monatlich und 6.000,00 Euro jährlich nach § 275c SGB VI führt für die Klägerin, deren betriebliche Altersrente sich bei Eintritt des Versorgungsfalls, dh. ab dem 1. Januar 2009, auf 671,31 Euro beläuft, zu einer Versorgungseinbuße von etwa 20 %. Diese Versorgungseinbuße ist für die Klägerin nicht untragbar.

20

Dabei kann offenbleiben, ob die von der Klägerin hinzunehmende Versorgungseinbuße entsprechend den Erwägungen des Senats in dem Urteil vom 30. März 1973 (- 3 AZR 26/72 - BAGE 25, 146) bis zu 40 % beträgt. In dieser vor Inkrafttreten des § 16 BetrAVG ergangenen Entscheidung hatte der Senat angenommen, dass der Arbeitgeber verpflichtet war, Anpassungsverhandlungen mit dem ehemaligen Arbeitnehmer aufzunehmen, wenn der eingetretene Kaufkraftverlust 40 % betrug. Es bedarf auch keiner Entscheidung, ob die Schwelle zur Unzumutbarkeit („Opfergrenze“) bereits früher überschritten und ggf. in Anlehnung an die Rechtsprechung des Fünften Senats des Bundesarbeitsgerichts (11. Oktober 2006 - 5 AZR 721/05 - Rn. 23 mwN; 12. Januar 2005 - 5 AZR 364/04 - zu B I 4 c bb der Gründe, BAGE 113, 140) zur Wirksamkeit der Vereinbarung eines Widerrufsvorbehalts zu bestimmen sein könnte. Danach ist ein Widerrufsvorbehalt nicht nach § 308 Nr. 4 BGB unwirksam, wenn der im Gegenseitigkeitsverhältnis stehende widerrufliche Teil des Gesamtverdienstes unter 25 % liegt und der Tariflohn nicht unterschritten wird; bei Zahlungen des Arbeitgebers, die keine unmittelbare Gegenleistung für die Arbeitsleistung darstellen, sondern Ersatz für Aufwendungen sind, die an sich vom Arbeitnehmer selbst zu tragen wären, kann der widerrufliche Teil der Arbeitsvergütung bis zu 30 % betragen; in diesen Grenzen ist die Änderung der vereinbarten Leistung für den Arbeitnehmer zumutbar iSd. § 308 Nr. 4 BGB. Jedenfalls ist eine Versorgungseinbuße von ca. 20 % auch vor dem Hintergrund, dass die Altersrente nach der VO 95 Entgelt für Betriebszugehörigkeit ist, nicht so schwerwiegend, dass der Klägerin ein Festhalten an der ursprünglichen Vereinbarung nicht mehr zugemutet werden könnte.

21

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Gräfl    

        

    Spinner    

        

    Ahrendt    

        

        

        

    G. Kanzleiter    

        

    S. Hopfner    

                 

Verwandte Urteile

Keine verwandten Inhalte vorhanden.

Referenzen